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Book > J)4
SMITHSONIAN..DEPOSIT
3
Zeitschrift
der
Deutsclien Geologischen Gesellschaft,
(Abhandlungen und Monatsberichte.)
66. Band.
1914.
(Mit 40 Tafeln.)
Berlin 1915.
Verlag- von Ferdinand Enke
Stuttgart.
Universitats-Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke), Berlin N.
lnhalt.
Hinter dem Titel der Veroffentlicbungen bedeutet 4: Abbandlung,
5: Brief licbe Mitteilang imd V: Vortrag.
(Die Seitenzahlen der Monatsbericbte sind kursiv gedruckt.)
Seite
Beck, Richard: Uber einen GraniteinscbluB im Pecbstein von
Garsebacb bei MeiBen und uber Entwasserungsvorgange in
diesem Gestein. (Mit 1 Textfigur.) B .244
Chaulesworth, John K.: Das Devon der Ostalpen. V. Die
Fauna des devoniscben Riffkalkes. III. Crinoiden. JV. Korallen
und Stromatoporoiden. (Hierzu Tafel XXVIII bis XXXIV
und 5 Textfiguren.) A . 330
Dorpinghaus, W. T.: Die Aniblygonitgange von Caceres in Spanien
und ibr genetiscbes Verbaltnis zu den Zinnsteinvorkommen
(ein neuer Typus pneumatolytiscber Lagerstatten). V. . . . 342
Eck, Otto: Die Cephalopoden der Schwnfurthscben Sammlung
aus der Oberen Kreide Agyptens. (Hierzu Tafel IX bis XIX
und 20 Textfiguren.) A 179
Fischer, Ernst: Zur Stratigrapbie des Mesozoicums in Persien.
B 39
Franke, A.: Die Foraminiferen und Ostrakoden des Emscbers,
besonders von Obereving und Derne nordlicb Dortmund.
(Hierzu Tafel XXVII.) A 428
Franke, Fritz: Die Fauna des Emschers bei Dortmund. B. . 214
Frech: Uber geologiscbe Forscbungsreisen im Taurus undtiirkiscb-
russiscben Grenzgebirge. (Titel.) V. 415
— Zur Frage der Kar-Entstebting. B 335
Gagel, C.: Neue Beobacbtungen in den Kreidegruben von Finken-
walde bei Stettin uber Untereocan, Paleocan? und Interglazial.
(Hierzu Tafel XL und 4 Textfiguren.) A ' 505
— Studien uber den Aufbau und die Gesteine Madeiras. II. Teil
(ScbluB). (Hierzu Tafel XXXVII und 7 Textfiguren.) A. . . 449
Grupe, 0.: Diskussion zum Vortrag Haarmann. V 361
— Diskussion zum Vortrag Renner. V. 7
Gurich, G. : Solenopora im oberdevoniscben Kontaktkalk von
Ebersdorf bei Neurode in Scblesien. B 383
Haack, Wilhelm: Uber eine marine Permfauna aus Nordmexiko
nebstBemerkungen iiber Devon daselbst. (Hierzu Tafel XXX VIII
bis XXXIX und 2 Textfiguren.) A 482
Haarmann: Diskussion zum Vortrag Jaekel. V. 314
— Uber den geologiscben Bau Nordwestdeutscblands. (Mit 4 Text-
figuren.) V. 354
[V
Seite
Haarmann: Erwiderung in der Diskussion. (Mit 1 Textfigur.)
V. 367
Hahn, F. Felix : Weitere Beobachtungen in der Flyschzone S&d-
bayerns. 2. Zusammensetzung und Bau im Umkreis und
Untergrund des Murnauer Mooses. (Mit 2 Abbtldungen.) B. 46
Haehnel, .0.: Beitrage zur Kenntnis der Geologie Neu-Guineas.
(Mit 1 Textfigur.) B 250
Harbort: Diskussion zum Vortrag Schmidt. V. §40
— Magnetkiesvorkommen in der Salzlagerstatte vom Aller Nord-
stern. (Titel.) V. 276*
Harbort, E., u. A. Mestwerdt: Vorlaufige Mitteilungen uber das
geologische Profil des Mittellandkanales. (Mit 6 Textfiguren.)
V. 161
Hess von Wichdorff, H.: Foitsetzung und Verlauf der sarn-
landischen Endmorane in OstpreuBen. (Mit 2 Textfiguren.) V. 264
Horn: Uber die G-eologie des Kiautschougebietes. V 202
Jaekel, 0.: Neue Beitrage zur Tektonik der Rugener Kreide.
(Titel.) V 314
— tiber die Abgrenzung der Geologie und Palaontologie. B. . 316
Jentzsch: liber die siidliche Fortsetzung des finnischen Sckildes.
(Mit 1 Textfigur.) V. 371
Kaunhowen: Zum Gedachtnis Fotonies f. (Mit einem Bikinis.)
B 384
— Nachruf auf Fr. Tornau f . (Mit einem Bildnis.) V. .... 410 '
Keilhack, K.: Die Schlammfiihrung des Yangtse. B 325
— Granatdiinen in Siid-Ceylon. (Titel.) V SO
— Uber subtropische und tropische Torfmoore. (Titel.) V. . . J 91
Korn: Neue Enclmoranen und Osar zwisehen Schneidemuhl und
Arnswalde. (Titel.) V 80
Kranz, W.: Aufpressung und Explosion oder nur Explosion im
vulkanischen Ries bei Nordlingen und im Stein heimer Becken.
(Mit 3 Abbildungen.) B 9
Krause, Paul Gustav: Paludina (Vivipara) diluviana Kunth aus
dem alteren Interglazial des Niederrheins. B. ....... . 93
Krenkel, E.: Zur Gliederung der Kreideformation in der Um-
gebung von Dresden. B 25
Krusch: Diskussion zum Vortrag Haarmann. V 363
— Zum Gedachtnis Felix Wahnschaffes f . V. 65
Kuhlmann, L. : tiber die Untere Kreide im westlichen Osning. B. 328
Lachmann, R.: Zur Klarung tektonischer Grundbegriffe. Eine
Entgegnung auf Stilles „Saxoniscbe Faltung". (Mit 6 Text-
figuren.) B. 227
Leidhold, Cl.: tiber einen Manticoceras nintumescens Beyr." sp.
mit erhaltener Mundung. (Hierzu 1 Textfigur.) B 97
Lotze, K.: Beitrage zur Geologie des Aarmassivs (Untersuchungen
iiber Erstfelder Gneise und Innertkirchener Granit). (Hierzu
Tafel XX bis .XXI und Textfiguren.) A. 217
Menzel, Hans: tiber die Fossilfiihrung und Gliederung der L6B-
formation im Donautal bei Krems. Eine vorlaufige Mitteiluno.
(Mit 1 Textfigur.) B 192
— tiber einige Pliocan-Fossilien vom Niederrhein. (Mit 1 Text-
tafel.) V 272
Mestwerdt, A., siehe Harbort, E., u. A. Mestwerdt.
Michael: Eduard Suess f. V. 260
V
Seite
Milch, L.: Zu Harry Rosenbuschs Gedachtnis. (Mit einem
Bikinis.) V. 129
Naumann, Ernst: Uber zwei neue Vorkommen von Basalt in
Gangform bei Bermbach und Dankmarshausen a. d. Werra.
(Mit 1 Texttafel und 4 Textfiguren.) B 425
Pohlig, Hans: Beneckeia subdenticulata Pohlig aus dem Rot-
dolomit von Jena. B 256
— 'rraues, marines Oberoligociin im Untergrunde der Stadt
L'iisseldorf. B 197
— Interglazialtravertin des Taubachimns mit Zonites verticillus
aus der Eifel. B 63
— Neue rheinische Haliseritenfunde. B 254
— Neues von der Trogontherienstufe am Niederrhein. B. . . . 124
Quiring, H.: Uber das Alter des Eifelgrabens und der Nord-
Siid-Verwerfungen in der Eifel. B.
1 1
Rauff: Diskussion zum Vortrag Haarmann. V. 366
Renner, 0.: Uber den Zechstein an der Pyrin onter Achse. V. . /
Rothpletz, A.: Beitrage zur Stratigraphie und Tektonik des
Simplongebietes. (Hierzu Tafel VI bis VIII und 24 Text-
figuren.) A 76
Schmidt, C: Die Kalisalze in Katalonien. (Titel.) V 340
Scholz, E. (f): Vulkanologische Beobachtungen an der Deutsch-
Ostafrikanischen Mittellandbahn. B 330
Schuh, Friedr.: Geologische Beschreibung der Gegend von
Saignelegier und les Pommerats, mit einem Anhang zur
allgemeinen Juratektonik. (Hierzu Tafel IV u. V und 10 Text-
figuren.) A 34
vox Seidlitz, Wilfried: Leitlinien varistischer Tektonik im
Schwarzwald und in den Vogesen. B 100
Sommermeier, L.: Neue Ooide. (Hierzu Tafel XXIII bis XXVI.)
A 318
Stremme: Die Verbreitung der Bodentypen in Deutschland.
(Titel.) V 80
V. Stromer, E.: Mitteilungen iiberM Wirbeltierreste aus dem
Mittelpliocan des Natrontales (Agypten). 3. Artiodactyla:
A. Bunodontia : FluBpferd. (Hierzu Tafel I bis III und 15 Text-
figuren.) A 1
— 4. Fische: a) Dipnoi: Protopterus. (Hierzu 4 Textfiguren.)
B 420
Tietze: Diskussion zum Vortrag Haarmann. V 364
Tilmann, Norbert: Zur Tektonik des Monte Guglielmo und
der mittleren Val Trompia. (Hierzu Tafel XXII und 6 Text-
figuren.) A 302
Wahnschaffe, Felix (f): Kritisehe Bemerkung zum Interglazial II
und Spatglazial Norddeutschlands. B 81
Walther, Joh.: Demonstration eines von ihm angegebenen
qrogenetischen Spaltenapparats. (Titel.) V. 213
— Uber die Bildung flachenhafter Diskordanzen. (Titel.) V. . 202
— Uber tektonische Druckspalten und Zugspalten. B 284
Walther, K.: Uber Vorkommen und Entstehung eines Talk-
sehiefers in Uruguay und fiber seine partielle Verkieselung.
(Hierzu Tafel XXXV und 2 Textfiguren.) A .408
Wiegers, Fritz: Uber die Fossilfiihrung und Gliederung der
LoBformation im Donautal bei Krems. B 379
VI
Seite
Wolff, W.: Bericht iiber die Exkarsionen des Internationalen
Geologenkongresses in Toronto. (Titel.) V 8
Wunstorf: Die Erdollagerstatten Nordamerikas. (Titel.) V. . . 213
Wurm, A.: Ubef einige neue Funde aus dem Muschelkalk der
Umgebung von Heidelberg (Ptychites dux Gieb. und Velo-
pecten Alberti (Goldf.) Philippi). (Hierzu Tafel XXXVI und
4 Textfiguren.) A 444
Zimmermann I, E. : Diskussion zum Vortrag Ha arm ann. V. . . 365
— Gerolltonschiefer im Untersilur Thiiririgens. V. 269
Bericht des Archivars 418
- Schatzmeisters 416
Druckfehlerberichtigungen vn
Mitgliederverzeicbnis 536
Mitgliederzahl 418
Neueingange der Bibliothek .... 520, 127, 199, 312, 352, 407, 436
Ortsregister 439
Protokoll der Sitzung am 7. Januar 1914 1
- Sitzung am 11. Februar 1914 65
- Sitzung am 4. Marz 1914 129
- Sitzung am 1. April 1914 201
- Sitzung am 6. Mai 1914 257
- Sitzung am 10. Juni 1914 313
- Sitzung am 15. Juli 1914 559
- Sitzung am 4. November 1914 355
- Sitzung am 2. Dezember 1914 409
RechnungsabschluB 519
Pedaktionsbericht 419
Sachregister 445
VII
Druckf ehlerb erichtigungen.
S. 319, Zeile 9 von oben lies „ e ntsprechende Gebilde von
Kalkspat aus den gewohnlichen " statt „ent-
sprechende Gebilde aus den gewohnlichen ".
S. 319, FuBnote 1 lies „K type if statt „Klypcit".
S. 336, Zeile 13 von unten lies „ Hexacrinus exsculptus" statt
vHexacrinus excutptus" .
S. 64, Zeile 9 von unten lies „Ursus spelaeus" statt „Ursus spelaean.
S. 125, Zeile 5 von oben lies „Elephas (pr imigenius) trogontherii*
statt ^Elephas (primigenius) trogonterii".
S. 161, Zeile 5 von unten lies „Minden i. Westf." statt „Minden".
S. 195, Zeile 18 von oben lies „RiB- Wiirm-Interglazial" statt
„RiB-Wurm".
S. 197, Zeile 8 von oben lies „Faunenwechsel im Diluvium" statt
„Faunenwechsela.
S. 273 Zeile 10 von oben lies „Lithoglyphus Neumayri". statt „Litho~
glyphus Neumeyeri" .
S. 330, Zeile 5/6 von oben lies „Hoplites Deshayesi" statt „Hoplite$
Deshagesi".
Zeitschrift
der
Deutschen Geologischen Gesellschaft.
(Abhandlungen und Monatsberichte.)
1. Heft.
A. Abhandlungen
66. Band.
Januar bis Marz 1914.
(Hierzu Tafel I— V).
Berlin 1914.
Verlag von Ferdinand E
Stuttgart.
1914.
Aufsatze:
INHALT.
1. v. STROMER, E.: Mitteilungen iiber Wirbeltierreste
aus dem Mittelpliocan des Natrontales (Agypten).
3. Artiodactyla: A. Bunodontia: FluBpferd. (Hierzu
Taf. I— III und 15 Textfiguren) 1 j
2. SCHUH, FRIEDR.: Geologische Beschreibung der
Gegend von Saignelegier und les Pommerats, mit
einem Anhang zur allgemeinen Juratektonik. (Hierzu
Taf. IV u. V und 10 Textfiguren) 34
3. ROTHPLETZ, A.: Beitrage zur Stratigraphie und
Tektonik des Simplongebietes. (Hierzu Taf. VI— VIII
und 24 Textfiguren) 76
(SchluB und zugehorige Tafeln im nachsten Heft.)
4- iv
Deutsche Geologische Gesellschaft.
Vorstand fur das Jahr 1914
Vorsitzender: Herr Wahnschaff e*}* Schriftfuhrer: Herr Bartling
Stellvertretende Vor- f „ Borniiardt „ Hennig
sitzende: \ „ Krusch „ Janensch
Schatzmeister: „ Michael „ Weissermel
Archivar: „ Schneider
Beirat fiir das Jahr 1914
Die Herren: FRECH-Breslau, FRICKE-Bremen, MADSEN-Kopenhagen,
OEBBECKE-Mfinchen, RoTHPLETZ-Miinchen, SALOMON-Heidelberg.
— <$>
Mitteilungen der Redaktion,
Im Interesse des regelmafiigen Erscheinens der Abhandlungen. und Monats-
berichte wird um umgehende Erledigung aller Korrektaren gebeten.
.Die Manuskripte sind druckfertig einzuliefern. Die Kosten fiir
Korrekturen, Zusatze und Anderungen in der 1. oder 2. Korrektur werden
von der Gesellschaft nur in der Hohe von 6 Mark pro Druckbogen getragen; alle
Mehrkosten fallen dem Autor zur Last.
Der Autor erhalt in alien Fallen eine Fahnenkorrektur und Dach Umbrechen
des betreffenden Bogens eine Revisionskorrektur. Eine dritte Korrektur kann
nur in ganz besonderen Ausnahmefallen geliefert werden. Fiir eine solche hat
der Autor die Kosten stets ganz zu iibernehmen.
Im Manuskript sind zu bezeichnen:
tJberschriften (halbfett) doppelt uDterstrichen,
Lateinische Fossilnamen (kursiv!) durch Schlangenlinie,
Autornamen (Majuskeln) rot unterstrichcn,
Wichtige Dinge (gesperrt) schwarz unterstrichen.
<$>
Bei Zusendungen an die Gesellschaft wollen die Mitglieder
folgende Adressen benutzen:
1. Manuskripte zumAbdruck in der Zeitschrift, Korrekturen sowie daraut
bezflglichen Schriftwechsel Herrn Konigl. Geologen, Privatdozenten
Dr. Bartling,
2. Einsendungen an die Bucherei sowie Reklamationen nicht eingegangener
Hefte, Anmeldung neuer Mitglieder, Anzeigen von Adressenanderungen
Herrn Sammlungskustos Dr. Schneider,
beide zu Berlin N 4, Invalidenstr. 44.
3. Anmeldung von "Vortragen fur die Sitzungen Herrn Professor Dr
Janensch, Berlin N.4, Invalidenstr. 43.
4. Sonstige Korrespondenzen an Herrn Geh. Oberbergrat Bornhardt,
Charlottenburg, Dernburg-Str. 49 oder Herrn Professor Dr. Krusch,
Berlin N4, Invalidenstr. 44.
5. Die Beitrage sind an Herrn Professor Dr. Rich. Michael, Charlotten
burg, Kaiserdamm 74, Postscheckkonto Berlin NW 7, Konto Nr. 16071
oder an die Deutsche Bank, Depositenkasse Q, fur das Kocto ^Deutsche
Geologische Gesellschaft E. V.K porto- und bestellgeldfrei einzuzahlen
!
Zeitschrift
der
Deutsclien Geologischen Gesellschaft
Aufsatze,
h Mitteilungen iiber Wirbeltierreste aus dem
Mittelpliocan des Natrontales (Agyi)ten).
V
Von Herrn Ernst Stromer (Miinchen).
(Hierzu Tafel 1— III).
3. Artiodactyla: A. Bunodontia: Fluflpferd1)
"Dber die Reste von Hippopotamus hipponensis Gaudry, die
bisher am Garet el Muluk und Fundorte C sich fanden, habe
ich (Abb. Senckenbg. 1905, S. 109 ff.) schon ausfiihrlich be-
riclitet, und zu der dort angefiihrten Literatur ist nur wenig
nachzutragen. (S. 23.) Herrn Markgrafs bei meiner Reise
1910/1911 YOrgenomniene Ausgrabungen am Garet el Muluk
forderten fur die Miinchner Sammlung auBer einzelnen Skelett-
teilen eine Anzahl einzelner Zahne des bleibenden und des
Milchgebisses zutage, so daB iiber wiehtige Organe der bis-
her sehr dtirftig bekannten Art AufschluB gegeben Yverden kann.
Da ihre Selbstandigkeit schon feststeht, beschranke ich mich im
wesentlichen darauf, all diese Teile zu beschreiben und Yor
allem mit entsprechenden des rezenten FluBpferdes zu ver-
gleichen, da Yon ihm dank des liebenswurdigen Entgegen-
kommens Yon Prof. Dr. Leiseyvitz wenigstens Yom GebiB ge-
nugendes Material der hiesigen Skelettsammlung zur Verfu-
gung steht, um iiber die Variabilitat einigermaBen klarzu-
werden und dadurch eine monographische Bearbeitung der
interessanten Familie der Hippopotamidae zu erleichtern.
Bei der Untersuchung des bleibenden Gebisses Yergleiche
ich auBer A nur deutsch-ostafrikanische FluBpferde: A einen Yon
Herrn Brugel 1907 in Aden gekauften Schadel Yon 55 cm.
JUL 15 1914
l) Die Abschnitte 1. Affen and 2. Raubtiere sind in dieser Zeitschrift
BaDd 65, 1913, S. 350 ff erschienen.
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 1
j
2
Basallange, dessen P 4 und M 3 eben angekaut sind; B einen
Schadel coll. Engelhardt 95 von 60 cm Lange, ebenso abge-
kaut; aus coll. Kattwinkel: C einen 58 cm langen, ungefahr
ebenso abgekauten, D einen 55 cm langen Schadel, bei dem
P 4 und M 3 im Durchbruch begriffen sind, sowie E und F
Schnauzen in ungefahr demselben Stadium. Die Matfe sind in
der Tabelle auf S. 22/23 zusammengefaflt.
I. Bleibendes GebiD.
Yon den oberen Zahnen ist der I 1, welcher bei B ver-
loren gegangen ist, stiftformig, gerade oder eben gebogen und
wird mesial und lingual abgekaut. Wie E zeigt, ist die Spitze
auBer mesial vorn iiberall mit Schmelz bekleidet, der Yertikal
gerieft ist und lingual seitlich eine Kante zeigt. Sonst ist
nur, labial oder labial seitlich ein breiter, bei C aber schmaler
Schmelzstreifen yorhanden, und bei A fehlt auch dieser. Die
schmelzlose Oberflache ist gerieft. Der urspiinglich kreisformige
Querschnitt endlich wird bald infolge schwacher seitlicher Ab-
plattung oyal.
Der ebenfalls stiftformige 12 ist etwas bis sehr deutlich
gebogen und zeigt nur bei E und wohl auch bei F labial und seit-
lich je einen breiten, sonst nur labial, bei B aber nur labial
seitlich einen feingerieften Schmelzstreifen; bei C, wo der Zahn
sehr wenig gebogen ist, fehlt auch dieser. Die schmelzlose
Oberflache ist deutlich gerieft, das Ende kegelformig und be-
sonders lingual abgekaut. Bei A und B jedoch ist das Ende nur
lingual konkav abgekaut. Der Querschnitt ist kreisformig bis
etwas OYal.
TTnter den Fossilien kann ein stiftformiger. kaum ge-
bogener und schmelzloser Zahn nur mit Yorbehalt als oberer
II angesehen werden ; denn er ist nicht gerieft, stark seitlich
komprimiert und relativ klein. Dagegen ist mit ziemlicher
Sicherheit ein linker 1 2 vorhanden (Taf. I, Fig. la — c). Er ist
deutlich gebogen, auch ein wenig seitlich gekriimmt, im Quer-
schitt oval und etwas langsgerieft. Labial ist ein sehr
schmaler, basalwarts spitz auslaufender Streifen you wenig
langsgestreiften Schmelz vorhanden und das Ende ist in einer
schragen Flache lingual abgekaut. Er gehort also wohl einem
ziemlich alten Tiere an.
Der deutlich gebogene prismatische C der FluBpferde ist
stets queroYal, wobei seine Durchmesser sich etwa wie 2:3 Yer-
halten. Er hat an der Distalseite eine maJig tiefe und nicht
sehr breite Furche, die etwas der mesialen Seite genahert Yerlauft.
3
Der Schmelz, der gestreift, bei B aber etwas gerieft ist, nm-
kleidet die ganze Labialseite imd Distalseite. Die schmelzlose
Mesial seite ist gerieft, das Eude vorn in ebener Flache abge-
kaut, die mesial weiter basalwarts reicht als lateral.
Ein linker fossiler C (Taf. I, Fig. 2 a, b) ist groBer als bei
E imd F, also relativ sehr stark. Seine Furche ist nicht groBer,
liegt aber ziemlich in der Mitte der Distalseite, und der deut-
lich gestreifte Schrnelz fehlt an der mesialen sowie an der ganzen
vorderen Labialseite, die schwach gerieft sind. Endlich reicht
die Abkauungsflache lateral mehr basalwarts als mesial.
Der Pi der ostafrikanischen FluBpferde ist offenbar im
Schwinden begriffen, denn nur bei E ist ein durch Diastemata
isolierter zweiwurzeliger Zahn vorhanden, dessen konische Krone
nur etwa 15 mm hoch, 16 lang und 7 dick ist. Bei F ist links nur
ein Alveolenrest vorhanden, rechts ein oben abgekauter kleiner
einwurzeliger Kegelzahn von nur 13 mm Lange und 7 mm
Dicke. Bei A und D ist nur ein einfacher Alveolenrest, und
zwar nur auf einer Schaclelseite, vorhanden, ja bei B und C
fehlt auch diese Spur. Wie schon Cuvier (1834, S. 408) im
Gegensatz zu Blainville (Hippopotamus S. 30, Anm. 1) und
neueren Autoren, z. B. Schlosser und Stehlin, konnte man den
Zahn eber fur einen D M 1 halten, der ohne Nachfolger am
Schlusse des Zahnwechsels ausfallt. Aber ein von mir unter-
suchtes MilchgebiB zeigt einen von E etwas verschiedenen D M 1
(S. 10), wahrend bei F der DM1 noch vorhanden zu sein und ohne
Nachfolger auszufallen scheint. Jedenfalls hat das rezente
FluBpferd praktisch nur drei Pramolaren1).
Der zweiwurzelige P 2 ist konisch, aber sein Kronen-
umriB ist basal etwa im Verkaltnis 3:2 langsgestreckt. Der
rauhe Schmelz bildet distal innen oder auch mesial ofters einen
schwachen Basalwulst. Der Kegel ist manchmal distal, weniger
oft auch mesial etwas abgeplattet und an diesen Flachen kantig
begrenzt. Bei E endet die distale auBere Kante mit einem
Hockerchen neben der Hauptspitze.
Der P 3 ist, wohl ausnahmsweise, bei A und E durch ein
etwa 15 mm langes Diastema vom P2 getrennt. Er ist etwas
groBer, bei E und F jedoch nicht |1 anger als er und ziemlich
ebenso gestaltet. Der Basalwulst ist variabel, indem er bei
A und B mesial fehlt und distal auBen am hhochsten ist, bei
C aber lingual vorn hoch. Die Krone hat bei A und B lingual
hinten eine weniger steile Flanke, bei D an der Lingualseite
l) Man sollte das in der Zahnformel ausdriicken, etwa indem man
*den ersten Pramolar, wie uberhaupt derartige rudimentare Zahne, nur
in einer Klammer anfuhrt.
1*
4
Kanten, bei E endlich wie am P2 einen Hocker distal auBen an
der Hauptspitze.
Der P4 bricbt erst gleicbzeitig mit dem M3, also sebr
spat, durcb. Er ist zwar dicker, aber kiirzer als der P3 und
desbalb, auBer bei D, eben dicker als lang. Er scheint gele-
gentlich drei Wurzeln zu besitzen und variabler zu sein als
die mittleren P. Die konische Krone zeigt mancbmal an alien
yier Seiten Kanten, mancbmal nur lingual und distal. Der
Basalwulst ist bei A ringsum yorbanden und lingual stark,
bei B feblt er buccal und ist distal auBen stark, bei C ist
er lingual und distal sebr stark und distal auBen zu einem
Hocker verdickt, bei D endlicb ist er lingual und distal innen
sebr stark. Bei E und F ist der P4 wie die weiteren Zabne
leider nicbt yorbanden.
Fossil liegt mir kein P 1 und kein sicbrer P 2 Yor, ein
reenter Pramolar (Taf. I, Fig. 3 a, b) ist aber wohl ein P 3.
Er besitzt zwei gleicb starke Wurzeln; die stark abgekaute
Krone ist relatiY lang, langsoYal und 'mesial, buccal und distal
Yon einem sebwacben Basalwulst umgeben. Ibre raube Buccal-
seite ist steiler als die glatte Lingualseite und die innen sanft
abfallende Distalseite. Endlicb war mesial und distal offenbar
eine Kante Yorbanden.
Als reenter P 4 ist wobl ein Zabn anzuseben, dessen distale
Wurzel in eine auBere und sebwacbere innere Wurzel geteilt
ist (Taf. I, Fig. 4a, b). Ein Zabnkeim entspricbt dann einem
linken P 4, und ein gleicbgestalteter recbter und linker Zabn-
keim, ebenfalls vom Garet el Muluk, liegt in dem Materiale
des Senckenberg- Museums Yor. Diese Keime sind allerdings
ein wenig kiirzer und deutlicb scbmaler als der ganze Zabn,
sie entsprecben bei ibrer geringen Hobe eben nur dem oberen
Teil you dessen Krone. Sie ist koniscb, eben angekaut, buccal
fast glatt, lingual stark runzelig, mesial und distal mit einer
Kante Yerseben, die distal stark und bockrig ist. Mesial und
distal ist aucb ein Basalwulst Yorbanden, der distal innen
ziemlicb Yerdickt ist.
Die drei fossilen unabgekauten oberen Molaren sind scbon
Yon Andrews (1902 S. 435, Taf. 21, Fig. 3—5) und mir (1905
S. Ill, Taf. 20, Fig. 2) bescbrieben und abgebildet. Neu liegt
nur ein stark abgekauter (Taf. I, Fig. 5), wobl der zweite recbte,
Yor, der in den Mafien und der Gestalt mit dem Yon mir be-
scbriebenen iibereinstimmt. Seine Hocker weisen die fur FluB-
pferde bezeiebnende Kleeblattform auf. Wie icb scbon a. a. 0. S.
113 bervorbob, ist bei rezenten der Basalwulst mesial und distal
zwar meistens stark, am M 3 aber aucb hier nicbt, buccal und
5
lingual stets hochstens als Wulst oder Hocker am Eingange des
Quertales des M 1 und M 2 vertreten. Bei den fossilen M jedoch
ist der Basalwulst ziernlich gleichmiifiig und deutlich ausgebildet.
Yon den unteren Zdhnen der rezenten ostafrikanischen FluB-
pferde ist der stets schmelzlose 1 1 stark, fast gerade, stiftformig
nnd deutlich gerieft, ini Querschnitte beinahe kreisformig, nur
bei B oval. Sein Ende ist bei A kegelformig, sonst lingual
aufien abgekaut.
j Der viel schwachere I 2 gleicht ihni, ist aber bei A als
Ausnahme deutlich, wenn auch weniger als der obere 12 ge-
bogen. Nur bei C ist sein Querschnitt ein wenig oval. Das
Ende ist ursprungiich kegelformig und bei F noch rings mit
Schmelz umgeben, der sich labial und etwas schwacher lingual
in je einem basalwarts spitz auslaufenden Streifen bei D und
E noch vorfindet. Die Spitze ist bei diesen oben und besonders
lingual abgekaut. Bei B und C ist kein Schmelz mehr vor-
handen und das kegelformige Ende bei B labial, bei C lingual
am starksten abgekaut. A bietet auBer in seiner Kriimmung
noch darin eine Ausnahme, dafi von seinem liugual abgekauten
Ende labial ein fein langsgestreiftes Schmelzband bis zur Basis
herabzieht. Der I 2 zeigt also nicht nur je nach dem Lebens-
alter ein ziemlich verschiedenes Aussehen, sondern ist auch
speziell in der Art der Abkauung und der Schmelzausbildung
stark variabel.
Gaudky (1876 S. 501/502) hatte 6 Reste von I, die er
einem Unterkiefer entnommen glaubte. Er hielt einen 23 mm
dicken (a. a. 0. Taf. 18, Fig. 1) fur den I 1, zwei 20 mm dicke
(a. a. 0. Fig. 2, 2a, 3, 3a) fur I 2 und I 3, da bei den rezenten
der I 1 starker ist, wahrend die indischen Hexaprotodon andere
Verhaltnisse zeigen, indem alle drei I gleich stark sind, oder
der zweite viel schwacher als die andern ist. Ich brach aber
eigenhandig aus einem verwitterten Unterkiefer am Profil C des
Natrontales jederseits nur zwei gleichstarke 16,5 — 16,7 mm
dicke I aus (1905 S. 110, Taf. 20, Fig. 8) und glaube nicht,
dafi ich etwa je einen starkeren ganzlich verwitterten I 1 oder
je einen rudimentaren I 2 dabei ubersah.
Jetzt liegen mir vom G-aret el Muluk drei einzelne I vor.
Der starkste (Taf. II, Fig. 1 a, b) ist gerade, schmelzlos, an
seiner etwas abgeblatterten Oberflache gerieft, im Querschnitte
fast kreisformig und am Ende konisch abgekaut. Er enthalt
•eine weite Pulpahohle, wahrend der 1905 von mir abgebildete
I 1 nur die oberste Spitze einer solchen enthalt und im Durch-
messer basalwarts dicker (bis zu 20 mm) wird. Er entspricht
also wohl dem obersten, bei dem soeben beschriebenen schon
6
fast ganz abgekauten Teile des I 1, und beide gieichen ziemlich
dem wenig starkeren I 1 Gaudrys.
Der zweite Zahn (Taf. II, Pig. 2 a, b) ist erne kauni abge-
kaute obere Halfte wohl eines rechten I 2, sie ist unter deni
Schmelz kaum gerieft und im Querschnitt oval. Der schwach
ruiizelige Schmelz umkleidet die hoch konische Spitze. ist
lingual, distal und mesial Torn mit einer Langskante versehen;
ihr Schmelz reicht basalwarts distal und mesial hinten mit
einem Zipfel berab. Diese liegen also, wie die seitliche Kom-
pression des Zabnes und die 1905 Taf. 20, Fig. 8 abgebildete
Abkauungsflache zeigt, lateral statt wie bei den rezenten labial
und lingual. Von der Pulpahohle ist nur die oberste Spitze
erbalten.
Bei dem dritten Stiick ist die schmelzbedeckte Spitze fast
ganz abgebroehen, die Basis aber bis zum Unterende der weiten
Pulpahohle vollstandig. Die Schmelzzipfel sind hier ahnlich
wie bei dem vorigen, aber Yiel kiirzer, und der etwas geriefte
Schaft ist dadurch fast kreisformig. daB der labiolinguale
Durchmesser noch geringer als bei dem vorigen ist.
Trotz aller Unterschiede, besonders in den Dimensioneu,
konnten diese zweiZahne den 1905 beschriebenen 12 und Gaudrys
I 2 und I 3 entsprechen, da auch die rezenten I 2 sehr variabel
sind. Es wiirde sich also um ein Tetraprotodon handeln, bei
dem der I 1 nur in hoherem Lebensalter und auch dann nicht
so sehr wie bei dem jetzigen FluBpferd den I 2 an Starke iiber-
trifft.
Der untere C der ostafrikanischen FluBpferde ist stark ge-
bogen, dreiseitig, deutlich gerieft und nur an der Distalseite
schmelzfrei. Sie ist ein wenig nach innen gewendet, steht stumpf-
winklig zur Labialseite, ist meistens am schmalsten und wird oben
schrag abgekaut. Ihre Seitenteile sind gewolbt, median ist aber
eine flache, bei A paarige Binne vorhanden, die jedoch bei E sehr
schwach ist, und bei F fehlt. Bei F ist ubrigens der Schmelz
ungewohnlich reduziert, denn er bedeckt nur die Halfte der
Mesial- und Labialseite und endet hier basalwarts in Zipfeln,
wahrend an der Yorderkante ein schmelzfreier Streifen hoch
emporragt. Die etwas nach vorn gewendete Mesialseite ist am
breitesten, platt mit einer flachen Medianfurche. die etwas
riickgewendete Labialseite dagegen ist deutlich gewolbt, die
vordere Kante stets gerundet.
Meine Originale von 1905 (S. 110, Taf. 20, Fig. 7 und 11)
gieichen der Norm der rezenten C, nur sind sie kaum gerieft und die
Furche der Mesialseite ist sehr nach, die der Distalseite ein-
fach. Ein fast vollstandiger linker C (Taf. II, Fig. 3a, b\ bei
7
dem von dein glatten Schinelz leider nur labial ein Rest erhalten
ist, ist nur ganz wenig groBer und distal schmaler. Ein distal
abgekautes Oberende eines rechten C erreicht aber ebenso
wie Gaudrys Original (1876 S. 502) in seiner GroBe die des
rezenten. auch ist sein Schmelz schwach gerieft und mit feinen
runzeligen Langsstreifen versehen.
Bei den GroBenschwankungen der rezenten FluBpferdzahne
stehe ich nicht an, wie schon 1905 (S. 116) alle Stiicke zu der-
selben Art z. T. als wahrscheinlich alten Bullen angehorig zu
reehnen., Denn der hiesige Bildliauer Prof. Fritz Behn stellte
mir giitigst obere C. untere I 1 und C eines alten Bullen zum
Yergleiche zur Yerfiigung, den er im Rovuma im siidlichsten
Deutschostafrika erlegte. Zu den in derTabelle(S.22) angegebenen
Maflen fiige ich hinzu, daB in der Luftlinie der obere C 250,
der unter I 1 und C 400 mm hoch sind, daB die Durchmesser
des oberen C 43 und 51 mm sind. und daB die Breite des
Unterkiefers 510 mm betrug. Der Trager der Zahne war also
so groB vvie der diliwiale Hippopotamus major Europas und be-
statigt die Angabe Blainyilles (Hippopotamus, S. 26), daB das
Weibcben um 1L kleiner als das Mannchen sei. Nicht nur die
Grofie, sondern auch die Proportionen der Yorderen Zahne des
ostafrikanischen FluBpferdes schwanken also auBerordentlich.
Es mahnt das zur Yorsicht gegenuber den immer wiederholten
Versuchen. GroBenunterschiede bei systematischen LTnter-
scheidungen allzu einseitig zu betonen. besonders bei wenig
umfangreichem Vergleichsmaterial. Im ubrigen zeigen die ge-
waltigen Zahne fast keine Besonderheiten gegenuber den oben
beschriebenen ostafrikanischen, nur ist der Schmelz des oberen
C, der bis zur Mitte der Yorderseite reicht, nicht gerieft, sondern
nur gestreift, der fast gerade untere I 1 ist kegelformig abgekaut
und schmelzlos, unci der beinahe halbkreisformig gebogene
untere C hat eine sehr wenig gewolbte, mit zwei Furchen Yer-
sehene Distalseite, wahrend die Furche der Mesialseite nahe
der Vorderkante liegt.
Der untere Pi Yerhalt sich wie der obere, denn nur bei D
ist, doppelt so weit Yom P 2 als Yom I 2 entfernt, ein stark ab-
gekauter kleiner einwurzeliger Zahn Yorhanden, dessen 15 mm
lange, 10 mm breite kegelformige Krone mesial und distal ein
Basalhockerchen besitzt. Bei E und F findet sich nur eine
AlYeole naher am P 2 als am J 2, und bei A, B und C auch
daYon keine Spur.
Yom P 2 ist bei A links nur eine einfache AlYeole Yor-
handen, rechts und bei den andern Kiefern hat er zwei Wurzeln,
Er ist konisch, seme seitliche Abplattung betragt meist ein
8
Drittel, bei F aber die Halfte der Lange. Bei A und C ist er
oben und distal oder distal innen abgekaut und besitzt mesial
und distal Spuren eines Basalwulstes. Bei D hat er mesial,
bei E und F auch lingual und distal je eine Kante, und bei E
ist an der lingualen Kante in halber Hohe ein Hockerchen
angedeutet, bei F schwach ausgebildet.
Der stets zweiwurzelige P 3, dessen Langsachse ein wenig
nach hinten auBen lauft und der distalwarts breiter wird, ist
dem P2 ahnlich, nur groBer und anscheinend variabler. Bei A
und B fallt namlich die Distalfiache seiner Krone innen sanfter
ab als sonst, bei D, E und F ist mesial wie distal eine Kante,
und lingual hinten bei F eine glatte, bei E hockrige Kante,
bei B ein Wulst, bei D aber nur ein Hockerchen in halber
Hohe ausgebildet. Der Basalwulst ist mesial innen schwach,
bei C und F deutlich entwickelt, distal besonders auBen meistens
maBig und hier auBer bei B mit einem Knopf versehen, der
bei E und F ganz distal Iiegt.
Der P 4 verhalt sich wie der P 3 und ist zwar auBer bei D
ein wenig breiter, aber nur manchmal ganz wenig langer, bei
D sogar kiirzer als er. Seine Krone ist buccal wulstig, mesial
und distal kantig und lingual mit einem bei F kleinen, bei B
nur wulstigen, sonst hohen Nebenhocker versehen, so daB die
Abkauungsnache vierseitig wird. Der Basalwulst ist mesial
und distal auBen deutlich oder distal stark, bei E und F hier
zu einem Hocker verdickt.
Yon einem P 1 fand ich auch in dem oben auf Seite 5
erwahnten Unterkiefer, aus dem ich die beiderseitigen J, C und
P 2 ausbrach, gar nichts, so daB er auch hier fehlte oder ganz
rudimentar war. Der P 2, den ich (1905 S. 110, Taf. 20, Fig. 5)
beschrieb und yon aufien abbildete, ist, wie Taf. Ill, Fig 1
zeigt, relativ groB und von den rezenten durch die Abplattung
der Lingualseite und einen hohen, lingual hinten aus dem Basal-
wulst sich erhebenden Hocker ausgezeichnet, der vielleicht dem
Hockerchen bei E und F entspricht.
Der P3 ist von Gaudry (1876 S. 502, Taf. 18, Fig. 5, 5 a)
und Andrews (1902 S. 435, Taf. 21, Fig. 2) beschrieben und
abgebildet. Er gleicht dem P 2, nur ist er ein wenig langer.
Sein grofier lingualer Basalhocker entspricht wohl den bei dem
jetzigen FluBpferd variablen Gebilden der Lingualseite.
Die Krone eines rechten Zahnes (Taf. II, Fig. 4a, b), der
ein wenig breiter und kiirzer als diese P3 ist, muB als die
eines P 4 augesehen werden. Wie bei den rezenten ist die
konische, etwas ' seitlich komprimierte Krone buccal wulstig,
mesial und distal kantig und an der maBi'g gewolbten Lingual-
9
seite mit einem hohen Hocker versehen. Auch im Basalwulst
ist er kaum verschieden, denn dieser iet buccal und lingual
sehr schwach, mesial maBig, nur distal stark, aber nicht hoch.
Die unteren M der ostafrikanischen FluBpferde sind deutlicli
schmaler und wenig langer als die oberen, also maBig gestreckt,
ihrevier Haupthocker verhalten sich aber ziemlich ebenso wie jene.
Der Basalwulst ist am M 1 mesial und distal stark, auBer bei D
aber buccal und lingual als Hocker am Eingange des Quertales
ausgebildet. Am M2 ist er mesial meistens stark und hoch,
distal in der Mitte auch hoch und gewohnlich so stark, daB er
hier den Eindruck eines Medianhockers erweckt; im Eingange
des Quertales findet sich lingual selten ein Hockerchen. Am
M3 ist nur mesial ein schwacher Basalwulst vorhanden, distal
•derselbe Hocker wie am M2, jedoch so groB, daB er als fiinfter
Haupthocker erscheint. Er besitzt innen, bei C auch auBen
Nebeuhockerchen.
Fossil liegt nur eine unabgekaute Krone eines vierwurzeligen
rechten M 2 vor (Taf. Ill, Fig. 2a, b). Sie ist relativ klein,
deutlich schmaler und sogar ein wenig kiirzer als am oberen
M2 und maBig langsgestreckt. Der Schmelz ist runzelig, die
Tier Haupthocker sind schwach, aber doch so gefurcht, daB sie
bei dem Abkauen ungefahr eine Kleeblattform geben; im Quertale
ist nur buccal ein schwache/ Wulst vorhanden, mesial und distal
ist der Basalwulst zwar inaBig stark, aber nicht hoch, immerhin
•distal hoher und mit einem Medianspitzchen versehen.
II. MilchgebiD.
Yom MilchgebiB des FluBpferdes liegt mir leider nur eines
aus der hiesigen Skelett-Sammlung vor, in einem Schadel nebst
Unterkiefer aus dem Nil (1859) von 34 cm Basallange. Hier
treten die Spitzen der C, M 1 und unteren 1 1 eben aus den
Kieferknochen heraus, auch ist bewerkenswert, daB die oberen
Zahne links, wo ich sie maB (siehe die Tabelle auf Seite 22, 23!),
alle ein wenig groBer sind als rechts.
Ob en sind die zwei DI sehr klein, einfach konisch und
ein wenig gebogen. Ihre schmelzbedeckte und an der Spitze
abgekaute Krone war etwa 15 mm hoch. Der D 12 ist zwar
nur minimal groBer als der D II, immerhin herrscht also das
umgekehrte GroBenverhaltnis wie bei den I1).
Die D C sind leider schon ausgefallen; die 4 D M nehmen
l) Blaisville (Hippopotamus S. 28 und 32) spricht von einem
rudimentaren oberen D II und unteren D I 3, also von je 3 D I; ich
kann keine Spur von mehr als zwei beobachten, er*hatte aber ein
noch jiingeres Exemplar vor Augen.
10
distalwarts an Lange, Breite und Hohe zu. Ihr Schmelz ist
runzelig. Der D Ml ist vom D C durch ein etwas langeres
Diastema getrennt als vom DM2 und ist einwurzelig. Seine
konische Krone ist relativ hoch (19 mm) und etwas nach innen
geneigt, sie ist seitlich komprimiert, und mesial wie distal
kantig. Fur ein en Ersatzzahn, ein en Pi, ist kaum Platz vor-
handen, da die Alveole des C urimittelbar iiber der etwas schrag
nach hinten gerichteten des D M 1 liegt]).
Der DM2 ist durch ein Diastema, das seiner Lange fast
gleichkommt, yon ihm und durch ein ganz kurzes yom DM3
getrennt. Seine zweiwurzelige Krone ist konisch, aber fast
doppelt so lang als dick und mesial sowie distal kantig. Der
Schmelz bildet distal und, allerdings schwach, auch lingual und
mesial einen Basalwulst.
Der DM3 stellt einen eigenartigen Ubergang zwischen der
Form der vorderen und hinteren D M dar2). Er ist langgestreckt,
wird distalwarts viel breiter, und seine hintere Wurzel ist
zweigeteilt. Sein etwas vor der Mitte gelegener Haupthocker
ist lingual und buccal stark gewolbt, mesial etwas innen sowie
distal etwas auBen mit einer starken Kante. distal innen mit
einer schwachen versehen, so daB die Abkauungsflache vier-
lappig wird. Durch ein Quertal getrennt erheben sich dahinter
zwei ebenso starke Hocker nebenelnander, die kleeblattformig
abgekaut sind. Endlich ist der Basalwulst distal, lingual vom
Tal an bis mesial auBen deutlich entwickelt und bildet mesial
einen dicken Hocker, der durch den distalen Hocker und den
Basalwulst des unteren DM3 abgekaut ist.
Der DM 4 endlich gleicht, wie oft, ganz einem M, nur ist
er kleiner. Er hat vier Wurzeln, ist viereckig und Avenig
langer als breit, und seine vier gleichartigen Hocker werden
kleeblattformig abgekaut, was zuachst nur an dem vorderen
Paar der Fall ist, da das hintere in dem noch nicht ganz
durchgebrochenen unteren M 1 noch keinen Antagonisten hat.
Ein Basalwulst ist nur mesial und distal ausgebildet und an
dem buccalen Taleingange, kaum am lingualen angedeutet.
*) Wenn also nach Nehring und StEHLiN (1899 S. 202) bei re-
zenten und fossileD Suiden der vorderste P ohne Vorlaufer gleichzeitig
mit dem M 1 durchbricht, so ist wichtig, hervorzuhebeD, daB hier oben
wie unten ein vorderster Backenzahn schon voll entwickelt ist, wahrend
von den bleibenden Zahnen, auch von dem M 1, wie erwahnt, erst die
Spitzen aus den Kieferknochen ragen. Desbalb muB ich fiir das FluB-
pferd die Existenz von 4 D M annehmen. (Siehe oben Seite 3!)
3) Auch bei Sus ist der vorletzte obere und der letzte untere
Milchbackenzaha der eigenartigste und im Grunde wie bier gebaut
(Stehlin 1899 S. 204, 205).
11
Fossil liegt mir nur ein etwas abgekauter oberer rechter
DM 3 und ein stark abgekauter linker DM 4 vor. Der erstere
(Taf. Ill, Fig. 3 a, b) ist relativ kiirzer. Die zwei distalen
Kanten des Haupthockers sind schwacher, die zwei distalen
Hocker sind durch eine tiefere Langsspalte getrennt, und der
buccale ist weniger abgekaut als der linguale; endlich ist der
Basalwulst lingual auch an letzterem vorhanden.
Der DM4 (Taf. Ill, Fig. 4) hat vier stark divergierende
Hauptwurzeln und zwischen den niesialen noch eine Wurzel, die
buccalen Hocker sind kaum kleeblattformig. Die Basalwulst-
teile an dem Quertale sind ein wenig starker als bei dem
rezenten Zahn, mesial ist der Basalwulst sehr wohl entwickelt,
distal ist leider die Schmelzumgrenzung der Krone abge-
brochen. Der Schmelz, schon am D M 3 nur wenig runzeligr
ist hier ganz glatt.
In dem rezenten Unterkiefer ist der D 1 1 und DC schon
ausgefallen. Der DI 2 ist ganz wenig starker als im Zwischen-
kiefer, stiftformig, gerade und im Querschnitt fast kreisformig.
Die konische Krone ist oben und lingual abgekaut und nur
labial von Schmelz bedeckt, der eine basalwarts konvexe
Grenze hat.
Die 4 DM sind schmaler und bis auf den DM 4, der
einem umgekehrten unteren M 3 gleicht und ebenso wie er lang
ist. auch ktirzer als die oberen.
Autier am DM 1 ist der Schmelz etwas runzelig, an ihm
nur sehr fein runzelig. Er erhebt sich ein wenig naher am
DM 2 als am C als 18 mm hoher Kegel mit einfacher schrag
nach hinten gerichteter Wurzel. Die etwas nach innen und
vorn geneigte Krone ist nicht kantig und nur wenig seitlich
komprimiert. Speziell letzteres unterscheidet ihn neben seiner
geringeren Grofle von den im. Unterkiefer D vorhandenen P 1.
Der DM 2 ist durch ein sehr kurzes Diastema vom DM 3
getrennt, hat wie er zwei divergierende Wurzeln und ist iiber
doppelt so lang als' breit. Die seitlich platte spitze Krone
besitzt mesial eine, distal zwei Kanten, wovon die auflere in
einem Basalhockerchen endet. Lingual sind unter der Mitte
der Hohe Rauhigkeiten vorhanden.
Der DM 3 wird distalwarts breiter, denn er hat hinter
dem konischen Haupthocker, durch ein Quertal getrennt, einen
maflig abgekauten wenig niedrigeren Doppelhocker. Der Haupt-
hocker besitzt mesial eine Kante, distal aufien eine Konkavitat
und lingual hinten in halber Hohe eine Rauhigkeit. Mesial
war wohl ein Basal hocker vorhanden, der aber durch die
Riickseite des oberen DM2 ganz weggekaut ist, und distal
12
ist ein oben abgekauter Basahvulst deni Doppelhocker an-
:geschlossen.
Der DM 4 ist fast doppelt so lang, breiter und verbreitert
sich noch distalwarts. Er ist vierwurzelig und seine etwas
abgekaute Krone besitzt mesial einen ungefahr vierseitigen
Hocker, dahinter zwei Paar Hocker, die durch ein breites Tal
voneinander getrennt sind. Sie sind bis auf den lingualen
distalen, der schrag komprimiert ist, kleeblattformig abgekaut.
Den distalen AbschluB bildet ein starker und hoher Basal-
■hocker, wahrend sonst eine Basahvulst fehlt.
Meine Yermutung (1905 S. 114), daB fossile DI vorlagen, ist
unrichtig, da die rezenten DI viel kleiner sind als alle ge-
fundenen Schneidezahne. Das lingual abgekaute Oberende
eines linken unteren Eckzahns ist aber seiner GroBe nach das
eines DC (Taf. Ill, Fig. 5a, b). Die kaum gewolbte Mesialseite
ist nanilich nur 21 mm breit, die stark gewolbte Labialseite 22
und die Distalseite 12, der Zahn ist also stark seitlich
komprimiert. Sein fein runzeliger Scbmelz ist nur etwas
langsgestreift und laBt nur die Distalseite frei. An der
mesialen Seite ist keine Furche vorhanden.
Die Krone eines rechten DM 2 (Taf. Ill, Fig. 6), die nur
•distal unten scbrag abgekaut ist, ist relativ sebr groB, be-
sonders lang. Ihr Scbmelz ist fast glatt. Die mesiale Kante
ist wobl ausgebildet, die distalen zwei aber sind es nicbt.
Dagegen sind die Hockerchen binten an der Lingualseite
deutlicber als bei den rezenten.
Der recbte DM 3 liegt in einer wenig, etwas und stark
abgekauten Krone vor, woYon die erste nocb die zwei diver-
gierenden Wurzeln besitzt. Icb bilde sie alle ab, um die
starke Formanderung bei der Abkauung und die Variabilitat
zu zeigen (Taf. Ill, Fig. 7a, b, 8 und 9). Auch dieser Zahn
ist relativ grofl, nanilich so groB als der rezente. Sein Schmelz
ist teils glatt, teils fein runzelig. Am Haupthocker findet sich
distal innen eine schwache Kante, distal auBen keine Konkavitat,
lingual an ihm sind die Warzchen deutlicher als bei dem
rezenten, mesial erhebt sich ein starkerer konischer Basal-
hocker, der vorn abgekaut wird, der distale Basahvulst ist
aber ein wenig schwacher.
Die Krone eines linken DM 4 (Taf. Ill, Fig. 10) ist ein
wenig breiter und etwas kiirzer als die rezente. Ihr Schmelz
ist z. T. glatt, z. T. fein runzelig. Infolge sehr starker Ab-
kauung ist der mesiale Hocker einfach breit oval, auch die
zwei mittleren sind zu einem breiten etwas eckigen Oval
verschmolzen und die zwei distalen auch nur noch durch eine
13
Schmelzinsel getrennt. Die distale Schmelzgrenze ist leider
abgebrochen, anscheinend war aber der Basalwulst dem rezenten
ahnlich, jedoch auch buccal am Mesialhocker imd lingual am
Distalhocker schwach ausgebildet.
III. Skelett-Teile.
AuBer den aufierst diirftigen Schadelresten, die icli (1905
S. Ill) schon beschrieb. fanden sich youi Knochenskelett nur
Wirbel und Extreniitatenteile am Garet el Muluk. Sie kann
ich mit dem Skelett eines Nilpferdes aus dem oberen Nil in
Fig. 1.
Atlas, von oben, 3/5 natiirl. GroBe. Original im Senckenberg-Museum.
Dornfortsatz nach Miinchener Original erganzt.
der hiesigen Skelett-Sammlung (= H. Nil, Lange der Schadel-
basis 610 mm, der oberen M-Reihe 135 mm, der unteren 150 mm)
und mit Resten Yon Hippopotamus maclagascarienais (— H. mad.)
in der hiesigen palaontologischen Sammlung yergleichen, welcbe
so zahlreich. sind, daB ich. auch tiber die Yariabilitat der Merk-
male mir ein gewisses Urteil bilden kann..
Ein Atlas gleicht in Form und GroBe dem von mir (1905
S. Ill) schon beschriebenen, welchen ich hier nun abbilde
(Fig. 1). Bei ihm ist der Dornfortsatz ein deutlicher Hocker
wie bei H. mad., wahrend er bei H. Nil ganz schwach ist.
Im Wirbelkanal ist beiderseits ein Hockerchen vorhanden, an
dem sich das iiber den Dens des Epistropheus gespannte
Ligamentum transversum ansetzte1).
Ein funfter und sechster Halswirbel mit z. T. abge-
brochenen Quer- und Dornfortsatzen tragen auf dem Neural-
J) Bei H. Lemerlei Grand, scheint in hoherem Alter dieses Band
zu verknochern. (Grandidier and Filhol 1894 S. 174.)
14
•dach keine Lophapophysen (Stromer 1902 S. 63). Bei H. mad.
fehlen sie auch oder sind nur sebr schwach, bei H. Nil, auch
"bei dem FluBpferd aus dem Kapland (Cuvier a. a. 0. Taf. 30,
Fig. 6) und dem Senegal (Blainville a. a. 0., Taf. 1 und 4) sind
sie aber deutlich entwickelt. Der Korper des fiinften (Fig. 2)
1st librigens ventral 45 mm lang, vorn 55 mm breit und
43 mm hoch.
Ein hinterer Brustwirbel entspricht dem zwolften, also der
ersten Vertebra thoracolumbalis (Stromer 1902 S. 71). Die
entsprechenden KorpermaBe sind bei ihm iiber 40, 57 und 39mm,
Fig. 2.
Fiinfter Halswirbel von rechts. 2/5 natiirl. GroBe.
Parapophyse nach der linken Seite erganzt, Dornfortsatz abgebrochen.
leider feblen die Epiphysen, die vorderen Gelenkfortsatze und
das Ende des Dornfortsatzes. An der kurzen Diapophyse, die
keine Andeutung einer Anapophyse zeigt, befindet sich vorn
eine flacbe Facette fiir die Rippe, die, von der vorderen Rippen-
facette des Korpers kaum getrennt, wie sie nach. vorn und
etwas auBen sieht. Die hintere Rippenfacette des Korpers
sieht nach hinten etwas auBen. Der breite, kaum riickge-
neigte Dornfortsatz endlich scheiiit hoher gewesen zu sein als
bei H. NU, dessen Rippengelenke sich fast ebenso verhalten,
bei dem aber eine Anapophyse angedeutet ist. Viel besser
als die Teile des Achsenskelettes sind die der Extremitaten
vertreten.
Zu der von mir (1905 S. Ill) beschriebenen Scapula
kommen noch zwei, wie sie oben und an der Spina unvoll-
stiindig. Bei der rechten (Fig. 3) ist der Hals 61,5 mm breit,
die Gelenkpfanne 56,5 mm lang, 50 mm breit, bei der linken
sind die MaBe 62,5, 61 und 52 mm. Bei alien drei ist wie
bei . JJ. mad. im Gegensatz zu den rezenten eine aufragende
Spitze auf dem Ende des Processus coracoideus nur ange-
15
deutet und der PfannenauBenrand vor der Mitte seiner Lange
etwas aufgebogen. Im einzelnen besteht eine ziemliche
Variability. Die Spina beginnt namlich bei der ersten 45 mm.
bei den andern zwei 40 mm fiber ' dem Gelenk und die
Konvexitat des Vorderrandes bei den zwei rechten Scapulae
Fig. 3-
Rechte Scapula von auBen. 2/s natiirl. GroBe.
Spina und oberer Teil abgebrochen.
hoher oben als bei der linken und den rezenten. Auch ist
der Processus coracoideus ventral bei der einen rechten wie
bei der rezenten dicker als bei den andern zwei, und die
Gelenkpfanne bat bei der linken ihre gro\Bte Breite hinten,
bei den andern zwei vor der Mitte.
Studer (1898 S. 74) und Andrews (1902 S. 435, 436,
Fig. 1) beschrieben einen linken Humerus ohne Oberende. Mir
liegt nur das untere Ende eines kleineren rechten vor. Es ist
nur 92 mm, das Gelenk bis zu 70 mm breit, wahrend die groBte
16
Dicke innen 95,5 mm betragt. Es bestatigt die Ansicht yon
Andrews, daB die Durchbrechung der Fossa olecrani bei
Studers Original nur zufallig ist; denn ihr Boderi ist hier
geschlossen. Auch reicht der Condylus internus nicht tiefer
herab als das Gelenk, wenn auch, wie bei H. Nil, tiefer als bei
H. mad., und tiefer als der Cond. externus.
Ein sehr gut erhaltenes Antibrachium bildete ich schon.
(1905 Taf. 20, Fig. 4) ab. Seiner Beschreibung (a. a. 0. S. 112) ist
auf Grund der neuen Funde: eiuer Oberhalfte des rechten
sowie der unteren Epiphyse des linken Radius uud der unteren
Epiphyse der rechten Ulna, nur sehr wenig uachzutrageu. Die
groBte Breite des Radius betragt oben 70 mm, die Dicke 42 mm,
sein Schaft ist auch nur 36,5 mm breit. Die grofite Breite der
unteren Epiphyse ist, wie 1905, 69 mm, die ihres Gelenkes 46 mm.
Die untere Epiphyse der Ulna ist am Oberende 50,5 mm, am
Gelenke hinten nur 26 mm breit.
Das Antibrachium eines ausgewachsenen H. mad. wie des
//. Nil ist relatiy kurzer, der Vorderrand des Olecranon nicht
ocler nur sehr wenig konkay und die Grube hinten lateral vom
unteren Gelenke des Radius yiel seichter. Die Verwachsung yon
Radius und Ulna aber ist bei II. Nd. starker als bei II. mad.
und unserem Fossil.
Vom VorderfuB fanden sich mehrere yereinzelte Knochen,
deren MaBe wie die der folgenden in der Tabelle auf Seite 21 u. 24
yergli-chen sind. Da ein geringes Verschieben des Ansatzes der
MaBstabe nicht unbetrachtliche Unterschiede in den Mafien
ergeben kann, so ist auf kleine Unterschiede in deren absoluten
GrbBen und in ihren Verhaltnissen kein Gewicht zu legen.
Literaturangaben iiber solche MaBe sind natiirlich nur mit Yor-
behalt zu gebrauchen, da oft nicht festzustellen ist, wo der
Autor gemessen hat. Ein linkes Intermedium (= Lunare, Fig. 4)
ist sehr klein, namlich kaum halb so gro.fi als bei dem Nilpferd.
Es unterscheidet sich auch deutlich yon diesem dadurch, daB
seine Gelenkflache fiir das UJnare sehr klein ist, und daB yorn
unten die Flache fiir das Carpale 3, und die fur das Carpale 4 + 5
winklig statt gerundet stump fwinklig zusammenstoBen.
Zwei rechte Pisiformia (Fig. 5) gehoren yiel groBeren
Indiyiduen an. Sie zeichnen sich gegeniiber dem des Nilpferdes-
durch einen starken Wulst ihrer AuBenseite aus.
Ein rechtes Carpale 2 (== Trapezoideum, Fig. 6) ist dadurch
yom rezenten ausgezeichnet, daB das laterale Yordereck seiner
mit dem Radiale gelenkenden oberen Flache herabgeneigt ist,
so daB der Lateralrand seiner Yorderseite kaum halb so hoch
als der mediale, statt fast ebenso hoch ist. Dabei ist die mittlere
17
Breite und Hohe im Verhaltnis zur Lange (von vorn nach hinten)
relativ hoch.
Eiu etwas ladiertes Carpale 3 (Magnum, Fig. 7) ist vorn
relativ holier und schmaler als bei den rezenten, und hinter
seinen oberen Gelenkflachen befindet sich oben auf dem Haken-
fortsatz eine Querrinne.
Ein lateral und hinten ladiertes Carpale 4 + 5 (Unciforme,
Fig. 8) scheint relativ schmaler zu sein als das rezente, und
seine Gelenkflachen fur das Metacarpale 4 und 5 sind durch
Fig. 4.
Linkes Intermedium
von vorn. 2 -, nat. Gr.
Fig. 5.
Rechtes Pisiforme von
oben. 2 5 natiirl. GrdBe.
Fig. 6.
Rechtes Carpale 2 von
vorn. 2 5 natiirl. Gr.
Linkes Carpale 3 von vorn und
etwas obeD. 2 =, natiirl. GroBe.
Fig. 8.
Rechtes Carpale 4 + 5 von vorn
und etwas oben. 3/5 natiirl. GroBe.
Lateral unvollstandis:.
•eine deutliche Kante getrennt, was bei dem Nilpferd nicht
der Fall ist.
Ein unvollstandiges Metacarpale 2 und 5 beschrieb ich schon
(1905 S. 112). Dazu kommt jetzt noch das erste Glied der
dritten und funften linken sowie der vierten rechten Zehe, und
das zweite Glied der zweiten und vierten rechten Zehe des
Vorderfufies. Sie zeigen kaum Besonderheiten, nur ist das erste
Glied der funften Zehe hinten wulstig verdickt und das zweite
•Glied der vierten Zehe relativ lang.
Von der Hinterextremitat ist leider das Becken und der
•Oberschenkel kaum vertreten. Dagegen liegt eine rechte Tibia
(Fig. 9) mit dem nicht verwachsenen Oberende (Fig. 10) und
dem verwachsenen Unterende der Fibula vor, sowie eine linke
Tibia, deren Oberende fehlt, und die nach ihrer geringen GroBe
und der noch nicht eingetretenen Yerwachsung der Fibula einem
■ein wenig jiingeren Individuum angehort.
Die Tibia ist relativ lang, vor allem im Yerhaltnis zu
^eitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 2
18
ihrer imteren Breite. Oben ragt der Innenrand der lateralen
Gelenkflacbe wie bei dem Nilpferd fast so hoch empor als der
Fig. 9.
Rechte Tibia mit dem Unterende der
Fibula, vod vorn. 2/5 naturl. Grofie
Lateralrand der medialen Gelenkflache, wabrend bei H. mad..
ersterer niederer ist. Ferner ragt im Gegensatz zuni Nilpferd
und II. mad. das Oberende der Crista enemialis iiber die-
19
Gelenkflache empor, imd ihr Yorderrand ist in der oberen
Schafthalfte so stark lateralwarts umgebogen, dafl in der
Schaftmitte ein deutliches stumpfes Eck entsteht. Beides ist
bei dem Nilpferd und besonders bei H. mad. viel schwacher der
Fall.* Unten vorn, zwischen den zwei Gelenkgruben, ist bei der
rechten Tibia eine Kerbe, die sich ventral in eine Rinne fort-
setzt, nur angedeutet, an der linken aber deutlich. Grandidier
und Filuol (1894 S. 177, 178, Taf. 15, Fig. 2, 3) fanden die
gleichen variablen Verhaltnisse bei H. Lemerlei.
Die Fibula' (Fig. 10) ist oben im Gegensatz zu der rezenten
deutlich verbreitert, ihr starkes Unterende wurde von Cuvier
a. a. 0. S. 426) falschlich als getrennter Knochen behandelt.
Linker Talus, a von auBen, b von hinten unten. 2/5 natiirl. GroCe.
Ein linker, oben innen ladierter Talus (Fig. 11a, b) paBt
in seiner Grofle zu der kleineren Tibia. Er ist gegenuber
dem rezenten und dem des mad. sehr lang. Seine palmare
Gelenkflache fur den Calcaneus ist distal kaum schmaler als
proximal. Das ist zwar auch bei dem hiesigen Nilpferd der Fall,
bei dem Fluflpferd aus dem Senegal aber scheint nach Blainville
(Hippopotamus Taf. 5) ihr Lateralrand schrag nach innen unten
zu laufen, wie das bei alien hiesigen Exemplaren von H. mad.
der Fall ist. Die Konkavitat liber und median von dieser Flache
ist relativ schmal und seicht gegenuber der des Nilpferdes und
der medialen des H. mad. Yon den lateralen Gelenknachen fiir
den Calcaneus ist die obere von der |ftir den Malleolus externus
nicht abgesetzt und die untere breit, was auch bei dem Nilpferd
der Fall ist, wahrend bei H. mad. stets die obere deutlich ver-
tieft, die untere viel schmaler ist. Distal endlich ist die Gelenk-
flache fiir das Centrale (= Naviculare) etwas quer konkav und
hoher gelegen als die fiir das Tarsale 4 + 5 (Cuboideum), was
bei dem Nilpferd in geringerem Mafie der Fall ist, wahrend
Fig. 11a.
Fig. lib.
20
bei H. mad. die Flache fur das Centrale sehr wenig konkay und
kaum iiber der anderen gelegen ist.
Ein linkes Tarsale 4 + 5 (= Cuboideum, Fig. 12) ist relatiy
groB und gleicht in seinen MaBen dem kaplandischen FluBpferd
Cuyiers, paBt also nicht an den yorliegenden Talus. Es zei^hnet
sich durch eigenartige Ausbildung seiner medialen Gelenkflachen
aus. Bei deni Nilpferd und H. mad. befindet sich namiich hinten
oben eine etwas hochoyale Flache fiir das Centrale, die nach
innen und maBig oben sieht, unten yore eine fiir das Tarsale 3,
welche, stark yon yorn nach hinten gestreckt, bis unter die erstere
reicht und nur nach innen sieht. Bei dem fossilen Stuck nun
liegt die Flache fiir das Centrale tiefer und sieht nach oben
Fig. 12.
Linkes Tarsale 4 + 5 von innen. 2/5 natiirl. GroBt.
etwas innen, und yor ihr liegt eine gestreckte andere Flache,
die gleichgerichtet und nur durch eine Kante yon einer ebenso,
aber bis weiter nach hinten gestreckten Flache getrennt ist,
die nach unten maBig innen sieht. Die obere gestreckte Flache
ermoglichte yvohl eine zweite vordere Gelenkung mit dem Centrale,
die unter e mit dem niederen Tarsale 3, ahnlich wie z. B. bei
Anthracotherium eine keilformige Gelenkflache des Tarsale 4 + 5
sich zwischen Centrale und Tarsale 3 einschiebt. Das Centrale
und Tarsale 3 muBten also andere laterale Gelenkflachen haben
als bei dem Nilperd und bei H. mad. Die yereinigten Gelenk-
flachen fiir das Metatarsale 4 und 5 sind iibrigens yon dieser Flache
fiir das Tarsale 3 yollig getrennt; die fiir das Metatarsale 5 endlich
ist im Gegensatz zu der des Nilpferdes und H. mad. quergewolbt
und reicht bis auf die Lateralseite, womit iibereinstimmt, daB
ich (1905, S. 112) die Konkayitat der oberen Gelenkflache dieses
Metatarsale hervorheben konnte. An dem kleinen palmaren
Hakenfortsatz findet sich aber bei Hippopotamus keine Gelenkflache.
Zu den unyollstandigen Metatarsalia 4 und 5, die ich a. a. 0.
beschrieb, kommen jetzt nur noch zwei erste Zehenglieder, wohl
der link en zweiten und dritten Zehe (Fig. 13 und 14), und ein
zweites Glied, wohl der zweiten rechten Zehe (Fig. 15). Die
21
zwei ersten Glieder sind oben relativ sclimaler als bei dem
Nilpferd, und das der zweite Zebe dabei verbaltnismiiBig lang,
aucb ist es binten wulstig verdickt.
Fig. 13.
Erstes Glied, wohl
der zweiten Zehe des
linken HinterfuBes,
von vorn. 2/5 nat. Gr.
Fig. 14.
Erstes Glied, wohl der
dritten Zehe des linken
HinterfuBes, von vorn.
2 5 naturl. GroBe.
Fig. 15.
Zweites Glied, wohl
der zweiten Zehe des
rechten HinterfuBes,
von vorn. 3/5 nat. Gr.
Zurn Scblusse ist ein Sesamknochen vorhanden, der an
das Gelenk zwiscben einem Metapodium und dem ersten
Glied einer dritten oder vierten Zebe gebort, ohne daB sich
seine genauere Lage feststellen laBt. Er ist 35 mm lang und
bis 18 mm breit und binten dicker als bei dem Nilpferd.
Tabellen der Matie von Extremitaten-Teilen.
FluBpferd
Cuvier 1 NU
S. 433
Xatrontal
Intermedium
67
64,5
32
59
62
29
37
40
20
Pisiforme
67
65
63
groBte Breite . . ,
28
26
29 •
Carp ale 2
40
40
28
29
31
25
21
26
20
Carpale 3
von vorn nach binten
80
76
iiber 58
44
48
28
33
32
22
Carpale 4 + 5
82
67
iiber50
68
65
40
40
32
22
22
Tabelle
A. Obere
1 1
I
2
c
langs
quer
langs
quer
langs
quer
Schadel A
23
20
22
22
29
39
, B
28
28
32
47,5
„ c
29,5
23
24,5
19
32
39
„ D ....... .
31 ca.
28
25 ca.
25 ca.
34
41
Schnauze E
19 ca.
19 ca.
19
15
23
30
» F
24
19
22
17
22
32
Natrontal
v
?15
?10,5
18
13,5
25
34
—
n
Choeropsis liberiensis . . .
8
7
9
9
18
29
B. Untere
Ii
I
2
c
langs
quer
langs
quer
mesial
labial
distal
Schadel A ...
33
31
25,5
24
45
33 2)
32
. B . . .
52
44
27,5
26
45
33
33
„ C . . .
37
35
26
21
51
37
31
„ D . . .
43
40
23
23
52
41
32
Schnauze E . . .
33
30
21
19,5
37
30
25
x F . . .
32
30
19
18,5
36
28
24
Rovuma G . . .
55,5
52,5
80
59
48
Gaudrys Orio-. . .
? 23
?23
?20
?20
?44
Natrontal ....
? 23
?21
16,5
16,5
d30
25
20
16,7-20
16,5
16
12
s35
26,5
19
12,5
11,5
d45
35 ca.
25 ca.
Choeropsis liberiensis
12
12
26
17
16
C. Milch-
D Ii
D 12
D M
langs
quer
langs
quer
1-4
obere
7
6
7,2
6,1
130
r>
„ Natrontal . . .
untere
7,6
6,5
123
„ Natrontal . . .
') Die MaBe sind alle an der Kronenbasis abgenommen und in
2) Die Grenzen der Labialseite sind so gerundet, daB die MaBe nur
23
tier MaBe1).
Z a line.
P 2
P 3
P 4
Ml — M3
M 2
langs
quer
liings
quer
langs
quer
langs
langs
quer
30
18
33
24
27
34
140
53
50
30
21
38
27
27
29
132
49
45
32
22
36
25
25
28
136
50
48,5
32
22
36
26
34
34
145 ca.
54
47
28,5
18
29
23
30,5
19
30
18
d22
22
116 ca.
d4l
39
s20
17
d40 ca.
39
d2i
19,5
s20
18
19,5
16
19,5
16
16,5
16
73,5
29,5
21 ca
Zilhn e.
P 2
P 3
P 4
M 1- 3
M 2
langs
quer
langs |
quer
langs
quer
langs
langs
quer
d30
19
37
23
39
26,5
160
56
36,5
32 ca,
34,5 !
21
35
24
155
54
34,5
31
19
36
21
31
24
155
54,5
36,5
32
20
36 :
26,5
38
25,5
155 ca.
55
34,5
28
16
33
19
36
23
30,5
14
36,5 |
20,5
36
22
35
d29
19
32
i
19
31
23
d38
. 24,5
17
-
11
17
13
17
13
85
22
18
zahne.
Dili
langs quer
DM2
langs quer
langs
D M3
Torn
quer
hinten
quer
langs
D M4
vorn I hinten
13,6
11
9
8,9
22,8
19
23,5
12
9,1
9,5
32,3
29,5
24
24,5
23
24,5
11
11
10
11
9.5
10
18
18
13
11,5
11,5
13,8
36
iiber
26,5
44
41
Millimetern angegeben. d bezeichnet rechte, s linke Zahne.
ungenau angegeben werden konnen.
24
FluBpferd
a
CUVIBR
. Nil
Natrontal
S. 433
1. Glied der 3. Zehe
55
60
52
3d
1. Glied der 5. Zehe
?55
58
48
37
2. Glied der 2. Zehe
?34
32,5
27
32
26,5
2. Glied der 4. Zehe
34
34
35
37
31
FluBpferd
H. madagasc.
N atrontal
Cuvier
Nil
GULDBERG
Munchen
rechts
links
S. 435
S. 21
Tibia
Lange in Mittellinie .
346
325
225 J)
205
312
obere groBte Breite .
152
140
89
91
120
obere Dicke in Mitte
112
115
62
62
93
untere Breite . . .
89
88
57
57
66
66,5
untere Dicke in Mitte
58
60
36
36
50
46,5
Breite an schmalster
Schaftstelle . . .
57
52
35
35
49
49
FluBpferd
CcvierI vn
S.436 1
H. mad.
Natron-
tal
Ke-
doeng
Java
Seren-
geti
Talus
Lange in Mitte . .
77
85
55
78
72
94
Breite unten . .
72
75
57,5
iiber 66
iiber 60
82,5
Dicke unten . .
56
48
35
39
40
55 ca.
Breite der Cuboid-
flache ....
37
37,5
26
iiber 25
33
42
Breite d. Navicular-
flache ....
42
39
29
29,5
iiber 26
42
Tarsale 4 + 5
Breite vorn . . .
45
52
32
42
groBte Ho he vorn .
37
42
26
34
von vorn nach hinten
66
62
43
61
l) Wohl groBte Lange statt Achsenliinge.
25
FluBpferd
CuvierI Nn
S. 436 |
H. mad.
Natron-
tal
dOGDg
Java
Seren-
geti
1. Glied der 2. Zehe
Liinge vorn iq Mitte
gvofite Breite oben
53
54
34
-
29
1. Glied der 3. Zehe
Liinge vorn in Mitte
grofite Breite oben
60
—
60
44
—
57
35
2. Glied der 2. Zehe
Lange vorn in Mitte
groBte Breite oben
26
30,5
28,5
28
26,5
VI. SchluD.
Hippopotamus (Tetraprotodori) Iripponensix Gaudky ist also
zwar fast nur in vereinzelt gefundenen Resten bekannt, so dafi
sich die so wichtigen relativen GroBen der Teile erst sehr
ungeniigend klarlegen lassen, auch sind wichtige Organe: der
untere M 3, die DI, der obere DC, Schadel, Unterkiefer, die
meisten Wirbel, die Rippen, das Becken, das Oberende des
Humerus, das Femur und die meisten Metapodien und Zehen-
glieder unbekannt; es lohnt sich aber doch, die hauptsachlichen
festgestellten Merkmale kurz zusammenzufassen.
Unsere Form ist erheblick grofier als H. madagascarientis.
aber in der Norm kleiner als die jetzigen FluBpferde, kann
aber in starken Individuen, wahrscheinlich alten Bullen, die
GroBe kleinerer Indiyiduen der letzteren erreichen, wie manche
Zahne und FuBknochen erweisen. Da die Reste im Natrontale
fast alle einer Schicht und benachbarten Fundorten entstammen
und ich bei den rezenten ostafrikanischen FluBpferden wenigstens
im GebiB gleicMalls starke GroBenschwankungen neben sonstiger
Yariabilitat feststellen konnte, besteht aller Grund, samtliche
fossile Reste einer Art zuzurechnen und ihr ebenfalls erhebliche
Variability zuzuschreiben1).
4 Yon den oberen Zahnen sind die I wenig gerieft, am C
fehlt vorn der Schmelz, und die nicht sehr groBe Furclie yerlauft
in Mitte der Distalseite, der P 3 ist sehr gestreckt, der P 4
besitzt distal eine starke Kante und innen einen yerdickten
Basalwulst, die M endlich sind quadratisch, ihr Basalwulst ist
ringsum gleichartig, und ihre yier Hocker werden beim Abkauen
kleeblattformig.
l) Dasselbe gilt wohl auch von dem subfossilen FluBpferd Mada-
gaskars, das ofters in mehrere Arten anfgelost wurde.
26
Unten wird der I 1 etwas starker als der 12, bei dem der
Schmelz mesial und distal basalwarts in Zipfel endet. Der C ist
kaum gerieft, seine rnesiale Furche sehr schwach, und der Schmelz
fehlt'nur an der gefurchten Distalseite. Die Backenzahne haben
wie oben einen groBtenteils rauhen Schmelz, an den P ist der
starke linguale Basalhocker bezeichnend, auch sind sie relativ
groB, der M 2 ist ein langsgestrecktes Rechteck, mit nur distal
maBig starkem Basalwulst und mit schwach gefurchten Hockern.
Im MilchgebiB ist der Schmelz der Backenzahne glatt oder
wenig rauh, der obere DM 3 ist relativ groB, besonders breit,
und die zwei AuBenhocker des wenig gestreckten, rechteckigen
DM 4 sind kaum kleeblattformig, der untere DC hat keine
Riefen und keine rnesiale Furche, die DM sind relativ groB,
der DM 2 und DM 3 hat lingual deutliche Warzchen, der
DM 3 einen starken mesialen Basalhocker, und der lange DM 4
ist relativ breit.
Am Atlas bildet der Dornfortsatz einen deutlichen Hocker,
und der obere Eingang des Foramen transversum eine einfache
Grube; die mittleren Halswirbel besitzen keiue Lophapophysen.
An der Yorderextremitat hat der Processus coracoideus
keine aufragende Spitze, und der auBere Pfannenrand Jder Sca-
pula ist etwas aufgebogen. Der Condylus internus humeri ragt
tiefer herab als der externus, der Radius ist relativ schlank
und hat unten hinten lateral vom Gelenk eine tiefe Grube, und
die nicht sehr innig mit ihm verschmelzende Ulna besitzt einen
konkaven Yorderrand des Olecranon. Am Intermedium stoBen
die unteren Gelenkflachen winklig zusammen, das Pisiforme
besitzt auBen einen starken Wulst, das Carpale 2 einen niederen
lateralen Yorderrand, und am Carpale 4 + 5 sind die distalen
Flachen durch eine Kante getrermt. Die Metacarpalia besitzen
distal hinten einen schwachen Leitkiel, und das 2. Glied der
4. Zehe ist relativ lang.
Auch die Tibia ist relativ lang, an ihrer Crista cnemialis
ragt das Oberende hoch, und ihr umgebogener Yorderrand endet
in einem deutlichen stumpfen Winkel. Die Fibula ist oben
ziemlich verbreitert und verschmilzt unten mit der Tibia. Der
Talus ist relativ sehr lang, hat palmar neben seiner sehr groBen
Gelenkflache nur seichte und schmale Gruben, und distal liegt
die querkonkave Flache fur das Centrale hoher als die fur das
Tarsale 4 + 5. Letzteres zeigt medial eine eigentumliche keil-
formige Gelenkflache fur das Centrale und Tarsale 3. Die
Metatarsalia haben distal hinten schwache Leitkiele. Das Meta-
tarsal 5 und das 1. Glied der 2. Zehe endlich ist relativ lang.
Mindestens die untere Halfte der Beine war also nach
27
allem relativ schlank und lang, und in der Schmelzreduktion
am oberen C sowie in den Lingualhockern der unteren P wie
in den Leitkielen der Metapodien kann man Spezialisierungen
sehen.
DaB die im Mittelpliocan des Natrontales so haufige Art
mit der yon Bona in Algier durch Gaudry (1876) beschriebenen
identisch ist, hat schon Andrews (1902 S. 434) festgestellt,
nach Ph. Thomas (1884 S. 18) stammt diese ebenfalls aus dem
Pliocan, nicht aus dem Quartar. DaB zu unserer Form die von
Pomel (1896) beschriebenen zahlreichen Hippopotamus -Reste
aus dem Quartar Algiers nicht gehoren, ist yon Andrews .
(a. a. 0.) uud mir (1905 S. 116, 117) schon erwiesen worden;
allerdings besitze ich keine Reste, die mit den durftigen, die
Pomel (a. a. 0. S. 9 ff., Taf. 4) zu Gaudrys Art rechnete, direkt
zu vergleichen sind.
liber die Originale von //. annectens Pomel (1896 S. 59,
Taf. 13, Fig. 10, 11) aus Unteragypten lafit sich meinen Be-
merkurigen (1905 S. 116) nur hinzufiigen, daB die Furche der
Distalseite des oberen C (a. a. 0. S. 60) offenbar wie bei H.
amphibius im Gegensatz zu hipponensis der Medianseite ge-
nahert ist.
DaB H. annectens Falc. ebenso wie iibrigens H. pentlandi
H. v. Meyer und H. melitensis Forsyth major nomina nuda
sind, da sie ohne Beschreibungen aufgestellt wurden, erwahnte
ich ebenfalls schon (1905 S. 113) und suchte (a. a. 0. S. 115)
zu zeigen, daB die durftigen Knochenreste aus Nubieu, fur die
der erste Name aufgestellt wurde, zu einem gewohnlichen sehr
groBen Nilpferd gehoren konnten, wozu ja schon Falconer (1865
S. 372, 373) fossile obere sehr groBe M vom zweiten Nilkatarakt
gerechnethatte. Darin mussenmich die MaBe des rezenten Riesen-
Individuums aus dem Rovuma, das ich oben (Seite 7 und 22)
besprach, nur bestarken. E. Fraas (1907 S. 7, Taf. 8, Fig. 3, 4)
beschrieb nun einige sehr grosse Zahue aus jungen Schottern
des Vaalflusses bei Kimberley in Siidafrika als Reste einer
var. robusta des rezenten H. amphibius. Ich kann seine vor-
sichtige Zuriickhaltung in der Aufstellung einer neuen Art nur
billigen, denn abgesehen yon kleinen Unterschieden in einem
unyollkommenen M konnen sie kaum von H. amphibius unter-
schieden werden, das mindestens ebenso groB wird.
Herr Kattwinkel, dem die hiesige zoologische Sammlung
u. a. mehrere der oben verglichenen FluBpferd-Schadel verdankt,
brachte auch der palaontologischen Sammlung Saugetier-Reste
mit, die er in einem quarzreichen vulkanischen Tuff in der
Serengetisteppe Deutschostafrikas entdeckte. Die darunter be-
28
fmdlichen Hippopotarnus-Heste erhielt ich dankenswerter "Weise
zum Yergleiche. Sie sind wohl ein Beweis fur einst grofleren
Wasserreichtum in der sehr trockenen Steppe.
Es sind stark geriefte Bruchstiicke eines unteren C, das
untere Ende eines ? Metarcarpale 4, ein linkes Metacarpale 5
und ein reenter Talus sowie schlecht erhaltene Wirbel nebst
einem Bruchstiick eines Calcaneus. Ihrer GroBe nacn passen
sie zusammen und zu den yon mir (1905 S. 115) besprochenen
Originalen des H. annectens Falc. aus Nubien und den oben
erorterten der var. robusta\E. Fraas. Der Talus paBt, wie seine
• MaBe auf Seite 24 zeigen, in den Proportionen ganz zu dem
hiesigen Nilpferd, auch in den auf Seite 19 augefiihrten Einzel-
heiten zeigt er nur darin eine Abweicbung, daJ3 die Konkavitat
iiber seiner breiten plantaren Flache fiir den Calcaneus so schmal
und seicbt wie bei H. Mpponensis ist. Das Gelenk des ? Metacarpale 4
ist 48 mm breit, 45 dick. Das Metacarpale 5 aber ist lateral
125 mm lang, sein oberes Gelenk 52 dick, die Breite und Dicke
in Mitte des Schaftes betragt 43 und 25,5 mm, am unteren
Gelenk aber 45,5 und 41. Gegenuber dem yon mir (1905 S. 112)
gemessenen Metacarpale 5 des Nilpferdes ist der Sehaft breit
und relatiY weniger dick, auch fehlt oben median die hintere
Flache fiir das Metacarpale 4 und lateral ebenso wie bei H.
hipponensis eine groflere Konkavitat in Mitte des lateralen
Hockers.
So aufTallend es ist, daB all diese fossil en Reste: im nubiscben
Nil, in Deutschostafrika uud am VaalfluB, Yiel groBer als die
Norm der heutigen Art sind, lassen sicb geniigende Unter-
scbiede zu einer systematischen Trennung doch nocb nicht fest-
stellen. Es handelt sicb also wohl um Reste hocbstens dilu-
vialen Alters1).
Wenn also nicht etwa die von E. Haug in seinem Traite
de Geologie (1911, II S. 1727) kurz erwahnten Reste von Hippo-
potamus alter sind, Zahne und Knochen, die zusammen mit
Hipparion und Dinotherium am Omo- und Podi-Flufi nordlich
des Rudolfssees gefunden wurden, ist der mittelpliocane H.
hipponensis der alteste bekannte Yertreter seiner Familie in Afrika.
Die Frage, ob die rezenten Hippopotamidae Afrikas von
ihm abstammen, laBt sich bei der Unbekanntschaft wichtiger
Teile, vor allem des Schadels, kaum mit Erfolg in Angriff
nehmen. Die auf Seite 27 hervorgehobenen Spezialisierungen
machen jedenfalls bedenklich.
J) Es ist von Bedeutung, daC auch in Europa das altdiluviale
il. major fast nur in seiner gewaltigen GroBe von der Norm des //.
amphibins abzuweichen scheint.
29
Da aus meinen Vergleichen der einzelnen fossilen Reste
mit den Teilen von H. amphibius die zahlreichen Unterschiede
deutlich genug hervorgehen1), habe ich nur einige Nachtrage zu
meinen friiheren Vergleichen mit Choeropsis liberiensis zu machen ;
denn einesteils stent mir jetzt viel mehr fossiles Material,
andernteils ein basal 30,5 cm langer Schaclel mit Unterkiefer
•des rezenten Zwerges aus » dem Senckenberg-Museum zur Ver-
fiigung2). Er ist viel kleiner, und trotz mancher naheren Bezie-
hungen bestehen doch deutliche Unterschiede. Im oberen Ge-
bi6 sind zwar die I und C auch nicht gerieft und am C liegt
die Furcbe ebenfalls median, aber sie ist sehr tief und die
Schmelzbedeckung reicht bis vorri, ist also weniger reduziert
ills bei dem fossilen C. Die 1 1 sind ubrigens ein wenig schwacher
als die 12. Der obere Pi ist zwar nur halb so groB als der
P 2, einwurzelig und einfach konisch, aber wie der P 2 relativ
starker als bei H. amphibius. Der P 3 ist nicht so gestreckt
und die distale Kante des P4 nicht so stark wie bei H. hippo-
nensis, und lingual hinten ist ein Hocker vorhanden. Von den Mo-
laren, deren Hocker so ziemlich kleeblattformig abgekaut werden,
ist der M 2 am groflten und etwas gestreckt; ihr Basal-
wulst ist nur mesial und distal sehr schwach ausgebildet, also
schwacher als sogar bei H. ampMhius im Gegensatz zu H.
hipponensis.
Unten ist der einzige, vor allem dem oberen 12 opponierte
I und der C ebenfalls ungerieft, und an letzterem fehlt der Schmelz
nur distal, auch ist mesial und distal keine Furche vorhanden.
Der untere P 1 ist schwacher als der obere und halb so grofi
als der P 2, immerhin aber relativ starker als bei H. amphi-
bius. Die weiteren P sind ziemlich gleichlang und insofern
denen von H. hipponensis ahnlich, als lingual hinten unten ein
Hocker oder doch ein Wulst vorhanden ist3). An den M
werden die vier Hocker durch das Abkauen ungefahr kleeblatt-
formig, der M2 ist weniger gestreckt als bei den andern zwei
1) Auf die von mir (1905 S. 113) gestreifte Frage nach der Unter-
scheiduug mehrerer geographischer Abarten des H. amphibius will ich
nicht eingehen, da es zu weit fuhrte. In Leidy (1852) ist wertvolles
diesbeziigliches Materia1 wenigstens iiber Schadel und Zahne zu finden;
z. B. soil die kaplandische Art gegeniiber der westafrikanischen am oberen
■C distal neb en der Furche stets einen schmelzfreien Streifen zeigen.
2) Herrn Drevermann, der mir das seltene Stuck sowie die fossilen
Reste aus dem Natrontal aus dem Senckenberg-Museum sandte, driicke
ich hier meinen besonderen Dank aus.
3) Bei den Originalen Mortons (1849, Taf. 33 Fig. 1, 7) und JUeidys
(1852, S. 220) ist an dem P 2 und P 3 kein lingualer Hocker vorhanden,
es ist dies also offenbar ein variables Merkmal.
30
Arten, der Basahvulst mesial nur am M 3 deutlich, aber nieder,
distal am M 1 hoch, am M 2 und M 3 in der Mitte hoch und mit
dem hinteren AuBenhocker yerbunden, jedoch niederer als er.
Jedeiifalls ist der Basalwulst am M 2 distal starker entwickelt
als bei H. hipponensis. Die Knoehen der Yorderextremitat
habe ich schon (1905, S. 115) erortert, soweit es nach dem Yer-
gleich mit der unzulanglichen Beschreibung Milne -Edwards
(1874, S. 61, 62) moglich ist; die Tibia scheint iibrigens in der
IT mbiegung der Crista cnemialis der fossilen ahnlich zu sein.
Wenn also auch Choeropsis liberiensis in manchem, so be-
sonders im Schwund eines unteren I, spezialisierter ist als unsere
.Form und in vielem mehr Beziehungen zu ihr zu haben scheint
als H. amphibius, muB doch die Starke der oberen und unteren
P 1 als primitives Merkmal und ebenso wohl auch die yiel ge-
ringere GroBe gegen die Annahme angefuhrt werden, daB er in
einem Abstammungsyerhaltnis zu der fossilen Form stande.
Dasselbe gilt auch yon dem subfossilen H. madagascariensis
Guldberg, der aber in dem anscheinend volligen Yerlust der
P 1 wie in anderen Merkmalen hoher als H. liberiensis spezi-
alisiert ist, wenn auch weniger als H. amphibius^ und in der
GroBe zwischen liberiensis und hipponensis steht. Er ist nicht
nur erheblich kleiner als H. hipponensis, sondern auch in yielen
Einzelheiten deutlich yon ihm verschieden, wie schon oben
bei dem Yergleich mancher Skelett-Teile festgestellt wurde.
Im GebiB ist z. B. an den oberen M der Basalwulst buccal und
besonders lingual sehr schwach, am unteren M 2 aber, der viel
gestreckter ist1), ist er mesial innen hoher, distal in der Mitte
als kegelformiger Hocker ausgebildet.
Unter den asiatischen fossilen Hippopotamus- Arten ist
H. (Hexaprotodori) sivalensis Falc. und Cautley zwar in manchem
H. hipponensis ahnlich, z. B. ist nach Lydekker (1884 S. 38)
fur die oberen M ein starker auch lingualer Basalwulst charak-
teristisch, die Furche an der Distalseite des oberen C liegt
ebenfalls. in der Mitte, und der Talus ist gieichfalls langer als
bei H. amphibius (ebenda S. 41). Abgesehen yon so primitiyen
Merkmalen wie dem Besitz der Pi und yon drei unteren I ist
aber die Furche des oberen C wie bei Choeropsis liberiensis sehr
tief und breit, und jene Art deutlich groBer. Der untere M2
J) Bei 11. Lemerlei Grandidier aus Madagaskar ist der untere M
fast so breit als lang (Grandidier u. Filhol 1894 S. 123), bei
H. leptorrhynchus (ebenda S. 284) aber verhajt er sich wie bei dem
hiesigen 11. madagascariensis. Ob und wie die zusammen vorkommenden
madagassischen Formen in Arten zu trennen sind, muB ich unentschieden
lassen. (Siehe die Anm. auf Seite 25!)
31
ist z. B. each Lydekkek (a. a. 0. S. 41) gewohnlich 50 mm
lang, 41 breit, selten 44,5 und 32,5. Der obere M 2 aber ist
bald 43,5 — 49 lang, 55 — 56 breit, bald 58,5 — 56,5 lang und
nur 49 — 47,5 breit. Es ist iibrigens recht interessant, daB
Lydekkek nach dem so verschiedenen Langen- und Breiten-
verhaltnis der oberen M zwei Formen (Jatidens und angustidens)
unterscheidet (a. a. 0. S. 39), wie Grandidier und Filhol (1894
S. 189, 184) bei den madagassischen (Lemerlei = madagascariensis
und leptorrhynchus), und daB auch ich (1905 S. 113) auf ahn-
liches bei H. amphibius kurz hinweisen konnte.
1m iibrigen ist in bezug auf die asiatischen Formen auf
meine friiheren kurzen Bemerkungen (1905 S. 11S und 123)
zu verweisen, nur beziiglicli der aus dem Altdiluvium von Trinil
und Kedoeng Broeboes auf Java von Stkemme (1911 S. 104,
105) beschriebenen Reste rnochte ich einiges bemerken. Denn
mir liegt ein Talus vor, der von dem Alitor zwar verwertet
und uberfliissiger Weise mit dem von Boviden verglichen wurde,
der aber doch mit dem anderer Hippopotamus- Arten in Vergleich
gebracht werden sollte. Wie seine Matfe auf Seite 24 zeigen,
gleicht er in der Grcifie und in den Proportionen dem von
77. hipponensis. Auch die lateralen Flachen fiir den Calcaneus
sind gleich ausgebildet. Aber palmar verlauft zwar der laterale
Rand der Gelenkflache fiir den Calcaneus ebenso. neben dem
medialen zieht sich jedoch eine breite Rinne hin, und distal ist
die Flache fiir das Centrale noch hoher gelegen und mehr
querkonkav.
Der obere M2 ist nach Stkemme (a. a. S. 104) ebenfalls
kaum langer als breit und fast so groJ3 als bei II. liipponensis
und besitzt nach seiner Abbildung (Taf. 16, Fig. 7) nicht nur
mesial und distal, sondern wenigstens auch lingual einen Basal-
wulst. Soweit es sich bei so dlirftigem Yergleichsmaterial fest-
stellen lafit, gleicht also die javanische Art unserer mehr als
die bisher erorterten.
Ob die Originale Stremmes zu Ilexaprotodon sivajavanicus
Dubois (1908 S. 1265) gehoren, und wie sich diese Art zu
unserer verhalt, laBt sich auf Grund der wenigen Angaben
Dubois' nicht klar legen.
Was endlich die europaischen Arten von Hippopotamus
anlangt, so brauche ich in der Hauptsache nur auf meine
friiheren Ausfiihrungen (1905 S. 117) zu verweisen. Da aber
Osborn (1910, S. 313) sie, wie iibrigens alle meine Abhandlungen,
ignorierte und wiederum die diirftige Form aus dem Mittel-
pliocan von Monte Casino in Italien mit unserer Art in Ver-
bindung brachte, sei nochmals betont, daB sie ihr nur in dem
32
Mangel der Riefung der I und des unteren C gleicht. Sie ist
im iibrigen ein wenig grofler, scheint je 3 untere I zu haben,
der untere C nach der Abbildung eine selir deutliche niesiale
Furche. der untere P2 keinen lingualen Hocker. und der deutlicli
gestreckte M nur distal einen stark en Basalwulst und keine
gefurchten Hocker zu besitzen. Yon naheren Beziehungen kann
man also nach dem wenigen Yergleichbaren kaum sprechen.
Neuerdings bat Bortoletti (1904 S. 91, Taf. 5, Fig. 3, 4)
-einen Oberkiefer mit den drei sebr gut erbaltenen M Yon Cortona
in Toskana zu G. Pentlandi Falconer gerechnet. Diese Art ist
aber, ^i.e icb (1905 S. 117) scbon erwahnte, von H. v. Meyer
aufgestellt und auch you Falconer nie beschrieben worden.
Die sebr stattliche GroBe und Streckung sowie die Schwache
des Basalwulstes an der Lingual- und besonders an der Buccal-
seite unterscheiden die M you denen des H. hipponensis.
Die altesten sicbergestellten Hipj)opotamus-'Reste aufierhalb
Asiens starnnien aus dem TJnterpliocan you Gravitelli in Sizilien.
L. Seguenza (1902 S. 162 ff. and 1907 S. 106ff.) recbnete sie zu
Hexaprotodon swalensis Falc. und Cautley, konnte aber bei den
Yereinzelt gefun denen Resten nicbt das Yorhandensein Yon je
drei unteren I feststellen, auch unterscheidet sich z. B. der
kurze Talus deutlich Yon dem der indischen Art. Mit H.
hipponensis bestehen keine naheren Beziehungen; das beweist
schon der allerdings wechselnde Querschnitt des oberen C
(a. a. 0. 1902 Taf. 7, Fig. 12, 14) mit der breiten und tiefen
Furche in Mitte der Distalseite, worm eine Ahnlichkeit mit
H. sivalensis und Choeropsis liberiensis besteht, und mit der sehr-
starken Conyexitat der Yorderseite, ferner die deutliche Riefung
wenigstens der Medianseite des unteren C (a. a. 0. 1907 S. 118,
Taf. 7. Fig. 11) und am Talus die Ktirze, die breite Fiirche
neben der palmaren Gelenkflacke sowie der geringe Niyeau-
Unterschied der zwei distalen Gelenkflachen (a, a. 0. 1902
Taf. 7, Fig. 4—9), endlich die stattliche Grofie.
Hippopotamus hipponensis Gaudry erscheint demnach auf
•das Mittelpliocan Nordafrikas beschrankt und gibt einstY^eilen
keinerlei AufschluB liber die Stammesgeschichte der Hippo-
potamidae. Sie sind jetzt im TJnterpliocan Indiens und Siziliens,
im spatereu Pliocan Indiens, Italiens und Nordafrikas, yielleicht
auch in China, im Quartar endlich in Jaya, Yorder- und Hinter-
indien, auf Madagaskar, in Siid-, Ost- und Nord-Afrika, auf
Mittelmeer-Inseln und yon Spanien und Italien bis England
und Westdeutschland nachgewiesen und erscheinen dann relatiy
plotzlich auf das athiopische Afrika und das Niltal beschrankt.
.Solange eben die altweltlichen priipliocanen Saugetierfaunen
33
aufierhalb Europas nur aus wenigen Gegenden (Belutscbistan
und imteres Indusgebiet in Asien, Moghara, Uadi Faregh und
Fajum in Agypten) bekannt sind, kann keine Entscheidung
dariiber erwartet werderi, ob die Hipjiopotamidae, wie Stehlin
(1899 S. 488 und 1908 S. 751) vermutete, sich im wesentlichen
in Afrika entwickelten und auf den sehr ungeniigend bekannten
Choeromorus des westeuropaischen Obereocans zuriickgehen, oder
ob sie, wie Schlosser (1903 S. 95 und 212) mehr entschieden
als iiberzeugend vertrat, aus Asien stammen.
Benntzte Literatnr. ')
Bortoletti, C. : Denti di Proboscidati, di Rinoceronte e di Ippopotamo
dell' antica collazione Canali in Perugia. Rivista ital. Paleont.,
Anno 10, Perugia 1904.
Dubois, E.: Das geologische Alter der Kendeng- und Trinilfauna.
Tijdschr. k. Nederl. Aardrijskk. Genootsch., Ser. 2, Bd. 25, Leiden
1908.
Fraas, E.: Pleistocane Fauna aus den Diamantseifen yon Sudafrika.
Diese Zeitschr. Bd. 59, Berlin 1907.
Grandidier et Filhol: Observations relatives aux ossements d. Hippopot.
usw. Ann. Sci. natur., Zoologie, Bd. 16, Paris 1894.
Gi ldkerg, G. A. : Undersogelser over en subfossil flodhest fra Madagascar.
Christiania Videnskab-Forhandl. 1883 Nr. 6.
Osi$orn, H. F.: Age of Mammals, New York 1910.
Segienza, L.: Mammiferi e geologia del piano pontico, und: Nuovi
resti di Mammiferi pontici di Gravitello presso Messina. Boll. Soc.
geol. ital. Bd. 21 (1902) und 26 (1907), Roma 1902 und 1908.
Stehlin, H. : Die Saugetiere des schweizerischen Eocans, 5.Teil. Abhandl.
schweiz. palaont. Ges. Bd. 35, Zurich 1908.
Stremme, H.: Die Saugetiere mit Ausnabme der Proboscidier. Selenka-
Blanckenhorn : DiePitbecantbropus-Schicbten auf Java, Leipzigl911.
Stromer, E.: Die Wirbel der Land-Raubtiere. Zoologica, H. 36,
Stuttgart 1902.
Thomas, Th.: Recherches stratigraphiques et paleontologiques d'eau douce
de l'Algerie. Mem. Soc. geol. France, Ser. 3, Bd. 3, Paris 1884.
') Die von mir in den Abh. der Senckenberg. Gesellschaft Bd. 29
S. 131,132, Frankfurt a. M. 1905 schon angefiibrte Literatur ist im Text
vielfach zitiert, hier aber nicbt nocbmals abgedruckt.
Manuskript eingegangen am 15. Oktober 1913.]
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914.
3
34
2. Geologische Beschreibung der Gegend von
Saignelegier und les Pommerats mit einem
Anhang zur allgemeinen Juratektonik.
Von Herrn Friedkich Schuh aus Niirnberg.
Hierzu Tafel IV und V und 10 Figuren.
Vorwort.
Das Gebiet, das ich im Herbst 1911 und im Frtihjahr 1912
beging, urn dessen Tektonik aufzuklaren, liegt im nordl.
Schweizer Kettenjura. Es wird im N und W Yom Doubs um-
flossen, wahrend im S Saignelegier, im 0 Bemont und Clairbief
Grenzorte meines Aufnahmegebietes sind. Als Unterlage be-
nutzte ich das Blatt 100 und 101 der topographischen Karte
der Schweiz im Mafistab 1 : 25 000, uud zwar wurde Blatt
100 ganz, Blatt 101 nur bis Saignelegier im S kartiert. An
geologischen Karten existierte nur eine Ubersichtskarte im
Mafistab 1 : 100 000 von Bolliek.
Als bequeme Zugangsroute kommt nur die Bahn von Basel
nach Delemont und Glovelier nach Saignelegier in Betracht.
Die Hohenunterschiede sind in dieser Gegend bedeutend grofier
als in den im S und 0 angrenzenden Gebieten. Die hochste
Erhebung betragt 1073 m, wahrend der tiefste Punkt im
Doubstal auf einer Hohe von 486 m liegt. Daraus ergibt sich
ein Hohenunterschied von ungefahr 500 m.
Fur vielseitige Unterstutzung mochte ich besonders meinem
verehrten Lehrer, Herrn Prof. Deecke, meinen warmsten Dank
aussprechen.
Stratigraphie.
In der stratigraphischen Schilderung will ich mich kurz
fassen und verweise daher zum Detailstudium auf die strati-
graphischen Spezialwerke.
Am Aufbau meines Gebietes beteiligen sich im wesentlichen
nur Malm und Dogger, und zwar schliefit die aufgeschlossene
Schichtenserie mit den unteren Banken des mittleren Dogger ab,
wahrend die hochsten Malmlagen aus oberemKimmeridge bestehen.
35
Dogger.
#
II. Oberer Dogger 50 m.
I. Mittlerer Dogger 100—120 m.
Der Dogger hat in meineni Untersuchungsgebiet eine weit
geringere Yerbreituug als der Malm. Er findet sich auf-
geschlossen in der Combe von Goumois, in dem Gebiet Beau-
gourd dessous — sur le Rang — Vautenaivre, ferner in dem von
Malnuit — Champ — Patalour — Paturage du Patalour — sous la
Roche. Die beiden letztgenanntenGebiete gehoren zueinemgemein-
samen Gewolbe, das im 0 liber le Cerneux nach Soubey zieht.
Mittlerer Dogger.
Der mittl. Dogger oder Bathonien besteht aus kompakten,
weiBen und feinoolithischen Kalken. In verschiedenen Hori-
zonten kommen diinne Mergellagen yor.
Man pflegt den mittl. Dogger einzuteilen in:
III. ob. Hauptrogenstein.
II. Homomyenmergel.
I. unt. Hauptrogenstein.
Die Fossilfuhrung ist im allgemeinen sparlich, und haufig
sind ganze Gesteinslagen yollkommen steril.
Der unt. Hauptrogenstein, auch Oolithe subcompacte
(Thurmann), besteht aus Kalkoolithen und kompakten Kalken
mit Korallenbanken und Mergellagen. Aus letzteren kormte
ich 150 Schritte yor der Einmtindung des Talchens yon Yaute-
naivre in das Dcmbstal Rhynchonella quadriplicata Qu., Terebratula
maxillata Sow., kleine Rbynchonellen und kleine urigefaltete
Terebrateln sammeln. Die daruberliegeuden Homomyenmergel
oder Marnes a Ostrea acuminata (Th.) sind nirgends aufgeschlossen
oder nicht YOrhanden. Der ob. Hauptrogenstein oder Grande
Oolithe (Th.) besteht vorwiegend aus kompakten weifien sterilen
.Kalken. Im einzelnen verweise ich auf M. Muhlberg1).
Oberer Dogger.
Der ob. Dogger oder Callovien wird zerlegt in:
II. Dalle nacree = Athletaschichten.
I. Calcaire roux sableux (Th.) = Yariansschichten.
Calcaire roux sableux ist im W Yon Beaugourd dessous
deutlich nachweisbar. Doch auch an dieser Stelle ist es un-
') M. Muhlberg: Vorlaufige Mitteilung uber die Stratigraphie des
braanen Jura im nordschweizerischen Juragebirge.
3*
36
moglich, die Machtigkeit festzustellen, die jedenfalls ziemlich
gering zu sein scheint. Die dariiber liegende Dalle nacree ist
immer gut aufgeschlossen und wegen ihres eigenartigen Cha-
rakters als stark eisenreiche oolithische Crinoidenbreccie nicht
zu verkennen. Sowohl in vertikaler wie horizontaler Erstreckung
zeichnen sich diese Schichten durch groBe Konstanz aus. Die
Grenze nach oben wie nach unten ist immer leicht nachweisbar.
Malm.
Wich tiger als der Dogger ist der obere Jura mit einer
Gesamtmachtigkeit von 400 — 500 m. Yon seinen 5 Abteilungen:
Y. Portland,
IV. Kimmeridge,
III. Sequan,
II. Rauracien,
I. Oxford,
ist die oberste hier nicht entwickelt.
Oxford.
Das Oxford bat in meinem Untersuchungsgebiet eine aufier-
ordentliche Yerbreitung. Uberall, wo es zutage tritt, linden
wir es von Wiesen iiberdeckt, weii sicli Wald nur bei Raura-
cienbeschiittung halten kann. Da es die machtigste und zugleich
reinste Tonschicht im ob. Jura darstellt, entspringen auf ihm
alle grofieren Quellen, und auf ebenen Flachen entstehen kleine
Seen, Siimpfe, Moore und Torfe, z. B. im 0 von Saignelegier
und zwischen les Pommerats und la Bosse. An steileren Ge-
hangen befinden sich die Wiesen in standiger Bewegung.
Sowohl gegen das Rauracien wie gegen die Dalle nacree ist es
aus diesen Griinden nicht schwer, eine sichere Grenze fest-
zustellen. Auf der Grenze von Oxford und Dalle nacree kommt
es anBerdem in der Regel zur Ausbildung von Erdtrichtera.
Dieselbe Erscheinung konnte ich auch auf dem Plateau im "W von
les Pommerats, auf der Grenze zwischen Natica-Mergeln und
der Mumienbank beobachten. Die Machtigkeit des Oxford
unterliegt groBen Schwankungen ; teils linden wir ein iibergroties
Anschwellen, teils eine weitgehende Yerminderung der Mach-
tigkeit, zuweilen sogar vollkommene Ausquetschuug. Bei nor-
maler Lagerung wird man etwa 80 m annehmen diirfen. In
guten Aufschliissen laBt sich eine Zweigliederung erkennen.
Die obere Partie, das sog. Terrain a chailles besteht aus einer
mach tigen hellgrauen Mergellage, der schichten weise kopfgrofle
kieselhaltige Kalkknauern eiugeschaltet sind. Nach der Fossil-
37
fiilirung1) konnen wir darin wieder unterscheiden zwischen einem
oberenTeil, der durch das massenhafte Auftreten vonPholadomyen
gekennzeichnet ist, den sog.Pholadoinyenschichten, und einem
unteren, in dem zwar Pholadornyen nicht fehlen, aber gegen-
iiber dem oberen stark zuriicktreten. Er wird nach dem dort in
groBer lndividuenzahl auftretenden Fossil Rhynchonella-Thurmanni-
Schichten genannt. Die bezeichnendsten Fossilien des Terrain
a chailles sind folgende:
Aspidoceras perarmatum Sow.
Cardioceras cordatum Sow.
Perisphinctes plicatilis d'Orb.
Belemnites hastatus Blain.
„ „ excentricus Blain.
Millericrinus echinatus Schloth.
Collyrites bicordata Des.
Pholadomya Uneata Roem.
„ „ f>aucicostata Boem.
„ „ canalicuJata Boem.
„ „ exaltata Ac.
Homomya gracilis Ag.
Pleuromya varians Lor.
Pecten Laurae Ex.
Ostrea Bruntrutana Th.
Bhynclionella Thurmanni Yoltz.
Terebratula Gallienei d'Orb.
DieAmmonitenfindensicliYorallemindenTburmanniscbicbten.
In meinem Gebiet bietet sich nur im N von Pres dessous
Oelegenheit, die Fauna dieser Periode genauer zu studieren.
Auf das Terrain a chailles folgt nach unten eine reine Tonschicht
von schwarzgrauer, oft ins Blauliche spielender Farbe. Diese
Lage, die sog. Benggeri-Schi chten , charakterisiert sich gut
durch die in ihr enthaltenen, in*Pyrit und Brauneisenstein
umgewandelten Fossilien. Die bezeichnendsten Formen sind:
Creniceras Benggeri Opp.
Aspidoceras perarmatum Sow.
Cardioceras cordatum Sow.
Perisphinctes mirandus de Lor.
Balanocrinus pentagonalis Gf.
Ostrea Bichei de Lor.
Belemnites hastatus Blain.
J) Loriol: Etude sur les mollusques de l'Oxfordien superieur et
moyen da Jura bernois avec une note stratigraphique par M. le prof.
Koby. Mem. soc. pal. Suisse vol. XXIII 1896, vol. XXIV 1897,
premier suppl. vol. XXVIII 1901.
38
Im iibrigen yerweise icb auf die Arbeit von P. de Loriol1)
An orograpbiscber Bedeutung stehen die Reng"geri-Tone gegen-
uber dem Terrain a cbailles weit zuriick. Wir finden sie
daher auBerst selten gut aufgescblossen. Ibre Macbtigkeit
betragt bocbstens 20 m.
In grower Ausdebnung, so daB es wesentlich zur Gestaltung
des Landscbaftsbildes beitragt, findet sicb Oxford um die los-
geloste Rauracienscbolle nordl. von cbez le Forestier und in
der Combe Yon Goumois. Ein guter AufscbluB zum Studium
des Terrain a cbailles liegt im NO Yon Pres dessous, ein
solcber in den Renggeri-Tonen ist westnordwestl. Yon Bemont
in einem Bacbbett.
Rauracien.
Das Rauracien bedingt in dem yon mir untersucbten Gebiet
mebr als alle anderen WeiB- Jurascbicbten den landscbaftlicben
Cbarakter der Gegend. Wir seben baufig gigantiscbe Pelsen
die Nacbbarscbaft iiberragen oder flacbgeneigte Lagen durcb
jahen Abbrucb auf weite Erstreckung bin reizyolle Felsbarren
bilden. Am FuB der Felsen breiten sicb in der B-egel steile,
yon Dorngestriapp bedeckte Scbuttbalden aus. Da es fur
den Ackerbau zu trocken und steinig ist, tragt es meistens
dicbten Wald. Treten flacbgeneigte oder horizontale Rauracien-
scbicbten zutage, so zeigen sie deutlicbe Karrenbildung, z. B.
in der Gegend yon Saignelegier. Da diese letztgenannte Gegend
scbon einen IJbergang zur argoyiscben Facies erkennen laBt,
yvecbseln gieicbaltrige Scbicbten scbon auf kurze Erstreckung
erbeblicb in ibrem Habitus. Immerbin kann man die iiblicbe
Dreiteilung des Rauracien nocb durcbfiibren. Demnacb unter-
scbeiden wir
1. einunteres, gekennzeicbnet durcb Rasenkorallen, besonders
Thamnastraea, Spongien und Seeigel (Cidaris florigemma
Ph., Hemicidaris crenicularis und Glypticus Ineroglyplncus),
2. ein mittleres, yorwiegend aus Oolitben bestebend,
3. ein oberes, das wiederum reicb an Korallen ist und
auBerdem eine Unmenge yon Nerineen und Diceraten
entbalt.
Das Rauracien im so. Teil meines Aufnabniegebietes laBt
sicb gut in einem zwiscben Saignelegier und Bemont befind-
licben Steinbrucb studieren. Das unt. Rauracien bestebt dort
l) P. de Loriol: Etudes sur les Molusques et Brachiopodes de-
FOxfordien (zone a Ammonites Renggeri) du Jara bernois, suivies d:une-
Dote stratigraphique par E. Koby. Mem. soc. pal. Suisse, vol. XXV
1898, vol. XXVI 1899.
39
wie liberall aus wohlgeschichtetem dunkelgrauem Mergelkalk
von etwa 10 m Machtigkeit. Alle darin vorkommenden Yer-
steinerungen sind mehr oder weniger verkieselt. Daruber legen
sich weniger gut geschichtete hellere Lagen. Oolithe spielen
eine ganz imtergeordnete Rolle und kommen nur in der oberen
Partie vor. Die ganze Machtigkeit betragt 80 — 100 m. Genau
in derselben Ausbildung finden wir das gesamte Rauracien im
SO von Saignelegier durch einen im Jahre 1911 ausgefiihrten
StraBenbau aufgeschlossen. Eine ganz abweichende Facies
konnen wir an der StraBe von Gouniois nach Yautenaivre be-
obachten, wo oolithische Kalke einen sehr machtigen Gesteins-
komplex ausinachen, in dem das mittlere und ein Teii des oberen
Rauracien als groboolithische, leichtzerbrockelnde weiBe Kalke
erscheint. Alle Yersteinerungen, vor allem Nerineen, zeigen
starke Abrollung oder Inkrustirung. Gleich anderen Autoren
hat M. Muhlberg1) darauf hingewiesen, daB bewegtes Wasser
die Yorbedingung aller Oolithbildung sei. So erregtes Wasser
jedoch, wie es die starke Abrollung der Fossilien erfordert,
findet sich nur in ganz geringer Tiefe. Wie uns die im ganzen
Rauracien auftretenden Korallen zeigen, handelt es sich in
diesem Falle um bis nahe an die Oberflache heraufragende
Riffe. Daraus ergibt sich, daB die Oolithbildung hier nur eine
ortlich eng begrenzte Facies darstellen kann und stratigraphisch
giinzlich bedeutungslos ist. Finden wir einen Oolithhorizont
auf weite ortliche Erstrekung, so konnen wir sicher sein, daB
diese Ablagerung in ihren einzelnen Teilen ein verschiedenes
Alter hat. tibrigens wird niit dem Wort ,,Oolith,: in der Li-
teratur Unfug getrieben. Wenn Muhlberg drei Arten von
Oolithen unterscheidet: I. solche mit radialer und konzen-
trischer Struktur, II. solche nur mit konzentrischer Struktur,
III. solche, welche weder radiale noch konzentrische Struktur
zeigen, so leuchtet es von vornherein eiu, daB die III. Gruppe
mit den beiden anderen nicht das geringste gemein hat, sondern
daB es sich hier vielmehr um ein feineres Konglomerat handelt.
Man sollte aufhoren, solche heterogenen Bildungen mit dem
gleichen Nam en zu belegen, vielmehr diesen auf die beiden
ersten Gruppen beschranken.
Im S meines Aufnahmegebietes auf dem Weg, der von
Muriaux nach. der HauptstraBe Saignelegier-Goumois hinabfiihrt,
und diese im 0 von Belfond dessous trifft, babe ich folgendes
Rauracienprofil aufgenommen :
1) M. Muhlberg: Vorliiufige Mitteilung uber die Stratigraphie des
braunen Jura im nordschweizerischen Juragebirge, Anhang: Uber
Oolithe.
40
0. Ra.
M. Ra.
U. Ra.
Wir finden hier unter den Naticaschichten zunachst
eine kompakte, sehr schwach oolithische Bank mit starken
roten Tupfen, ca. 2 m
dann kompakte, hellgraue, diinngebankte, ein-
tonige Kalke, ca. 17 in
darunter weiBe, teilweise kriimelige, groboolithische
Kalke mit vielen abgerollten Versteineruugen,
auch Korrallen (meist aber nur Einzelkorrallen)
fiihrend, ca. 17 m
darunter sehr kalkspatreiche, graugelbe, korallen-
reiche, wenig feste Kalke, die nach unten zu noch mer-
[geliger werden ca. 25 m
Das ganze Rauracien hat hier eine Machtigkeit
von ca. 60 m
Bemerkenswert ist, dafi sich diese Facies des Rauracien
mit der weifien, groboolithischen mittlereu Abteilung sehr scharf
unterscheidet Yon derjenigen, die man im SO meines Gebietes
antrifft (vgl. Steinbruch auf der Strafie Saignelegier — Bemont),
wahrend sie sich besser an die Facies anschlieflt, welche man
auf der Strafie von Goumois nach Vautenaivre studieren kann;
doch haben dort jene weifien, groboolithischen Kalke eine noch
weit grofiere Machtigkeit.
Sequan.
Nachst dem Oxford hat in meinem Untersuchungsgebiet
das Sequan die grofite Yerbreitung. Besonders zwischen
Pommerats und Saignelegier bedeckt es weite Flachen und
zeichnet sich im Gegensatz zum Rauracien durch horizontale
Konstauz aus. Es lafit sich daher gut gliedern in:
III. Ober- Sequan, ca. 30 m
II. Humeralis-Schichten, ca. 10 m ir>A
, • . ., , ^ 1 ca. 100 m
Mumienbank, 20 m
I. Natica-Schichten, 30 m
Der untere und mittlere Teil jener Schichtenserie tragt im
Gelande vorzugsweise Wiesen und Acker, deren Boden weniger
fettig ist als der aus Oxfordtonen hervorgegangene. Deshalb
dringt auch der Regen leichter ein und Sumpf- und Torfbildung
ist selten.
Die Naticaschichten setzen sich aus Mergeln und
Mergelkalken zusammen, denen besonders im unteren Teil
einige Banke toiiarmen Kalkes eingeschaltet sind. Doch ist
die Grenze zwischen ihnen und dem oberen Rauracien meist
leicht festzustellen. Die Fossilfuhrung ist armlich und zeigt
nur Steinkerne. Aufier einigen Zweischalern ist nur Natica
41
einigermaBen haufig mit einer groBeren Anzalil von Species,
{Natica grandis Mu. und Natica Eudora d'Okb.)
Uber den Natica-Schichten folgt der fiir das ganze Sequan
charakteristischste Gesteinskomplex, die sogenannte Murnien-
bank. Sie besteht teils aus kompakten, teils aus grobooli-
thischen Kalken, in welchen die einzelnen Korner HaselnuB-
grofle erreichen. Auch in den kompakten Kalken, bei denen
es noch nicht zu typischer Oolithbildung kam, laBt sicb die
Zugehdrigkeit zu jenem Koniplex an feinen weiBen Fleckchen
erkennen1). Aber nicht nnr die eigenartige petrographische Be-
schaffenheit stenipelt die Mumienbank zum trefflichen Leit-
horizont fiir den kartierenden Geologen; es kommt noch hinzu
daB sie sich durch ihre Lage zwiscben zwei Mergelserien immer
deutlich in einer kleinen Gelandestufe zu erkennen gibt. Haufig
kommt es auch auf der Grenze gegen die Naticaschichten zur
Bildung von Erdtrichtern (vergl. S. 5), wie man dies auf dem
Plateau im AVNW und weniger deutlich im NO von les Pommerats
beobachten kann. Die Mumienbank hat jedoch eine weitere
Bedeutung dadurch, daB die Fauna des dortigenMeeres eine grund-
verschiedeneZusammensetzungvorundnachihrerAblagerunghatte.
Dies laBt sich nur damit erklaren, daB man vor der Ablagerung
der Mumienbank eine Hebung annimmt (seichtes Wasser ist ja
die Hauptbedingung der Oolithbildung), wodurch die Natica-
•Fauna auswandern muJ3te. Bei neuerlicher Senkung ergriff
die ganz anders geartete Humeralis- Fauna von dem Gebiet
Besitz2).
Die Fauna der Humeralismergel wird charakterisiert durch
den grofien Reichtum an Echiniden wie Crinoiden, aufierdem
durch Brachiopoden und Austern. Alle ubrigen Stamme des
Tierreichs sind nicht oder nur aufierst sparlich vertreten.
Die bezeichnendsten Formen sind:
Zeilleria {MageUania) humeralis Roem.
Rhynchonella corallina Leyn.
Cidaris florigemma Phil.
Cidaris bacidifera Ag.
Hemicidaris intermedia Forb.
Apiocrinus Meriani Des.
Pentacrinus Desori Th.
Exogyra Bruntrutona Th.
1) Dasselbe kann man auch im mittleren Dogger oberhalb Patalour
beobachten.
2) G. L. Kemmerlisg (Geol. Beschr. d. Ketten von Vellerat u. Mou-
tier) erwahDt die Mumienbank im Gegensatz zu meinen Befunden und
denen des Herrn W. Oertel nur an der Grenze der Humeralismergel
gegen Ober-Sequan.
42
Die nun folgenden St.-Verena - Schichten zeigen wenig
Einheitlichkeit. Es sind kompakte Kalke, Oolithe und Korallen-
riffe Yonortlichschnellwechselndern Habitus. Oolithe spielenkeine
besonclers groBe Rolle, so dafi die Bezeichnung St.-Verena-Oolith
hier unstatthaft ist. Nach oben zu gehen sie ohne scharfe
Grenze in die Kalke des unteren Kinimeridge iiber. Wie die
St.-Verena-Schichten eine dem oberen Rauracien anaioge Facies
darstellen, so sind auch die hier auftretenden Tierstamme die
gleichen. In groflerer Zahl kommen Nerineen, Austern, Bra-
chiopoden, Korallen und Bryozoen Yor:
Xerinea Gosae Roem.
Nerinea Bruckneri Th.
Ostrea pulligera Qu.
Hinnites astartinus de Lor.
Terebr alula liumeralis Roem.
Gut lafit sich die Folge der Yerschiedenen Sequanstufen
auf der Stral3e Yon les Pomrnerats nach Malnuit studieren. Bei
Hohenpunkt 904 etwa liegt die Grenze zwischen unterem
Kimmeridge und oberem Sequan. Als ITbergangsschichten
stellen sich wei.Be, kreidige oolithische Kalke ein. Schon
aufgeschlossen finden wir diese kreidigen Oolithe auch an der
StraGe Yon Seignolet nach Moulin Jeannotat auf Hohenlinie
540 x). Darunter, und diese teilweise durchsetzend, folgen die
Riffkalke des oberen Sequan. Die Strafie weiter Yerfolgend, treffen
wir auf einen ausgezeichneten AufschluB der Humeralis- und
weiterhin der Natica-Mergel. Die zwischen Mittel- und TTnter-
sequan eingeschaltete Mumieubank ist nicht typisch entwickelt.
Wenig siidlich you der Grenze meines Aufnahmegebietes
habe ich am Weg, der Yon Muriaux mit grower Schleife gegen
N nach der Hauptstrafle Saignelegier — Goumois hinabzieht und
diese bei der Schleife im 0 Yon Belfond dessous trifft, ein
Profil durch Mittel- und Untersequan aufgenommen, das ab-
weichend ist Yon der Entwicklung im N meines Gebietes und
das ebenso oder mehr noch wie das dortige Rauracien (siehe S. 9)
schon Anklange an die argovische Facies zeigt.
Das Profil beginnt mit Mergeln, die reich
sind an Echinodermen, besonders Crinoiden,
aber auch Terebratula humeralis Roem. und
Rhynchonella corallina Lym. enthalten .... etwa 4 m
Darunter gut gebankte feste Kalke, die
sich gut zu Bausteinen eignen und Mumien
enthalten „ 12 m
Dann eine Mergellage mit Pholadomyen
und in Menge Exogi/ra Bruntrutana Th. u. s. w. 1 — 2 m
Groboolithische Kalke und Mergel ... 2 m
M. Sq.
') Ahnliche Ubergangsschichten beschreibt W. Oertel.
43
Mergel, die auBerordentlich reich sind an
M. Sq. \Zeilleria humeralis Roem., wogegen andere -
( Fossilien zuriicktreten etwa 5 m
VI Bank i Schwach oolithische Bank 2 m
v \ Banke mit grobkornigen Oolithen ... 5 m
Mergel 8 m
^ g ^ j Schwach oolithische, jedoch schoiie
- a- c • I Mumien enthaltende Banke 3 m
Mergel 4 m
Mittel- und Untersequan zusammen .... 45 — 50 m
Dieses Profil zeigt, daB wir es hier im ganzen Mittel- und
Untersequan mit einem standigen Wechsel Yon Kalken und
Mergeln zu tun haben, daB Oolithe in verschiedenen Horizonten
auftreten konnen, und daB sich das Mittelsequan in verschie-
dene faunistische Stufen zerlegen laBt, deren obere charakte-
risiert ist durch das Vorherrschen der Crinoiden, deren mitt-
lere, vvenig machtige Zone yor allem Pholadomyen und Ex.
Bruntrutana enthalt, und deren untere gekennzeichnet wird
durch die in grower Individuenzahl auftretenden Zeill. humeralis
Roem. In diese Schichtenreihe schiebt sich zwischen der
oberen und unteren Mergellage ein zienilich machtiger Kalk-
komplex ein, den wir, da er Mumien enthalt, als eine
obere Mumienbank bezeichnen konnen, wahrend die Stelle der
Mumienbank zwischen dem unteren Mittelsequan und den Na-
ticamergeln, wie sie in dem nordl. anstoBenden Gebiet ausge-
bildet ist, durch etwa 7 m oolithische Kalkbanke yertreten
wird. Diese obere Mumienbank ware ein Aquivalent der yon
Kemmerling beobachteten Schicht. Die Naticaschichten sind
im Gegensatz zu dennordlicheren Gebieten wenig machtig, im ganzen
etwa 15 m, wrobei zu bemerken ist, dafi der mittlere Teil dieser
Serie wiederum Yon einer etwa 3 m machtigen Mumienbank ge-
bildet wird, und zwar zeigt diese Bank die Mumienfacies am
allerschonsten. Konnten wir also die Mumienbank im
groBten Teil meines Aufnahmegebietes als trefflichen Leithori-
zont bezeichnen, so ist dies in den siidl. anstoBenden Gegenden
durchaus nicht mehr der Fall. War auBerdem die Entwick-
lung der Naticaschichten eine weit betrachtlichere als die der
Humeralisschichten, so finden wdr hier im Siiden gerade den
umgekehrten Fall. Die Faciesgrenzen haben sich also im Sequan
yerschoben.
Kimmeridge.
II. Oberer Kimmeridge.
Pterocera-Mergel 5 — 10 m.
I. Unterer Kimmeridge 50 m.
Der untere Kimmeridge oder Pseudocidaris -Thurmanni-
Schichten besteht aus einer Serie gut gebankter, wreiBer oder
44
gelblicher, meist steriler Kalke. Gegen das Sequan konnen
sich, wie schon erwahnt, ortlich Oolithe einstellen. In den ob.
Lageu wird die Fossilfiihrung etwas reicher, urn endlich in die
fossilreichen Pterocera-Mergel uberzugehen.
Die Pterocera-Schichten bilden einen ausgezeichneten Leit-
horizont. Selbst da, wo die Schichten nicht aufgeschlossen
sind, lassen sie sich meist leicht an ihren Fossilien im Berg-
schutt nachweisen. Von besonders haufigen Versteinerungen
konnte ich sammeln:
Terebratula suprajurensis Th.
Pholadomya Protei Ac
Ceromya excentrica Az\
Isocardia cornuta KlOd.
Isocardia striata d'Orb.
Pleuromya Voltzii Ac.
Homomya hortulana Ac;.
Thracia incerta Ag.
Plectomya rugosa Lor. ,
Mytilus jurensis Mer.
Avicula Gessneri Th.
Trichites Saussurei d'Orb.
Cardium Banneianum Th.
Hinnites inaequistriatus d'Orb.
Pterocera Oceani Brong.
Py gurus jurensis Marc.
Pseudocidaris Thurmanni Ex.
Sammelt man eine grofiere Anzahl der Terebratula supra-
jurensis Th., so ist es eine Leichtigkeit, alle Ubergange aufzu-
finden, yon Formen, deren Bauch- und Riickenklappe am
Hinterrande yollkommen glatt ist, zu solchen, die eine auflerst
markante Doppelfurche auf der Riickenklappe und zwei ent-
sprechende Wiilste auf der Baucliklappe besitzen. Da nun die
ersteren Formen durcbweg klein sind im Gegensatz zu den an-
deren, so liegt es nahe, die verschiedenen Formen als Yerschie-
dene Altersstufen aufzufassen1).
J) L. Rollier hat in seiner neuesten Schrift: Fossiles nouveaux ou
peu coimus des terrains secondaires in denMem. soc.pal. Suisse vol. XXXVII
1910 — 1911 aus dem oberen Bathonien eine lerebratula Movelicrensis
sp. nov., und zwar in einer ganzen individuellen Entwicklungsreihe be-
schrieben. Ein Vergleicli der T. suprajurensis Th. und ihrer Jugendstadien
laBt keinen irgendwie wesentlichen Unterschied zwischen dieser und der
T. Movlierensis erkennen. So liegt die Annahme sehr nahe, daB beide
Terebrateln dem gleichen Stamme angehoren. Nun steht die T. Movelie-
rensis sp. nov. Rolliers der T. maxillata aus den Homomyen-Mergeln
so nahe, daB mir die neue Art uberhaupt unnotig erscheint. Somit
45
Das obere Kimmeridge besteht wiederum aus gut gebankten
sandig kalkigen und rein kalkigen Lagen mit eiuem groBen
Reichtum an Nerineen. Aus den Pterocera-Mergeln linden sich
noch Terebratula suprajurensis und einige andere Formen.
Kimmeridge erscheint in meinem Gebiet auf dem Plateau
im W von Saignelegier, wo man den groBten Teil der flach-
liegenden Schichtenserie auf dem FuBpfad nach Goumois quert.
AuBerdem in einer westostlich ziehenden Mulde nordlich von
les Pommerats. Durch die StraBe von les Pommerats nach Vaute-
naivre ist von Hohenpunkt 876 an das untere Kimmeridge auf-
geschlossen. Die Pterocera-Mergel sind gegenwartig am besten
zu studieren an dem Kohlerweg, der von Malnuit aus oberhalb
des nach Moulin Jeannotat hinabfiihrenden Talchens zuerst in
nordlicher Richtung zieht und dann etwa bei Hohenpunkt 619
nach W umbiegt, und zwar etwa 150 Schritte nach der Umbie-
gung.
Weitere Sedimente.
Uber dem Kimmeridge folgen keine weiteren mesozoischen
Bildungen. Auch Tertiar ist nur an einer Stelle, und zwar als
eocanes Bohnerz nachzuweisen, das im NO von les Pommerats an
der Grenze meiner Karte, etwa bei Hohenpunkt 964 Humera-
lismergel uberlagert.
Die Schottervorkommnisse, die G. L. Kemmerlixg in
seiner geologischen Beschreibung der Kette von Vellerat und
Moutier erwahnt, und die auch W. Oektel in der' Gegend von
St. Brais — Saulcy — Lajoux auffand, lieBen sich in meinem Gebiet
gleichfalls beobachten, und zwar in einer das Sequan uber-
lagernden Lehmschicht zwischen les Pommerats und Saignelegier.
Sie bestehen aus jurassischen Sedimenten und aus Quarziten.
Die Plateauflachen in der sudlichen Halfte meines Gebietes
sind von einer bis ll/2 m dicken Lehmschicht bedeckt (vergl.
komme ich zu dem Schlusse, da6 wir es bei der T. maxil/ata, T. Movelie-
renzis und der T. suprajurensis mit einer und derselben Form zu tun
haben, die fast ohne Veranderung von den Homyenmergeln bis ins obere
Kimmeridge durchgebt. DaB wir sie in machtigen dazwischenliegenden
Schichtenserien nicht antreffen, liegt einfach an der Faciesversehiedenheit.
Auf einen ahnlichen Fall machte mich Herr G. Bohm aufmerksam.
Vergleichen wir den Mytilus suprajurensis aus den Pteroeera-Mergeln
mit der Modiola gigantea Qu. (Mem. soc. pal. Suisse Bd. 27, 1900:
„Description des fossiles du Bajocien superieur des environs de Bale"'
par Ed. Greppin), so zeigt sich, daB sich Unterschiede mit dem besten
Willen nicht finden lassen, daB wir also auch hier eine und dieselbe
durchgehende Form annehmen konnen.
Uberhaupt zeigt die Fauna des mittl. Dogger viele Analoga mit
dem mittl. Kimmeridge. Ich erinnere z. B. an die Pleurotomaria , an
Homomya hortulana oder Gresslya cf. ovata u. a. m.
46
Rollier1). Ob diese Schicht iiberail Gerolle fiihrt, kounte ich
nicht feststellen.
Endlich sind noch die alten Terras sen des Doubs zu
erwahnen. die oberhalb Goumois 40 — 50 m iiber dem jetzigen
Fluflbett liegen und etwa 10 m machtig sind. Sie werden jetzt zu
Straflenschotter abgebaut und stellen sich als Banke von faust-
groflen Gerollen dar, wechsellagernd mit feinem FluBsand. Das
Material der Gerolle ist meist jurassisch, docb lassen sich auch
in Menge alpine Gesteine sammeln. Ich verweise auf die ge-
naueren Angaben Rolliers. Es handelt sich um nuvioglaciale
Schotter, dieinder Rifleiszeitbisins Doubsgebiet YOrgeschoben und
YOniDoubsYerfrachtetwurden. Da dieseSchotter etwa 40m iiber dem
jetzigen Talboden liegen. wahrend das Tal ini ganzen eine Ein-
tiefung you 400 — 500 m darstellt. so mul3 schon damals das
Doubstal im wesentlichen in seiner heutigen Gestalt Yorhanden
gewesen sein.
Nun sei noch eine Beobachtung siidlich meines Aufnahme-
blattes erwahnt. Auf dem westlichen Teil der Hohenkurve
990 des Hiigels „Sur le Cras" finden sich aus der Wiese her-
ausragende Haufen, die auf den ersten Anblick an der Land-
straJ3e aufgeworfenen Schmutzhaufen gleichen, aber aus fest Yer-
kittetem Konglomerat bestehen. Die einzelnen , Yollstandig ab-
gerollten Stiicke stammen samtlich aus dem oberen Malm. In
der Umgebung dieses Yorkommnisses steht Rauracien an, auf
dem diese Ablagerung aufruht. Zweifellos handelt es sich um
mit kalkigem Bindemittel verkittete FluB- oder Bachgerolle.
Merkwiirdig ist aber. dafi sie sich aut dem Gipfel des Hiigels
(Sur le Cras) finden. Sollte es sich um ein Bachbett handeln,
das Yor der Faltung schon bestand und bis auf Rauracien ein-
gesenkt war? Ich lasse diese Frage offea.
Tektonik.
Am Aufbau meines Gebietes nehmen zwei Ketten teil:
1. die Montfavergier-Kette2), die mit dem Rauracien im
NW you Saulcy beginnt; sie trifft St. Brais, MontfaYergier,
Soubey, le Cerneux, Patalour, Malnuit, Biel de Yautenaivre,
Fossevillers. Im Norden folgt darauf la Chaine du Clos du
Doubs ;
2. la Chaine du Mont (Greppin) == Yellerat-Kette, die
im 0 etwa in der Gegend von Mervelier beginnt. Sie zieht
!) Materiaux pour la carte geologique de la Suisse: Structure et
histoire de la partie du Jura centrale pg. 165.
*) Beziiglich des Nainens „Montfavergier-Ketteft siehe „Allgemeine
JuratektODik" S. 39.
47
iiber Choindez, dann Gorge von Undervelier, Saulcy, Mont-
faucon, Praissalet, les Pornmerats nach Goumois. Im S scklieflt
sich die Raimeux -Kette an, zu dter der Spiegelberg und das
Oxfordvorkommnis von Saignelegier gekort. Der Berg zwischen
les Pommerats und Saignelegier stellt eine Aufwolbung yon unter-
geordneter Bedeutung dar, die gegen 0 im Gewolbeauf bruch
von La Bosse-Praissalet endet.
Die Montfavergier-Kette.
Diese Kette habe ich etwa von Cerneux bis zur Sckweizer-
grenze auf meiner Karte zur Darstellung gebracht. Das ganze
hierher gekorige Gebiet ist ungeheuer gestort, und es ist sckwer,
sich von den Lagerungsverkaltnissen und besonders you der
Entstehung dieser Yerkaltnisse eine klare Yorstellung zu macben.
Am Aufbau der Kette neknien teil die Malmsckickten vom
oberen Kimmeridge an ab warts und die Doggerschichten bis
zum unteren Hauptrogenstein. Die Satteiackse zieht vom Tal-
chen bei Yauteuaivre etwa in der Ricktung Ost 10° Nord. Die
Grenze von Dalle nacree mit mittl. Dogger liegt auf dem Steig,
der von Sous la Rocbe (bei Yautenaivre) zum Doubs kinab-
fiikrt, etwa auf Hokenlinie 600; im SW von sur le Rang auf
600 — 610 m, im SO von sous la Rocke (Patalour- Aufbruck)
auf H. 810. An der Grenze meines Kartengebietes , auf der
StraBe Patalour-Cernievillers, finden wir die Grenze auf 770 m.
Yerfolgen wir nun die Kette auf der RoLLiEKscken Karte (En-
virons de Bellelay) weiter nack 0, so finden wir mittl. Dogger
nordl. von Cernievillers in uber 900 m Hoke. Dieses Ansteigen
der Sattelackse bleibt ziemlick konstant bis in die Gegend von
Soubey.
Doppelung des mittl. Doggers im Talcken von Yautenaivre.
Wie man im Talcken von Yautenaivre beobackten kann,
kandelt es sick um kein einfackes Gewolbe, sondern um eine
Doppelung des mittl. Doggers. Das siidl. Gewolbe findet
-etwa 100 m nordl. der Einmiindungsstelle des Backes von
Yautenaivre in den Doubs sein Ende. Yon dort steigt die Siid-
flanke ernes neuen Gewolbes, sckroffe Eelsen gegen das Doubs-
tal bildend, an. Die Trace der zwiscken beiden Gewolben
liegenden Mulde erreickt nack etwa 400 m das Backbett und
und verlauft dann im wesentlicken in diesem. Weiter nack 0
laBt sick die Doppelung wegen mangelnder Aufsckltisse und
tektoniscker Storungen nickt mekr verfolgen. Nack Rolliek
soil im S von le Cerneux eine zweite Aufwolbung von mittl. Dogger
sicktbar werden. Nack meinen Begekungen existiert diese nickt.
48
Bergsturz im Talchen von Vautenaivre.
Nordlich von Vautenaivre hat sich eine groBere Scholle von
Dalle nacree vom Gewolbescheitel losgelost und ist, ohne in
Fig. 1.
sich vollkommen zu zerbrechen, uber die nordl. Flanke des Siid-
gewolbes in das Talchen von Vautenaivre abgeglitten, wo sie
nun diskordant auf mittl. Dogger aufruht.
Der siidl. Gewolbefliigel dcr Montfavergier-Kette.
Ein schones Profil durch den siidl. Fliigel der Montfavergier-
kette kann man auf der StraBe von les Pommerats hinab nach
Vautenaivre erlangen. Am Rande des Plateaus bei Hohenpunkt
876 befinden wir uns an der Grenze von unterem Kimmeridge
und Pterocera-Schichten. Das Streichen ist ziemlich rein ost-
westlich, und das Fallen betragt ca. 40° gegen S. Wir durch-
wandern hier die ganze Schichtenserie bis zur Dalle nacree von
Vautenaivre. Alle Schichten liegen konkordant ubereinander.
Ungefahr dasselbe Einfallen wie hier laBt sich auch weithin
nach 0 bis an die Grenze meiner Aufnahmen verfolgen, womit
sich der Sudfliigel der Montfavergierkette als vollkommen un-
gestort erweist. Nur das Streichen geht von einer reinen OW-
Richtung im W in eine WSW-ONO-Richtung im 0 iiber. Das
Talchen, das von der Strafie les Pommerats — Malnuit zwischen
den Hohepunkten 904 und 916 in einer groflen Schleife um-
gangen wird, ist wohl dadurch zu erklaren, da!3 hier friiher
ein Bach floJ3, der zwischen den harten Kalken des Rauracien
einerseits und des Obersequan anderseits in die leicht zerstor-
baren Kalke und Mergel des Mittel- und Untersequan sein Bett
eingrub und erst dort, wo der heute das Talchen hinabfiihrende
Weg die Oxford wiesen von Pres dessous erreicht, die Rauracien-
kalke durchbrach. Besonders hervorgehoben zu werden ver-
dient folgende Erscheinung: Vom Triangulationspunkt 896 des
Rauracienkammes nordlich von les Pommerats fuhrt einKammhin-
iiber zur isolierten Rauracienplatte im S von Chez le Forestier.
Der Kamm besteht vollstiindig aus den Tonen des Terrain a
49
Chailles und bietet im W auch gute Gelegenheit zum Sammeln
von Fossilien dieser Stufe. Zu oberst liegen noch Blocke der
unteren Rauracienlagen, die jedoch nicht mehr in festem Zu-
sammenhang stehen und daher yon mir auf der Karte nicht ein-
gezeichnet wurden. DaB dieser Oxfordkainm sich bis auf unsere
Zeit erhalten konnte, erkJart sich eben aus der Uberlagerung
dieser Blocke, die hier eine ahnliche Rolle spielten wie die
Gesteinsplatten auf der Spitze der Erdpyramiden. Jener Oxford-
kainm mit den oben aufliegenden Rauracienblocken , die eine
Verbindung des Siidschenkels mit der horizontal en Platte auf
dem Gewolbescheitel darstellen, scheint mir ein Beweis dafiir
zu sein, dafi wenigstens in dieser Kette die Gewolbeuberdeckung
nach abgeschlossener Faltuug noch .eine ziemlich geschlossene
war.
Der Vollstilndigkeit halber muB ich noch die gewaltigen
Bergstiirze erwiihnen, die von jenem isolierten Plateau nieder-
gingen und deren Trunimer im SW bis sur le Rang, im NO
bis Malnuit reichen. Der Grund, weshalb gerade hier so ge-
waltige Bergstiirze niedergingen, ist einfach der, daB die Oxford-
flanken abgeglitten und den Randern des Rauracienplateaus da-
durch die Unterlage entzogen wurde, so daB sie, durch ihr Eigen-
gewicht veranlaBt, abbracheu. In diesen Schutthalden lassen
sich Rauracienfossilien sammeln.
Der Nordschenkel der MoDtfavergierkette. (Allg. Ubersicht.)
Wenn ich im folgenden die tektonischen Yerhaltnisse des
Nordschenkels der Montfavergierkette zu erklaren versuche, so ist
Fig. 2.
es mir nicht moglich, wie dies bei der tektonischen Besprechung
anderer Gebiete wohl tunlich ist, eine Stoning nach der anderen
zu besprechen, da hier die eiDzelnen Storungen in einem innigen
genetischen Zusammenhange stehen, die eine StOrung daher nur
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 4
50
in Bezugnahme auf die andere verstanden werden kann. Auch
scheint mir, daB das Yerstandnis der speziellen Yerhaltnisse da-
durch wesentlich unterstiitzt wird, weim ich gleich anfangs einen
schematischen Bauplan wenigstens der Hauptstorungen entwerfe.
Denken wir uns die zur Zeit der Gebirgsentstehung von S nach
N vorriickenden Falten durch vorlagernde Widerstande gestaut,
wie dies in unserem Fall durch den Yogesenkern und den
diesen Kern iiberlagernden Tafeljura der Fall war, so werden
die Falten anfangs eine extreme Steilstellung erfahren. Figur 2
zeigt diesen hypothetischen Zustand von der Montfavergierkette.
Fig. 3.
s
Fig. 4.
Hierbei werden. wie dies uberhaupt fiir die Jurafaltung dieses
Gebietes charakteristisch ist, ausgesprochene Knickzouen ent-
standen sein.
Nun ging der Schub weiter, und der Nordschenkel der
Montfavergierkette legte sich nach N liber. Diese Bewegung
dauerte so lange an, bis die Achsenebene1) jenes Gewolbes mit
der Horizontalen einen Winkel you 35 — 40° bildete. Fig. 3.
Als diese Lage erreicht war, widerstand die Kohasion, die
an den Schichtkopfen durch die starke Knickung schon sehr
Yerringert war, uicht mehr einem weiteren Druck. Die Folge
]) Unter Achsenebene verstehe ich diejenige Ebeue, die durch die
Gewolbeachse und diejenige Richtung gelegt werden kann, welche siimt-
liche ubereinauderliegenden Schichtkopfe miteinander verbindet.
51
davon war, daB in der Achsenebene ein RiB entstand und der
Siidschenkel dieses Gewolbes iiber den iiberkippten Nordschenkel
geschoben wurde. Infolge dieses weiteren Druckes wurde der
Nordschenkel auf die im N vorgelagerten horizontalen Schichten
aufgedriickt. Dieses Stadium der Gebirgsbildung sehen wir
uoch heute im N von Yautenaivre. Fig. 4.
Weiter nach 0, nordlich von Chez le Forestier widerstand die
Kohasion der Knickzone zwischen den vorgelagerten horizontalen
Fig. 5.
Schichten und dem nordlichen iiberkippten Gewolbeschenkel
dem Druck des iiberschobenen Siidschenkels, der auch seiner-
seits wieder den iiberkippten Nordschenkel initzerrte, nicht so
lange wie im W. Die Folge davon war, daB, bevor es noch
zu jener extremen Uberfaltung kam, ein RiB entstand und nun
auch der Nordschenkel des Gewolbes zugleich mit dem Siid-
schenkel iiber die vorlagernden horizontalen Schichten ge-
schoben wurden. Fig. 5.
tiberschiebung.
Die tiberschiebung von Beaugourd dessous — es Royes —
Champ — FOiseau — Patalour tritt amklarsten nordlich des Talchens
von Yautenaivre in die Erscheinung. Wir haben gesehen, daB im
Norden des Baches ein neues Doggergewolbe beginnt. Dieses
wird an seinem Scheitel von der tiberschiebung zerrissen, und
der Siidschenkel verschiebt sich gegen den Nordschenkel nach
oben urn einige 100 m. Die Uberschiebungsebene ist mit etwa
35 — 40° nach S geneigt. Die Neigung laBt sich nur hier mit
einiger Sicherheit berechnen. Wenn ich auf meinen Profilen
diese Neigung auf den ganzen Yerlauf der tiberschiebung iiber-
tragen habe, so handelt es sich hierbei um eine Annahme,
die ich bei dem Mangel weiterer Anhaltspunkte zu machen ge-
zwungen war.
4*
52
Steigt man Yom Doubs aus sozusagen in der IJberschiebungs-
spalte nach oben, so daB man also zur Rechten den Siidschenkel
des yerworfenen Doggergewolbes , zur Linken aber Rauracien-
kalke hat, so iiberschreitet man zuerst bis zu einer Hohe yob
20 — 30 m FluBsand, eine alte Ablagerung des Doubs, dann be-
wegt man sich bis zu derWiesenterrasse YonBeaugourd dessous —
Beaugourd dessus standig in den Mergeln des Terrain a Chaillesy
und es war mir auch moglich, dort typische Fossilien dieser
Stufe zu sammeln. Auf dem oberen Rand des Yerworfenen
Schenkels Yon mittl. Dogger liegt noch etwas Dalle nacree, je-
doch ungemein reduziert und sich dadurch als deutliches Relikt
erweisend. Kurz bevor man nach es Royes gelangt, tritt, durch
eine Querverwerfung YeranlaBt, auf die ich spater zu sprechen
kommen will, Rauracien dicht an den Uberrest Yon Dalle nacree
heran, so daB Oxford auf ein auBerst diinnes Band zusammen-
gepreBt wird. Auf dem Wege Yon es Royes nach Pourpier
konnen wir in der Dalle nacree einige kleine sekundare Falten
beobachten, die mit der Uberschiebung in Zusammenhang zu
bringen sind. Bis zu dieser Yerwerfung von es Royes — Combe*
Chabroyat Yerhalt sich der Nordschenkel der Montfavergier-
kette tektonisch einheitlich, und ich werde daher zunachst Yon
diesem Gebiet sprechen. Auf dem schematischen Profil 3 auf
S. 19 sind ungefahr die Yerhaltnisse des westlichen Teiles wieder-
gegeben. Genauer den ortlichen Yerhaltnissen angespafit sind
die Spezialprofile 1, 2, 3, 4 u. 5. Wie daraus ersichtlich, handelt
es sich im wesentlichen um eine grofie liegende Falte, die Yon
S her iibergeschoben wurde. Eine schone Ubersicht laBt sich yob
den Hohen jenseits des Doubs erlangen.
Widersinniges Einfallen des Rauracien vod Pres de Beaugourd.
Soweit ware die Sache ganz schon und gut, wenn nicht
eine neue Erscheinung das tektonische Problem komplizierte.
Diese neue Komplikation liegt im Yerhalten des Rau-
racien. Yerfolgen wir den Weg, der vonBeaugourddessusnachPres
de Beaugourd hinauffiihrt, so fallt uns auf, daB das Rauracien nichtT
wie es bei der liegenden Falte anzunehmen ware, gegen S einfalltT
sondern im Gegenteil steil gegen N, daB diese Schichten also'
im Yerhaltnis zu den obwaltenden LagerungSYerhaltnissen zu-
riickgebogen erscheinen. Diese Rauracieiiplatte laBt sich nun
am siidlichen Rand des Gipfelplateaus bis gegen den Steilabbruch
im W Yerfolgen, wobei dieses Schichtpaket unzerbrochen er-
scheint und das gleiche sinnwidrige Fallen bewahrt. Das nordliche
Fallen laBt sich nach meiner Meinung auf zweierlei Art er-
klaren. Einmal ware es moglich, daB bei der Uberschiebung;
53
der siidliche Teil der umgeklapptenRauracienplatte einseitig so stark
belastet wurde, dal3 die darunterliegenden weicben Sequan-
mergel ausgequetscht wurden und, indein sie sicb mit Gewalt
einen Ausweg nach N suchten, den nordlicben Teil der Rauracien-
platte hoben und iiberkippten. Die andere Deutung, die mir
personlicb viel wabrscbeinlicber ist, babe icb durch beigegebenes
scbematiscbes Profil (6) veranscbaulicbt. Danacb wurden wir
in dem widersinnigen Einfallen der Rauracienscbiebten die Um-
biegungsstelle jener flacbliegenden Falte zu seben haben. Die
Umbiegung der boberen Scbicbten muB auch rein tbeoretiscb
auBerhalb der Bergkontur fallen. Mit dieser Erkliirung werclen
Fig. 6.
also einerseits die Lagerungsverhaltnisse gelost, anderseits ge-
winnen wir hierdurcb eine Anscbauung fiir das AusmaB der
liegenden Falte. Diese rnuB etwa iiber dem Doubstal ibr Ende
«rreicbt baben und darf sicb jenseits dieses Tales, auf franzo-
sichem Gebiet bocbstens durcb lose berumliegende Triimmer
bemerkbar maeben. Icb habe nun daraufbin die franzosiscbe
Spezialkarte „Montbeliard" angesehen und babe nichts gefunden,
was fiir ein Ubergreifen jener liegenden Falte sprecben konnte.
Scbon zur Zeit der Faltung mufl jener Gewolbescbeitel be-
standsunfiibig gewesen und aller Wabrscbeinlicbkeit nacb scbon
damals zusammengebrocben sein. Denn ich werde ananderer Stelle
den Nacbweis fiibren, daB zur Zeit der Faltung hobere Sedimente
als oberes Kimmeridge in dieser Gegend nicht bestanden baben;
somit muflte*der auBerste Teil des liegenden Gewolbes frei in
die Luft binausgeragt baben.
Verbalten des der liegenden Falte vorgelagerten Schichtpaketes.
Der Sockel, bestebend aus den Scbicbten des Kimmeridge
und Sequan, auf dessen westlicben Teile die liegende Falte aufrubt,
ist in seinen barten Partien durcb das Doubstal gut aufge-
54
schlossen und gibt sicli mit Ausnahme des Berges yon Pres de
Beaugourd, wo er von machtigen Schuttinassen verhiillt ist,
deutlich durch eine den Hohenlinien folgende Steilstufe zu er-
kennen. Dieser ganze Sockel ist, soweit in meinem Gebiet
befindlieh, durchaus horizontal und unzerbrochen. DaB auch
im Berge von Pres de Beaugourd diese Schichten horizontal
liegen, erkennen wir aus den anstehenden Kimnieridge-Kalken
bei Combe Chabroyat und durch die den Hohenlinien folgenden
Felsbander bei der Uberfaltungsstelle.
Sekundare Storungen dort, wo der Knick der liegenden Falte mit der
Uberschiebung zusammentrifft.
Die horizontale Lagerung tritt, im W durch das Doubstal
aufgeschlossen, bis nahe an die Umbiegungsstelle und die da-
hinterliegende Uberschiebung heran, so daB wir den Eindruck
eines sehr scharfen Knickes bekommen. Durch diese starke
Knickung und das gleichzeitige Zusammentreffen der Uber-
schiebung mit der Umbiegivng der tieferen Schichten erklart
sich die an jener Stelle zu beobachtende starke Zerriittung.
Die letzte betrifft YOr allem das Rauracien und das untere
und mittlere Sequan. Interessant ist, daB das Rauracien bis
hinab ins Doubstal zieht, woraus hervorgeht, dai3 die Uber-
schiebung nur die tieferen Schichten betroffen hat. Von den
kleineren durch die Uberschiebung veranlaflten Storungen mochte
ich nur einen, dieser parallel verlaufenden, Bruch zwischen Rau-
racien und Sequan erwahnen, cler oberhalb des Hohenpunktes
608 die Rauracienplatte durchsetzt.
Aufblattern der Schichten.
Yergleichen wir nun noch das Streichen des Rauracien-
kammes von Pres de Beaugourd mit demjenigen der darunter-
liegenden Sequan- und ganz besonders der Kimmeridgeschichten,
so lafit sich eine ganz deutliche Differenz gegen 0 erkennen.
Mit anderen Worten, das Aufblattern der Schichten nimmt von
W nach 0 zu. "Wie dieses Aufblattern iiberhaupt zu erklaren
ist, habe ich auf Seite 52 u. 53 erortert. DaB jedoch diese Er-
scheinung im 0 bedeutender ist als im W, dafiir will ich nach Be-
sprechung der NS -Verwerfung von es Royes — Combe Chabroyat
eine Erklarung zu geben versuchen.
Verwerfung von es Royes — Combe Chabroyat.
Durch diese Querverwerfung wird einmal das Verschwinden
des Rauracienkammes im W von es Royes erklart, zweitens
dasjenige des Rauracienkammes von Pres de Beaugourd im 0.
Am klarsten aber wird sie bewiesen durch das Yerhalten der
55
Mumienbank (punktierte Linie der Karte). Auf dem Weg von
Chez le Forestier nach Combe Chabroyat finden wir sie auf
Hohenlinie 690 bei der groBen Wegschleife. Yon dieser Stelle
lafit sie sich nach 0 die Steilkante entlang bis Hohenpunkt
750 verfolgen, wahrend sie nach W plotzlich verschwindet.
Gehen wir jedoch den Weg von Beaugourd dessus nach Pres
de Beaugourd, so treffen wir auch hier, etwa bei Hohenlinie
740, auf die Mumienbank, die sich noch ein kurzes Stuck gegen
0 verfolgen laBt, nm dann scharf nach N umzubiegen. Etwa
auf Hohenlinie G40 verschwindet sie auch hier. Dasselbe Um-
biegen nach N zeigt auch das Rauracien von Pres de Beaugourd
und das unter der Mumienbank liegende Obersequan und Kim-
meridge. Durch dieses plotzliche Abbiegen der Schichten nach
N im W der Yerwerfung wurden die Gesteinsmassen im SW
von Combe Chabroyat gestaut. Hierauf mochte ich die Er-
scheinung zuriickfiihren, daB die Schichten hier starker aufge-
blattert wurden als im W des Berges von Pres de Beaugourd.
Nach meiner Meinung riB die NS -Yerwerfung zur Zeit der Jura-
faltung auf, und zwar stent sie mit der Uberfaltung resp.
Faltenuberschiebung in einem ganz bestimmten Zusammenhang.
Gilt namlich fur den ganzen Berg von Pres de Beaugourd bis
zu dieser Yerwerfung das Schema der Figur 4 auf Seite 19,
so zeigt Figur 5 auf Seite 20 die Yerhaltnisse im 0 dieser
Yerwerfung bis Saignolet. Nach meiner Meinung ging also
die liegende Falte nicht langsam und unmerklich in
eine Faltenuberschiebung uber, sondern gleichzeitig
mit dem AufreiBen des Knickes zwischen dem Sock el
und dem liegenden Schenkel der iib ergekippten Falte,
riB auch wegen der plotzlichen Auslosung der unge-
heueren Spannung die SN-Yerwerfung von es Royes —
Combe Chabroyat auf. Es verhielt sich also der Berg im
"W dieser Yerwerfung als geschlossene Einheit tektonisch anders
als der Berg im 0. Wahrend im westlichen Berg der Zusammen-
hang der unten liegenden Platte mit dem Nordschenkei der
Falte noch, wenn auch unvollkommen, erhalten blieb, bildet der
Berg im 0 eine nach alien Seiten losgeloste Scholle. Stellen
wir uns nun vor, daB die NS- Yerwerfung und jenes AufreiBen
des Faltenknickes vor dem vollstandigen Erloschen der faltenden
Krafte erfolgte, so kann ganz gut durch das Anpressen dieser
Scholle an den ostlichen Teil des Berges von Pres de Beaugourd
jenes Umbiegen der Schichten nach N und die damit zusammen-
hangende Zusammenstauchung erklart werden. DaB die Yer-
werfung nicht alter ist als die Jurafaltung, geht daraus hervor,
daB sie sich nicht in dem unteren Sockel fortsetzt, sondern nur
56
den Nordschenkel der liegenden Falte betrifft. Aus alien diesen
Verhaltnissen erklart sich auch das nach Combe Chabrovat und
weiter zum Doubs hinabziehende Trockentalchen , und zwar
ist dies im oberen Teil rein tektonisch durch das Herabziehen der
weichen Sequanniergel bedingt, im imteren Teil aber durch
Erosion entstanden. Die letztere wurde dadurch begiinstigt,
daB die tonigen Naticamergel die Wasseransammlung unter-
stiitzten.
Die Scholle im N von Chez le Forestier.
Die Scholle im N von Chez le Forestier, die im W durch
die Verwerftmg von es Royes — Combe Chabroyat und im 0 in-
folge der Erosion nordlich von Malnuit verschwindet, verhalt sich
nach meiner Meinung ganz einheitlich, und zwar, wie schon
wiederholt erwahnt, nach dem Schema 4. Am klarsten lassen
sich die Verhaltnisse im NW von Malnuit iiberblicken, da dort
durch einen Bach, der gegen Moulin Jeannotat hinabzieht,
einigermafien gute Aufschliisse existieren. Die Felsplatte, auf
der Saignolet steht, und die auch die Unterlage fur jene Scholle
bildet, besteht aus den Kalken des oberen Kimmeridge
(charakterisiert durch reichliches Vorkommen von Nerineen).
Von Saignolet geht ein kleiner Pfad hinab ins Bachbett und
bietet oberhalb seiner Einmiindungsstelle Gelegenheit zum
Sammeln von Fossilien aus den Pterocera-Mergeln. Das Bach-
bett hinab konnen wir Stufe fiir Stufe das ganze Kimmeridge
und Obersequan studieren. Das ganze Schichteupaket liegt
ziemlich horizontal.
Nun fiihrt von Malnuit aus ein Kohlerweg im 0 um die
Scholle herum und halt sich ungefahr in einer Hohe von
630 — 640 m. Dieser Weg fiihrt zuerst an der Grenze von
Dalle nacree und Oxford entlang. Renggeritone fehlen voll-
kommen, und die Dalle nacree fallt nach S ein, sodafi Dalle
nacree auf Terrain a chailles geschoben erscheint. Das
ziemlich steile Einfallen der Dalle nacree gegen Siiden bei
vorgelagertem Oxford lafit sich bis gegen Champ verfolgen
und zeigt damit untriiglich die Trace der Uberschiebung an.
Aber auch das Oxford ist auf dieser Strecke auf ein Minimum
reduziert, und dort, wo der eben erwahnte Bach seinen Ursprung
nimmt, kann man deutlich seine Auflagerung auf Kimmeridge
beobachten. Verfolgen wir aber den Kohlerweg weiter, so
kommen wir in die Kalke des Rauracien, die erst etwa mit 40°,
dann immer steiler gegen N einfallen. Bald jedoch fiihrt der
Weg aus der iiberschobenen Masse in die Unterlage, und wir
befinden uns nun im oberen Kimmeridge, das hier direkt an
der Stbrungslinie sehr zerkliiftet ist. An einer Stelle treten
57
etwas Pteroceramergel auf, die wohl auf einer Spalte hochge-
preBt wurden, dann kommt wieder oberes Kimmeridge. Haufig
treffen wir iiber dem Kimmeridge Tone an, die ich fiir da-
zwischengepreBtes Oxford halte. Auch gelbliche Kalkniergel-
stuckcben. wohl aus verwitterten zerdriickten Chailles hervor-
gegangen, kommen vor. An der NO-Ecke des Berges, in der
Umgebung des Hohenpunktes 619 treffen wir eine machtige Ent-
wricklimg von Terrain a Chailles. Daraus ergibt sich also, daB
das Terrain a Chailles aucb bei dieser Tektonik eine groBe
Rolle gespielt hat. Yerfolgen wir den Kohlerweg weiter, so
steigen wir etwas hinab und treffen ungefahr auf Hohenlinie
600 imN des Berges auf ausgezeichnete,sehrfossilreiche Aufschliisse
in den Pteroceramergeln, die dem normalliegenden Schichtpaket
angehoren. Auf dem ganzen Berg fallt das Rauracien nach N
ein, und zwar steht es im W beinahe senkrecht, legt sich je-
doch gegen 0 etwas flacher. Das Obersequan dagegen zeigt
iiberall ein Einfallen gegen S von 70 — 80°. So haben Avir also
auch bier die Erscbeinung der Schichtauf blatterung, die icb
schon beim Berg von Pres de Beaugourd besprochen babe.
Die Gegend von Saignolet.
"Wie schon erwahnt, ist im 0 der Scbolle bis gegen POiseau
die ganze liegende Falte der Zerstorung anheim gefallen, und
nur an der Strafie von Malnuit nach Moulin Jeannotat finden
wir bei Saignolet noch iiber Kimmeridge einen diirftigen Rest
Ton Rauracien. Die zerstorende Wirkung kann ich nicht nur
auf Kosten der Erosion schreiben, sondern glaube vielmehr,
daB hier in erster Linie tektonische Momente in Betracht
kommen. Als Stiitze dieser Vermutung fiihre ich an, daB ge-
rade auf dieser Strecke die Trace der Uberschiebung am wei-
testen nach N yorgeschoben ist; ferner, daB wir den in POiseau
wieder zum Yorschein kommenden Nordschenkel der liegenden
Falte weder umgelegt noch iiberschoben finden. Somit ist die
Tektonik des Berges nordl. yon Chez le Forestier eine ganz
andere als die yon POiseau und der Fortsetzung dieses Berges
nach 0. Es werden diesen Teil des Nordschenkels, solange er
bestand, eine Reihe Yon NS-Verwerfungen durchzogen haben.
Moglicherweise haben tiefgehende Verwerfungen dieser Art die
beiden ostlich von Saignolet befindlichen Grabenbriiche hervorge-
rufen. Ebensogut ist es aber auch moglich, daB diese Graben-
briiche alter sind und die Yeranlassung zu besonders starker
Storung dieses Gebietes gegeben haben. In diesem Falle waren
sie in Parallele zu stellen mit den Grabenbriichen, die der
Hauensteinkette vorgelagert sind. Die Tatigkeit des Wassers
58
besorgte zum SchluB" nur das Fortschaffen der durch tektonische
Vorgange zertrummerten Gesteine. Uber die Sprunghohe jener
Grabenbriiche laJBt sich nichts Bestimmtes angeben, da das
Oxford und die Dalle nacree in den Graben wohl nur eine
Ausfullung mit Gesteinsmaterial darstellen, das yon S verschleppt
wurde. Sehr interessant ist, daU wir auf dem Weg yon Champ
nach Patalour im W des Berges yon POiseau ganz breccioses
Rauraciengestein antreffen, das durch die dicht dahinter yer-
lanfende Uberschiebungstrace durchaus yerstandlich wird. Im
iibrigen schlieBt sich das Rauracien yon l'Oiseau tektonisch
yollkommen an den im N des Talchens Patalour — Clairbief hin-
abziehenden Rauracienkamm an und ist yon diesem nur durch
ein nach Moulin Jeannotat hinabfuhrendes Erosionstalchen ge-
trennt. «
Uberkippung im Talchen von Clairbief — Patalour.
Steigt man yon Clairbief das Talchen nach Patalour binaufy
so hat man anfangs zur Linken Rauracienkalke, die ostwestlich
streichen und gegen S einfallen. 300 m yom Doubs aufwarts
betragt der Einfallswinkel 38°. Das Talchen selbst befindet
sich anfangs im Humeralis- und Naticaniveau. Etwa 100 m
weiter haben wir zu unserer Rechten steil aufragende ostwestlich
streichende Schichten, die mit 80 — 85° gegen S einfallen. Da
wir jedoch zu unserer Linken das Doggergewolbe yon le Cer-
neux haben, so ergibt sich hieraus mit yoller Klarheit die La-
gerungsdiskordanz zwischen uberkipptem Rauracien und normal
einfallendem oberen Dogger. Oxford, das hier bis auf ein Mi-
nimum ausgequetscht ist, war wieder das Medium, das die Be-
wegung forderte. Im "Weiterschreiten beobachtet man, dafi" die
Uberkippung des Rauracien immer geringer, die Entwicklung
des Oxford immer groBer wird, bis wir in der Felsbarre NW
yon Patalour den Nordschenkel eines normalen Gewolbes yor
uns haben. Das Oxford erreicht in der Gegend yon Patalour
eine sehr grofie Machtigkeit. Die Uberkippung findet etwa
dort ihr Ende, wo der Rauracienzug der Karte yon der OW-
Richtung in die NO-SW-Richtung umbiegt. Der Grund fur
diese ganze Erscheinung ist leicht einzusehen. Das Vordringen
des ostwestlich streichenden Doggergewolbes yon le Cerneux hat
die dariiberlagernden Schichten aufgestaut. Die Oxfordmergel
haben eine selbstandige Bewegung der oberen Schichten zu-
gelassen, wobei sie teils zusammengeprefit wurden, teils in ihrer
Machtigkeit anschwollen. Nun yerflacht sich das Doggerge-
wolbe gegen W, und der Druck gegen die dariiberliegenden
Schichten wird daher geringer. Infolgedesseri nimmt auch das
Rauracien sein normales Einfallen gegen N wieder an.
59
Knickzone bei CJairbief.
AnschlieB.end mochte ich gleich eine Erscheinung erwahnenr
auf die ich in weiterem noch eingehender zu sprechen kommen
will. In dieser ganzen Kette hat man nirgends so gute Ge-
legenheit wie bei Clairbief, die fur die jurassische Faltung
dieses Gebietes so bezeichnenden Knickzonen zu beobachten.
Die von Moulin Jeannotat bis Clairbief aufgeschlossenen Sequan-
und Kimmeridgekalke zeigen eine durchaus horizontale Lagerung.
Steigt man indessen siidlich von Clairbief etwas empor, so kann
man deutlich wahrnehmen, wie die bisher horizontalen Schichten
ohne Ubergang mit einem scharfen Knick sich senkrecht empor-
stauen.
NS-Verwerfung von Patalour.
Nun wird die Frage brennend, wie kommt es, daB das
Doggergewolbe von le Cerneux viel weiter nach N vorgeschoben
erscheint, als das von Patalour. Um dafiir Anhaitspunkte zu
erlangen, begibt man sich am besten an die Steilwand von
mittlerem Dogger oberhalb Patalour. Am ostlichsten Punkt dieser
Steilwand, sieht man, wie die das mittlere Doggergewolbe- uber-
deckende Dalle nacree plotzlich mit einem scharfen Knick von
Fig. 7.
beinahe 90° umbiegt und ' sich in die Tiefe senkt, um dann
wieder normale, flache Lagerung anzunehmen. Wir haben also
hier einen Fixpunkt einer die Kette senkrecht zu ihrem Streichen
durchsetzenden Terwerfung. Beistehende schematisohe Skizze (7)
soli diese Yerhaltnisse veranschaulichen. Weitere sichere
Punkte lassen sich nicht auffinden. Immerhin wird es auch
durch die eigenartige Tatsache, daB das Doggergewolbe von le
Cerneux gerade dort verschwindet, wo die Yerwerfung mut-
mafilich durchziehen wiirde, sehr wahrscheinlich gemacht, daB
diese Yerwerfung tatsachlich das ganze Doggergewolbe von le
Cerneux durchsetzt und dafi sie fur das Yerschwinden des
Dogger von le Cerneux verantwortlich gemacht werden kann,
AVollen wir uns nun ein Bild von der Art der Bewegung
machen, so laBt sich dies etwa folgendermal3en gestalten. Durch
die NS- Yerwerfung von Patalour wurde das Doggergewolbe
60
von le Cerneux unabhangig yon seiner westlichen Fortsetzung und
konnte starker als diese nach N vorbranden. Irn W war das
Anbranden geringer, da durch das AufreiBen der Uberschiebungs-
spalte ein Auslaufen der Faltungsenergie moglich wurde. So stent
denn " die diskordante Lagerung und Uberkippung im unteren
Teil des Talchens von Clairbief — Patalour in ganz bestimmter
Beziehung zur NS-Verwerfung von Patalour, und zwar so, daB
diese die A'orbedinguug zu den tektonischen Storungen im
Tiilchen war.
Ich mochte bei dieser Gelegenheit besonders darauf hin-
weisen, daB das Zutagetreten des mittleren Doggers oberhalb Pa-
talours im Gegensatz zu dem bei le Cerneux nichts mit der
NS-Verwerfung zu tun hat, sondern durch die groSe Uber-
schiebung Patalour — Saignolet — Beaugourddessous hervorgerufen
wurde. Die NS-Yerwerfung von Patalour hat aber noch eine
weitere Bedeutung darin, daB ostl. von ihr die groBe Uber-
schiebung nicht mehr nachweisbar ist. Entweder hat also das
AusmaB der Uberschiebung im 0 betrachtlich abgenommen, oder
diese ist, was mir weit wahrscheinlicher diinkt, ganzlich ver-
schwunden. Dies entspricht ganz den theoretischen Erwagungen,
da die Uberschiebung imWbezuglich derFaltungsenergie ein Aqui-
valent fiir das weitere Yorbranden im 0 darstellt. Bedeutet
die NS-Yerwerfung nun aber eine Kluft, welche zwei verschie-
dene Auslosungserscheinungen der Faltungsenergie trennt,
so geht daraus klar hervor, daB sie nicht nur (wie schon erwahnt)
alter sein muB , als die Storung im Talchen von Clairbief — Pa-
talour, sondern audi alter als die Uberschiebung im W. Allenfalls
konnte sie mit dieser letzteren gleichzeitig entstanden sein.
Verwerfung Malnuit — Patalour.
Nun bleibt zur Yervollstandigung der Tektonik der Mont-
favergierkette nur noch die Storungslinie zu erwahnen iibrig,
die von Malnuit nach Patalour zieht. Es handelt sich hierbei
um keine starke Verwerfung, trotzdem ist sie gut zu verfolgen.
Es tritt namlich langs dieser Linie im Gebiete der Dalle na-
ree haufig reines Oxford zutage, das zu kleinen Siimpfen Yer-
anlassung gibt; durchweg erscheinen Oxford und Dalle nacree
vollkommen ineinandergeknetet. Auch im mittleren Dogger laBt
sich die Storungslinie weiterverfolgen, da wir entlang dieser
Yerwerfungstrace ein sonst unmotiviertes Trockentalchen linden.
Diese Storungslinie liiuft im wesentlichen der Haupttiberschiebung
parallel und scheint zu den vielen Erscheinungen zu gehoren,
die in Gefolgschaft dieser Uberschiebung auftraten. Nach Prof.
Rolliek soil ostlich von Patalour, im S des groBen Doggerauf-
61
bruches von le Cerneux noch einmal durch Doppelung des
Gewolbes mittlerer Dogger herauskominen. Die Doppelung soli
bei Cernievillers endigen. Obwohl in dieser Richtung die
groBe Uberschiebungslinie verlaufen wiirde, so daB hier mittlerer
Dogger nicht durch Doppelung, wohl aber infolge jener Uber-
schiebung ganz gut herauskommen konnte, so habe ich selbst
hiervon doch nichts wahrnehmen konnen.
Die Synklinale zwischen der Montfavergier- und
Velleratkette.
Die Synklinale zwischen der Kette von Montfavergier und
Yellerat ist so gebaut, daB der Nordschenkel auf der ganzen
Erstreckung ein konstantes Einfallen von ungefahr 40° gegen
S zeigt, wahrend der Siidschenkel fast vertikal steht. Die
TJmbiegung erfolgt mit einem scharfen Knick. Gut aufgeschlossen
sind diese Verhaltnisse im W durch das Doubstal und im N von
Pommerats durch einen Bach, der, die Schichten senkrecht
durchbrechend, dem Flufichen von Vautenaivre zustromt.
Die Vellerat-Kette.
Schon die Synklinale zwischen der Montfavergier- und
Vellerat-Kette, besonders aber diese letztere selbst, gibt sich
deutlich als Gebirgsrumpf !) zu erkennen. Die senkrecht ste-
henden Kalke des Sudschenkels der Mulde sowie der westliche
Teil des auBerst steilen Rauraciengewolbes treten' orographisck
nicht hervor. Die bei Bemont — La Bosse — les Praissalet noch
einheitliche Velleratkette teilt sich gegen W in zwei sekundiire
Gewolbe. Das eine zieht mit normalem 0 W-Streichen liber-
ies Pornnierats — sur les Crins gegen la Vauchotte, das andere
mit WSW - ONO- Streichen bildet den Bergriicken zwischen
Saignelegier und Bemont, um in der Gegend von la Deute
wieder zu verschwinden. Im W wiirde der ganze Aufbruch
von Goumois zur Velleratkette gehoren. Im S von Bemont
tritt nun in der Synklinale zwischen der Vellerat- und Raimeux-
kette ein neues Gewolbe auf, zu dem das Rauracien und Oxford
von Saignelegier sowie die steile Aufpressung im S von Pre
St. Nicolas zugerechnet werden miissen.
Der Oxford-Dalle-nacree- Aufbruch von Goumois.
Der Oxford -Dalle -nacre -Aufbruch von Goumois gestattet
nns ausgezeichnete Einblicke in die Eigenart der Juratektonik
J) Der Ausdruck Paine-plaine trifft das Wesen der Sache nicht;
der Ausdruck Rumpfgebirge ist ein schlechtgebildetes Wort.
62
■dieser Gegend. Wir haben gesehen, daB das Rauracien des
Nordschenkels der Synklinale zwischen jenen beiden Ketten bei
eineni ostwestlichen Streichen mit ungefahr 40° gegen S einfallt.
Zwisclien la Yauchotte und Gouinois richtet sich dieses Raura-
cien in der Longue Roche plotzlich mit eineni scharfen Knick
senkrecht empor, und es kommt sogar zur TJberkippung oder,
-da die Longue Roche an ihrer hochsten Stelle in ein kleines
wiederum durch Knickzonen ausgezeichnetes Gewolbe ubergeht,
-zum ersten Anfang einer liegeuden Falte. Das kleine Gewolbe
ist so gebaut. daB die Gewolbedecke nahezu horizontal liegt
und von zwei senkrecht abbiegenden Gewolbeschenkeln getragen
wird. Doch ist dieses Gewolbe unsymmetrisch; denn, wahrend
das Rauracien des Nordschenkels (Longue Roche) bis zur Hohen-
linie 550 hinabreicht, erreicht dasjenige des Siidschenkels nur
•etwa 700 m Meereshohe. Direkt an die Longue Roche lehnt
sich im S eine schmale Aufpressung von Dalle nacree an, wo-
bei das Oxford zwischen dieser und dern Rauracien nahezu
Yollig ausgequetscht wurde. Dafiir zeigt jedoch das Oxford
jenseits dieser schrnalen Dalle-nacree-Barre eine aufiergewohn-
liche Entwicklung, da es in jenem Gewolbe mit hochgepreBt
wurde. Man kann. von der StraJ3e ausgehend, bis unter das
Rauracien des Gewolbescheitels 330 m immer iiber Oxford-
mergel, die naturlich von Schutt stark bedeckt siud, empor-
steigen.
Verwerfung von Boiechat— Goumois.
Im iibrigen weist die groBe Yerbreitung des Oxford im
Aufbruch von Goumois auf eine Yerwerfung hin, die den West-
niigel gegeriiiber dem ostlichen etwas gehoben hat. In der
Tat lassen sich fur diese Storuug gute Anhaltspunkte fin den.
Auf der StraBe les Pommerats — Goumois stehen an der StraBen-
biegung im N von Belfond dessus westHch der StraBe Raura-
cien, ostlich Oxford an. Das Rauracien laBt sich nicht durch
die westliche Abdachung der Schichtenserie im 0 von Goumois
erklaren, da der Betrag dieser Abdachung ein viel zu geringer
ist. Yielmehr wird die Annahme einer Yerwerfung notig, an
welcher das Rauracien gegenuber dem Oxford gehoben wurde.
Im Oxfordaufbruch von Goumois ist es unmoglich, eine Yer-
werfung zu konstatieren, da diese nur hohe Oxfordlagen von
tiefen trennen wiirde. Immerhin wird die Annahme dieser
Yerwerfung durch die Yerhaltnisse in dem siidlich anstoBenden
Gebiet, das auf der Karte nicht mehr zur Darstellung kam,
sehr gestutzt. Denn es lieB sich ein sicherer Punkt fiir diese
.Storung im W von Muriaux auf Boiechat (Hohenpunkt 809)
auffinden, wro ein steiles Rauraciengewrolbe in SO-NW-Richtung
63
wie mit einer Sage durchschnitten erscheint unci sich das aus
dem Gewolbekern hervorquellende Oxford gegen NW iiber
Rauracien und Sequan ergossen hat. Wahrend also ftir diese
Yerwerfung die Strecke von Boiecbat nach Belfond dessus und
zur Straflenecke nordlich davon feststeht, fehlen weiter nach N
alle exakten Anhaltspunkte, weshalb ich vorlaufig die Fort-
setzung in gleicher Richtung angenommen habe. Ini Doubstal
selbst, am FuBe der Longue Roche inufl eine Parallelverwerfung
durc.hziehen, da eine Fortsetzung des Longue-Roche-Gewolbes
auf franzosischem Boden nicht existiert.
Was das Hinabgreifen der Faltung in die Tiefe anlangt, so
konnen wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dafi der mittlere
Dogger yon der steilen Auffaltnng in der Longue Roche nicht
mehr betroffen wurde, sondern da!3 sich der ganze Yorgang im
wesentlichen im Oxford und in geringerem Grade in der eben-
falls wenig widerstandslahigen Dalle nacree abspielte. Schon
in der Stratigraphie habe ich die Fluflablagerungen in der Uni-
gebung von Goumois erwahnt. Es handelt sich hier um eine
alte Fluflterrasse im' S von Goumois, welche auf einer Hohe
von 550—560 m liegt, also etwa 50 m iiber dem heutigen
Niveau des Doubs, und zwar teils auf Oxford, teils auf Dalle
nacree aufruhend, und eine andere, direkt nordostlich iiber dem
Ort auf einer Hohe von 530 m. Diese Ablagerung erklare ich
mir dadurch, dafi der Doubs in friiherer Zeit durch die Rau-
racienbarre der Longue Roche einen Stauung erfuhr und bei Gou-
mois in eiuem Wasserbecken jene Sande und Schotter ab-
lagerte. Die Ablagerung im NO von Goumois wurde, wie uns
•die tiefere Lage beweist, aus einer jiingeren Phase stammen.
Das Gebiet zwischen les Pommerats und Saignelegier.
Das steile Gewolbe im N von Goumois setzt sich unter
westostlichem Streichen nach les Pommerats fort. Zwischen dem
Aufbruch von Goumois und les Pommerats tritt noch einmal
auf sur les Crins das Oxford des Gewolbekernes auf eine Er-
streckung ATon etwa 700 m zutage. Bei les Pommerats und
besonders im 0 dieses Ortes verflacht sich der Rauracien-
riicken, und wegen des langsamen Ansteigens der Sattelachse
tritt unter dem Rauracien das Oxford und weiterhin die Dalle
nacree von la Bosse — Praissalet zutage. Auf dem Wege von
les Pommerats nach Praissalet treffen wir, wahrscheinlich durch
einen kleinen Einbruch hervorgerufen , schon bei Hohenpunkt
'904 auf Oxford, welches zur Bildung zweier Weiher Yeran-
lassung gegeben hat. Gegen NO wird der flache Rauracien-
xiicken auf weite Erstreckung hin sichtbar. In ihm finden
64
wir im N des Hohenpunktes 981 eine kleine Mulde, in welcher
noch etwas Naticamergel liegen konnen, doch ist dies wegen
der mangelnden Aufschliisse ungewiB. Nordlich hiervon, dort7
wo die alte StraBe vou les Pomnierats — Malnuit den Rand des
Kartenblattes bei Hohenpunkt 934 trifft, befindet sich ein kleiner
Weiher, an dessen Rande sich Versteinerungen der Huineralis-
zone nebst runden Bohnerzkornern sammeln lassen. Im S von
les Pommerats treffen wir auf eine sekundare Mulde, an die
sich weiterhin die zweite sekundare Aufwolbung des Rauracien
der Velleratkette anschlieBt. In der Mulde liegt auf weiter
Erstreckung Sequan und nur im tiefstenKern bei la Retenue noch
Kimmeridge. Die Schichten von la Retenue liegen im W
flach, stehen dagegen im 0 am Schlufi der Mulde senkrecht
bei einem Streichen von NNO — SSW. Der Gruncl fur dieses
plotzliche Abbiegen der Schichten in einer fur unser Gebiet so
ungewohnlichen Richtung ist in einer Verwerfung zu suchen,
die sich am besten auf der StraBe yon Saignelegier nach les
Pommerats studieren laBt.
Uberschiebung im W von Saignelegier.
Etwa 150 m nachdem man die letzten Hauser Yon Saig-
nelegier Yerlassen, befindet man sich an der Grenze von Rau-
racien, das ziemlich steil gegen NNW einfallt, und NaticamergeL
Orographisch sind diese durch die kleine nach la Deute hinab-
ziehende Mulde scharf markiert. Im weiteren Verlauf der
StraBe sind die Aufschliisse so, da!3 es schwer ist, sich ein
Bild iiber Streichen und Fallen cler Schichten zu machen, doch
scheinen diese bei genauer Betrachtung zwischen Hohenliriie
850 und 840 senkrecht zu stehen, um im Weiterschreiten nun
deutlich gegen SSO einzufallen. Vergleicht man damit den
Befund auf dem Steig, der von Saignelegier am Friedhof vorbei
iiber den Gipfel des Berges nach les Pommerats fiihrt,
auf dem ich bei Hohenlinie 1020 ein vertikales und kurz dar-
auf ein siidliches Einfallen der Sequanschichten feststellen
konnte, so ergibt sich, daB eine durch diese beiden Punkte ge-
gebene Richtung die Achse einer sehr steilen Mulde darstellt.
Geht man nun die erstgenannte StraBe weiter, so finclet man,
daB das Sequan sein Einfallen gegen SSO beibehalt, und daft
darunter bei Hohenlinie 930 ebenso einfallendes Rauracien zu-
tage tritt. Bei Hohenlinie 920 erscheint dies stark gestort,
unci eskommen zwischen Hohenlinie 920 und 910 Tone, die nach
Beschaffenheit und Stellung als Oxford gedeutet werden mussen.
Auf das nur schmale Oxfordband folgen wieder gegen SO ein-
fallende Kalke, die sich als unteres Kimmeridge zn erkennen
65
geben. Daraus ergibt sich zwischen Hohenlinie 920 unci 910
eine Uberschiebung yon betriichlichem AusinaB. Die Stoning
laBt sich gegen S noch einige 100 m iiber die Grenze meines
Aufnahmeblattes hinaus verfolgen. Gegen NO scheint die
Uberschiebung ungefiihr dort zu verschwinden. wo die Hohen-
linie 1000 den Pfad trifft. der iiber halbe Bergeshohe von
Saignelegier nach les Pommerats fiihrt. Diese Uberschiebung
fallt vollkommen aus der Faltungsrichtung heraus, so daB es
schwer, vielleicht unmoglich ist, sich vorzustellen, dafl sie mit
der Faltung gleichzeitig entstanden sein konnte. Nach meiner
Meinung haben wir es mit einer Yerwerfung zu tun, die schon
yor der Faltung yorhanden war und durch die faltenden
Krafte zur Uberschiebung wurde. Im S, auBerhalb meines
Aufnahmeblattes, fallt in die Yerlangerung jener Storung die
eigenartige Ablenkung des steilen Rauraciengewolbes im O
von Grosse Cote, welches augenscheinlich durch jene Storung
abgebogen wurde; und zwar gibt sich die Storung hier in
einer scharfen Knickzone im W-Schenkel des Gewolbes kund.
Auch dieses Yerhalten ist nur denkbar. wenn man annimmt,
dafi die Storung schon yor der Faltung yorhanden war. Sieht
man nun die wrestlich anstofienden franzosischen geologischen
Karten an, so fallt uns auf. daB unsere Verwerfung dort mit
einem ganzen Schwarm yon Yerwerfungen der Kichtung nach zu-
samnienfallt. Der Gedanke liegt daher nahe. daB wohl auch
diese Storung jenem groBen Bruchsysteni zugerechnet wrerden
muB.
Anmerkung. L. Rollier erwiihnt diese Uberschiebung in seinem
Buch : Materiaux pour la carte geologique de la Suisse, ^structure et
histoire geologique de la partie du Jura centrale" auf S. 230. Er
schreibt: „On observe un chevauchement du chainon du Boiechat au
nord de Saignelegier, sur la route des Pommerats, ou le coralien de cette
voussure touche au Kimmeridien de celle de Bemont, au point oil celle-
ci passe au plateau de Sur les Cotes. II mesure un peu plus d'un kilo-
metre de long, et occupe la place d'un synclinal sureleve. On
voit la forme en equerre de ce s)-nclinal kimmeridien sur son
prolongement a la Grosse Cote, depuis le Moulin du Theusseret. Le
tlanc sud est redresse a la verticalle, tandis que le flanc nord est hori-
zontal. Un effort plus grand dans le plissement eut continue le che-
yauchement." Dazu noch folgende Bemerkung: Es ist ein Irrtum
Rolliees, der auch auf seiner Karte 1:100 000 zum Ausdruck koramt,
daB das steile Rauraciengewolbe im O von Grosse Cote in direktem
Zusammenhang steht mit dem Rauraciengewolbe zwischen Saignelegier
und les Pommerats. Vielmehr setzt sich dieses erstere iiber sur les-
Cras und la Baumatte in das flache Rauraciengewolbe von Saignelegier
fort. Der Zusammenhang zwischen beiden Gewolben besteht einzig
und allein in der ihnen gemeinsamen praexistierenden St6rungslinieT
die beide in ihrer Richtung ablenkte.
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 5
06
In Gefolgschaft dieser Uberschiebung treten im W von
Saignelegier noch einige untergeordnete Briiche auf. Einer in
dein kleinen Talchen, das yon Finage du Droit gegen S die
StraBe Saignelegier — Muriaux bei Hohenpunkt 964 trifft; Er
verarilaBt auf kurze Erstreckung das Zutagetreten von Oxford.
Ein zweiter, der ebenfalls Oxford hervortreten laflt, liegt
100 — 125 m westlich von dem eben beschriebenen imd verlauft
ungefahr parallel rnit diesem. Beide beginnen auf der Grenze
meines Aufnahrneblattes.
Saignelegier stent auf einem flachen Riicken von Rauracien,
der sich, wie schon erwahnt, in der Mulde zwischen der Vel-
lerat- und Raimeux-Kette aufwolbt. Im 0 des Ortes fin den
wir einen groBeren Oxfordaufbruch, ebenso einen ganz kleinen
im W in einer Entfernung von etwa 700 m. Die Einzeichnungen
auf der anstoBenden Rollierschen Karte (1:25000) siidl. von
Bemont sind unzutreffend. Z. B. stent an dem westlichsten Hause
von Bemont die Mumienbank des mittleren Sequan an, das nach
Rolliers Karte auf Kimmeridge stetien sollte. Kimmeridge
kommt siidlich von Bemont iiberhaupt nicht vor.
Das Faltungsproblem des Schweizerjura im allgemeinen.
In meinem Gebiete konnte ich die Erfahrung machen, die
audi von anderen Gegenden im nordsclrweizerischen Kettenjura
bestatigt wird, daB die Faltung der Malmschicbten nicht in
normal gerundeten Gewolben erfolgte, sondern dafl sich allent-
halben Knickzonen ausbildeten, zwischen welchen sich wenig
ocler gar nicht gekriimmte Tafeln befinden. Die Faltung des
Doggers zeigt diesen Typus lange nicht mehr so extrem.
Diese Erscheinung glaube ich auf folgende Weise erklaren zu
mtissen. Gehen wir von der normalen Faltung aus, die etwa
dem Faltenwurf eines Tuches verglichen werden kann, so wird
dieselbe iiberall da zustande kommen, wo wir es mit einem
auf weite Erstreckung hin lagenweise homogenen Schichtpaket
zu tun haben. Im Schweizer Kettenjura aber, wo sich hori-
zontal oder schwach geneigte Schichtkomplexe mit einem
scharfen Knick plotzlich aufstauen und zu gigantischen Fels-
partien (z. B. Longue Roche) AnlaB geben konnen, wo wir des
ofteren, wie z. B. im SO von Saignelegier, zwei senkrecht stehende
Rauracienbarren beobachten, die nur durch ein schmales Oxford-
band, das bei der heftigen Bewegung dazwischen gequetscht
Avurde, getrennt sind, finden wir von einer solch einfachen
Faltung keine Spur. Hier werden wir also wohl annehmen
konnen, daB ein solch homogenes Schichtpaket des oberen Jura
67
zur Zeit der Faltung nicht bestanden hat. Sei es nun, daB
wiihrend der langen Festlandperiode, die in diesem Gebiete der
•Jurazeit folgte, tiefe FluBtiiler entstanden waren, oder daB das
Land von kleinen Verwerfungen durchsetzt war, jeclenfalls
miissen zur Zeit der Faltung die oberen Juraschichten vielerorts
sckwache Stellen aufgewiesen haben, an denen das Schicht-
paket bei einsetzender Faltung geknickt wurde oder zerriB.
DaB aber die Schichten des Dogger lange nicht mehr jenen
^xtremen Faltentypus zeigen, erklart sich einmal daraus, daB
sich fur jene tieferen Schichten Druckdifferenzen, wie sie etwa
■durch oberflachliche Erosion hervorgerufen warden, nicht mehr
so stark fiihlbar machten, und daB anderseits durch die Tone
<les Oxford, worauf besonders BuXTORF des ofteren hingewiesen
hat, die Bewegung der iiberlagernden Schichten sich bis zu einem
gewissen Grade unabhangig machte von der des Liegenden.
Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10.
Fur eine haufig auftretende Faltenform (Fig. 8) hat Gerth
den Ausdruck „Koffergewolbeu gepragt. In seiner neuesten
Schrift1) erklart er sie folgenderniaBen. Er meint, es hiitten
sich zuerst normale Falten gebildet, und der Scheitel ware erst,
nachdem die Schubkraft erloschen war, eingesunken. Nach
meiner Meinung ist es durchaus nicht einzusehen, wreshalb der
Scheitel eines spitzen Gewolbes, das doch, wie wir schon aus
•der Architektur wissen, ein auBerst stabiles Gebilde clarstellt,
einsinken soli. Jedoch liefie sich diese Form vielleicht ganz
■einfach erklaren, wenn wir annehmen, wie dies Fig. 9 zeigen
soil, daB bei der Faltung die oberen Schichten, die ja bei weitem
mehr gezerrt wurden als die tieferen, am Scheitel zerrissen, und
-claher der Gewolbe- Scheitel schon wahrend der Faltung der
Zerstorung anheimfiel. Die Ansicht, daB die oberen Schichten
•des Gewolbe-Scheitels bei der Faltung zerreiBen muBten, hat
Herr Deecke schon lange wiederholt im personlichen Gesprach
vertreten. Nun war der Druck auf den beiden Flanken ein
:) W. Delhaes u. H. Gerth: „Geologische Beschreibung des Ketten-
jura zwischen Reigoldswil (Baselland) und Onsingen (Solothurn)". Geo-
logische und palaontologische Abhandlungen. Neue Folge XI Heft 1.
•Jena 1912.
5
68
bedeutend starkerer als am Scheitel, und die den Gewolbekeni
bildenden Schichten muBten ihrerseits , uni den Seitendruck
auszugleichen, den Gewolbescheitel, der den geringsten Gegen-
druck auszuiiben vermochte, auseinanderzerren (Fig. 10). Komint
nun noch die stauende Wirkung machtiger, dem in Faltung be-
griffenen Gebiet vorlagernder Sedimentmassen hinzu, wie am
Rand der Schweizer Tertiarbecken, so erscheint die Entstehung:
typischer Facherfalten ganz wohl verstandlich.
Zusamnienfassung.
I. Montfavergier-Kette.
Alle Storungen in der Montfavergier-Kette treffen nur den
Nordschenkel, wahrend der Siidschenkel normales Yerhalten
zeigt. Im Nordschenkel der Montfavergier-Kette zeigen sicb
bei mir folgende Storungen:
1. Doppelung des mittleren Doggers im Talchen yon
Yautenaivre ;
2. eine Uberschiebung, nachgewiesen yom Doubstal iiber
Beaugourd dessous — es Royes, nordlich von Saignolet zwischen
Champ nnd POiseau bis nordlich yon Patalour; sie erstreckt
sich mit Sicherheit iiber den Doubs noch ein groBes Stuck nach
Frankreich und yermutlich auch noch weiter nach Osten;
3. eine liegende Falte im Berg yon Pres de Beaugourd;
auch diese lafit sich mit Sicherheit noch auf franzosisches Ge-
biet verfolgen;
4. Querverwerfungen zwischen Combe Chabroyat und es
Royes;
5. Falteniiberschiebung, welche ostlich der eben erwahnten
Querverwerfung aus der liegenden Falte yon Pres de Beaugourd
hervorgeht; im Norden von Malnuit ist die iiberschobene Masse
durch Erosion und vielleicht auch durch tektonische Yorgange,
die fiir uns nicht mehr nachweisbar sind, yernichtet, so daB wir
in dem Berg nordlich yon Chez le Forestier eine yollkommen
isolierte Scholle erblicken miissen;
6. zwei kleine Grabenbruche im NO yon Saignolet;
7. kleiner isolierter Rauracienfetzen auf Kimmeridge
liegend, ostlich yon Saignolet an der StraBe Malnuit — Moulin
Jeanotat;
8. eine Querverwerfung, welche das Yorbranden des Doggers
im 0 von Patalour erklart;
9. eine Yerwerfung im unteren Teile des Talchens, das-
von Patalour nach dem Doubs hinabzieht; Uberkippung der
Schichten im N dieser Yerwerfung;
69
10. Parallel verwerfung Malnuit — Patalourzuder unter 2 auf-
gefiihrten Uberschiebung;
11. Bergrutsch im Talchen von Vautenaivre.
II. Vellerat-Kette.
Die Vellerat-Kette teilt sich im Gebiete zwischen les Pom-
nierats iind Saignelegier in zwei Rauracienriicken, urn westlich
dieses Gebietes als selbstiindige Kette vollkommen zu ver-
schwinden.
Siidlich des Longue-Roche-Rauracienkammes ist etwa auf
200 m Erstreckung Oxford fast vollkommen ausgequetscht.
Die anormal groJ3e M&chtigkeit des Oxford im Aufbruch
von Goumois findet nach meiner Meinung ihre Erklarung durch
die Verlangerung der Verwerfung Boiechat — Belfond dessus.
Die Antiklinale zwischen Saignelegier und les Pommerats
findet ihr Ende in einer Uberschiebung im NW von la Deute.
Diese Uberschiebung entspricht nach meiner Meinung einer schon
vor der Faltung existierenden Verwerfung. Siidlich meines Auf-
nahmeblattes liegt eine augenscheinliche Beeinflussung der
Stoning auf das steile Rauraciengewolbe im 0 von Grosse Cote
vor.
Westlich der eben erwiihnten Stoning sind siidlich meines Auf-
nahmeblattes noch einige untergeordnete NS-Briiche zu er-
kennen.
Zusammenfassende Beruerkung.
Die Uberschiebung unter 2 sowie die in ihrem Gefolge auf-
tretende Verwerfung unter 10 betreffen den Dogger, wahrend
sich alle iibrigen Storungen auf den Malm beschriinken.
Sowohl Uberfaltung wie Uberschiebung sind nach "N ge-
richtet, was eine von S nach N wirkende tangentiale Kraft
voraussetzt.
Liter aturverzeichnis.
1. Buxtorf, A.: tiber den Gebirgsbau des Clos du Doubs und der
Vellerat-Kette im Berner Jura. Sonderabdr. a. d. Berichten
iiber die 42. Versammlung des Oberrh. geol. Vereins. 1909.
2. — Zur Tektonik des Kettenjuras. Sonderabdr. aus den Berichten
iiber die 40 Versamml. d. Oberrh. geol. Vereins zu Lindau.
1907.
3. — Geol. Beschreibung d. WeiBensteintunnels u. seiner Umgebung.
Beitrage zur geol. Karte d. Schweiz, neue Folge XXI. Lieferung.
Bern 1908.
4. — Bemerkung iiber d. Gebirgsbau d. nordschweizerischen Ketten-
jura, im bes. der WeiBensteinkette. Diese Zeitschr. Bd. 63, 1911,
Abhdl. Heft 3.
5. Greppin,Ed.: tiber den Parallelismus d. Malmschichten im Jura-
gebirge. Verhandl. d. Naturf. Gesellsch. in Basel XII, Heft 3.
70
6. Greppin, L: Materiaux pour la carte geologique cle la Suisse: Jura
bernois et districts adjacentes (1870). Bd. 8
7. Jenny, Fr.: Uberschiebungen im Berner und Solothurner Falten-
jura. Separat-Abdr. a. d. Verhandl. d. naturforschenden Gesell-
schaft in Basel XI, Heft 3. 1897.
8. Kemmerling, G. : Geol. Beschr. d. Ketten v. Vellerat u. Moutier.
Inaug. Dissert. Freiburg i. B. 1911.
9. Koby, T.: Notice stratigraphique sur Foxfordien dans la partis
septentrionale du Jura bernois. Abhdl. der Schweiz. palaont.
Ges. XXVI, 1899.
10. Koby, T. : Etude stratigraphique des couches rauraciennes superi-
eures du Jura bernois. Abh. d. Schweiz. palaont. Ges. XIX, 1892.
11. Mathey,F.: Coupes geologiques des tunnels du Doubs. Neue
Denkschr. d. Schweiz. naturf. Ges. XXIX, 1885.
12. Machacek. : Der „Schweizer-Jura". Versuch einer geomorpho-
logischen Monographic A. Petermauus Mitteil. Erg. Heft Nr.
150, 1905.
13. Muhlberg, F.: Zur Tektonik des nordschweiz. Kettenjura. Sep.
Abdr. des Neuen Jahrb. fiir Mineral, usw. Beilagebd. XVII, 1903.
14. Muhlberg, M. : Vorlaufige Mitteilungen iiber die Stratigraphie des
braunen Jura im nordschweiz. Juragebirge. Eclog. geol. Helv.
VI, 1899—1900.
15. Oertel, W. : Stratigraphie u. Tektonik d. Gegend v. St. Brais u.
Saulcy. Neues Jahrb. f. Mineral, usw. Beilageband XXX.
16. Rollier, L.: Materiaux pour la carte geologique de la Suisse: Jura
bernois et regions adjacentes. Premier Supplement, Bd. Villa,
Ier Supplement 1893.
17. — lime Supplement. Bd. VIII b, 1898.
18. — Revision de la Stratigraphique et de la Tectonique de la Mo-
lasse au Nord des Alpes en general et de la Molasse subalpine
Suisse en particulier. Neue Denkschr. d. Schweiz. naturf. Ges.
Zurich BdsXLVII, 1911.
19. — Materiaux pour la carte geologique de la Suisse. Illme Sup-
plement a la description geologique de la partie jurassienne de la
feuille VII de la carte geologique de la Suisse au 1:100000. Bd.55.
20. Steinmann, G. : Bemerkungen iiber d. tekton. Beziehungen d. oberrh.
Tiefebene zu d. nordschweizer. Kettenjura. Bericht d. naturf.
Ges; Freiburg i. B. VI, Heft 4. 1892.
21. Therm ann, G.: Essai sur les soulevements jurassiques de Porren-
truy. 1832. u. 1836.
22. — Etallon. A. Lethaea Bruntrutana. Etudes paleontologiques et
stratigraphiques sur le „Jura bernois". 1861 — 1864. 1. Teil:
Mem. soc. naturhist. de Strassbourg. II. Teil: Porrentruy im
Selbstverlag.
23. Tobler , A. : Tabellarische Zusammenstellung d. Schichtenfolge in
der Umgebung von Basel. Basel 1905.
Anhang.
Zur allgemeinen Jura-Tektonik.
Es sei mir gestattet, hier nocli einige Anscbauungen iiber
den FaltiiugsprozeB im Schweizer Jura mitzuteilen, auf die ich
spater vielleicht noch einmal zuruckkoinnien Averde.
71
Fur die Beurteilung des tektonischen Aufbaues des ganzen
Faltenjuras ist nach ineiner Meinung ein TJinstand yon ganz
besonderer Wichtigkeit, auf den bisher nicht geniigend auf-
merksam gemacht wurde, daB wir es namlich mit zwei diver-
gierenden Faltenziigen zu tun haben.
Wie aus der geologischen Karte von Porrentruy 1:100000
ersichtlich, trennen sich vom Mont Terrible gegen AY zwei
Ketten ab, die eigentliche Mont-Terrible-Kette und die Clos-
du-Doubs-Kette, die bis Ursanne eng geschart sind, dann
auseinanderweichen, um sich bei Glere wieder eng zusainnien-
zuschlieBen. Nehmen wir nun das Blatt Montbeliard der
geologischen Karte von Frankreich 1 : 80000 zur Hand, so •
konnen wir diesen Faltenzug weit nach Frankreich in derselben
OW-Richtung streichend weiterverfolgen, und zwar als Mont-
agues du Loniont bis in die Gegend von Baumes les Dames.
Auch nach Osten setzt sich die Mont-Terrible-Kette mit OW-
Streichen fort. So sind wir berechtigt, von einem einheit-
lichen Lomont-Mont-Terrible-Falten zug zu sprechen.
Demgegeniiber zeigen auch die siidlichen Ketten von der Weifien-
stein- bis zur Rainieux-Kette ein einheitliches Bild, indem sie
unter sich parallel das Molasseland der Mittelschweiz im
Norden umrahmen. Zwrischen jenen beiden Faltenziigen aber
(dem Lomont-Mont-Terrible-Falten zug einerseits und dem WeiBen-
stein-Raimeux-Faltenbiindel anclerseits) liegt ein Gebiet von
weniger einheitlichem Aufbau. Dieses Gebiet wird mich im
folgenden vorwiegend beschaftigen. Es laBt sich folgender-
maBen umgrenzen :
Im Osten haben w'ir das groBe Tertiarbecken von Delemont,
dem gegentiber die iibrigen Tertiarbecken im Schweizer Ketten-
jura untergeorduet erscheinen. Hieran schlieBt sich die in
ihrem Streichen vollkommen abweichende und nur auf kurze
Erstreckung verfolgbare Caquerellekette (zwischen dem Rau-
racien im NW von Saulcy und Caquerelle). Ferner gehoren in
dieses Gebiet die Montfavergier-Kette (vom Rauracien im NW von
Saulcy bis Fossevillers) l) und die Yellerat-Kette (von Mervelier
bis Goumois). Die beiden letztgenannten erreichen ungefahr auf
der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich ihr Ende.
Wie es nun zur Ausbildung der beiden groBen Falten-
richtungen kam, ob sie gleichzeitig entstanden sind, oder die
eine von beiden friiher gebildet wurde, sind Fragen, die schwer
1) Beide Ketten wurden urspruglich mit dem einen Namen
Caquerellekette bezeichnet. Da aber beide Ketten tektonisch wenig
miteinander zu tun haben, erscheint es mir richtiger, sie mit ver-
schiedenen Namen zu belegen.
72
zu entsclieiden sind. Soweit der Schwarzwald der Mont-
Terrible-Kette vorgelagert ist, erscheint deren OW-Streichen
verstandlich ; doch dafl auch die westliche Fortsetzung (die Lo-
mont-Kette) diese Richtung beibehalt, obwohl der Vogesenkern
nicht so weit nach S reicht wie der des Schwarzwaldes, ist
nicht einzusehen. Sollten sich die Vogesen vielleicht unter
dem Tafeljura noch weiter gegen S fortsetzen? Was das Alter
der einzelnen Ketten anlangt, so folgert Machacek in seiner
geomorpliologischen Studie auf Grund der verschieden weit
YOrgeschrittenen Abtragung in den einzelnen Juraketten, claB
die nordwestlichen Ketten die altesten seien. und dafl die
Faltung gegen SO fortschritt. Ist dies riclitig, so kann mog-
licherweise als Erklarung herangezogen werden, dafl die Se-
dimentdecke im S weit machtiger war als im N, da iin S iiber
dem Jura noch Kreide yorhanden ist. Es hatte dann die tek-
tonische Bewegung dort eingesetzt, wo der Sedirnentmantel
weniger dick war. Doch yerlassen wir dieses unsichere Gebiet,
urn zu Greifbarerem iiberzugehen.
Bei der Betrachtung des zwischen beiden Faltungsrichtungen
liegenden Mittelstiickes (vergl. S. 40 Zeile 28 u.folgende) erscheint
es Yor allem erforderlich, die you Steinmann1) angegebenen Leit-
linien (Vogesen-, Schwarzwald- und Sundgau-Linie) auf ihre
Berechtigung nachzuprufen.
Die Sundgaulinie scheint auf den ersten Blick sehr Yer-
lockend; denn sie trifft den Yirgationspunkt des Mont Terrible,
fal-lt zusamrnen mit der Yon alien anderen Ketten abweichenden
Streichrichtung der Caquerelle-Kette. Die Montfavergier- und
die Vellerat-Kette Yerschwinden westlich dieser Linie oder
uberschreiten sie doch nur wenig (Montfavergier-Kette). Ferner
bildet die Sundgau-Linie den Nordrand des WeiBenstein-Rai-
meux-Faltenbiindels gegeniiber dem von der Faltung nur in
geringerem MaBe betroffenen Gebiet zwischen dem Lomont-
Mont-Terrible-Faltenzug im Norden und dem eben erwahnten
Faltenbiindel im Siiden. Trotzdem erheben sich schwere Be-
denken, ob wir die Sundgau-Linie zur Erklarung all dieser
Ycrhaltnisse wirklich benotigen, wahrend die beiden anderen
Linien Steinmanns, die Schwarzwald- und Vogesen-Linie, welche
das Depressionsgebiet der Tertiiirbecken nach beiden Seiten
begrenzen, unsere gegenwartige Vorstellung voin Bau des
Schweizer Kettenjura doch wesentlich unterstiitzen.
Es wird allgemein angenommen, dafl die Faltung das
mittelschweizerische Molasseland deshalb nicht ergriffen habe,
') Steinmann: Bemerkungen iiber die tektonischen Beziehungen
der oberrheinischen Tiefebene zu dem nordschweizerischen Kettenjura.
73
weil hier Liber den roesozoischen Schichten noch etwa 1000 in
Tertiar lag. Diese miichtige Tertiarbedeckung konnte von der
Faltung nicht iiberwunden werden. Es wurde daher das Mo-
lasseland als Ganzes vorwartsbewegt, und erst dort konnte es
Avieder zu einer Faltenbewegung koinmen, wo ini Norden diese
Uberdeckung fehlte. Setzen wir also den Fall, das Sckweizer
Molassebecken wurde nicht bestehen und hatte nie bestanden,
so hatte sicli die Faltenbewegung am Nordrand der Alpen
noch weiter fortgesetzt, und der Faltenjura hatte sicli ohne
merkliche Differenz an den Alpenkorper angegliedert. Aus
cliesen Betrachtungen ergibt sich, da!3 die mittelscliweizerische
Molassesenke, die schon vor der Faltung bestand, ini letzten
Grund die Ursache war fiir die Entstehung eines selbstandigen
Faltenjuras; dieser wurde durch das Molasseland vom Alpen-
korper abgedrangt.
Viele Tatsachen machen es nun wahrscheinlich, daB auch
ini Gebiet des jetzigen Kettenjura vor der eigentlichen Fal-
tung schon Niveauunterschiede bestanden haben, und dafi die
mittelschweizerischen Tertiarbecken alte Depressionen darstellen
(vergleichbar der Mittelschweiz), bei deren seitlicher Be-
grenzung die Schwarzwald- und Yogesen-Linie zur Geltung
kam. Die Senken spielten nun fiir die Faltung eine analoge
(wenn auch geringfugigere) Rolle wie das Becken der Mittel-
schweiz. Auch sie konnten von der Faltenbewegung nicht
iiberwunden werden — eine Tatsache, die uns ganz verstand-
lich erscheint, seitdem uns die Abscherungstheorie Buxtokfs
den FaltungsprozeB im Schweizer Kettenjura als eine yerhaltnis-
mafiig oberflachliche Erscheinung erkennen lieB. — Wie vom
Tertiargebiet der Mittelschweiz der Faltenjura vom Alpen-
korper abgedrangt wurde, so ist es hier das Tertiarbecken
von Delemont (demgegeniiber die iibrigen Tertiarbecken im
Schweizer Jura untergeordnet erscheinen), das der Caquerelle-
Kettelangs seines Randes eine nordostliche Richtung aufzwang. In
zweiter Linie wrurde auch die Clos-du-Doubs- und die Mont-
Terrible-Kette Von ihren westostlichen Streichen gegen NO
abgelenkt. Ganz vorziiglich paBt zu diesen Erorterungen die
Uberschiebungslinie, die Rollier auf seiner Karte 1 : 100000 von
Montmelon bis Chavat dessus einzeichnet; clenn gerade dort,
wo die Caquerelle-Kette gegen die nordlich vorlagernden
Ketten andrangte, muBte die Spannung am grofiten sein.
Einen direkten Beweis daftir, daB die Tertiarbecken tat-
sachlich bei der Jurafaltung als Stauwiderstand gewirkt haben,
erblicke ich in der ersten Anlage von Facherfalten, die an die
Umgebung der Tertiarbecken gebunden sind.
74
Aus diesen Darlegungen ergibt sicb, da£ zur
Erklarung der Umbiegung der Mont-Terrible- und
Clos- du-Doubs-Kette im S von Courgenay ebenso wie
fur die Deutung des Yerbaltens der Yellerat-Kette
die Annahme einer in der U nib iegungsrichtung ver-
laufenden te ktonis chen Linie wie die Sundgaulinie
Steinmanns durcbaus unnotig ist.
Ich komme nun zu einer neuen tektoniscben Linie, auf
die meines Wissens nocb niemand bingewiesen bat, imd die
docb mit ziemlicber Sicberbeit angenommen werden kann. Sie
verlauft in bercyniscber Ricbtung iiber Trevillers, Ferrierey
Urtiere, siidl. yon Muriaux und nordl. yon Breuleux. Ob sie
sicb nocb weiter nacb N in das stark gestorte Gebiet YOn
Montandon fortsetzt, lasse icb dabingestellt. Diese Linie
wiirde bei TreYillers den YOn Maicbe nacb NO ziebenden
Doggerkamm in 2 Teile zerlegen, wiirde Yveiterbin mit dem
Verscbwinden der MontfaYergier-Kette zusammenfallen, wiirde
erklaren, wesbalb sicb die MontfaYergier-Kette weiter nacb W
fortsetzt als die Yellerat-Kette, wurde aiich die eigenartigen
tektoniscben Yerbaltnisse Yon Fossevillers einigermaBen Yer-
standlicb macben; sie wiirde auf den Knick des Doubs stofien,
der, wahrend er bisber im Streicben der Scbicbten floJ3, nun
diese plotzlicb senkrecbt zu ibrem Streicben durcbbricbt,
wiirde fernerbin das Doggergewolbe, das sicb Yon Biaufond
bis zuni Spiegelberg in nordostlicber Ricbtung binziebt, gegen N
absetzen, lieBe die Kette, dieYOnLajoux in siidwestlicber Ricb-
tung berabziebt, im NW Yon Noirmont verscbwinden, wiirde
weiterbin das tektoniscbe Problem von le Rosselet treffen
und scbliefilicb im SO you les Breuleux das Yerscbwinden
des Hobenriickens, der im S von Genevez in siidwestlicber Ricbtung
binziebt, erklaren. Icb nenne diese Ricbtung die „Le-Rosselet-
Trevillers-Linie" .
Somit wiirde also aucb das Yerscbwinden der
Montfavergier- und Yellerat-Kette nicbt fiir eine
von SW nacb NO verlaufende tektonisehe Linie, wie
die Sundgaulinie Steinmanns, sprecben. Das weitere
Umbiegen des Jurabogens aber stebt im engen Zu-
sammenbang mit der Umbiegung des Alpensystems
einerseits und der Ausdebnung des scbon vor der
Faltung bestebenden mittel scbweizeriscben Molasse-
beckens anderer seits. Denn erst an den Randpartien dieses
Beckens gelang es der siidlicben Scbubkraft, die Sedimentkruste
in Falten zu legen.
Wir konnen nun die obigen Ausfiibrungen dabin zu-
75
sammenfassen, dafi wir erstens im Schweizer Kettenjura
zwei Faltenziige erkennen konnen, die sich im 0 des
Beckens vonDelemont scharen, dafl ferner im Schweizer
Kettenjura kein Grund ftir die Annahme der Sundgau-
linie Stein mann.s v or liegt, sonde rndaBsichalleY erhalt-
nisse, die zuerst fiir eine solche Linie zu sprechen
schienen, erklaren lassen durch Steinmanns Yo-
gesenlinie. durch den Widerstand des Tertiarbeckens
yon Delemont und die h ercynische Linie Le-Rosselet-
Treyillers.
Manuskript eiugegangen am 1. August 1913.]
76
3. Beitrage zur Stratigraphie und Tektonik
des Simplongebietes.
Von Herrn A. Rothpletz in Miinchen.
Hierzu Tafel VI— VIII und 24 Textfiguren.
Inlialtsverzeichnis. Seite
Einleitung 77
J. Die Stratigraphie des Simplongebietes ...... 81
1. Die stratigraphische Einteilimg der Kalksedimente
zwischen Brig und Berisal 82
2. Das Mesozoicum und die Griinschiefer bei Visp .... 98
3. Die Stratigraphie der Berisalschiefer . 103
4. Der Kontakt zwischen den Berisalschiefern und den
mesozoischen Schichten 107
5. Stratigraphie der Kalksedimente auf der Siidseite des
Simplon 108
a) Die Bacenoschiefer 108
b) Die Giacomoschiefer 114
c) Die hellen quarzitischen Schiefer mit Sericit. . . . 117
d) Die sonstigen Kalksedimente auf der Siidseite des
Simplon , 120
6. Das Alter der verschiedenen Gneise 121
a) Der Monte-Leone-Gneis 121
b) Der Lebendun- und Valgrandegneis 123
c) Der Antigoriogneis 131
d) Die vertikale und horizontale Verbreitung der ein-
zelnen Gneismassen und ihr Alter . 132
e) Die Ursachen der Metamorphose 136
f) Die eruptiven Gneisgange von Candoglia 139
II. Die Tektonik des Simplongebiet'es 142
1. Zur tektonischen Terminologie 143
2. Die Berisaliiberfaltung 146
3. Die Formazzafaltung 148
4. Die Bedrettofaltung 148
5. Der Simplontunnel 149
6. Das Tunnelprofil . . 151
7. Verbindung des Tunnels mit dem Oberflachenprofil. . . 162
8. Die Verwerfungen im Tunnel 167
9. Die Verwerfung bei Rosetto 168
10. Die Verwerfung im Norden des Hubschhornes .... 168
11. Die Formazzafaltung 169
a) Die Formazzafalte am Teggiolo 169
b) „ „ bei Crodo und im Deverotal . . 170
c) „ „ im Formazzatal 171
d) „ „ im Basodino-Massiv 172
12. Die Beziehung der Formazzafaltung zur Berisalfaltung . 173
13. Die Bedrettofalten 173
14. Das Verhaltnis der alpinen Falten zu den Gneisen . . 174
15. Die Beziehungen der drei Faltungssysteme zueinander . 177
77
Einleitung.
Eine sichere Altersbestirnmiing der Schichtgesteine in dem
Simplongebiet ist bisher nicht gegliickt. Die wenigen Ver-
steinerimgen, die gefunden worden und leidlich gut erhalten
sind, liegen in den Kalkschiefern im Siiden des Aarmassives.
Der Art nach sind sie unbestimnibar, doch ist ihr Habitus ein
liasischer. Nach den Lageruugsverhaltnissen und der Gesteins-
bildung hat man versucht, die anderen, versteinerungsfreien mit
diesen versteinerungsfiihrenden Schichten in eine chrouologische
Beziehung zu bringen. Diese Yersuche sind aber recht ver-
schiedenartig ausgefallen. Am meisten hat Gerlachs Einteiluug
Anklang gefunden. Er unterscheidet vom Jiingeren zum Alteren:
1. Lias: Kalkstein und Kalkschiefer;
2. Trias: Glanzschiefer (schistes lustres) mit Dolomit, Rauh-
wacke, Gips und Quarzit, von denen der Glanzschiefer
mit Gips- und Rauhwacke- Einlagerungen vielleicht zu
oberst, Kalk, Dolomit und Quarzit zu unterst liegen;
3. Carbon: schwarze bis graue, glimmerige Schiefer und
Quarzite, lokal mit Authracit und Graphit;
4. die jiingeren metamorphen Schiefer: Chlorit, Talk-
und Hornblendeschiefer, sowie Serpentin, wechsellagernd
mit Kalkglimmerschiefern und Cipoliuen;
5. die alteren metamorphen Schiefer: vorherrschend
Glimmerschiefer mit Einlagerimgen von Chlorit- und Horn-
blendeschiefern, sowie Gneis ;
6. die jiingeren Gneise: mit Einlagerungen von Glimmer-
schiefern, Marmor, Dolomit und Serpentin: Crodo-, Leben-
dun-, Binneutal-, Monte Leone-, Monte Rosa-, Sesia- und
Stroma-Gneise;
7. die alteren Gneise: Antigorio-Gneis.
UngewiB blieb Gerlach dariiber, ob die Glimmerschiefer, Kalk-
glimmerschiefer, Marmore, Dolomite und Hornblendeschiefer des
Deverogebietes zu 2 oder 5 zu stellen sind, doch hielt er
ersteres fiir das Wahrscheinlichste.
Von den in Granit und Arkesin iibergehendeh Gneisen des
Dentblanche-Gebietes, die Einlagerungen yon Gabbro, Diorit,
Hornblendeschiefer, Serpentin, Marmor und Glimmerschiefer
enthalten und von Eurit- und Granitgangen durchsetzt sind,
sagt er, dafi sie iiber 5 liegen, und dan diese Auflagerung „ein
Ratsel ist und bleibt".
Ganz anders war die Auffassung B. Studers, die er schon
1853 in seiner Geologie der Schweiz veroffentlicht hatte
78
und auch noch aufrecht erhielt, als nach deni 1871 erfolgten
Tode Gerlachs das Yon diesem aufgenommene Blatt XXIII
erscheinen sollte. Er yeranlaBte eine zweifache Auflage. Die
eine, mit A (rechts oben in der Kartenecke) bezeichnete, gibt
Gerlachs, die mit B bezeichnete Studers Gliederung wieder.
Dem Alter nach unterscheidet Studer hier Kalke unbestimniten
Alters, triasischen Gips nnd Pauhwacke, Dolomit und Quarzit,
wahrend er alle Gneise, Glimmerschiefer Griinschiefer, Horn-
blendeschiefer und Serpentine nur als aus einer Metamorphose
jener Sedimente hervorgegangen, also stofnich gleichalterig, be-
trachtet.
Gerlachs Ansicht trug jedoch den Sieg davon nnd fand
allgemeinsten Anklang. Als 1878 der Plan eines Simplon-
durchstiches auftauchte, legten erst Penevier, dann auch Lory,
Heim und Taramelli ihren geologischen Tunnelprofilen Gerlachs
Gliederungsschema zugrunde, und spater, als sich diese Profile
bei der Ausfiihrung des Durchstiches als nicht zutreffend erwiesen,
wollte man dennoch dies Schema nicht aufgeben, man nahm
nur einige Veranderungen daran Yor, und als die Profile auch
dann nicht mit den Ergebnissen des immer weiter Yordringenden
Tunnels iibereinstimmten, ging man dazu liber, die bisherigen
Vorstellungen iiber den Gebirgsbau Yollstandig iiber den Hauten
zu werfen. Man Yersuchte durch Konstruktion Yerwickelter
Uberfaltungsdecken libereinstimmung zwischen dem tatsach-
lichen Befund und der GERLACHSchen Gliederung herzustellen,
die sich allerdings hierbei wiederum einige Yeranderungen ge-
fallen lassen mufite. Statt der 7 blieben nur noch 4 chrono-
logische Glieder iibrig, namlich, wenn wir uns an die Karte
des Simplongebietes und deren Text halten, die Yon C. Schmidt
und H. Preiswerk 1908 herausgegeben worden ist:
1. Juraschiefer mit . Prasinit-, Pikrit- und Serpentinein-
lagerungen ;
2. Trias Marmor, Gips, Anhydrit, Quarzit u. s. w;
3. Carbonschief er;
4. archaische Glimmerschiefer und Gneise.
In der Gruppe 4 werden jedoch zwei Gesteinsgruppen scharf
auseinandergehalten : erstens die Ortho gneise (Antigorio-,
Verampio- und Monte- Leone-Gneise) mit Amphibolit-, Peridotit-
und Serpentineinlagerungen und zweitens die Par a gneise
(Lebendun-, Berisal- und Valgrande-Gneise) mit Glimmerschiefer-
und Hornblendeschiefereinlagerungen. Gerlachs 4 ist dabei
teils nach 1, teils nach 2 gekommeu und jiingere (6) und iiltere
•(7) Gneise werden nicht mehr unterschieden.
TO
Diese stratigraphische Einteilung. zu der auch Schahdt
und Akgand im wesentlichen gekomnien sind, hat den groBen
Yorteil, auf einfachsten petrographischen Merkmalen zu be-
rulien und darum sich ohne weiteres bei den Aufnahnien im
Felde anwenden zu lassen. Alle kalkfiihrenden Gesteine sind
mesozoisch, die kalkfreien aber pratriasisch. Allerdings gibt
es in den mesozoischen Schichten auch kalkfreie Einlagerungen,
bes. Quarzite und hornfelsartige Schiefer, aber sie sind doch
zu untergeordnet und treten so deutlich als Einlagerungen her-
Yor, dafi daraus eine Schwierigkeit nicht entstehen kann. Das
gleiche gilt auch fur die mesozoischen Griinschiefer (Prasinite),
Pikrite und Serpentine.
Alle kalkfreien Gliininerschiefer und Gneise sind archaisch,
ebenso wie die eingelagerten Amphibolite, Peridotite und Serpen-
tine. Die carbonischen Schiefer unterscheiden sich durch ihren
Graphitgehalt von den archaischen Glimmerschiefern, konimen
iibrigens nur an so wenigen Stellen im Gebiete der Simplon-
karte vor, dafi wir sie hier fiiglich aufier acht lassen konnen.
Yon Bedeutung werden sie erst im Westen der Walliser Alpen,
wo ihr Alter durch Pnanzenfunde sichergestellt ist.
Im Simplongebiet ist die herrschende stratigraphische Ein-
teilung somit im westlichen eine rein petrographische, und das
jiingere Alter der Kalksedimente gegentiber den krystallinischen
Schiefern und den Gneisen stiitzt sich auf das Yorkommen Yon
Granit- Gneisgerollen in den Kalkgesteinen. Letztere selbst
liegen allerdings abwechselnd iiber, unter und in den Gneisen,
■so dafi aus diesen Lagerungsverhaltnissen das durchweg jiingere
Alter der Kalksedimente unmoglich abgeleitet werden konnte,
•doch gibt es Stellen, wo die eingelagerten mit den aufgelagerten
Kalkschiefern in unmittelbare Yerbindung treten, und es ist dies
als ein Beweis ihrer Gleichalterigkeit aufgefaBt worden. Daraus
ergab sich dann die Notwendigkeit, jede auch noch so gering-
fiigige Einlagerung yon Kalk im Gneis als eine Einfaltung zu
•deuten, und da es solche Einlagerungen gibt, die nur wenige
Meter machtig sind, so fiihrten die neueren Profile im Gegen-
satz zu den alteren zu einer enormen Haufung Yon stehenden,
liegenden, Yerbogenen, Yerzweigten und haufig ganz schmalen,
aber sehr langen Mulclen. Die Muldenumbiegungen sind jecloch an
Ort und Stelle in den meisten Fallen nicht zu sehen, und da-
•durch erklart es sich auch, wie es moglich wurde, daB im Yerlauf
der letzten 20 Jahre die Yerschiedenen Autoren und z. T. auch die-
selben Autoren rasch hintereinander Profile durch das Tunnelgebiet
Yeroffentlichen konnten, in denen jeweils die Form und Lage der
Mulden ganz bedeutende Yeranderungen erfahren haben.
80
Man mache einmal den Versuch, die Strati graphie auf den
Kopf zu stellen, die Gneise fur das Jiingste und die Kaik-
schiefer fiir das Alteste zu erklaren; dann ware es eine Kleinig-
keit, auf Grutid des Yorhandenen geologischen Kartenbildes,
alle Sattel in Mulden nnd die Mulden in Sattel umzuwandeln
und ein Profil langs der Tunnelachse zu zeichnen, das ebenso-
gut die festgestellten Tatsachen in Zusamnienhang brachte wie
die von Schardt und Schmidt zuletzt Yeroffentlichten Profile,
nur mit dem Unterschied, daB ein solches Profil in tektonischer
Beziehung sogar einfacher und fiir unsere Vorstellung faBlicher
ware. Wir hatten dann eine Heine you etwa 11 Schichtgewolben,
Rhone, Klenenhorn. Monte Leone, Diveriatal.
Fig. 1.
Wie sich der Faltenwurf darstellen laBt umter Aimahme einer uinge-
kehrten Schichtfolge auf Grundlage des Profils 13 auf Tafel III der
Erlauterungen zur geol. Karte der Simplongruppe.
Yon denen die nordlicben einfacbe stehende, die siidlichen lie-
gende, und zwar Yier davon nacb Siiden und drei nach Norden
tibergekippte Sattel wareu, und Yon diesen wiir.de nur einer mit
seinen obersten Teilen einen Knick mit Zuriickbeugung nach
Norden zeigen. Selbstverstandlich will ich hiermit einer solchen
Umkebr der Stratigraphie nicht das Wort reder, denn sie
ware sicherlich ganz unricbtig. Ich wollte nur zeigen, daB man
mit Faltenkonstruktionen, die einerscits hoch in die Liifte hin-
auf- und anderseits bis zu unergrundlichen Tiefen in die Erd-
kruste hinabgefiihrt werden, auch auf Grund einer sicher un-
richtigen Stratigraphie plausible Profilbilder entwerfen kann,
weil man sich dabei in der Wahl der sattel- und muldenfor-
migen Umbiegungen keinerlei Beschrankungen aufzuerlegen
braucht. Plausible Profile waren alle, die seit 1878 fiir die
Simplonlinie entworfen worden sind, aber eines nach dem
anderen bat sich als unzutreffend erwiesen, und nur die nach
Vollendung des Tunneldurchstichs augefertigten haben sich
einer langeren Lebensdauer erfreuen dtirfen. Ob sie das auch
getan hatten, wenn etwa weiter im Osten ocler Westen ein
neuer Tunnel angelegt worden ware? Diese Frage drangt sich
81
imwillkiirlich auf, unci, um eine Antwort darauf geben zu konnen,
ist es in erster Lime notig, die zugrunde gelegte Stratigraphie
auf ihre Zuverlassigkeit zu priifen.
Zu dieseni Zweck babe icb das Simplongebiet im Herbst
1908 wiikrend 12 Tagen durchwandert mit der schonen neuen
geologischen Karte in der Hand, fiir die den Yerfassern
C. Schmidt und Preiswerk jeder dort wandernde Geologe nicht
dankbar genug sein kann. Das Ergebnis dieses Besuches waren
erhebliche Zweifel. Ich wiederholte meinen Besuch in den
folgenden 4 Jahren, 1909 fiir 7, 1910 fur 5, 1911 fiir 10 and
1912 fiir 7 Tage, und bin jetzt sicher, daB die Stratigraphie
der Karte in einigen wesentlichen Punkten veriindert werden
muB, wodurch sich natiirlich auch das tektonische Bild er-
heblich urngestaltet.
I. Die Stratigraphie des Siniplongebietes.
Fiir die Gliederung der Sediniente, wie sie auf der Simplon-
karte durchgefuhrt ist, kann man im Sinne von Carl Schmidt
und Preiswerk folgende Beweisgriinde anfiihren:
1. In den Kalkschiefern der sog. Bedrettomulde kommen
liasisehe YersteinerUngen vor. In konkordanter Lagerung zu
petrographisck diesen ahnlichen Scbiefern finden sich Dolomite,
Rauhwacken und Gipse. Da solche Gesteine auch ringsum im
Norden, Siiden und Westen der "Walliser Alpen vorkommen und
dort z. T. durch Yersteinerungen als triasisch charakterisiert
und von Lias iiberlagert sind, und da Gesteine solcher Art von
anderem Alter in diesem Teil der Alpen nicht bekannt sind,
so diirfen auch die, welche in den AValliser Alpen vorkommen,
in die Trias gestellt werden.
2. Diese Triasgesteine liegen entweder inmitten der auf-
gerichteten liasischen Schiefer als schmale Streifen, oder sie
sind nur auf einer Seite von diesen begrenzt und auf der ent-
gegengesetzten von Gneis. In ersterem Falle bilden sie enge
Gewolbe zwischen zwei Liasmulden, im zweiten Falle bildet
der Lias ihr Hangendes und der Gneis ihr Liegendes.
3. Dieser liegende Gneis ist alter als die Trias; denn an
•vielen Stellen* findet man Granitgneisgerolle in den Trias-
sedimenten eingeschlossen, und auch da, wo der Gneis ein Ortho-
gneis ist, entsendet er niemals Apophysen in die Trias hinein.
4. Fast iiberall, wo der Gneis auf zwei Seiten oder auch
ringsum von Kalksedimenten umgeben ist, gehoren die unmittel-
bar an- oder auflagernden Sedimente der Trias an, und dann
erst folgen solche des Lias. Dies gilt aber nur fiir die Ortho-
gneise. Auf den Paragneisen fehlt die Trias meistens ganz,
Zeitschr, d. D. Geo]. Ges. 1014. 6
82
unci es legen sich die Liasschiefer direkt auf diese. Das be-
weist, dafi die niesozoischen Sedimente transgressiv iiber der
altkrystallinen Schieferformation abgelagert wurden.
5. Das Grundgebirge besteht teils nur aus Orthogneisen,
teils aus Paragneisen mit Intrusionen yon Orthogneisen. Erstere
bilden die Zonen des Verampiogranites (Crodogneis Gerlachs),
des Antigorio- und Tessiner Gneises und des Monte-Leone-
Ofennorngneises. Amphibolite, Peridotite und Serpentine komnien
darin als basische Spaltungsprodukte der Gneise yor. Die
Paragneise bilden die drei getrennten Zonen desLebendungneises,
des Valgrandegneises und des Berisalgneises.
6. Der Umstand, dafi die Orthogneise in den Paragneisen
als Intrusionen auftreten, aber niemals in die Trias- and
Liasgesteine heraufsteigen, ist ein Beweis, da6 dieselben ein
pratriasisches Alter haben.
7. Doch kommen auch in den niesozoischen Sedimenten
Eruptivgesteine vor. Es sind Serpentine, Prasinite und Pikrit.
Sie werden nicht als Intrusionen, sondern als naesozoische
Erguflgesteine und Tuffe aufgefafit.
Wieweit diese Argumente den Tatsachen gegeniiber stand-
halten konnen, soil im nachfolgenden erortert werden.
i. Die stratigraphische Einteilung der Kalksedimente
zwischen Brig und Berisal.
Die Kalkschiefer, fiir welche ein liasisches Alter anzunehmen
wir berechtigt sind, bilden einen Zug, der sich im Bedrettotal
detnGotthardgneis-Massiv gegen Siiden anlegt, iiber denNufenen-
PaB und die Ritzfurgge ins Rappental und von da iiber AuBerbinn
nach Morch und Z'Matt ins Rhonetal hinzieht. Belernniten
kommen darin an inanchen Stellen ziemlich haufig yor, und
wenn sie auch infolge der Umwandlung der Gesteine der Art
nach mit Sicherheit nicht zu bestimmen sind, so gehoren sie
doch einem Formenkreis an, der im Lias zu Hause ist. Das gilt
auch yon dem arietenahnlichen Ammoniten, den Salomon neuer-
dings yon der Alpe Alle Foppe im Osten des Nufenen-Passes
beschrieben hat1). Weniger charakteristisch sind die Stielglieder
von Pentacrinus und die cardinienartigen Muschelschalen, die
aber wenigstens das mesozoische Alter bestatigen und mit dem
liasischen Alter der Schichten in Einklang stehen.
Sobald wir diesen nordlichen Schieferzug verlassen und uns
den noch weit nach Siiden sich ausbreitenden Schiefern zuwenden,
geht jeder palaontologische Anhaltspunkt fiir die Altersbe-
') Verb. d. Naturhist.-Mediz. Vereins zu Heidelberg, Bd. IX, 1911.
8a
stimmung verloren. Derm die breccienartige Anhaufung von
Crinoidenbruchstiicken, welche an einer Stelle1) im Dolomit
am Siidabharig des Monte Leone gefunden worden ist, beweist
doch nnr den marinen Charakter dieses Sedimentes.
Wenn man der Meinung ist, daft die Dolomite, Rauh-
wacken und Gipslager trotz des Fehlens triasischer Fossilien
als Vertreter der Triasformation deslialb mit Sicherheit in
Anspruch genommen werden diirfen, weil ringsum aufterhalb
der durch ihren regionalen Metamorphismus ausgezeichneten
Zone der AValliser Alpen solche Gesteine nur in palaontologisch
sichergestellter Trias vorkommen und sowohl in jiingeren als
auch alteren Formationen fehlen, dann hat man in ihnen einen
zweiten Anhaltspunkt fur die Gliederung der Kalksedimente
gewonnen, der gegeniiber dem ersten, rein palaontologischen
sogar den Yorteil bietet, daft sich jene triasiscben Charakter-
gesteine viel leichter nachweisen lasseu als Versteinerungen.
Gleichwohl gelingt es auch mit diesem Hilfsmittel nicht,
die ganze Menge der Kalksedimente in Altersstufen zn zerlegen,
weil jene Triasgesteine nur geringe Machtigkeit haben und so
sporadisch auftreten, daft nicht einmal dariiber Klarheit zu
erlangen ist, ob die Kalkschiefer stets jiinger als die triasischen
Gesteine, oder ob es auch solche gibt, die alter sind. Diese
Schwierigkeiten haben die Verfasser der Simplonkarte wohl
empf unden. Urn aber doch die Kalkschiefer restlos in der Jura-
uncl Triasformation unterzubringen, haben sie unbekiimmert um
die petrographische Gleichartigkeit einen Teil der Schiefer der
Trias, einen anderen dem Jura zugeteilt. MaBgebend dabei war
fiir sie die Uberzeugung, daft die Gneise alter als die Kalk-
sedimente sind, und daft somit Kalkschiefer, die zwischen Trias-
gesteinen und Gneisen liegen, untertriasisch sein mtissen. Auf
diese Weise hat zugleich auch das Kartenbild jene Uberzeugungs-
kraft erhalten, der sich kein Beschauer entziehen kann, und
die auch in mir keinen Zweifel an der Richtigkeit der Strati-
graphie aufkommen lieB, solange als ich nicht das Gebiet aus
eigener Anschauung kennen zu lernen Gelegenheit fand. Heute
aber weis ich, daJ3 e§ zurzeit nicht moglich ist, alle die ver-
schiedenen Kalksedimente dieses Gebietes in eine bestimmte
chronologische Reihenfolge einzuordnen, und daft fiir viele der-
selben die von B. Studer gewahlte Bezeichnung „unbestimmten
Alters" vorzuziehen ist.
Um dies zu beweisen, will ich eine Anzahl von Einzel-
beobachtungen beschreiben.
J) Erlauterung zu Simplonkarte S. 17 v. Eclogae, Vol. IX, S. 505.
6*
84
Wir beginnen nrit der naheren Umgebung von Brig, wo-
erne ungefahr 10 km breite Zone von Kalkschiefern im Norden
yon dem Gneis des Aarmassives, im Siiden yon dem des Simplon-
gebietes eingerahmt ist. Die Schiefer haben vorherrschend nord-
ostliches Streichen und siidostliches Einfallen, doch stehen sie
auch ganz senkrecht und nehmen sogar stellenweise steile
Neigung nach Nordwest an. Im einzelnen sind sie, was besonders
gut in der Saltine-Schlucht von der Napoleonsbriicke an auf-
Fig. 2.
Gefalteter Glanzschiefer mit Quarzknauern neben der Wasserleitung
am Saltinebach unterhalb des Rieder Gipslagers. 1 : 32.
S Schutt.
warts langs der Wasserleitung zu sehen ist, oft stark geknickt
und gefaltelt, wobei die Umbiegungsstellen z. T. transversale
Schieferung zeigen. An solchen Stellen sind sie von Knauern
und Adern von Quarz und Calcit so stark durchsetzt, daft
letztere an (Yolumen der S chief ermasse* oftmals fast gleich-
kommen. Der Gangquarz herrscht gegeniiber dem Calcit meist
vor, und man begreift leicht, daB die viele Kieselsaure nicht
aus dem Nebengestein stammen kann, sondern einen anderen
Ursprung haben muft. Diese Gange sind so seltsam verbogen
und verdriickt, da6 die Annahme nicht von der Hand zu weisen
ist, sie miiBten schon vor der Aufrichtung und Faltung der
Schiefer vorhanden gewesen sein.
Der Gneis, der diesen Schieferzug im Norden begrenzt, ist
85
bei Natters in groBen Steinbriichen gut aufgeschlossen. Es ist
em gebanderter Granit mit kornigen Feldspataugen. Er schliefit
schiefrige Partien ein, in die er auch gangformig eindringt.
Die Bankung verlauft hier, ebenso wie in dem groBen Steinbrucli
siidlich von Bitsch, am Ausgang der Massaschlucht, parallel zur
lagenformigen Anordnung der Feldspataugen und fallt sehr steil
uacli Siiden ein. Zur Zeit meines Besuches des Bitscher Stein-
bruches war im Gneis ein Quarzgang aufgeschlossen, der groBe
schwarze Nester von Turmalin enthielt. Die auf der topo-
graphischen Karte clort eingetragene, vom Massaufer gegen
.SO NW
Rhone
Fig. 3.
Gipslager am linken Rhoneufer gegeniiber den Warmen Brunnen
oberhalb Naters.
1. Kalkschiefer, 7 m machtig. 2. Gips mit Schieferzwischenlagen. 3. Reines
Gipslager. 4. Kalkschiefer.
Bitsch heraufziehende Felswand bezeichnet zugleich die siid-
■ostliche Grenze dieses Gneises gegen die Kalkgesteine. Aber
•der unmittelbare Kontakt ist hier nirgends zu sehen. Ungefahr
in einer Entfernung von 100 Metern von der Wand erhebt sich
ein kleiner Riicken, der von einem etwa 60 Meter breiten Gips-
lager gebildet ist, das in einem Steinbruch abgebaut wird, und
iiber dem anscheinend konkordant schwarzliche Kalkschiefer
liegen. Sie ziehen sich gegen Siidwest unter der Massa hindurch
zu deren rechtseitigem Ufer hin fiber, wo sie wieder sichtbar
werden. In ihrem Hangenden bei Massa-Eggen folgt ein zweites
Gipslager. Es ist wahrscheinlich dasselbe, welches gegeniiber
von den warmen Brunnen auf dem linken Ufer der Rhone gut
aufgeschlossen ist, und in dessen Liegendem mit siidostlichem Ein-
fallen schwarzliche Kalkschiefer von knotenschieferartiger Be-
schaffenheit in einer Machtigkeit von etwa 7 Metern zutage
treten. Dariiber folgt eine Serie von diinnen Gipslagen und
Schiefern und dann ein massiges Gipslager von iiber 50 Meter
Starke, in dessen Hangendem wieder Kalkschiefer liegen. Be-
86
merkenswert ist es, daB die liegenden Kalkschiefer Yon zahl-
reichen Quarz- und Calcitgangen zunieist parallel zur Schieferung
durchsetzt sind. Alle Schichten in diesem Profile liegen an-
scheinend Yollig konkordant, und es waren keinerlei tektonische
Storungsflachen zwischen ihnen zu erkennen.
Wie soli man dieses Profit deuten? Wenn man den Gips
der Trias und den Kalkschiefer dem Lias zurechnet, dann
erscheint es fast selbstverstandlich, einen nach NW. uberkippten
isoklinalen Sattel anzunehmen. Eine gewolbeartige Umbiegung
ist jedoch in dem Gipslager nicht wahrzunehrnen, und das gibt
uns ein mindestens ebenso gutes Recht, den liegenden Kalk' fiir
alter als den liangenden anzusehen. Und da jener hochst wahr-
so N"W
Fig. 4.
Profil bei der Einniiinckmg cler Massa in die Rhone oberhalb Naters.
1 : 10000.
gn Gneis, y Gips, k Kalkschiefer.
scheinlich die nordostliche Fortsetzung des Yorher erwahnten
Schieferzuges ist, welcher zwischen den zwei Gipslagern an der
Massa liegt, so wtirde auch ihm triasisches Alter zukornmem
Danach laBt sich das nebenstehende Profil entwerfen, dessen
Deutung jedoch ebenfalls unsicher ist und davon abhangt, ob
man die beiden Gipslager fiir gleich- oder ungleichalterig.
ansehen will. In ersterem Falle ergibt sich ein isoklinales
Gewolbe, in letzterem Falle eine isoklinale einfache Schichten-
folge, in der j 1 alter als y 2, k 1 alter als k 2 ware. Den
Gneis kann man in diesem Profile in keinen sicheren Zusammen-
hang mit den Schichtgesteinen bringen, weil eine ungefahr
100 m breite Zone dazwischen liegt, die keinerlei Aufschliisse-
bietet. Wir bleiben also auch dariiber im Zweifel, ob eine tekto-
nische Stoning die Gneise in einen abnormalen Kontakt mit der
Trias gebracht hat, oder ob letztere normal auf dem Gneis liegt.
Aus alledem geht heiwor, mit wieYiel Unsicherheit hier
jede stratigraphische und tektonische Ausdeutung behaftet ist, und
in welche Verlegenheit wir den aufnehmenden Geologen bringen,.
wenn Avir ihm zur Kolorierung seiner Karte nur die drei Farben
Blau, Gelb und Rot in die Hand geben, Yon denen die erste-
Jura, die zweite Trias und die dritte Gneis anzeigen soil.
87
Wie aber konnte man es denn anders inacben, und ist denn
die Wabrscbeinlicbkeit, dafi die Kalkschiefer wirklicb ver-
scbiedenen Alters sind, so groB, daB man dem Blau keine
stratigraphische, sondern nur eine petrograpbiscbe Bedeutung
beilegen darf? Diese Erage erwarte icb von den Anbangern
der Metbode, welcbe bei Ausfiibrung der neuen Simplonkarte
zur Anwendung gekommen ist, urn so sicberer, als sie dabei auf
das Befriedigende ibrer Auffassung von dem Faltenbaue in der
Bedretto-Mulde binweisen konnen, die aucb mit den Auf-
scbliissen im Simplontunnel vollkommen im Einklang stebe.
Hierauf batte icb zu erwidern, daB letzteres, wie sich spiiter
ergeben wird, keineswegs der Fall ist, nnd daB es nicht Aufgabe
einer geologiscben Spezialkarte ist, Wabrscbeinlicbkeiten, aucb
wenn sie nioinentan eine giinstige Aufnabme finden, darzustellen.
Sie soli sicb vielmebr auf den tatsiicblicben Befund, der jeder-
zeit kontrollierbar ist, bescbranken. Und dieser Befund ergibt
in unserem Falle das Yorkommen von zwei Ztigen yon Kalk-
scbiefern, von denen wir nur wissen, daB beide mesozoiscb sind,
deren Altersverbiiltnis zum Gips aber unbekannt ist. Sobald
man nacb rein petrograpbiscben Merkmalen anfiingt, strati-
grapbiscbe Horizonte festzulegen und zu kartieren, fallt man
unfeblbar in Irrtiimer. Die Gescbicbte der Alpengeologie ist
iiberreicb an solcben selbst in Gegendeu, avo es an Yer-
steinerungen nicbt feblt. Man macbe den Versucb, z. B. in
unseren Ostalpen, wo Trias und Jura palaontologiscb geglieclert
sind, eine Karte nacb rein petrograpbiscben Merkmalen olme
Beriicksicbtigung der Yersteinerungen zu entwerfen, dann wird
sofort klar, daB eine solcbe Karte tektonisch wertlos oder docbi
mindestens bocbst unzuverlassig ware. Unbeabsicbtigt sind tat-
sacblicb solcbe Yersucbe des oftern gemacbt worden. Wie oft
sind, weil Yersteinerungen nicbt gefunden oder gesucbt wurden,
Kreide-, Jura- und Triasmergel, oder Kalke oder verscbieden-
artige Triasdolomite miteinander verwecbselt worden, bis es
gelang, den Irrtum clurcb Fossilfunde aufzuklaren und die
geologiscbe Karte zu rektifizieren. Ein Beispiel, das gerade
fur das Simplongebiet von besonderer Bedeutung ist, mag
Erwabnung finden. Wir sind geneigt, die Gipse und Dolomite
in die Trias zu stellen, weil in den anstoBenden Berner und
Ereiburger Alpen solcbe Gesteine sebr baufig vorkommen, und
ibr triasiscbes Alter durcb Yersteinerungen festgelegt werden
konnte. Das bat aucb die Yerfasser des Blattes XYII veranlaBt,
dies zu tun und eine Reibe sie begleitender Kalkgesteine als
Jura zu kartieren. Hatte man in den Kalken des Hugels von
St. Tripbon spater nicbt die cbarakteristiscben Yersteinerungen
88
des Muschelkalkes aufgefnnden, so wtirden dieselben aus petro-
graphischen Griinden wohl auch heute noch als Lias auf den
Karten erscheinen. Man unterscheidet jetzt in dortiger Gegend
von unten nach oben1): weiJ3e Quarzite, untere Rauhwacke,
dunkelgraue bis schwarze Kalksteine, obere Rauhwacke niit
buntfarbigen Mergeleinlagerungen und Gips, dickbankige Dolo-
mite, griinliche und dunkle Mergel rnit einer Gesanitmachtigkeit
von etwa 800 Metern. Dariiber liegen die ratischen Kalke und
Mergel, und dann erst komnien die liasischen Gesteine. Ware
diese ganze Serie einer ahnlichen Metamorphose unterworfen
worden wie die schistes lustres bei Brig, dann wiirden die
Kalke und Mergel wohl alle ziemlich gleichartig aussehen, die Yer-
steinerungen waren verschwunden, und man konnte nur die
Dolomite, die Rauhwacke und den Gips als iibereinander sich
wiederholende Einlagerungen petrographisch darin unterscheiden,
gerade so, wie dies auch bei Brig der Fall ist.
Tatsachlich liegen in den Kalkschiefern bei Brig nicht nur
die zwei schon erwahnten Gipslager, sondern weiter siidlich
noch drei andere, die der Tunnel durchfahren hat, und zwischen
diesen und den zwei ersten liegt auch noch ein Rauhwackezug.
Die Kalkschiefer dazwischen sind aber keineswegs von so
gleichartiger petrographischer Beschaffenheit, daB man nicht auch
sie in yerschiedene Abteilungen bringen konnte. Die Sirnplon-
karte scheidet z. B. einen schwarzen Dachschiefer mit Sprod-
glimmer und einen granatfiihrenden Schiefer noch besonders aus.
Ersterer liegt zwischen den zwei nordlichen und den zwei
siidlichen Gipszugen ungefahr in der Mitte und konnte recht
gut als der eigentliche Muldenkern gedeutet werden. Ein Teil
dieser Schiefer ist frei you Kalkcarbonat, und dahin gehoren
insbesondere die Dachschiefer, welche bei Bach in mehreren
Briichen gewonnen werden. Sie komnien auch bei der Napoieons-
briicke vor, dort aber in Wechsellagerung mit den schon
beschriebenen, an Quarzgangen reichen Kalkschiefern. Bei Bach
hingegen sind die Schiefer frei von solchen Gangen und fiihren
Pyrit in Nestern und Linsen. Dunne Kalkbelage komnien nur
auf den ebenflachigen Absonderungskliiften vor.
Die Grenze zwischen den Kalkschiefern und dem Gips-
lager von Brei ist auf der rechten Seite der unteren Saltine-
schlucht gut aufgeschlossen, mit seigerer Stellung der Kalk-
schiefer. Die Karte zeichnet hier zwei Gipslager ein, was
richtig sein mag. Anstehend konnte ich nur das nordliche
sehen, das ungefahr 50 m breit ist und gegen Siiden von stark
l) A. Jeannet et F.Rabowski: Eclogae XI, S. 739.
89
verrutschten Schiefern begrenzt ist. Auf der scliwer zuganglichen
linken Talseite karin man die zwei Lager niit zwischengelagerten
Schiefern wohl sehen, doch ist aucli dort starke Yerrutschung
•eingetreten. Dann folgen gegen Siiden von neuem Kalkschiefer,
soweit als die Schlucht uberhaupt gangbar ist. Sie sind meist
steil gestellt, mit Neigung gegen Siiden. Sie unterscheiden sich
im allgemeinen von dem Kalkschiefer im Norden der Gipslager
dadurch, daB sie krystallinischer sind. Yon Gliminerbauten
uberzogene, wellige Schiefer wechsellagern mit festeren, braun
anwitternden dCinnen Kalklagen, imd die sie durchschwarmenden
Giinge und Adern enthalten mehr Calcit als die quarzreichen
Adern in den nordlichen Schiefern. Weiter herauf in der
Schlucht nehmen die Schiefer immer mehr einen phyllitartigen
Charakter an und enthalten neben Granaten auch Biotit und
Hornblendegarben. Aber auch abgesehen von dieser Metamor-
phose scheint der Schiefer ursprunglich schon eine etwas andere
Beschafifenheit gehabt zu haben als der weiter im Norden, so
•daft -ein. zwingender Grund, beide fiir gleichalterige Ablagerungen
zu halten, nicht vorliegt. Ob die zwei Gipslager von Brei ein
Gewolbe bilden, an das sich beiderseits liasische Kalkschiefer an-
legen, bleibt somit auch hier sehr zweifelhaft. Steigt man von da
nach Stuckisegg herauf, so iindet man sowohl an der alten wie
an cler neuen PoststraBe gute Aufschliisse in den Schiefern,
■die den gleichen Charakter beibehalten wie in der oberen
Saltineschlucht. Sie fallen meist steil nach SO, manchmal
auch nach NW ein, uud erst holier oben am Gehange des
Klenenhornes legen sie sich flacher mit Einfallen nach SO
Yon Schallberg bis Eisten lauft die PoststraBe mehr im
.Streichen der Schichten, und es stellen sich darin mehr und
mehr dickbankige Kalklagen ein, die, stark verbogen, von
kleinen Yerwerfungen durchsetzt sind und an solchen Stellen
oft auf kurze Erstreckung flach nordwarts einfallen. Auch
hier sind sie von vielen Gangen durchschwarmt. Wo die
Schichten gefaltelt oder gebogen sind, sind es auch die Gange.
Das vorwaltende Gestein ist ein feinkorniger Marmor mit
kleinen weiBen Glimmerschiippchen. Wo sericitische Schiefer-
einlagerungen auftreten, stellt sich gewohnlich auch Granat
und Biotit ein. Kurz vor Eisten bei der Telegraphenstange
'91 127 erreicht man den Eistengneis. Die Kalkschiefer haben
hier ein nordwestliches Einfallen angenommen und liegen auf
•dem Gneis. Sie sind ganz krystallinisch und sehr glimmerreich,
schlieBen aber eine glimmerarme machtige Lage hellen Marmors
■ein. Auf der geologischen Karte ist derselbe als Rauhwacke
•eingetragen. Diese leicht zugangliche und gut aufgeschlossene
90
Kontaktstelle ist yon Wichtigkeit; denn Stiicke yon Gneis und
Granit, die in den Schiefern und im Marnior liegen, sollen den
Beweis liefern, daB der Gneis alter als der Schiefer, und daft
dieser auf ihni zur Ablagerung gekommen ist. An .zwei
Stellen ist die Auflagerungsflaclie an der "Wegboschung gut zu
sehen. Die erste kiirzere Strecke zeigt einen grobkornigen
Augengneis, der mit unregelmafliger Umgrenzung von unten in
den Kalkschiefer heraufragt, dessen Schichten an ihm. abstoBem
An der zweiten Stelle ist es ein feinkornigerer Augengneis,
dessen Oberflache etwas konformer zu den Kalkschiefern verlauft.
Fig. 5.
Felsen an der SimplonstraBe bei Telegraphenstange 91127 uuweit Eisten,
g Gneis. m Marmor. k Kalkglimmerschiefer. Rechts Gehangeschutt.
Einige Meter dariiber schaut aber aus dem Kalkschiefer eine
4 m lange und 4 — 5 drn breite Gneisplatte heryor, und in der
Nahe ungefahr in gleicher Schichtlage sieht man ein anderes,
aber kleineres Gneisstiick. Keines von beiden hat Gerollforrn.
Ein drittes. nur iiber faustgroBes Stuck eines grobkornigen
Granites endlich lag in der hoheren Marrnorbank und lieB sich
leicht herauslosen. Es hat eine kurz linsenformige Gestalt und
zeigt ebenfalls keine Spur yon Abrolluug. Die Kalkgesteine
selbst sind ganz frei yon granitischem Grus oder Sand, und
audi der darunterliegende Gneis laBt keine Spuren yon Yer-
witterung oder Zertriimmerung erkennen, wie dies an einer
Transgressionsflache etwa zu erwarten ware. Geht man auf
der StraBe weiter, so gewahrt man, daB der Gneis in die Hohe
steigt und eine Strecke weit allein die Boschung bildet, dann
aber kommt unter ihm wieder Glimmerschiefer zum Vorschein7
der zwar stark zersetzt, aber doch noch kalkhaltig ist und
neuerdings yon Augengneis unterteuft wird, der dann bis zur
Ganterbrucke anhalt. Auf der Karte ist dieser Kalkstreifen
wohl etwas zu breit eingetrageu, und yon den zwei Marmor-
91
streifen. die ihn gegen den hangenden und liegenden Gneis
abgrenzen sollen, habe ich nichts sehen konnen.
Schon 1908 schien es mir so, daB dieses Profil am ver-
standlichsten ware, wenn man annehmen diirfte, daB der Gneis
juDgerals dieKalksedimente ist, daB er in dieselben aufgedrungen
und dabeieinerseits einenTeilderSedimenteeinschloB, andererseits
in die hangenden Teile kleine Apophysen entsandte. Auffallig
bleibt dabei allerdings, daB diese Apophysen mit dem Granitstock
nicht oder nicht mehr in direkter Yerbindung stehen. Doch
ist es recht wohl moglich, daB dieser urspriingliche Zusammenhang
nicht aufgeschlossen oder durch spatere Gebirgsbewegungen
verloren gegangen ist. Am folgenden Tage schon brachte mir
ein Ausflug nach „Im Stafel" far diese Yermutung weitere
Anhaltspunkte, aber ehe ich darauf eingehe, will ich erwahnen,
was Schahdt im Tunnel, der gerade unter Eisten hindurchgeht,
beobachtet hat.
Die Aufeinanderfolge der Gesteinsarten war dort yon Nord
nach Siid folgende:
gewohnliche Kalkglimmerschiefer (schistes lustres),
34 m derselbe Schiefer mit dickeren ^larmorbanken
wechsellagernd,
26 m Dolomit,
9 m grauer Kalkstein und Glimmerschiefer,
1 m Gneis,
2 m Kalkschiefer,
8 m Dolomit,
81 m Gneis (sog. Eistengneis),
59 m Dolomit und Glimmerschiefer,
22 m grauer Glimmerkalk,
5 m Dolomit,
1,5 m Glimmerschiefer,
329 m Gneis (Gantergneis).
Die Schichten fallen mit 80 — 85° nach NW, also erheblich
steiler als an der PoststraBe, wro im Hangenden des Eisten-
gneises von den zwei Dolomitlagen gar nichts zu beobachten ist.
Das macht es wahrscheinlich, wras ja auch in Fig. 5 zu erkennen
ist, daB die Schichten diskordant zum Gneis streichen. Der
TunnelaufschluB liegt 200 m weiter im Osten und etwa 700 m
tiefer als die PoststraBe. Am Weg, der nach Eisten hinauffiihrt,
findet man jedoch gerade iiber der in der Karte eingetragenen
Tunnellinie eine kleine Partie yon Dolomit aus dem Waldboden
aufragen, wodurch diese Diskordanz ebenfalls bestatigt wird.
TJber die kleine Gneislage im Hangenden des Eistengneises
92
•sagt Schardt (Rapport trimestriel No. 9 voin 31. Dez. 1900 S. 3):
0,La lame cle gneis au kin 3,900 est une intercalation absolument
anormale, accompagnee de phenornenes de glissement et de
lamination indubitables. La premiere zone dolomitique passe
au gneis par un plan de glissement marque par de la dolomite
pulverulente. Le contact avec le calcaire sousjacent est
cependant plus normal, en apparence du moins, car le passage
se fait par un micaschiste tres lamine. Cette deuxieme zone
de calcaire dolomitique presente dans ses couches de nombreux
contournements et des plans de glissement; le contact avec
le gneis, qui se fait par l'intermediaire d'un lit de
micaschiste, est franchement discordant. Cette repeti-
tion de zones dolomitiques et de gneis est peut-etre due a des
ecailles, peut-etre aussi a des replis ecrases." Besonderen
Wert lege ich auf die von mir gesperrt gedruckte Stelle des
Berichtes, weil der Yerfasser damit ausdriicklich eine Tatsache
festgestellt hat, die ihm unerwartet kam. Das Normale ware
fiir ihn die Konkordanz zwischen dem nach seiner Meinung
alteren aufgefalteten Gneis und dem jiingeren Dolomit gewesen,
wahrend das Bild, welches sich bot, das eines schrag durch
die Doloinitschichten hindurchsetzenden Gneisganges war. Er
meint zwar, es konne dieser Gneis ein Teil des Eistengneises
selbst sein, der durch schuppenartige Verschiebungen ocler
Ausquetschungen von der Hauptmasse abgetrennt worden sei,
und beruft sich auf das Vorhandensein von Gleitnachen. Aber
solche Flachen hat er so viele auch an anderen Stellen im
Tunnel angetroffen und bescbrieben, dafi gerade auf diese hier
kaum ein besonderes Gewicht gelegt werden darf, und zwar
um so weniger, als er sie just im Hangenden des Gneises und
nicht in seinem Liegenden angibt, wo sie doch eigentlich bei
Schuppenstruktur zu erwarten ware.
Der Tunnel und die Poststrafle bei Eisten haben somit
gezeigt, daB der Kontakt zwischen Gneis und den Kalksedimenten
nicht fiir ein hoheres Alter des Gneises spricht, und daB die
Einschliisse von kleinen Gneispartien in den Kalkgesteinen am
besten durch Injektionen erklart werden konnen, die von den
Gneisen ausgingen. Damit stimmt auch vollkommen die Tat-
sache liberein, dafi die Kalksedimente am Kontakt sehr hoch
krystallin sind und jedenfalls in hoherem Mafie umgewandelt
sind als die Kalkgesteine weiter im Norden. Desgleichen sind
diejenigen zwischen dem Eisten- und dem Gantergneis stark
umgewandelt, und ebenso die, welche bei der Ganterbriicke im
Liegenden des Gantergneises gut aufgeschlossen sind. Sie
bestehen dort aus zuckerkornigen Marmorbanken, die mit biotit-
93
und granatreiehen Kalkschiefern wechsellagern imd als eine
iiber 100 m machtige Zone zwischeu deni Gantergneis und dem
sogenannten Berisalgneis liegen. Da aber letzterer an der
PoststraBe durch Schutt und Moriinen yerdeckt ist, wild es
notig. eine geeignetere StelJe aufzusuchen, um diesen Kontakt
zu studieren. Ini Tunnel ist jener Kalkzug im Liegenden des
Gantergneises ebenfalls durchfahren worden. er hat dort aber
nur eine Machtigkeit von 16 m, was sehr auffallig ist. und
grenzt unmittelbar an granatfiihrende sericitische Gliinmerschiefer
des „Berisalgneises"'. Ich komme darauf im tektonischen Teile
Fig. 6.
Ansicht des Rundhockers siidwestlich neben den Hiitten der Steinen-Alp.
Verbogener Glimmerschiefer bildet die Oberfliiche und die Basis
desselben. Ein Gang von Gneisgranit setzt hindurch, dessen oberer
Kontakt mit dem Schiefer uberwachsen ist.
zuriick und begniige mich zunachst mit der F e st stel lun g,
daB die Kalksedimente vom Schallbergbis zur Ganter-
briicke fiir eine stratigraphisch e Abtrennung von den
nordlich angrenzenden Kalkschiefern zwei Merkmale
geliefert haben, namlich das Yorkommen yon machtigen
Dolomitlagern und das Vorherrschen dickbankiger
Kalklager in den Schiefern, mit denen zusammen im
Simpl ontunnel auch Anhydrit angetroffen worden ist.
Ein lehrreiches Querprofil bietet der Weg you der Steinen-
Alp uber den Saurerriick nach dem oberen SckieBbach. Von
Berisal fiihrt der Weg zunacht uber einen Steg, der den oberen
Ganterbach uberbriickt, zur Steinen-Alp. Man triflt da stark
gewun'dene gebanderte Hornblendeschiefer, die mit einem
granitartigen Gneis vergesellsehaftet sind. Letzterer tritt weiter
oben an dem Zickzackweg. der zur Alp kerauffuhrt, mit granat-
reichem kalkfreien Quarzglimmerschiefer in Verbindung, und
bei den Alphiitten sieht man sehr deutlich, wie der Gneisgranit
gangformig den Schiefer durchsetzt. Am Sudgehange des
Saurerriick wird dieser Glimmerschiefer, der helle Quarzitlager
94
einsckHeBt. toil den kalkigen Schiefern iiberlagert. Leider ist
die unmittelbare Auflagerung durck Gekangsckutt verdeckt.
Beide Schiefer fallen in den Berg ein: und eine Diskordanz
ist, wenn sie iiberkaupt existiert, nicht zu beackten. Die
Kalksckiefer enthalten einzelne granatreicke Einlagerungen, und
weiter oben sckaltet sick ein wenig maektiger Griinsckiefer in
dieselben ein. Diese Zone yon Kalksedimenten kat ungefakr
die gleiche Macktigkeit wie die liber 1 km entfernte an der
Ganterbriicke sicktbare. und beide steken auek niiteinander in
direkter Yerbindung. Dock muB man im Auge bebalten, daB
an der Ganterbriicke zuckerkornige Marmorlager eine groBere
Rolle spielen und daB der Griinsckiefer feklt. Am Saurerriick
liegt uber diesem Kalksckiefer ebenfalls der Gantergneis, aber
der Kontakt ist versckiittet. Der Gneis ist zunachst feinkornig,
aber bald nimmt er den Ckarakter eines sckonen Augengneises
an, der in diinne Platten abgesondert ist, die steil nack Nordwest
einfallen. Wo der FuBweg den SckieBback erreickt, kort der
Gneis auf. und man siekt, wie er unmittelbar A^on Kalksckiefern
iiberlagert Avird. die ziemlick steil nack NW einfallen und mit
mekreren zuckerkornioen Marmorbanken wecksellagern. Uber
iknen folgt der Eistengneis und auf diesen ein Dolomitlager
und dann Kalkschiefer, die einige ganz sckwacke Prasinitlager
einscklieBen. Aknlick wie bei Eisten gewakrt man auck kier
mekrere Gneislamellen im Kalksckiefer eino-esckaltet, nur mit
dem Entersckied, daB sie bei Eisten im Hangenden^ kier aber
im Liegenden des Gneises auftreten. Sie sind nur bis etwa
drei Zoll macktig. und jeder Yersuck, sie fur ausgequetsckte
Gneisfalten zu erklaren, muB kier yersagen. Da die eingekende
Beschreibung dieses Platzes Herr Arndt iibernommen kat, so
will ick auf eine genauere Sckilderung desselben nickt eingeken
und nur bemerken. daB mir diese Stelle sckon 1908 als ent-
sckeidend fur . das jiingere Alter des Gneises und fiir die
Beurteilung der Stratigrapkie erscbienen ist.
Denn sobald man erkannt hat, daB der Ganter- und Eisten-
gneis Intrusionsmassen sind, dann stekt nickts mekr im AYege,
die Kalksckiefer der sogenannten Ganter- und der Eistenmulde
mit den den Eistengneis unmittelbar iiberlagernden Sckiefern
als eine einkeitliche Sckicktenserie aufzufassen, die durck die
wiederkolten Einlagerungen yon Dolomit, Ankydrit und Gips
sowie durck die Hiiufigkeit dickbankiger Kalksteine ckarakte-
risiert ist, und die sick dadurck in einen auftalligen Gegensatz
zu den Kalksckiefern setzt, die wir bei Brig kaben kennen
gelernt. ^lan kunnte deskalb yersuckt sein, in jenen, als den
alteren, Yertreter der Trias und in diesen des Lias zu seken,
95
und in der Tat sprechen far eine solche Annahme sehr viele
Wahrscheinlichkeitsgrunde. Aber weiter geht die GewiBheit
nicht, und insbesondere maclit sich der Mangel zuverlassiger
Merkmale fiihlbar, wenn man versucht, die Grenzen zwischen
den so umschriebenen Trias- und Liassedimenten kartographisch
gen an festzulegen. Solange die entscheidenden Leitfossilien
fehlen, wird es uns nicht gelingen, den triasischen von dem
jurassischen Anteil clieser Kalksedimente abzugrenzen, und der
auf der Simplonkarte dahin zielende Versuch ist als rnifigliickt
zu bezeichnen.
Wenn wir die Machtigkeit der Schichten von triasischem
Charakter zusammenrechnen, welch e irn Tunnel zwischen Km 3
und 5, abgesehen von den Gneisintrusionen und den spater
zu besprechenden liegenden Schiefern, durchfahren worden sind,
so erhalten wir rund 200 Meter. Im Querprofil der Steinen-
alp, avo so genaue Messungen allerdings nicht moglich sind,
uberschreitet die Machtigkeit diese Zahl wohl sicher.
Erstaunlich ist diese Machtigkeit jedoch durchaus nicht;
denn wenn wir den Zug mesozoischer Gesteine von Brig aus
nach Westen verfolgen, stellen sich unterhalb Yisp alsbald die
Pontiskalke darin ein, die mitsamt den sie begleitenden
Quarziten allgemein in die Trias gestellt werden. Diese Kalke
allein haben an vielen Stellen sicher eine Machtigkeit von
500 — 600 m, und wenn man auch annehmen will, daB sie
muldenartig gelagert sind, so bleiben dann doch noch 250 bis
300 m fiir sie iibrig. Dieser Kalk ist lange nicht so stark
metamorphosiert wie die Kalke bei Brig, und in ihm wird man
vielleicht einmal Yersteinerungen finden.
Wenden wir uns nun nochmals der auf S. 88 erwahnten
Trias im unteren Rhonetal zu, so haben sich dort Maehtig-
keiten von bis zu 800 m ergeben, und die obersten Lagen haben
<eine petrographische Entwicklung, die aus ihnen bei Eintritt
einer ahnlichen Metamorphose wie der im Simplongebiet
ganz leicht typische schistes lustres hatte erzeugen konnen.
Wir kommen also zu dem Schlusse, daB in dem
Gebiete zwischen Brig und Berisal nicht nur die als tria-
sisch eingetr age nen Schichten, sondern auch noch
ein guter Teil der „ j urassischen Biindnerschief e r " mit
groi^erer W ahrs cheinlichkeit zur Trias als zum Lias
zu stellen sind.
Die Simplonkarte belehrt uns, daB die Kalkschichten und
die eingelagerten Gneise von Berisal gegen SW ohne Unter-
brechung bis zur Nanzliicke herauf streichen, daB sie dabei
aber nicht nur ihre Streich-, sondern auch ihre Eallrichtung
96
andern und schlieBlich an der Nanzliicke flach nach Siiden ein-
fallen, so daB sie dort nicht mehr die Berisalgneise iiberlagern,
sondern unter dieselben einschieBen. Zugleich schiebt sich da-
zwischen ein schmaler Zug yon carbonischen Schiefern sowie
audi von Prasinit und Serpentin ein. Die Trias hingegen
fehlt dort ganz und erscheint erst weiter im Norden zwischen
den jurassischen Kalken und dem Gantergneis. Hierin sehen
die Verfasser der Karte, wie icb auf Seite 81 bereits erwahnt
babe, einen Hinweis darauf daB das Jurarneer iiber die TJfer
des Triasrneeres transgredierte. Icbhabe diese Stelle voinSimplon-
paB aus im September 1908 besucht, die Yerhaltnisse aber
auders gefuuden. Der Berisalgneis ist Lier hauptsachlich
Glimnierschiefer, der von Gneisgangen durchschwarmt ist und
Yorherrschend eine Neigung nach NW zeigt, doch will icb auf
ihn jetzt nicht naber eingeben. Am Fui3 des ScbieBborns in
in der Nabe von Wange streicben steil nach SO geneigte kalk-
freie Scbiefer aus, die mir von den gewohnlichen Glimmer-
scbiefern im Berisalgneisgebiet etwas verschieden erschienem
Sie sind mehr verucanoartig und werclen von den Kalkscbiefern
und Banken des siidlicben ScbieBborngrates, die ebenfalls steil
nach SO einfallen, unterlagert. Doch hat es den Anschein, als
ob zwischen diesen beiden Schichtgesteinen eine Diskordanz im
Streichen bestehe. Der Carbonzipfel, welchen die Karte bis
zum FuBweg bei Wange heraufzieht, existiert nicht, und die
einzige Stelle, an der ich die ruBigen, stark abfarbenden Schiefer
fand, die man eben deshalb als Carbon ansprechen kann, lag-
an dem Nanzliickenbach zwischen Cote 2220 und 2280, namlich
von dem Knie weg, das der Bach bei der Umbiegung in die
ostnordostliche Bichtung bildet, bis zur Einmiindung eines aus der
Richtung des Rossensees kommenden Wasserleins. Es ist ein
glimmeriger, grauer miirber Schiefer mit viel Gleitflachen. Yon
Planzenresten war keine Spur zu entdecken. Die Yerlangerung
dieses Carbons auf der Karte westwarts bis zur Hohe des Ge-
birgsgrates kann nicht auf Beobachtungen beruhen, weil eine
machtige Seitenmoriine alles Anstehende vollstandig ATerdeckt
und auf dem Gebirgsgrat selbst ganz andere Gesteine anstehen.
Dahingegen hat die Karte recht, wenn sie im Norden an den
nur etwas zu hoch heraufgelegten CarbonaufschluB direkt Kalk-
schiefer angrenzen laBt. Was ich auf dem Gebirgsgrat der
Nanzliicke gesehen babe, ist auf Eigur 7 dargestellt; was nach
der Karte dort zu sehen sein miiBte, ist auf dem darunter-
stehenden Prolil eingezeichnet. Alle Schichten fallen ganz flach
nach Siiden. Yon Punkt 2636 bis zur inneren Nanzliicke
sind es recht monotone diinnschiefrige, sericitische, kalk- imd
97
98
granatenfreie Glimmerschiefer, durch die ein vertikal gestellter
Serpentingang mit prasinitartigen Salbandern hindurchsetzt.
Bei der inneren Nanzliicke sieht man diesen Schiefer sehr deut-
lich von einern phvllitartigen Schiefer mit quarzitisclien Ein-
lagerungen unterlagert, der seinerseits auf Kalkschiefern ruht,
die mit marmorisierten dickeren Kalkbanken wechseln und an
der hochsten Spitze des Straffelgrates noch eine Kappe von
Glimmerschiefer tragen. An der aufleren Nanzliicke stellen
sich unter dem Kalkschiefer dickere Banke eines etwas sandigen
Marmors und zuletzt ein paar Meter eines rauhwackenartig an-
witternden Marmors ein, der unmittelbar auf einer feinkornigen
Yarietat des Granitgneises ruht. Im Gegensatz zur Berisaler
Gegend liegen also hier die Sedimente vollstandig verkehrt,
die palaozoischen Glimmerschiefer zu oberst, die Kalksteine,
die vielleicht mit denen bei Eisten gleichaltrig sind, darunter.
Ihr jurassisches Alter ist nicht zu beweisen, und unter keinen
Umstanden lafit sich aus diesen Aufschliissen der Beweis einer
trausgressiven Lagerung der Jurasedimente extrahieren.
Den Westabhang der Nanzliicke habe ich nicht begangen,
und deshalb kann ich auch keine Angaben iiber den weiteren
Yerlauf des Serpentin-Diabasganges machen, der nach der Karte
von Gerlach alsbald endet, nach der Simplonkarte hingegen
gerade dort zu ganz eriormer Breite anschwillt, sich dann mit
mehrfachen Unterbrechuugen hiniiberzieht ins Yispertal, wo er
an den Westgehangen dieses Tales bis herauf nach Stadlen
bei Zeneggen wieder eine groJ3e Machtigkeit erlangt. Auch da
sollen nach der Karte diese Gesteine nirgends gangformig, sondern
stets lagerformig, nach Art yon mesozoischen ErguBgesteinen, ^auf-
treten. Wir miissen deshalb ihnen und den sie begieitenden meso-
zoischen Sedimenten zunacht unsere Aufmerksamkeit zuwenden.
2. Das Mesozoicum und die Griinschiefer bei Visp.
Nach der Simplonkarte besteht das Westgehange cles
Yispertal es von Yisp aufwarts bis Stalden aus drei nach Norden
iiberkippten Mulden, deren Kern aus jurassischen Kalkschiefern
sowie diesen eingelagertem Griinschiefer und Serpentin besteht.
Zwei schmale, nur 30 bis hochstens 50 m machtige dolomitische
Marmorbander der Trias stellen die diese Mulden trennenden,
langgezogenen Gewolbekerne dar. Im Siidniigel der siidlichsten
Mulde fehlt jedoch dieses triasische Glied, und an seine Stelle
tritt ein schmaler Zug carbonischer Schiefer, und dann eine
machtige Masse von Glimmerschiefern der Berisalgneisgruppe,
die sich weithin ausdehut, die Mischabelhorner aufbaut und ost-
warts bis Berisal reicht.
99
Den zwei nordlichen dieser Mulden habe ich 1908 einen
Tag gewidmet, um ein Urteil daruber zu gewinnen, ob die
Grtinschiefer hier wirkliche Erguflgesteine sind, wie es Preis-
werk 1907 dargestellt hat, oder ob seine friihere Auffassung
von 1904, die mit meinen Beobachtungen an der Nanzliicke in
besserem Einklang steht, nicht doch vielleicht die richtigere war.'
S N
Hohenfluh Eich Zen Stadlen Visp
Katzhaus
Fig. 8.
Zwei Profile durch das linke Talgehange oberhalb Visp. 1 : 25000.
Das obere Profil naeh meinen Aufnahmen, das untere nach Preiswerk.
§1 Quarzglimmerschiefer, q Quarzit, d Dolomit, y Griinschiefer und Serpentin,
k Kalkschiefer, s kalkfreier Schiefer, F Fahrweg.
Yom Visptal auf warts bis Katzhaus haben die glanzschiefer-
artigen Kalk^esteine jene Beschaffenheit, welche wie bei Brig
es unbestimmt la6t, ob man sie zum Lias oder zur oberen Trias
stellen soil. Sie sind alle gegen Siiden geneigt und werden
oben am Gehange yon Grunschiefern iiberlagert, die sich aber,
ehe man Kalkhaus erreicht, bis zum Talboden herabsenken
und einen ins Tal yorspringenden Sporn bilden. An diesem
kleinen Hiigel sieht man den Kalkschiefer unter den Griin-
schiefer einschieflen, iiber dem ein schmaler Zug Yon Quarz-
glimmerschiefer mit sericitischen Glimmerhauten liegt. Unweit
davon und oberhalb des Hauses ragt aus dem groBen Schutt-
kegel auch noch ein Fels Yon siidwarts einfallendem Quarzit-
schiefer heraus, der wohl ebenfalls anstehen diirfte. Weiter
7*
100
talauf stellt sich dann wieder Grunschiefer im machtiger Ent-
wicklung ein, der in der Hohe mit deni schon vorher beob-
achteten zusainmenhangt nnd bis zu den an die A isp vor-
springenden Felswanden der Hohenfluh heranreicht, wo er aber
nicht, wie die Karte angibt, von dolomitischem Marnior, sondern
yon Kalkschiefer iiberlagert ist. Kurz vor der Uberlagerung
gewahrt man in dem Griinscbiefer einzelne adinolartig umge-
wandelte Kalkbander eingebettet, Yon der Art, wie sie auchander-
Fig. 9.
Diabasgang im Kalkschiefer am linken Ufer der Visp zwischen Katz-
haus nnd der Hohenfluh. 3 : 1000.
warts beobacbtet, abertrotzdemnicbt als einGegenbevveisdafiir an-
geseben Avorden sind, daB der Griinscbiefer urspriinglicb eine
Tuffablagerung gewesen sei, die abwecbselnd mit Kalksedimenten
abgelagert wurde. Gebt man aber Aveiter Yor bis zum han-
genden Kalkschiefer, dann sieht man darin einige Griin-
schiefer-Gange, die nicht paralell znr Schieferung Yerlaufen
und deshalb wohl als diabasartige Intrusionen gedentet werden
miissen. An der Fluh selbst liegt im Kalkschiefer ein Lager
von kalkfreiem Schiefer, der teils schwarz, teils hellfarbig ist
und sich talgig anfiihlt. Er ist Yon auffallend Yielen und starken
weifien Q.uarzknauern und -linsen durchsetzt, die sich am
Kontakt mit dem hangenden Kalkschiefer auch in diesem ein-
stellen. Steigt man auf der Siidseite des Fluhfelsens berganr
so erreicht man bald wieder Griinscbiefer, der auf dem Kalk-
schiefer liegt und weiter oben in der Hohe Yon Eich endlich
Yon Dolomit iiberlagert wird. Dieser Dolomit, der sich von da als
101
geschlossener Zug nordwarts bis in die Nahe von Zen Stadlen
verfolgen liiBt, ist es, den die Simplonkarte als Gewolbesattel
eingetragen unci siidwarts herab bis zur Hohenfluh verlangert
bat. Letzteres ist sicher niclit richtig, und man kann ganz leicht
feststellen, daB erstens der Kalkschiefer der Hohenfluh weder
Dolomit noch Marmor ist, zweitens, daB zwischen ihm und deni
Dolomit von Eich ein miichtiger Griinschieferzug verlauft, und
drittens, daB der von Xorden her gegen Eich herabziehende
Dolomitzug schon vor Eich endet und gegen Siiden ganz von
Oriinschiefer abgeschnitten und eingeschlossen wird. AuJ3erdem
liegt auf diesem Dolomit, kurz ehe er endet, auf eine kurze
Erstreckung von Yielleicht iiber hundert Meter, eine Lage you
Quarzgliinmerschiefer, der demjenigen von Katzhaus sehr ahnlich
ist. AVeiterhin gegen Norden versehwindet letzterer wieder, und
«s liegt der Griinschiefer direkt auf dem Dolomit. liemerkens-
wert ist auch noch, daB der Dolomit da, wo dieser Quarz-
glimmerschiefer iiber ihm liegt, in seinen obersten Banken kalk-
haltig wird. Das ganze Dolomitlager ist, soweit ich es beob-
achten konnte, hochstens 50 Meter, Yielerorts aber auch minder
machtig. Xurdlich you dem Punkt 1178, wo sich der Weg yor
Zeneggen mit dem you Eich Yereint, streicht der Dolomit, der
bis dahin auf der Ostseite des Weges zutage tritt und unter
ihm steil abfallende Wande bilclet, deren helle Farben bis nach
Yisp herunter leuchten, auf die Westseite heriiber, und man sieht
am Wege selbst aufgeschlossene Kalkschiefer unter ihm zuui Vor-
schein kommen, die sich als Zwischenschicht zwischen ihn und
den liegenden Griinschiefer einschieben. In letzterem habe ich
keine Serpentineinlagerungen entclecken konnen, dahingegen
stellen sich in den Griinschiefern iiber dem Dolomit alsbald
groBere Serpentinmassen ein und dariiber wieder Kalkschiefer
bis Zen Stadlen. Yon dem oberen Dolomit oder Marmorzug,
den die Simplonkarte da ganz breit durchzieht, war nichts zu
sehen.
Der intrusive Charakter der Griinschiefer geht aus diesen
Beobachtungen klar hervor. Die basische Eruptivmasse hat
sich zwischen die mesozoischen Seclimente eingeprefit, oft paral-
lel zu den Schichtfugen, oft aber auch ist sie aus diesen Eugen
heraus in andere iibergesprungen und hat dabei die urspriinglich
direkt iibereinander liegenden Banke weit auseinandergeschoben.
Sehr auffallend ist es, dafi die Dolomitwande, Yrelche von Aesch
sich am Gehange heraufziehen bis Schulmatten (siehe Simplon-
karte), dort plotzlich enden und wreiter nordwarts nicht mehr
hervortreten, daB aber etwa 200 m weiter unten am Gehange
bei Eich die Dolomitwand unseres Profiles (Fig. 8) gerade da
102
auftritt, wo oben driiber die andere aufhort, und daB sie es
ist, welche nord warts fortsetzt. Es scheint wenigstens so, als
ob beide demselben Dolomitlager angehorten, das durch die
sich einzwangenden Eruptivmassen auseinandergeschoben wurde.
Durch eine genaue Kartierung der Umgebung von Zeneggen
konnte der wirkliche Tatbestand leicht festgestellt werden.
Der untere Griinschiefer hat uns ebenfalls deutliche Beweise
fiir seine intrusive Natur gebracht, und so steht denn unser
Ergebnis in vollem Einklang mit der Beobachtung an der
Nanzliicke, und wir konnen es als ziemlich sicher aus-
sprechen, daB im Simplongebiet basische Intrusionen
in die vorhandenen mesozoischen sowie auch in die
alteren Sedimente stattgef unden haben.
Fiir die Altersbestimmung der Sedimente dieses eben be-
schriebenen Gebietes haben mir nieine Begehungen viel
mehr negative als positive Ergebnisse gebracht. Negativ sind
sie vor allem mit Bezug auf die Simplonkarte, auf der die
Kalkschiefer und Griinschiefer in den Jura, der Marmor und
Dolomit in die Trias eingereiht wurden, wonach sich dann drei
tektonische Mulden ergeben wurden. Damit stimmt jedoch der
Quarzglimmerschiefer und Quarzit beim Katzhaus nicht iiberein,
der sogar schon zu den Berisalschiefern gehoren konnte, aber
keinesfalls als ein jurassisches Gliecl in die Kalkschiefer ein-
gereiht werden darf. Auch der Quarzglimmerschiefer bei Eich,
den die Simplonkarte, wenn auch in viel zu grofier Ausdehnung,
angegeben hat, ahnelt sehr gewissen Berisalschiefern, und es
konnte andernfalls hochstens noch die Trias fiir ihn in Betracht
kommen. Ferner sind Griinschiefer und Serpentin sicher jiinger
als die ganze Sedimentserie und in ihrer Verbreitung an kein
bestimmtes Glied dieser Serie gebunden.
Auch das Alter des schwarzen, eisenkiesreichen Schiefers,
der an derHochfluh. unter, beziehungsweise zwischen dem gewohn-
lichen Kalkschiefer liegt, bleibt ganz ungewiB. Wir wissen zwar,
daB auch bei Brig und besonders bei Bach schwarze kalkfreie
Schiefer im Kalkschiefer vorkommen, aber sie konnen doch mit
jenem petrographisch so genau nicht identifiziert werden, daB
ein gleiches Alter zwingend daraus hervorginge. Anch dafiir,
daB alle Kalkschiefer bei Visp jiinger als der Dolomit sind, ist
ein zuverlassiger Beweis nicht zu erbringen. Ihre Beziehungen
zu dem Quarzglimmerschiefer bei -Katzhaus sprechen weit eher
dafiir, das mindestens ein Teil derselben alter als Jura, also
etwa triasisch ist.
Ich will ferner noch darauf aufmerksam machen, daB am
Weg, der von Visp in rein westlicher Richtung den Berg herauf
103
Each Birchen fiihrt, zimiichst zwar Kalkschiefer anstehen, wie
es die Siinplonkarte angibt, bis zur Hohenkurve 780; dann
aber streicht em Quaizglimmerschiefer iiber den Weg, und
Aveiter herauf bis Punkt 992 fehlen anstehende Gesteine mit
Ausnahnie eines ' schmalen Griinschieferzuges, der etwa in
840 dieter Hohe sichtbar ist. Jener Quaizglimmerschiefer kann
seiner Lage nach mit demjenigen yon Katzhaus ziisammenhangen.
Bemerkenswert ist auch, daB die Sedimente bei Visp keinen
so hohen Grad yon Metamorphose zeigen wie diejenigen im
Gantertal bei Berisal. Es fehlen ihnen die yielen Granaten und
Biotite, und der Marmor ist nicht so zuckerkornig und groB-
krvstallinisch. Diese Verschiedenartigkeit fall t zusammen mit
dem vollstiindigen Fehlen granitischer Intrusionen bei Visp.
3. Die Stratigraphie der Berisalschiefer.
Als solche bezeichne ich die yerschiedenartigen Glimmer-
schiefer und Quarzitschiefer, yvelche einen wesentlichen und oft
sogar den Hauptbestandteil der sogenannten Berisalgneise bilden.
Sie sind allerdings yon zahlreichen Orthogneisen und Ainphi-
bolitgesteinen lager- und gangformig durchsetzt, aber fiir die
Altersbestimmung sind diese als ein jedenfalls jiiDgeres Element
nicht ausschlaggebend. Die Glimmerschiefer haben eine sehr
Avechselnde Zusammensetzung — Quarz und Glimmer sind die
Hauptbestandteile. Der Muscovit bildet gewohnlich sericitisch
A'erfilzte silberglanzende Hiiute. Daneben sind Granat und Biotit
sehr haung, Hornblende und Chlorit seltener. Durch Zunahme
des Quarzgehaltes uud Zuriicktreten der Glimmerhiiute gehen
die Schiefer in Quarzite iiber, die als diinne Lagen oder auch
dickere feste Banke zwischen den Schiefern liegen und wohl
oft auch kleine Peldspatkorner enthalten, was aber bei der
Feinkornigkeit des Gesteines im Felde nicht sicher festzustellen
ist. Anderseits gehen die Glimmerschiefer auch durch Aufnahme
von Feldspat in gneisahnliche Gesteine iiber, welche dann A'on
echtem Orthogneis im Handstiick nicht immer mit Sicherheit
zu unterscheiden sind, und die vielleicht auch "\virklich in diese
iibergehen, insofern als sie im Kontakt mit solchen yorkommen
und yon ihnen „feldspatisiert" wurden.
Diese Berisalschiefer sind im Simplongebiet in auBerordent-
licher Weise yon Granit, Gneis und Amphibolit gang- und lager-
formig durchsetzt. Oftmals hat es den Anschein, als ob diese
Eruptiya in den Schiefern regelmaBige konkordante Einlagerungen
bildeten, wenn es aber gelingt, sie im Streichen zu yerfolgen,
dann kann man haufig das Durchgreifende ihrer Lagerung
erkennen. Sehr schon ist dies z. B. bei der Steinen-Alp (siehe
104
Fig. 6) zu selien, unci ebenso, wenn man vom Simplon-Hotel
aiis in den Hiigelziigen der Hopschen-Alp heruuiwandert. Am
AusfluB des Hopschen-Sees Hegt ein kleiner Hiigel von Glimmer-
Fig. 10.
Siidwestseite des Hiigels am Abfluft des Hopschensees, westlich vom
Simplonhotel. Einlagerung von (I) granatfiihrendem Gaels im Glimmer-
schiefer. 1 : 170.
scbiefer, der in nordostlicher Richtung streicht und nach NW
einfallt. An dem siidwestlicben Ende dieses Hiigels sieht man
ein vier Meter breites Gneislager in dem Schiefer. Folgfc man
diesem auf dem Siidabhang des Hiigels, so gewahrt man bald,
Fig. 11.
Siidabhang des Hiigels der Fig. 10 mit zwei Gneiseinlagerungen, von
denen der obere (I) die Fortsetzung der Einlagerung auf- der Siid-
westseite ist. 1 : 170.
daB unter dem liegenden Glimmerscbiefer ein zweiter Gneiszug
erscheiot, der sich alsbald mit dem oberen in der "Weise vereinigt,
wie es die Figur 11 darstellt.
Recht beqnem hat die PoststraBe von Berisal bis zu den
,,Kalten "Wassern" Beobachtungen dieser Art durch ihre kiinst-
lichen Felsanschnitte gemacht. Fortwahrender Wechsel zwischen
Glimmerschiefern verschiedener Art und Gneisen mit oft schoner
Biinderung, besonders wo es hornblendereiche Gesteine sind. DaB
es keine Schicht-, sondern Erstarrungsbanderung ist, kann man
sehr gut bei Stange 97 277 sehen, von wo nebenstehende Zeiclmung
105
(Fig. 12) genoiiimen ist. Die Eintragungen auf der Simplonkarte
sind hier selir suuimarisch und lassen den Reichtum an Ortho-
gneisen, welche dem Schiefer eingelagert sind, nicht erraten. So
wird von Berisal an langs der Poststrafle bis Ref. IV nur Granat-
glimmeTS chief er angegeben. Man trifft aber sowohl am Fronbaeh
als insbesondere auch am Durstbach Gneise und fein'kornige
Granitgneis'1, im Glinimerschiefer an und ebenso roten Gneis
Fig. 12.
Biindergneis bei Stange 97277 bei Rofugiam IV an der Simplonpo-st-
strafie. Die dunkleren Binder fiihren Chlorit uod Horablende.
(Granit mit vertikaler Banclerung) in der Nalie von Punkt 1718,
wo der anstehende Glimmerschiefer mit 40 — 60° nacli SO
geneigt ist. Das wiederholt sich bis zum Ref. IV, wo Ilorn-
blendegesteine beginnen, die auf der Karte richtig angegeben
sind, ebenso wie einige spater folgende Gneiseinlagerungen.
Es ist allerdings nicht moglich, im MaBstab 1 : 50 000 alle
Gneise einzutragen, weil deren zuviel da sind, und man darf
deshalb der Karte daraus keinen Vorwurf machen. Nur hatte
dies im erlauternden Text deutlicher hervorgehoben werden
konnen.
Fast iiberall, wo Gneisintrusionen vorhanden sind, ist der
Glimmerschiefer mit Granaten gespickt, wo aber jene fehlen,
wie z. B. an der Nanzliicke, da fehlen auch die Granaten im
Schiefer.
106
Es ist mir nicbt gelungen, irmerhalb cler Berisalscbiefer
stratigrapbiscbe Horizonte zu unterscbeiden. Im Streichen be-
wahren sie zwar auf groBe Erstreckungen eine ziemlicbe
Bestandigkeit, aber ibre Neigung ist groBem Wecbsel unter-
worfen. Zwiscben Berisal und Rotwald berrscht sudostlicbesT
yon da ab gegen die Kalten Wasser nordwestlicbes Fallen vor,
und das bait an liber den SimplonpaB bis Hopscben. Bei
Wiinge und an der Nanzliicke ist die Neigung wieder eine siid-
ostlicbe. Es entspricht das einer muldenformigen LagerungT
deren Acbse yon S "W nacb NO streicbt. Aber am Nordrand, wo
die mesozoiscben Kalksedimente im Gantertal und bei der
Steinen-Alp angrenzen, ist ibr Einfallen wieder ein nordlicbes7
als ob an die Mulde sicb im Norden ein Gewolbe anlegte, auf
dessen Nordfliigel aucb tatsiicblicb die mesozoiscben Kalke
aufliegen.
Dies ist der Grund, wesbalb man ganz allgemein bisber
angenommen bat, daB die Berisalscbiefer alter als die Trias
sind. Gerlach bat sie bei seinem pracarboniscben „jiingeren
metamorpbiscben Scbiefer" untergebracbt. C. Schmidt und
Schardt sind geneigt, sie fur arcbaiscb zu balten. Wenn man
aber nacb palaontologiscben Beweisen gefragt wird, dann muB
man zugeben, daB diese Tollstandig feblen, und zwar nicbt nur
bier im Simplongebiet, sondern auf der ganzen weiten Erstreckung
bis zum GroBen St. Bernbard. Das Carbon, welcbes im Westen
palaontologiscb sicbergestellt ist, stebt in keinem urspriinglicben
Zusammenbang mit den Berisalscbiefern, und die im Osten
eingetragenen scbmalen Carbonstreifen, die allerdings so liegen,
daB sie entweder als die obersten Berisalscbiefer selbst oder
als ein dariiber abgelagertes Sediment angeseben werden mussen,
sind ibreni Alter nacb unbekannt. DaB sie ruBig abfarben und
etwas Grapbit entbalten, kann nicbt als ein Altersbeweis
gelten. Sicber stebt nur fest, daB an genugend yielen Stellen
die mesozoiscben scbistes lustres iiber den Berisalscbiefern
liegen, so daB diese jedenfalls alter als jene sein mlissen, und
daB da, wo jene wirklich nnter diesen liegen, dies Folge
tektoniscber Bewegungen sein muB. Ob die Berisalscbiefer
palaozoiscb oder nocb alter sind, kann nicbt ent-
schieden werden, und ebensowenig ist es moglicb, ver-
schiedenalterige Horizonte darin aus zus cb eiden. Fiir
die Bebauptung, daB zu oberst die bellen granatfiibrenden
Glimmerscbiefer, darunter die Ampbibolitscbiefer und zu unterst
Muscovitgneise und Augengneise liigen, babe icb nirgends Be-
lege finden konnen.
Soweit meine Erfabrungen reicben, ist die Yerbreitung der
107
Berisalschiefer auf der Simplonkarte sehr zutreffend angegeben.
Recht auffallend ist, dafi dieser Schiefer fast iiberall von
mesozoischen Kalksedimenten umgeben ist, die ihn von den
auderen Gneisen trennen, und dafi nur im Siiden bei Gabi und
Zwischenbergen dieses trennende Band zwischen ihm und dem
Monte-Leonegneis fehlt.
4. Der Kontakt zwischen den Berisalschiefern und den
mesozoischen Schichten.
Die Yerfasser der Karte nehmen eine diskordante Auf-
lagenmg au, weil die mesozoischen Schichten nicht iiberall mit
ihren altesten, den triasischen Sedimenten liber den Berisal-
schiefern liegen, und weil diese gerade da, wo noch die Carbon-
schiefer vorhanden sind, fehlen und die jurassischen Schiefer
das unmittelbare Hangende bilden. Es soli dies eine Trans-
gressionserscheinung sein. Dal3 dies schwer zu beweisen ist,
haben wir schon gesehen, denn an der Nanzliicke und an
auderen Orten, wo die Karte Jura eingezeichnet hat, ist diese
Altersbestiinmung sehr zweifelhaft. Im iibrigen iiberzeugt ein
Blick auf die Profile, welche den Erlauterungen der Karte
beigegeben sind, dafi trotzdem durchweg der Schichtverlauf
der pratriasischen und der mesozoischen Gesteine als konforni
eingezeichnet ist. Dies entspricht auch wirklich den tatsachlichen
Yerhaltnissen. Ich habe besonders darauf geachtet. ob eine
Diskordanz existiert, und gefunden, dafi an yielen Stellen, wo
die Aufschlusse sehr gut waren, die Kalksedimente so konform
den Berisalschiefern liegen, dafi es genauer TJntersuchung be-
durfte, urn iiberhaupt die wirkliche Grenze sicher festzulegen.
Besonders gut lafit sich das hinter dem Simplon-Hospiz bei
Rotelsch feststellen. Nur bei "Wange am Schiefihorn, wo Kalk
und Schiefer gleicher\veise nach SO einfallen, glaubte ich im
Streichen eine kleine Diskordanz daran erkennen zu konnen,
dafi die infolge yon Uberkippung im Hangenden befindlichen
Schiefer auf die Kontaktflache mit den Kalkschiefern zustreichen
und z. T. an ihr abstofien, was aber freilich auch Folge der
spateren starken tektonischen Bewegungen sein konnte.
Daraus ergibt sich, dai3 die Berisalschiefer ihre urspriing-
lich horizontale Lagerung noch gar nicht oder doch nur ganz
wenig yerloren hatten, als die jungeren Kalksedimente darauf
zum Absatz kamen, und ich schliefie daraus weiter, dafi jene
nicht yiel alter als diese sind. "Waren sie wirklich archaisch,
dann sollte man doch erwarten, dafi sie in der langen palao-
zoischen Zwischenzeit Lagerungsstorungen erlitten oder min-
destens durch Erosion und Yerwitterung eine mit dem Yerlauf
108
der Scbicbtgrenzen niclit rnebr ubereinstimrnende Oberflache
bekommen batten. Die Wabrscbeinlicbkeit spricht des-
balb dafiir, daB die obersten Berisalscliiefer ein jung-
palaozoiscbes Alter baben.
5. Stratigraphie der Kalksedimente auf der Siidseite
des Sfmplon.
Die mesozoiscben Scbicbten, die wir bisber besprocben
baben, liegen alle auf der Nordseite des Siinplon. Sie streicben,
wie dies auf der Karte sebr deutlicb bervortritt, in nordostlicber
Ricbtung iiber Binn unci clas Blindenhorn als ein breites Band
bis zum Nufenenstock und in dieser Ricbtung uocb weiter durcbs
Bedrettota]. Am Banborn jedocb zweigt sicb davon ein Ast ab,
der urn den Gneisstock des Ofenborns berumbiegt, erst mit
sudlicber unci dann mit siidwestlicber Ricbtung. Gneise scbalten
sicb weiterhin dazwiscben ein, so daB clieser Ast alsbald in
mebrere auseinanclergebt, die unter vielfaltigen Kriiinmungen
das Gebiet im Siiden des Simplon durcbzieben. Die Karte
scbeidet aucb bier wie im Norden den triasischen und juras-
siscben Anteil sowie den Griinscbiefer aus, der bald in der
Trias, bald im Jura liegt. AuBerdein treten aber nocb andere
Gesteine binzu, die auf der Nordseite gauz oder fast ganz
feblen. Es sind dies die „granathaltigen Glimmerpbyllite", die
besonders bei Baceno und Varzo groBe Yerbreitung baben, und
die „sericitiscben Quarzglimmerscbiefer", die in groBeren Mengen
in der Nordostecke der Karte vorkomnien. Sie werden beide
in die Trias gestellt. Des weiteren findet man im Nordostgebiet
der Karte die jurassischen „braunen, Cjiiarzigen Schiefer mit
Biotitu. Da in diesen baufig allerdings kalkfreien Gesteinen
doch macbtige Marmorlager eiugelagert sind, so konnen wir
aucb sie zu den Kalksedimenten zahlen.
AVir baben aber zu untersucben, iu^Yieweit diesen petro-
grapbiscben Gliedern eine stratigrapbiscbe Bedeutung zukommt,
und wollen zuniicbst mit den „Bacenoscbieferni- beginnen, welcbe,
wie eine Insel ringsum yon Gneis eingerabmt, mit den
iibrigen mesozoiscben Scbicbten in keine unmittelbare Be-
riibrung kommen.
a) Die Bacenoscliiefer.
Die Gesteine sind durcbweg bocbkrystalliniscb und ab-
geseben von den eingelagerten Alarmoren petrograpbisch deutlicb
yon den bisber besprocbenen mesozoiscben Scbiefern unter-
scbieden. Sie sind Yollstandig frei von Calcit. Die zwei Marmor-
lager beben sicb mit ibrem Kalkgebalt scbarf yod ibnen ab
109
und sind petrographisch durch kerne Ubergange rnit ihnen
verkniipft. Gerlach hat sie cleshalb fiir bedeutend alter gehalten
und zur pracarbonischen, oberen Abteilung der metamorphosen
Schiefer (Casannaschiefer e. p.) gestellt. Auch Schmidt (Eclogae IX,
S. 505) war anfangs geneigt, sie fiir palaozoisch anzusehen, halt
sie aber jetzt fiir triasische „Einklemmungenu zwischen den
archaischen Gneisen. In erster Linie war fiir ihn bestimmend,
daB sie von archaischen Gneisen unter- und iiberlagert sind,
geradeso wie die mesozoischen Sedimente in seiner Ganter-
und Eistenmulde. Sodann fand er den Bacenoschiefern ahnliche
Gesteine bei Varzo, die dort aber in engeni Yerband mit Gips
und Rauliwacke stehen, und denen er deslialb ein triasisches
Alter gab. Die Altersbestimmung beruht also lediglich auf
petrographischen Ahnlichkeiten, denn die betreffenden Schiefer
von Varzo stehen in keiner sichtbaren Yerbindung mit denen
yon Baceno.
In welchem Yerband stehen die Bacenoschiefer mit
dem G n e i s ?
Im Antigoriotal oberhalb Crodo liegt der Bacenoschiefer
auf dem Yerampiogranit, der allerseits die Steilwande des hier
kesselartig enweiterten, aber tief eingeschnittenen Tales der
Toce aufbaut. Es kann ein Zweifel daruber nicht aufkommen,
daB dieser Granit, den Gerlach als Crodogneis bezeichnet hat,
veil es Stellen gibt, wo er eine deutliche Parallelstruktur
zeigt, die Unterlage des Bacenoschiefers bildet, welche talauf-
warts und -abwarts in den Boden sich herabsenkt und ver-
schwindet. Der Granit erscheint somit wie in einem yon
Bacenoschiefern umrahmten Fenster. Leider ist die un-
mittelbare Auflagerung des Schiefers auf dem Granit an den yon
Moranen, Gehangeschutt und Wald bedeckten Gehangen meist
verhullt, und ich kenne nur den einen AufschluB an der Post-
straBe iiber Monpiano, der durch die Anlage der StraBe ge-
schaifen worden, und der alien Geologen, welche diese Gegend
besucht haben, wohlbekannt ist. Ich habe ihn im Herbst
1909 kennen gelernt. Die glaciale Erosion hat den Glimmer-
schiefer starker angegriffen als den Granit und so in die etwa
80 m hohe Felswand gerade da eine Stufe herausmodelliert,
wo der Schiefer dem Granit auf liegt. Bei Anlage der Post-
straJBe hat man diese Stufe erweitert und im Granit durch
Sprengung frische AufschliiBe erzeugt, wahrend der Glimmer-
schiefer unberuhrt blieb, so claB auch jetzt noch der schmale
Falz stellenweise you eingepreBter Morane erfullt ist, welchen
der diluYiale Gletscher gerade an der Auflagerungsstelle in die
110
Wand hineingearbeitet hat. Aber man braucht nur dem Kon-
takt etwas zu folgen, indem man auf die Granitfelsen herauf-
steigt, was keine besonderen Kietterkiinste erfordert, dann sieht
man ihn vollkommen freigelegt. Der Granit ist frisch bis her-
auf zum Kontakt wie aus einem GuB. Er ist feinkornig und
hat schwach gneisartige Struktur. Quarz- und Aplitgange durch-
setzen ihu schnurgerade. Audi im Glimmerschiefer gibt es viel
Gangquarz, er ist aber in Form von Linsen und unregelmafiigen
Knauern der Schieferuug ziemlich genau parallel angeordnet, und
es steht das zu der Anordnung der Gangcjuarze itn Granit in
Fig. 13.
TJberlagerung des Verampiosgneises (gr) durch die Bacenoschiefer (s).
Ungefahr 1:300.
q Quarzknauer, von denen der groBte am Granit bis 1 Meter breit ist. Bei x
zungenformiges Eingreifen des Granites in den Schiefer. p — p PoststraBe.
einem auffalligen Gegensatz. Der Glimmerschiefer selbst ist
vollig krystallin und besteht hauptsachlich aus wohlausgebil-
•deten Glimmerblattern und Quarzkornern, Es fehlen ihm jene
-eng yerfilzten Glimmerhaute des gewohnlichen Quarzglimmer-
schiefers, und ware nicht die Schichtungsbanderung vorhandeu,
so konnte man sagen, dafl er ein granitisches Gefiige habe.
Auf den ersten Blick gewinnt man den Eindruck, dafi die
Schichtung der Glimmerschiefer mit der Auflagerungsflache auf
dem Granit parallel lauft, aber bei genauerem Zusehen gewahrt
man, wie die Figur 13 zeigt, daJ3 eine schwache Diskordanz deut-
lich ausgepragt ist. An einer Stelle, wo die Kontaktflache sich
von dem StraBenniveau schon etwas eiitfernt hat, greift der Granit
jzungenformig in den Schiefer ein, als ob er apophysenartig in
ihn eingedrungen ware. Beweise dafiir, dafi die Glimmerschiefer
ursprunglich auf einem viel alteren Granit abge^agert worden
seien, liefert somit dieser AufschluB in keiner Weise. Die
Oberflache des Granites zeigt keine Spuren von Verwitteruug,
Erosion oder ahnlichen Erscheinungen unter dem Glimmer-
schiefer, und dieser enthalt keine klastischen Granittruinmer.
Die eigentiimliche Verzahnung der beiderlei Gesteine hingegen
Ill
spricht fiir die intrusive Natur des Granites und damit fur dessen
jiingeres Alter. Der Vorkampfer fur das jiingere Alter des
Tessiner Gneises, G. Klemm hat 1910 denselben Eindruck ge-
nommen und in den Monatsber. der D. Geol. Ges. 1911 S. 468
•daruber eine Mitteilung gemacht.
Die Beziehungen des hangenden Antigoriogneises zu den
Bacenosehiefern an guten Aufschliissen zu studieren, ist mir
nicht gelungen. Im Deverotal heraufgehend siebt man jedocb,
wie in den Glimmerschiefern, die teils granatreich und voll von
weiBen und griinen Sericithauten, teils stark quarzhaltig,
■glimnierarm und nur kleine Granatkorner fuhrend sind, ein
ziemlich machtiges weifies Marmorlager eingesclialtet ist,
und daB allesanit, schwaeh am Gehange ansteigend, oben an
der Gneisdecke unter spitzem AVinkel diskordant abstoBen.
(Siebe Taf. VIII Fig. 4.) Ahnlich ist es auch auf der Karte einge-
tragen. Der Diskordanzwinkel ist allerdings nicbt groB, aber
so gestellt, als ob nicbt die Schiefer urspriinglich diskordant
auf dem Gneis abgelagert worden und jetzt erst durcb nach-
tragliche Inversion aller Schichten unter den Gneis zu liegen
gekommen, sondern als ob umgekehrt die Schiefer von clem
spater sich darauflegenden Gneis abgeschnitten worden waren.
Wir kommen also zu dem SchluB, daB das jiingere Alter
derBacenoschie fe r nicht be wiesen, hinge gen das jiingere
Alter der Gneise im Hangenden und Liegenden sehr
wahrscheinlichist.
Sind die B acenoschi efer mit den Granatglimmer-
schiefern bei Varzo gleichalterig ?
Die Erlauterungen sagen (S. 20): „In dem Schiefergebiet
von Varzo wurden „granathaltige Glimmerph)Tllite" eng ver-
bunden mit Triasgesteinen gefunden, namentlich im Kehrt'unnel
und an der Grenze gegen den aufliegenden Antigoriogneis im
Cairascatal."
Urn mich davon zu iiberzeugen, daB diese Granatglimmer-
schiefer einen von den jurassischen Kalkschiefern trennbaren
Horizont bilden, babe ich beide Gehange des Cairascatales be-
gangen. Auf der rechten Seite dieses Tales fuhrt ein Weg
von der PoststraBe weg iiber Cionina nach Nembro, und die
Karte zeichnet ein Band von Granatglimmerschiefer auf diesem
Weg bis Cioina ein, das von Antigoriogneis unmittelbar tiber-
und von jurassischem Kalkschiefer unterlagert ist. Doch schiebt
sich im Siiden ein 900 m langer Rauhwackenzug und bei Cioina
ein 450 m langer Marmorzug zwischen den Granatglimmer-
schiefer und den Jura ein. Hier schienen also die Verhaltnisse
112
sehr klar zu liegen. In Wirklichkeit fancl icli es anders. Am
Ausgang des Cairascatales, aber noch ini Diveriatal, sielit man
allerdings nnter clen hohen Gneiswanden mit 15° nach Stiden
geneigt ein gips- imd glimmerreiches Rauhwackenlager von
geringer Machtigkeit ausstreichen, aber der Granatglimmerschiefer
zwischen beiden fehlt. Am Anstieg des Trasqueraweges liin-
gegen, wo der Granatglimnierschiefer zu sehen ist, fehlt die
Rauhwacke, und audi der Glimmerschiefer verschwindet auf
dem Wege nach Cioina kurz nach der Abzweigung yon dem
Trasquerawege unter der Moranendecke. Der hangende Gneis
bildet hoch liber dem Wege Steilfelsen, darimter ist Schutt und
Moranenbedeckung ; erst wo in einer Meereshohe von 900 m ein
von Fracchia herunterkommender WasserriB den Weg kreuzt,
stent wieder Glimmerschiefer an, schwach in den Berg fallend
imd noch erheblich hoch am Gehange heranf Felsen bildend.
Die untere Grenze des Antigoriogneises ist auf der Karte hier
also viel zu tief herab gelegt. Als anstehende Gesteine trifft
man dann erst wieder zwischen Cioinafuori und -dentro an
einern kleinen WasserriB in fast horizontaler Lagerurig eine
nicht sehr machtige helle Marmorbank, dariiber zunachst glimmer-
reichen Marmor und dann Granatglimmerschiefer. Das ist das
auf der Karte eingetragene Marmorband. Die in der Cairasca-
schlucht darunter liegenden Kalkschiefer sind unznganglich, und
auch der dariiber liegencle Gneis ist nicht zu beobachten, da
alles won Moriine bedeckt ist. Die Karte hat hier also den
Charakter einer abgedeckten Karte, und es lafit sich nicht fest-
stellen, ob sie den Tatsachen Yollig gerecht wird.
Giinstiger fiir die Untersuchuug erwies sich das jenseitige
Gehange, wo die Kalkschiefer yiel hoher am Gehange herauf-
steigen. Die Karte gibt in ihnen eine Granatglimmerschiefer-
einlagerung bei Mauloue und eine zweite zwischen dem Kalk-
schiefer und dem Gneis in der Fresaiaschlucht an. Der hangende
Gneis tragt ferner erheblich dariiber noch einen Kalkschiefer-
zug, der bei Proso im SO beginnt und liber die Alp Convalo
bis St. Domenica zieht, somit eine Langserstreckung von 6 km
und eine maximal e Machtigkeit von 200 m hat. Da er wieder-
um von machtigem Antigoriogneis iiberdeckt ist, erscheint er
wie eine groBe Linse in diesem Gneis eingeschlossen.
Schon am Saumweg, der von Yarzo nach der Alpe Yeglia
fiihrt, hat man gute Aufschliisse der sehr marmorartigen „juras-
sischen" Kalkschiefer, und man kann oft Wechsellagerung mit
kalkfreien granatfiihrenden Glimmerschiefern beobachten. Im
allgemeinen haben die Schiefer eine Neigung nach SW, z. T.
steigt dieselbe bis 30°, hoher am Gehange aber wird sie
113
flacher bis sohlig. Das Granatglinmierschiefer-Lager bei Mau-
lone tritt nicht, wie es die Karte angibt, als etwas besonderes
hervor, weil solche Schiefer sowohl weiter unten als
weiter oben vorkommen. In einer Mereshohe yon ungefahr
1300 m legt sicli dann der Gneis iiber den Schiefer. Die Karte
ist bier ungenau nnd zieht ihn im Maulone-Bach yiel zu tief
herab, und anderseits die Morane iiber die auf der
topographischen Karte bei Calendra richtig eingetragene Fels-
wand zuweit herauf. Yon Calendra bis zur Alp Conyalo
bleibt man im Gneis. Die Hiitten dieser Alp liegen auf der
recliten Seite der Fresaia-Schlucht und nicht auf der linken,
wie die topographische Karte irrtiimlich angibt. Sie stehen nochauf
Gneis, der bis zur Waldgrenze heraufgeht; dann erst folgt dar-
iiber grobkorniger Marmor, dessen Biinke aber nicht mehr nach
SW, sondern mit 10 — 15° bergwarts einfallen. Die unmittel-
bare Uberlagerungsflache ist nicht entbloflt, doch besteht kein
Zweifel iiber die Tatsache der tlberlagerung. Dariiber foigen
dunkle Granatglimmerschiefer von hochstens 50 m Machtigkeit
und dann \yieder Gneis, zu unterst biotitreich und feinkornig,
nach oben in Augengneis iibergehend. Diese Gneiskuppe bildet
den mit 1835 bezeichneten Hiigel der Karte, wo statt dessen
Morane und Kalkschiefer eingetragen sind. Der Gneis bildet
nur einen Yorsprung der dahinter etwa 400 m hoch aufragenden
Gneismasse des Pizo del Balzo.
Wir sind somit hier zu dem Ergebnis gelangt, daB es un-
moglich ist, den kalkfreien Granatglimmerschiefer als einen
besonderen stratigraphischen Horizont yon den Kalkglimmer-
schiefern abzutrennen. Beide Gesteinsarten stehen in inniger
Wechsellagerung, und grobkornige Marmor-Banke sind ihnen
ebenfalls eingeschaltet, in ihrer hellsten Yarietat allerdings stets
in der Nahe des Gneises.
Will man also den Quarzglimmerschiefer als ein fur die
Trias charakteristisches Gestein auffasseu, so muB man alle
Yarzoschiefer in die Trias stellen. Aber dann wird man erst
recht gewahr, daB die Bacenoschiefer als Gauzes genommen
petrographisch sich yon den Yarzoschiefern erheblich unter-
scheiden, weil ihnen die vielen Kalkglimmerschiefer fehlen, und.
man kommt so immer wieder zu dem Ergebnis, dafi
keine Tatsachenyorliegen, welch e bestimmte Hinweise
auf das Altersv erh altnis der beiderlei Schiefer-
komplexe zueinander geben.
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914.
8
114
b) Die Giacomoschiefer.
Welche Stellung nehmen die „braunen, quarzigen
Schiefer niit Biotit" ein?
Hauptsachlich im nordlichen Teile der Karte spielen diese
auf der Karte rnit einer grauen Farbe besonders ausgezeichneten
Schiefer eine wichtige Rolle. Die Erlauterungen stellen sie in
den Jura und bemerken dazu: „In einer Zone., die vom
Bedrettotal iiber St. Giacomo nacb der Lebendunalp und der
Alpe Busin ziebt, ferner in einzelnen kleinen Teilmulden am
Ostabhang des Monte Giove, sowie am Nordrand der Teggiolo-
mulde im Talboden uuterhalb der Tosafalle zeigen die Biindner-
schiefer allgemein eine quarz- und biotitreicbe Ausbildung. Sie er-
langen so das Aussehen von plattigen, meist rot anwitternden fein-
kornigen Gneisen. In der Hauptsache besteben diese Gesteine
aus Quarz, Kalkspat, wenig Plagioklas und reicblichem braunen
Glimmer. Hornfelsartige Typen fehlen auch hier nicht. Als
Porphyroblasten treten z. B. bei Morasco dezimeterlange Iiorn-
blendebiindel auf. Helle ziemlich massige Abarten, in denen der
Glimmer etwas zuriicktritt, findet man oberhalb der Tosafalle.
Im ATal Toggia und auf der Gigelnalp treten in dieser Zone,
typiscben Triasgesteinen benachbart, helle Muscovitschiefer auf,
die Porphyroblasten yon Biotit fiihren." (Erl. S. 26. 27.) Wie
auch aus seinen Profilen 1 — 5 hervorgeht, faGt Schmidt diese
Schiefer als eine besondere Facies der jurassischeu Sedimente
auf, die im Streichen in die Kalkfacies iibergehe, und stiizt
auf ihr Angrenzen au triasische Marmore, Dolomite und Gips-
lager ihr jurassisches Alter. Yersteinerungen sind darin noch
nicht gefunden worden. Um diese „Giacomo-Schiefer", wie ich
sie der Kiirze halber bezeichuen will, kennen zu lernen, bin
ich yon Crodo das Autigorio- und Formazzatal heraufgegangen
und habe vom Tosa-Hotel aus Touren ins '.Griestal sowie zum
Schwarz- und Kastelsee unternommen.
Auf diesem Wege sieht man zuuachst, wie die Baceno-
schiefer im oberen Antigoriotale uuter den machtigen Antigorio-
gueismassen verschwinden und das Tal dann nur noch in diesen
Gneis eingeschnitten ist bis Tuffald im Formazzatal1). Dort
') Das Aatigoriotal endet bei Foppiano (870 m iiber Meer), und
seine obere Fortsetzung bildet das Formazzatal, dessen Talboden bei
Staffehvald 1200 m hoch liegt. Die Toce flieBt von dort durch eine
enge 1 "2 km lange Schlucht, mit der sie die iiber 300 m hohe Talstufe
iiberwindet, ins Antigoriotal herab. Die untere Halfte der Selilacht
ist in den Gneis eingeschnitten, in der oberen H'ilfte hat sich der FlnB
seinen Weg dutch eine gewaltige Bergstarzmasse gebahnt, die aus dem
J 15
koinrnen imter dem Gneis, weil er an beiden Talgehangen
gegen Norden rasch in die Hohe steigt, wieder Sedimentgesteine
zum Vorschein. Es sind aber keine Bacenoschiefer, die hier
wieder zu erwarten waren. Auf der linken Talseite stehen
kieselige Kalkschiefer an, uber clenen ein inachtiges Quarzit-
lager liegt. Auf der rechten Talseite hingegen steht ein heller
Doloinitmarmor voll von Phlogopit, Skapolith und Tremolit an.
Solche Gesteine sind den Bacenoschiefern fremd. Weiter tal-
aufwarts bei Gurf oder Crovella wird das Tal yon einem Fels-
riegel gesperrt, der aus NW einfallenden Quarzit- und Glimnier-
schiefern gebildet ist, und ein zweiter Riegel von mit 50° nach
NW geneigtera, hellem Quarzitschiefer sperrt das Tal bei
Unterfrutt. Dann folgt der Lebendungneis der 143 m hohen
Tosawasserfallwand, dessen Banderung unter Winkeln von 40°
und mehr nach NNW geneigt ist. Der Schiefer verschwindet
somit hier unter dem Lebendungneis und nicht, wie man er-
warten sollte, wieder unter dem Antigorio. Da Herr Arndt
die interessanten Kontaktverhaltnisse bei Tuffald zu beschreiben
ubernommen hat, will ich darauf hier nicht naher eingehen.
Etwa 400 m talaufwarts vom Hotel erreicht der Lebendun-
gneis auf der linken Talseite bereits sein Ende, und es folgen
jene Giacomoschiefer, die aber von dem Gneis durch eine Lage
von stellenweise granatfuhrendem Glimmerschiefer und einem
mehrere Meter machtigen Marmorlager getrennt sind. Sie fallen
mit 40° gegen SO unter den Gneis ein und liegen selbst auf
•dem Giacomoschiefer. Beachtenswert ist es, daB die Banderung
des Gneises entgegengesetzt gegen NW einfallt, und nur am
Kontakt mit den Schiefern langs des Weges, der herauf zur
<jigelnalp fiihrt, gewahrt man Einfallen nach S.
Der Giacomoschiefer baut nicht nur den Riegel auf, der
den Talboden von Oberfrutt von dem Kehrbachi trennt, sondern
audi den ganzen Hohenzug, der vom Rotebalmhorn sich gegen
Kehrbachi herabzieht. An der Briicke unterhalb Kehrbachi
liegen mitten im Tal drei kleine Hiigel, der links von der Toce
ist auf der topographischen Karte nicht eingetragen. Auch er
besteht aus SO fallendem Schiefer, dem aber im Hangenden
noch eine Lage von Kalkschiefer aufgesetzt ist. Ahnlich wie
bei Oberfrutt legen sich also die Kalksedimente auch hier auf
den Giacomoschieferzug, der bis zum Neufelgiugraben eine
Tal des Riebbo vom Wandfluhmassiv sich herabgewiilzt hat bis zur
Geschenbriicke. Es ist ein gewaltiger Triimmerhaufen , der auf der
Simplonkarte irrtiimlich als ansteheuder Gneis eingezeichnet wurde UDd
ehemals das Formazzatal herauf bis Andermatten in ein Seebecken um-
gewandelt haben muB.
8*
116
Breite yon beinahe iy2 km hat. Bei Morasclig auf der linken Tal-
seiteliegen dieseSchieferhingegenaufKalkschieferuninittelbarauf,
und yon der Raubwacke, die in der Karte hier eingetragen ist,
fehlt jede Spur. Sie stent aber irn Neufelgiugraben an dessen
rechtein Gehange an nnd scbiebt sich bier zwiscben den
Giacomoscbiefer und den Kalkscbiefer des Banbornes ein. Das
Gelande ist freilich stark yerschiittet, und es ist desbalb der
Kontakt der Raubwacke sowohl mit den bangenden wie aucb
den liegenden Scbiefern unsichtbar. Wo der Griesbacbweg in
Serpentinen die bintere, fast 200 m bobe Welscbenbieler Tal-
stufe herauffiihrt, steben mit steiler Neigung nacb SO und zu-
Fig. 14.
Profil durcb das linke Gehange des Griestales. 1:36000.
gn Lebendun-Gneis, d Dolomit in Wechsellagerung mit Marmor und Schiefer,
k glimmerreiche, z. T. granitfiihrende Kalkscbiefer. g Giacomoschiefer.
letztganz seiger ersteineMarmorbank, dannniebrereDolornitbanke
an, die durcb Gips und Scbiefer yoneinander getrennt sind.
Danach folgen granatreicbe Kalkscbiefer und nacb der Simplon-
karte wiirden irn Bettelmatter Talboden nocb mebrere Rauh-
wackenziige sicb einscbalten, bis zu denen icb aber wegen ein-
brecbender Dunkelbeit nicht mebr yordringen konnte. Die
Kartierung an den Welscbenbieler Weg-Serpentinen stimnit nur
im allgemeinen rnit rneinen Beobacbtungen.
Die Giacomoscbiefer sind somit yon Kalkschiefern im
Norden unter- und im Siiden iiberlagert. Die nordlicben Kalk-
scbiefer entbalten im Liegenden eine ungefabr 400 m breite
Dolomit- und Gipszone, und wenn man diese als Vertreter der
Trias ansiebt, dann geboren die bangenden Kalkscbiefer ent-
weder aucb nocb als obertriasiscbe Scbicbten bierzu oder scbon
zum Jura. Die Giacomoscbiefer konnten somit als nocb jiingere
Yertreter des Jura aufgefaBt werden. Gegen Siiden sind sie you
Kalkscbiefern iiberlagert, die aber nicbt nur die scbon erwabnte
Marmorbank, sondern, wenn man ibnen im Streicben gegen den
GiacomopaB folgt, auch mebrere Dolomitbanke und ein Gipslager
einscblieBen, so daB sie ebenfalls als triasiscb gelten konnen.
117
Wenn also das Griestalprofil als erne nacb Norden iiber-
gekippte Mulde gedeutet wird, dann liegen die Giacomo-
schiefer als Jiingstes im Muldenkern unci konnten
entweder noch jiinger als Lias sein oder diesen als
eine besondere Facies vertreten. Spuren einer Diskordanz
zwischen ihnen unci den Kalkscbiefern habe ich nicbt wabr-
nebnien konnen, und so ist es zunachst recbt wabrscbeinlicb,
clafi sie nocb der Juraformation angehoren. Aber Sicherheit
besteht dariiber nicht.
nw SO
Fig. 15.
Felsriff oberhalb des Giacomoweges in 2010 m Meereshohe, 500 m
westlich von K des Wortes Kastelsee.
Im Kalkglimmerschiefer Hegt 1 m Gips (y) mit glimmerigen Zwischenlagen.
Die Dolomitbanke (dl und d2; sind je 1,5m machtig.
Im Formazzatal bei Unterfrut und am Westufer des Kastel-
sees gibt die Karte isolierte, aber groBere Partien abnlicber
Scbiefer an. Was sie yon den ecbten Giacomoscbiefern zu
unterscbeiden scbeint, ist ihre enge Yerknupfung und Wecbsel-
lagerung mit Kalkscbiefern sowie ibre meist helle Farbe, wo-
durcb sie petrograpbisch sicb anderen Quarziten sebr nabern,
die im Gebiet der .Bedrettomulde nicbt allzuselten den liasiscben
Kalkschiefern eingelagert sind. £s liegen somit keine zwingenden
Griinde vor, sie stratigrapbiscb mit den Giacomoscbiefern zu
vereinigen.
c) Die hellen quarzitischen Schiefer mit Sericit.
Diese oftmals aucb granatfiihrenden Gesteine rechnet
die Karte zur Trias. Ibre Hauptverbreitung liegt im Nordosten
des Kartenblattes. Kleinere Yorkommen sind, mit Ausnahme
einiger Partien im Binnental, am Gipfel des Teggiolo und bei
118
"Visp, nicht eingetragen worden. Tatsachlich sind sie an vielen
Stellen anzutreffen, aber gewohnlich in so enger Yerkniipfung
mit Marmor und Dolomitlagern, dafi selbstverstandlich eine
Eintragung auf der Karte ausgeschlossen ist. Die Erlauterungen
machen mit Recht darauf aufmerksain, daB ahnliche Gesteine
auch in den „jurassischen" Kalkschiefern zu finden sind und es
fiir einzelne Yorkommnisse schwer ist, eine Altersentscheidung
zu treffen.
In der Nordostecke der Karte habe ich diese Gesteine am
Schwarzsee nnd Kastelsee kennen gelernt, wo sie eine grofle
Yerbreitung haben. Bei der Gigelnalp und am Schwarzsee
liegen sie auf dem Gneis. Es ist, da beide ahnliche Farben
haben, nicht leicht, die Grenzlinie zwischen ihnen aufzufinden,
und sie verlauft tatsachlich anders, als die Karte sie angibt.
Die Hauser der Alp stehen noch ganz auf Lebendungneis, und
erst etwa 80 — 100 m weiter oben am Gehange des Gigelnalp-
berges, der dem Gigelnhorn gegeniiberliegt, wird dieser von
Quarzit iiberlagert, der jedoch mitsamt den ihn begleitenden
anderen Schiefergesteinen nur eine Machtigkeit von etwa 40 m
hat. Aber auf dem nach Osten gemachlich ansteigenden Berg-
riicken liegt nicht Juraschiefer, wie die Karte es angibt, sondern
von neuem Lebendungneis dariiber. Das Nordgehange dieses
Bergruckens, wo es sich gegen den Gigelnbach1) herabsenkt,
laBt ein gutes Profil beobachten, von oben nach unten (Fig. 16),:
flach nach Sud geneigter Gneis,
heller quarzitischer Schiefer (4 m),
gelber Kalkschiefer (1 m),
granatfiihrender dunkler Glimmerschiefer zu unterst, mit
Hornblende-Garben,
Marmorlager,
Dolomitlager,
Marmorlager,
Kalkglimmerschiefer.
Das Siidgehange des Gigelnalpriickens besteht fast ganz
aus Gneis, denn der Schieferzug ob der Gigelnalp keilt sich
ungefahr an dem kleinen in 2350 m Hohe liegenden See aus.
Aber hart iiber dem Seealpbach bei 2600 m Hohe ist als-
Erosionsrest eine Kappe von Schiefer auf dem Gneis erhalten
geblieben, die urspriinglich jedenfalls mit der groBeren Schiefer-
J) Der Gigelnbach ist auf der Karte nur im Oberlauf richtig ein-
getragen. Bei ch des Wortes Gigelnbach biegt" er nach SW um un&!
lauft durch eine enge Felsschlucht in den Bach, der auf der Karte
keinen Namen fiihrt, aber von den Hausern der Gigelnalp herabkommt.
119
decke am Schwarzsee imd Talihorn zusammeugehangen hat.
Das Felsbecken des Schwarzsees ist nicht in Gneis, sondern in
Quarzit eiugesenkt, der iiber dem Gneis liegt. Die flach
mu 1 den form ig verbogene Schieferkappe des 2515-m-H6henriickens
besteht zu unterst aus machtigen hellen Quarziten, dariiber
liegt Granatglimmerschiefer, dann quarzitischer Glimmerschiefer,
dariiber 1 m gelber Marmor, und zuletzt das Ganze kroneud
wieder Granatglimmerschiefer. Die Quarzitschiefer iiber der
Gigelnalp ziehen ohne Unterbrechnng nordwarts iiber den
Gigelnbach auf den Felskamm, welcher den Kastelsee auf der
Fig. 16.
Profil in Abstieg voin Gigelnalpberg zum Kastelsee.
gs Gneis, q heller Quarzit (4 m), k gelber Kalkschiefer (1 m), gl granatfiihrender
dunkler Glimmerschiefer, m Marmor, d Dolomit, ks Kalkglimmerschiefer.
Westseite begrenzt. Die Schiefer fallen wenig steil nach OSO
ein. Der helle biotitfiihrende Quarzit liegt auf dem Gneis, der
die Steilwande gegen das Toggiatal aufbaut und seine Ab-
grenzung Yon diesem erfordert Sorgfalt. Er wechsellagert aber
mit Kalkschiefer, der zu oberst auf dem Grat erheblich zu-
nimmt. Am FuBe der Gneiswande ragen aus dem stark uber-
schiitteten Gehlinge, yon dem sich der Weg yon Oberfrutt zum
S.-Giacomo-PaB heraufzieht, einzelne grofiere Felspartien herYOr,
die aus Granatglimmerschiefer, Kalkglimmerschiefer, Dolomit
und Gips bestehen und schwach in den Berg, also unter dem
Gneis einschiefien. Diese am Gigelnbach etwa 400 m hohen
Gneiswande nehmen gegen Norden rasch an Machtigkeit ab,
und kurz Yor den Hiitten „Im Moos" keilt der Gneiszug
zYvischen den liegenden und hangenden Schiefern ganz aus, in
die er also wie eine Zunge hineingreift. Man kann an ein en
liegenden Sattel denken, dessen Gneiskern in den Berg hinein-
streicht. Aber weder im Gneis noch im Schiefer ist Yon einer
sattelformigen TJmbiegung etwas zu sehen. Auf der Karte ist
diese Gneifizunge um etwa 700 m zu kurz eingezeichnet. Viel-
leicht setzt sie noch weiter fort, doch die gewaltigen Schutt-
massen, welche die Talstufe Kastel-Fischsee bedecken, Yerhindern
120
jede weitere Beobachtung1). Ein kleiner Gneisgang erscheint
am S.-Giacoino-Weg etwa 200 ni von den Hausern „Ini Moos"
entfernt inniitten der liegenden Schiefer. Er gehort wohl einer
kleinen Gneisapophyse an. Herr Arndt wird sie eingehender
schild'ern.
Die stratigraphisch enge Yerkniipfung dieser
hellen Quarzite mit den Doloniiten ist klar, und
wenn diese triasisch sind, dann gehoren auch die
Qu arzitschiefer zur Trias.
d) Die sonstigen Kalksedimente auf der Siidseite des Simplon.
AYenn wir von den schon besproclienen Teilen der Karte
absehen und nur die Gebiete ins Auge fassen, die unmittelbar
siidlich der SimplonpaBhohe und des Bergzuges liegen, der
sich von dort uber das Bortelhorn zum Ofenhorn zieht, dann
ergibt sich eine grofie Ahnlichkeit der Sedimente mit denen
im Norden, und wie dort lassen sich die Kalkglimmerschiefer,
die mit Dolomit, Gips und dickbankigen Marmorlagern in
enger Yerbinduag stehen, von solchen, die davon frei sind, im
allgemeinen wohl unterscheiden, aber ob damit auch eine
stratigraphische Gliederung gewonnen ist, bleibt hier noch
zweifelhafter als im Norden. Eine Tatsache, die sich jedem
Besucher dieser Gegend bisher aufgedrangt hat, ist die, daB
uber und unter den Gneisen die hochkrystallinen Marmore und
Granatglimmerschiefer vorwalten und in grofierer Entfernung
von den Gneisen die Kalkpliyllite liegen. Die meisten haben
dies so gedeutet, daB jene Gesteine alter als diese sind, weil
sie den Gneis fur das alteste halten, und in alien den Fallen,
wo Marmore inmitten der vom Gneis entfernteren Kalkpliyllite
auftreten, haben sie konsequenter Weise Einfaltung der alteren
Marmore in die jiingeren Phyllite angenommen. So sind jene
schlangenformigen schmalen Deckfalten entstanclen, welche die
modernen Profile im Simplongebiet auszeichnen. Die erforder-
lichen Umbiegungen innerhalb dieser liegenden Falten sind
zvvar nicht nachzuweisen, aber man nahm an, daB diese groB-
artige Faltung mit einer so gewaltigen Dynamometamorphose
verbunden gewesen sein miisse, daB dabei die Faltungsstmkturen
ganz verloren gin gen.
]) Auf der Karte ist dieses weit ausgedehnte Blockmeer, das vom
AbfluB des Kastelsees durchbrochen ist, als aitere Morane bezeichnet.
In ^Wirklichkeit ist es der Schuttstrom eines gewaltigen Bergsturzes,
der von den Gneiswanden der Fiorina, wahrscheinlich bei der Boccheta
Val Maggia, einstmals niedergegangen ist, und dem der Kastelsee seine
Entotehung verdankt.
121
Bedenken sind. dagegen laut geworden. Die krystallinischen
Sedinientgesteine zeigen z. T. so deutliche Wirkungen von Kon-
taktmetamorphose, und dies unisomehr, je naher sie an den
Gneisen liegen, daB es naheliegt, in diesen Gneisen die Ursache
der Umwandlung zu suchen. Sie miiBten dann freilich mag-
matisclie Intrusionen und soniit j linger als die* Sediinente sein.
Fiir das Simplongebiet haben sich in diesem Sinne Weinschenk,
Lindemann und neuerdings auch Klemm ausgesprochen. Audi
•die Frage, ob Dynamometamorphose nnd Kontaktmetaniorphose
imstande sind, gewohnliche Sedimente ganz in der gleichen Weise
umzuwandeln, so daB die Neubildungen an sich die Yer-
schiedenartigkeit der bewirkenden Krafte nicht erkennen lassen,
ist auf theoretischem AVege erortert worden, ohne daB es bis
jetzt gelungen ist, erne befriedigende und iibereinstimmende
Antwort zu finden.
Leicliter und schnelleristeinErgebniszuerwarten,
wenn man auf die Frage in dieser Allgenieinlieit gar
nicht eingeht, sonde r n sich daraufbeschrankt, zuent-
^cheiden, ob die Gneise im Simplongebiet alter oder
jiinger als die Sedimente sind. Im ersteren Falle
konnen jene ja eine Kontaktmetaniorphose auf diese
:gar nicht ausgeiibt haben, im letzteren Falle hingegen
ware dies nicht nur moglich, sondern selbstverstand-
lich. Wir miissen uus deshalb mit dem Alter der
•Gneise beschiiftigen.
6. Das Alter der verschiedenen Gneise.
DaB die sogenannten B erisalgneis e diesen Namen nicht
Terdienen, sondern Schiefer sind, die nur stellenweise von gra-
nitischen Intrusionen durchsetzt werden, ist allseits anerkannt.
Auch darauf habe ich bereits hingewiesen, daB der Eisten-
und der Gantergneis und wahrscheinlich auch der Crodogranit
in die Kalksedimente eingedrungen, also jiinger wie diese sind,
und daB die sogenannten Konglomerate von Eisten und Im
.Stafel als solche nicht gelten konnen. Es bleibt also das Alter
~des Antigorio-, Lebendun- und M. -Leone- Gneises zu untersuchen
lib rig.
a) Der Monte -Leone-Gneis.
Da der Gantergneis nur eine Abzweigung des Leonegneises
ist, so spricht dieser Umstand allein schon auch fiir dessen
intrusive Natur. Es gibt dafiir aber noch weitere Beweise.
Im Siiden des Helsenhornes liegt der Monte Moro (2945 m),
<dessen Gipfelkegel ganz aus Leonegneis besteht. An seinem
122
Fig. 17.
Am Nordgehange des Paso di Valtendra (M. Moro) 1:100.
Kontakt des Antigoriogneises (gn) mit dem Marmorschiefer (m). Die Quarzknauer
(q) fiihren Turmalin.
s
Fig. 18.
Profil durch den
Paso di Valtendra.
1 : 1000.
g Antigoriogneis, gl granatfiihrender Gneis, m marmorartiger Kalkglimmer-
schiefer, k Kalkglimmerschiefer.
Fig. 19.
Zu unterst am NordfuB der Panta Amoinciei, oberhalb Laghi delle Streghe.
gn Gneis, k Kalkschiefer, q quarzreiches Kalkgestein.
123
NordfuB auf der Hohe des Paso di Valtendra (2347 m) sieht
man ein machtiges Marmorlager mit nordlicher Neigung unter
den Gneis verschwinden. Der kornige helle Marmor wechsel-
lagert mit glimmerigem Marmorschiefer. Der Kontakt mit
dem Gneis ist leicht zuganglich und gut aufgeschlossen. Tur-
malinfiihrende Quarzknauer stecken langs der Grenz-
flache sowoh] im Gneis als auch im Marmorschiefer, der
in geringer Entfernung vom Kontakt auch einen schmalen
langeren Streifen von Gneis einschlieiit, annahernd parallel zur
Schichtung, und ein doppelt so langer Streifen von Schiefer
liegt im Gneis. Mit der Annahme eines archaischen Alters des
Gneises stimmt das nicht uberein. Hoher oben an der Gneis-
wand sieht man noch einen Streifen dunklen Glimmerschiefers
im Gneis eingelagert. Am Fufi des Marmorlagers kommt dar-
unter ein ungefahr 7 m starkes Lager von granatfiihrendem
Gneis zum Vorschein, wahrend das ansteigende Berggehange im
Siiden des Passes aus Kalkschiefer aufgebaut ist. Auf der
Simplonkarte ist dieser Gneis als Lebendungneis eingetragen.
Er soil danach noch ein gutes Stuck am Gehange heraufgehen,
was ich aber nicht bestatigen kann. Mit dem eigentlichen
Lebendungneis hat der am Joch keinen sichtbaren Zusammen-
hang, es ist wahrscheinlich ein besonderer Lagergang.
Am FuB des Nordauslaufers des Monte Leone, westlich
von Laghi delle Streghe auf der Vegliaalp liegt der Leonegneis
auf einem quarzreichen Kalk, der von Kalkschiefern unterlagert
ist. In ihn ist eine Gneisapophyse lagerformig von unten her-
auf eingedrungen.
In diesen beiden Fallen gewinnt man den Eindruck, daft
der Gneis junger ist und sich in die Kalksedimente parallel zu
ihrer Schichtung eingedrangt hat, einzelne ihrer Lagen auf-
blatterte und sich dazwischenschob.
b) Der Lebendun- und Valgrande- Gneis.
Von den Verfassern der Karte wird die Hauptmasse dieser
Gneise zu den Paragneisen gestellt, es „sind dunnschichtige,
biotitreiche, oft calcitfiihrende Gneise. . . . Charakteristisch
fur den Lebendungneis in seiner Gesamtheit sind Einlagerungen,
die an Konglomerate erinnern. Diese im Durchschnitt meist
elliptischen Einschlusse werden oft mehrere Dezimeter lang.
Sie haufen sich lagenweise. . . . Ihr Gestein ist aplitartig.
Manchmal sind diese gerollahnlichen Bildungen von Glimmer
flaserig umsaumt, manchmal verschmelzen sie mit dem INebenge-
stein. . . . Doch trifft man auch massige Gesteinstypen z. T.
eruptiver Natur .... grobbankige Zweiglimmergneise und Augen-
124
gneis e, die gewissen Yarietaten von Antigoriogneis und Ofenhorn-
gneis vergleickbar sind. Yerbreiteter sind feinkdrnige, aplitartige
Typen." Manersieht ausdieseru Wortlaut, daB die „Konglonierate",
wie sie kurzer Hand auf der Karte bezeicknet werden, als.solche
•doch recht unsicher sind. GroBeren aplitartigen Massen irn Leben-
dungneis wird eruptive Natur zugesprochen, die kleineren el-
liptischen, aplitartigen Massen hingegen werden als gerollahnlich
bezeicknet. Die ersteren raiiBten dann jedenfalls j linger als die
letzteren sein, wenn deren Gerollnatur wirklick bekauptet werden
will. Wo aber kamen diese Gerolle her, warurn besteken sie
-alle okne Ausnakme aus Aplit, und weshalb kommen mit ihnen
keine Gerolle von anderen Gesteinsarten vor? Wenn sie kin-
gegen nur „ gerollahnlich", aber keine wirklicken Gerolle sincl,
welche Beweise kat man dann fur die Paragneisnatur des Leben-
•dungneises? Urn auf diese Fragen eine Antwort zu finden, kabe
ick rnekrere der Stellen aufgesuckt, wo Konglornerate in den
Gneisen auf der Karte eingetragen sind. Eine solcke , leickt
zugangliche Stelle liegt bei Cologno im oberen Deverotal, und
ick beschlofl, im September 1909 dieselbe zu besucken. Als
ick aber von Crodo aus Goglio1) erreickt katte, war der Weg
nack Cologno wegen Sprengarbeiten gesperrt, und ick muBte
mick begntigen, die zaklreicken Gneisblocke zu untersucken, die
.am Gekange bei Cugnesco kerumliegen und von oben iiber die
steilen ' Kalkwande kerabgesturzt sind. Fiir das Studium der
^Konglornerate" erwiesen sie sick als ganz vorziiglick. Aplit-
sckmitzen, die auf einer Seite des Gneisblockes oft wirklick
•etwas an Gerolle erinnerten, stellten sick stets als diinne, lagen-
formige Partien keraus, wenn man sie bis auf die andere Seite
verfolgte oder durck Anscklagen mit dem Hammer bloBlegte.
Ikre Grenzen gegen den Gneis waren allerdings sckarf, aber um
•diese Sckmitzen als Gerolle zu erklaren, muBte man eine groB-
artige meckaniscke Deformierung derselben zu Hilfe zu nekmeu,
von der jedock weder die Struktur der Aplitmasse nock des
]) Bei den gegeniiber von Goglio auf dem linken Ufer des Devero
liegenden Hausern gibt die Karte eine kleine Partie von Kalkphyllit
nnter einem Marmorlager an, auf dem bei 1230 m Meereshohe der
Antigoriogneis liegen soli. In Wirklichkeit ist davon nichts zu sehen,
da das ganze GTehange herauf bis zur Hohe von 1350 m von Schutt
und Felsblocken bedeckt ist. Von 1350—1500 m Meereshoke stekt der
Gneis an, und dariiber bauen sich die Steilwiinde von Kalkphyllit auf,
an deren SiidfuB die Hauser von Ausone liegen. An der Aufiagerungs-
ikiche entspringen starke Quellen. Auch der Marmorstreifen, der gerade
UDter dem Wort Cugnesco zwischen dem Gneis und dem hangenden
Kalkphyllit eingezeichuet ist, fehlt. Ich halte es fiir ausgeschlossen,
-daB die Eintragung auf Beobachtung beruht.
I
125
umgebenden Gneises etwas zeigt. Ich habe spater noch ofters-
solche .^Conglomerate" im Lebendungneis angetroffen, aber nie-
mals irgendwelche Anhaltspunkte fur die Gerollnatur der ap-
litischen Linsen gefunden.
Der feingebanderte und biotitreiche Lebendungneis unter-
scheidet sich von dem Antigorio- und M.-Leone-Gneis ziemlich
gut; aber ohne scharfe Grenzen geht er sehr haufig in glimmer-
armere, etwas grobkornigere und augengneisartige Varietaten
iiber, die im Handstiick mit jenen zwei anderen Gneisarten
leicht verwechselt werden konnten. Ich stelle ihn deskalb
ebenfalls zu den Orthogneisen und habe dafiir auch eine Reihe
anderer Beweise, die ich im einzelnen besprechen will.
Es ist eine besondere Eigentumlichkeit des Lebendun-
gneises, daB er haufig nur geringe Machtigkeit besitzt. Auf der
Karte zieht er sich als ein schmales hellrotliches Band in
zahlreichen Biegungen zwischen den grofien Massen des Antigo-
rio-, Monte- Leone- und Ofenhorn- Gneises hindurch, welch letztere
mit einer gemeinsamen dunkelroten Farbe bezeichnet sincl.
Zwischen diesen beiden Farben erscheinen aber stets noch gelbe
und blaue, sie trennende Streifen, die im Stiden sehr schmal sind,
gegen NO aber immer breiter werden. Zugleich fallt es auf,
daB mit diesem Breiterwerden auch der Lebendunstreifen breiter
und unregelmafliger wird. Am FuB des Monte Camera zweigt
sich ein Seitenast yon ihm ab und zieht iiber Val Grande nach
dem Pizzo di Yaltendra, wo er zweispitzig endet. Der Haupt-
ast lauft hingegen quer durch die Karte bis an ihren Rand und
sendet an einigen Stellen noch kurze Auslaufer ab. Nach der
Auffassung der Karte entspricht dieses Band einem groi3en, aber
ganz diinnen liegenden Gewolbe archaischer Gneise, daJ3 sich in
kleinere Seitengewolbe spaltet, yon denen das Yal- Grande -Ge-
wolbe das bedeutendste ist.
Die Hohe dieses liegenden Gewolbekernes betragt demnach
mehr als 20000 m, seine Dicke 30 — 400 m, und es mul^te an-
genommen werden, da!3 der in diesen Kern eingefaltete Gneis
nur 15 — 200 m machtig ist, da er ja doppelt liegt und unten
und oben von Trias- und Juraschichten umhullt sein soil, deren
Machtigkeit nach der Karte im Siiden oft 50 m nicht erreicht,
im Norden aber erheblich bedeutender wird.
Es gilt also zu untersuchen , in welchem Kontaktverhalt-
nis dieser Gneis zu den ihn einschliefienden Sedimentgesteinen
steht.
Ein leicht zuganglicher AufschluB liegt am Wege von Yarzo
nach der Alpe Yeglia, da wro die Cairasca iiber die Felsstufe von
Cropalla oberhalb Nembro herabschiefit. Der Lebendungneis
126
ist am Saumweg, der in Serpentinen ansteigt, gut aufgeschlossen
und stellenweise erfiillt niit jenen Aplitlinsen, die in den ge-
banderten Gneis eingeschaltet sind. Sie liegen auch hier wie
liberall, wo ich sie gesehen babe, nicht nach Art von Konglo-
rnerat-bildenden Gerollen dicbt aufeinander, sondern jedes
fur sicb im Gneis, und sie sind auch nicht besonders „geroll-
ahnlichu\ Am Wege sieht man, wie sich (s 1) ein 0,5 m breiter
Schiefer mit quergestellten Glimmerblattchen im Gneis plotzlich
einstellt, aber rasch wieder auskeilt, es folgt ein zweiter (s 2),
etwas kalkhaltig, und ein dritter (s 3) in kurzen Abstanden.
Sie keilen alle links am Gehange herauf aus, ebenso wie ein vierter
Fig. 20.
Am Weg von Nembro zur Cap. del Cropalla im Cairascatale. 1 : 140.
Lebendungneis mit Tier Schierereinschliissen (si -4). Dariiber folgt kalkarmer
granatfiihrender Glimmerschiefer (gl).
(s 4), liber dem dann aber die Decke des kalkarmen und granat-
fiihrenden Glimmerschiefers folgt: jedoch ist die etwa 1 m breite
Zone zwischen ihm und dem vorausgegaugenen Schieferlager
eine Mischung yon Gneis und Schiefermaterial und macht durch-
aus den Eindruck einer Schieferzone, die yon dem Gneis ganz
durchtrankt worden ist.
Der Lebendungneis erscheint somit hier als ein
jiingeres Intrusivg estein in den Schiefern, und nicht
als ein alteresarchaischesGestein,aufdemder Schiefer
abgesetzt wurde.
Uber diesem nicht sehr machtigen Lebendungneis lagern
etwa 400 m Glimmerschiefer, die nach oben. kalkreicher werden
und mit quarzitischen Schiefern wechsellagern. Erst erheblich
weiter oben am Wege folgen die gewohnlichenKalkschiefer jedoch
auffallenderweise mit yerandertem Streichen, die hoch oben von
einem zweiten Gneislager gekront werden, welches die steile Fels-
wand bildet,mitder das eigenartigeHochtalYalgrande gegenOsten
abfallt. Auf dieser zwei Kilometer breiten und schwach gegen
Westen sich senkenden Gneisplatte liegt der See yon A vino, und
127
iiber demselben steigen die 1000 Meter boben Gneiswande des
Monte Leone auf. Dazwiscben komnien am FuB der Wande an
wenigen Stellen unter dem niacbtigen Gebangescbutt einige feste
Felsriffe von Dolonait und Scbiefer zum Vorschein, die den Tal-
grande-Gneis von dem Leonegneis trennen sollen. In Wirk-
licbkeit ist die Sacblage nicht so einfacb. .Der Valgrande-Gneis.,
der das ostlicbe Ufer des Lago d'Avino umsiiumt, bildet aucb
den Felsriicken, der den See im Norden anfstaut. Nacb der
Karte endet er gleicb 100 m westlicb des Punktes 2291, und
nur durcb eine scbmale Schnttzone von ihm getrennt, in der die
Kalkscbiefer zu ervvarten waren, stebt etwa 100 m bober am
Gebiinge der Leone -Gneis an. Es ist aber leicht festzustellen
und durcb die Felsarbeiten, welcbe die beabsicbtigte Stauung
des Sees 1911 notig macbte, vollstiindig klargelegt worden, daB
der Valgrande- Gneis sicb vom Pankt 2291 obne Unterbrecbung
aucb um die Westseite des Sees herumziebt und die auf der
topograpbischen Karte eingezeicbnete untere Felsstufe aufbaut.
Nacb Siiden za verscbwindet diese Stufe stellenweise unter
dem Gebangescbutt, sie ziebt sicb aber gleicbzeitig bober am
Berggebange berauf und erreicbt zwiscben dem binteren Ende
des Sees und dem Stickelgrat eine Hobe von ungefiibr 2500 m,
wiibrend sie am unteren Seende 2100 m nicbt ganz erreicbt.
Die Karte gibt westlicb vom binteren Seende eine kleine
Partie triasiscber Raubvvacke an, die direkt vom Leonegneis
iiberlagert sein soli. Es ist das aber jener Valgrande-Gneis
und die „Trias" gebt nordwiirts nicbt iiber den kleinen Wasser-
lauf beriiber, sondern kommt nur auf der Siidseite zum Vorscbein
als ein scbmaler Felsriicken, der sicb westwarts vom Gebiinge
heranfziebt. Die Scbicbten baben eine Miicbtigkeit von iiber
46 Meter, fallen gegen NW ein und sind nacb oben und unten
von Gneis begrenzt. Auf der Nordseite dieses Felsriffes
bat es den Anschein, als ob der Gneis und die Kalk-
scbicbten konkordant liigen, auf der Siidseite siebt
man aber die Grenzlinie in deutlicbster Diskordanz
zum S cbicbt -^erlauf. Aucb der untere Gneis liegt
nicbt konform und sendet sebr deutlicb eine apo-
pbysenartige kurze Zunge in die Scbiefer. Letztere
besteben aas einer unter sicb konkordanten Reibenfolge von
Marmor, Dolomit und Quarzitbiinken sowie Quarzglimmer-
scbiefern (Fig. 21—23).
Das Ganze erscbeint wie eine groBe Secliment-
scbolle, die im Valgrande-Gneis eingescblossen worden
ist. Fur die Annabme einer muldenformigen Einfaltung dieser
Kalkgesteine zwiscben zwei arcbaiscbe Gneisfalten lassen sicb
128
hier keinerlei Anbaltspunkte finden, vielniehr spricht alles
dagegen.
Der Boden des Piano d'Avino besteht ebenfalls aus Yal-
grande-Gneis, aber oft trifft man auf demselben audi groflere
Partien yon nachgelagerten Gliinmerschiefern. Ihre Anwesenheit
erklart sich gerade so wie die an dem Felsriff.
Fig. 21.
Nordseite des Felsriffes am SWEnde des Lago d'Avino. 1 : 600.
gn Gneis, d Dolomit, m Marmor, ql — 4 Quarzitlager, gl Glimmerschiefer.
Der Yalgrandegneis zieht sich siidwarts gegen den Monte
Camera und auf der Ostseite uni denselben beruni nach dem
Pizzo Cornacchia. In den nach Ost gekehrten Steilwanden war
es mir unmoglich, die Kalk- und Gneisgesteine genau zu yer-
folgen uud voneinander abzntrennen. Merkwiirdig ist aber,
da6 nicht nur zwischen dem Leonegneis, der die Gipfelpyramide
des Pizzo Camera aufbaut, und dem Yalgrandegneis ein Band
yon Kalkgesteinen hindurchzieht, sondern daB ein Band auch
mitten in den Steilwanden des Yalgrandegneises eingeschlossen
erscheint.
Der Lebendungneis, den wir vorher am Wege nach Alpe
129
Veglia kennen gelernt haben, soli ebenfalls nach dem Pizzo
Cornacchia heraufstreichlm, urn sich da init dem Valgrandegneis
zu Yereinigen. Dabei wird die 400 m dicke Schieferlage, die
an jenem Wege beide Gneise trennt, nach Angabe der Karte
immer schwacher und ist an der Cornacchia nur noch einige Meter
breit. Diese Schieferlage wird als eine ausgequetschte Separat-
Fig. 22.
Siidseite des Felsriffes der Fig. 21. 1 : 2400.
Fig. 23.
SiidostfuB desselben Felsriffes. 1:190.
gn Gneis mit Quarzknauern (q), m glimmerreicher Marmor.
mulde gedeutet. Man kann ihr diinnes Ende sehr gat sehen,
messen und untersuchen, wenn man yon Paso Possette am Nord-
hang des P. Cornacchia heraufsteigt.
DieBanderung im Gneis verlauft dort horizontal mit schwacher
Neigung gegen Norden. In einer Hobe yon annahernd 2400 m
liegt ein im Maximum 4 m stark es Kalkglimmerschieferlager
in diesem Gneis; es ist im Hangenden und Liegenden scharf yon
diesem abgegrenzt und kann in dieser fast schwebenden Lage
einige hundert Meter weit verfolgt werden, bis es unter Ge-
hangschutt Yerschwindet. Gegen SO scheint es im Gneis am
Grat oben aufzuhoren. Der Gneis ist zweiglimmerig wie der
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 9
130
Leonegreis, nur viel feinkorniger und glinmierreicher, in seiner
Zusammensetzung sehr raonoton, aber deutlich zur Augengneis-
Struktur neigend.
Diese Glimmerschiefer-Einlagerung ist auf der Karte nicht
exakt eingezeichnet. Ob ihr Yerlauf auf der Siidseite des
Grates richtiger ist, kann ich nicht sagen, weil ich keine Zeit
hatte hiniiberzugehen. Aber auf der Nordseite hatte er als
ein von NW nach SO gerichteter kleiner Streifen zu er-
scheinen. Yon dem steil nach Norden am Gehange herunter-
steigenden nnd an der Basis des gegeniiberliegenden Felsvor-
sprunges Aviederauftauchenden Ast ist nichts zu sehen. Er
scheint nur eingezeichnet, um zu zeigen, wie sich die Yerfasser
der Karte die Abzweigung des Yalgrande-Gewolbes von dem
Lebendungewolbe gedacht haben.
Es entspricht die Yorstellung den Tatsachen
besser, da 13 derKalkschieferstreifen am Cornacchia ein
EinschluB im Gneis ist, ebenso wie die Kalkscholle
am Lago d'Avino. De.r Gneis von Cornacchia hangt
uninittelb ar durch die Ostwande des Camera mit dein
Yalgrandegneis zusammeu, ob aber der Lebendun-
gneis vonNembro mit dem von Cornacchia zusammen -
hangt, ist ungewiB und sehr zweifelhaft. Jedenfalls
fehlen die charakteristischen Aplitlinsen hier voll-
standig.
Auffallig ist die groBe Machtigkeit, welche der Lebendun-
gneis im Formazzatal hat. Gegeniiber deu Machtigkeiten von
100 — 400 Meter im SW des Kartenblattes sieht man hier
plotzlich diesen Gneis in den Bergmassiven des Monte Giove und
Fregelihornes, des Talihornes und Basodinos bis zu 900 Meter
anschwellen, aber sudwestlich des M. Giove sinkt das Gneis-
band bei der Alpe Civon bereits auf weniger als 200 m herab,
und wenn es beim nahen Pizzo Pojala audi wieder auf 400 m
anschwillt, so verschmalert es sich doch nachher wieder, bald
auf sogar 150 m. Die machtige Lebendungneismasse des
Basodino und Talihornes entsendet gegen Norden zwei Aus^
laufer. Der westliche springt vom M. Castello der Simplon-
karte (Gigelnhorn der top. Karte) gegen ,,Im Moos" vor,
verliert dabei rasch an Machtigkeit und keilt sich schlieBlich
ganz aus. Ein zweiter Auslaufer zieht sich vom CavognoK-
Gletscher in die NO-Ecke der Karte und ist dort nur noch
ganz schmal. Den ganz kleinen isolierten Auslaufer unterhalb
desjenigen von M. Castello am Giacomoweg habe ich schon
friiher erwahnt. Da auBerdem im Gebiete des M. Giove an
mehreren Stellen groBere Fetzen von Schiefer in dem Gneis
131
eingeschlossen sind, so entspricht das Ganze am besten
einer groBartigen lakkolithartigen Intrusion in den
Kalksedimenten, die seitlich in verschiedenen Ho hen
Apophysen aussandte und zugleich beim Aufdringen
groBe S edimentbrocken in sich einschloB. Diese ver-
haltnismaBig einfachen Lagerungsverhaltnisse wurden dann
spater durch die alpine Faltimg wesentlich verwickelter ge-
staltet, und so ist es gekommen, daB sie bisher iiberhaupt als
solche noch nicht erkannt worden sind.
c) Der Antigoriogneis.
Die Erlauterungen sagen: ,,Der Antigoriogneis ist ein grob-
bankiger, homogen ausgebildeter Zweiglioiniergneis von gra-
nitischem Habitus .... Er ist in seinen verschiedenen
Varietaten identisch mit dem Tessiner Gneis, mit dem er die
ZusammeDsetzung eines normal granitischen Magmas gemeinsam
bat. . . . Der petrographische Charakter der Monte-Leone-
Ofenliorn-Gneise ist dem der Antigoriogneise durchaus analog. . .
Ini Siidosten des Kartenblattes hiingen sie gleichwie der Anti-
goriogneis mit dem Tessiner Gneis zusaminen." Schon aus
diesen Angaben ergibt es sich, daB eine Trennuug der beiden
Gneise selbst dem Namen nach eigentlich nicht erforderlich
ist. und das ist wohl aucb der Grund, wesbalb sie auf der
Karte mit einer gemeinsamen Farbe bezeichnet wurden. Fur
uns ergibt sich ferner daraus, daB auch der Antigoriogneis ein
jiiugeres Eruptivgestein sein muB. Besondere Beweise dafiir
fand ich im September 1909 bei Zwischenbergen und am Pizzo
Teggiolo, den ich nochmals 1910 und 1911 besuchte. An dem
kekannten AufschluB an der Strafie zwischen Stalden und
Zwischenbergen liegt der Kalk direkt auf dem Antigoriogneis.
An der Kontaktlinie dringen Apophysen in den Kalk, sie sind
aber sehr klein. Was man als Gerolle von Gneis im Marmor
bezeichnet hat, sind rundliche bis linsenformige und sogar band-
artige granitische Injektionen.
Das gleiche gilt yon dem beriihmten Fundorte am Nord-
hang des Pizzo Teggiolo. An dem ganz verwachsenen FuBweg,
■der von der Alpe Yalle auf der rechten Bachseite nach Lavin
herabfiihrt, fand ich 1909 bei ungefahr 1600 m Meereshohe im
Kalkstein einen eckigen, lauglichen Gneiskeil eingeschlossen,
der nur als Apophyse sich erklaren laBt. Die unten auf dem
Talboden bei Nembro am FuBe des Teggiolo herumliegenden und
angewitterten Felsblocke, die infolge dieser Anwitteruug kon-
^lomeratahnlich aussehen, aber in Wirklichkeit stark granitisch
injizierte Marmore sind, sind von ziemlicher Hohe herabge-
9*
132
fallen. Die Stelle, wo sie anstehen, habe ich 1910 aufgesucht
und auch dort die TJberzeugung gewonnen, daJ3 es sich urn
Kontakterscheinungen an der Benihrungsstelle eines eruptiven
Granites mit Kalksteinen handelt, und daB die sog. Gerolle gar
kein Antigoriogneis sind. Fur genauere Einzelheiten verweise
ich auf die Arbeit yon Arndt. 1911 besuchte ich die Apophyse
an dem verfallenen Wege von Lavin nochmals. Sie lag noch
gerade so unberuhrt wie zwei Jahre vorher. Yon den vielen
Besuchern des Pizzo Teggiolo scheint niemand dagewesen zu
sein. G. Klemm, der die „Konglomeratblocke" zusammen mit
Hugi 1910 besucht hat, kam ebenfalls zu dem Ergebnis, daB
Aplit-Injectionen in Marmor vorliegen (Monatsber. D. geoL
Ges. 1911, S. 468).
Auch der Kontakt des Antigoriogneises mit dem Dolomit
bei Tuffald zeigt Erscheinungen, die auf ein jiingeres Alter
hinweisen, er besitzt eine deutliche Randfacies, die ich 1909
beobachtete. Auch dies habe ich Herrn Arndt zur Bearbeitung
uberlassen.
DaB aber der Antigoriogneis nicht nur solche kleine Apo-
physen und Injektionen, sondern auch groBere Abzweigungen
in die Kalkgesteine entsendet, davon kann man sich leicht am
linken Gehange des Cairascatales iiberzeugen, das ich bereits
geschildert habe. Der Gneis des Teggiolo setzt zweifellos
iiber die Cairasca heriiber auf das linke Ufer und wird bei
Crosso von Kalkphyllit uberlagert und bei Gebbo von solchem
unterlagert. Dieser so eingeschlossene Gneis lauft als ein etwa
300 m machtiges Lager iiber Chioso, Calendra bis Cimalavalle.
Die Hauptmasse des Teggiologneises hingegen steigt bei
S. Donienico noch hoher am linksseitigen Talgehange empor
und bildet die von Kalkphyllit unter- und iiberlagerten Steil-
wande des M. Cistella, senkt sich von da gegen Siiden bis ins
Diveriatal bei Varzo herab und vereinigt sich dabei mit dem
tieferen kleineren Gneisast von Crosso-Cimalavalle.
Nicht nur die Yerb andverhaltnis se mit den Sedi-
menten, sondern auch die Form der Gneismassen
selber sprechen dafiir, daB der Antigoriogneis nach-
traglich erst sich in die Sedimente hereingezwangt
und dabei groBere Schollen der Schiefer in sich ein-
geschlossen hat.
d) Die vertihale und horizontal Yerbreitung der einzelnen Gneis-
massen und ihr Alter.
Ihre vertikale Aufeinanderfolge steht wohl fest: zu oberst
liegt der Leone-Ofenhorngneis und darunter folgen der Reihe
133
nach der Valgrande-, Lebendun-, Antigorio- imd Verampio-
Gneis. In horizontaler Richtung greifen die oberen jeweils
iiber die tieferen Gneise gegen NW hiniiber. Infolgedessen
hat der Leone-Ofenhorngaeis die groBte Ausdehnung und der
Auflenrand des Valgrande- und Lebedungneises liegt viel weiter
nach SO zuriick. Dieselbe Erscheinung zeigt der Antigorio-
gneis gegeniiber dem Lebendungneis. Von der Ausdehnung
des Verampiogneises, der nur im Bacenofenster zum Vorschein
kommt, wissen wir zuwenig, um ihn hier rnit in Vergleich
zu stellen. Die Trennung des Valgrande- und Lebendungneises
bereitet im Siiden und Siidosten der Karte Schwierigkeiten.
Von der Nordostecke her bis Devero gibt es zwischen Antigorio-
und Ofenhorngneis nur Lebendungneis. Von Devero bis Valle
unweit Nembro liegt der Valgrandegneis Tiber dem Lebendun-
gneis und keilt sich bei Pizzo di Valtendra gegen NO aus,
wahrend umgekehrt der Lebendunzug bei Valle verschwindet.
Schmidt nimmt an, dafi er am Pizzo Cornacchia sich mit dem
Valgrandegneis vereinigt, aber diese Vereinigung ist nicht zu
sehen;. sie konnte jedoch, wenn sie iiberhaupt vorhanden ist,
unter dem Schutt bei Alp Le Balmelle begraben liegen. Ob
der lange Gneiszug, der yom Pizzo Cornacchia iiber Alpien und
Zwischenbergen nach Campeglia im unteren Diveriatal zieht,
eine Vereinigung dieser beiden Gneise oder nur den Valgrande-
gneis darstellt, ist noch nicht aufgeklart, aber Gneis von der
Beschaffenheit des echten Lebendungneises habe ich da keinen
zu sehen bekommen.
Der Antigoriogneis erreicht sein nordwestliches Ende am
Teggiolo, bei Goglio im Deverotal, bei Tuffald im Formazza-
tal und im Val Antobbio.
Obwohl alle diese Gneise in ihrer petrographischen Aus-
bildung vielerlei Wechsel zeigen, so gehoren doch einerseits
der Antigorio- und der Leone -Ofenhorn- Gneis so sehr zuein-
ander, das Unterscheidungen nach Handstucken unmoglich sein
diirtten. Andererseits stehen sich der Valgrande- und Leben-
dungneis nicht so nahe, als Schmidt annimmt, der ersteren
nur fiir eine Abzweigung des letzteren halt.
Der Verampiogranit oder Crodogneis hin gegen scheint
sich von diesen zwei Gruppen scharfer zu unterscheiden, doch
kommt das vielleicht nur daher, daB wir so wenig von ihm
zu sehen Gelegenheit haben.
DaB alle diese Gneise jedenfalls jiinger sein miissen als der
Lias, geht aus den vorausgegangenen Untersuchungen klar hervor.
Fiir eine genauere Altersbestimmung fehlen Anhaltspunkte,
weil postliasische marine Sedimente diesem Teil der Alpen
134
vollstandig abgehen. Dahingegen konnte die alpine Faltung
insofern die Moglichkeit geben, den weiten Zeitraum vom Lias
bis zur Gegenwart, in welchen die Gneisintrusion fallen muB,
um ein erhebliches einzuengen, wenn es gelange festzustellen,
ob die Intrusion vor, nach oder wahrend der Faltung ein-
getreten ist. Bei einer dahinzielenden Untersuchung ware es
zunachst weniger wichtig zu wissen, in welchem geologischen
Zeitabschnitte die alpine Faltung eintrat, als in welche Formen
sie die urspriinglich horizontalen Sedimentgesteine gebracht
hat. Das ist es aber gerade, was wir nicht wissen; denn alle
die Profile, durch welche Lugeon, Scharlt, Schmidt und
Stella uns dariiber eine Yorstellung zu geben versucht haben,
basieren auf der irrtiimlichen Annahme des hohen Alters der
Gneise und konnen darum den tatsachlichen Yerhaltnissen
nicht entsprechen. Gleichwohl darf es als eine durch die
neueren Untersuchungen und insbesondere auch durch die neue
Simplonkarte vollstandig gesicherte Tatsache gelten, daB die
mesozoischen Sedimente im Simplongebiet in eine Reihe von
Falten gelegt sind, die in ostlicher bis nordostlicher Richtung
streichen, und daB auBerdem die alteren Berisalschiefer iiber
die jiingeren Schichten hinubergefaltet sind und infolge dessen
im ganzen Gebiet der Simplonkarte sich in uberstiirzter La-
gerung beiinden. I>er au!3ere Rand clieser iiberfalteten Berisal-
schiefer verlauft von Yisp bis zum Cherbadung in siidwest-
nordostlicher Richtung. Am Cherbadung biegt er aber um
und lauft in gleicher Richtung bis zum Simplonpal3 zuruck,
so dafi die iiberfalteten Berisalschiefer bis dahin in Form eines
20 km langen und im Maximum 5 km breiten zungenformigen
Lappens iiber die jiingeren Schichten heriibergreifen. Yom
SimplonpaB an hingegen verlauft der AuBenrand der Ver-
breitung der Berisalschiefer in ungefahr ostsiidostlicher Rich-
tung iiber Gabi und Zwischenbergen bis Domo d'Ossola, wo
er, nach der ScHMiDTschen Ubersichtskarte, auf der ostlichen
Ossolatalseite einen zweiten zungenformigen Yorsprung nach
NO von etwa 8 km Lange entsendet.
Wenn wir nun, alles weitere auf den tektonischen Teil
versparend, nur yon dieser Faltungstatsache ausgehen, dann
ergibt sich, daB die Gneise innerhalb der gefalteten Kalk-
sedimente in auffalligster AVeise lagerformig sich ausbreiten,
daB sie hingegen in den iiberfalteten Berisalschiefern ausge-
sprochen gangformig transgressiv sind. Das gilt auch fiir die
Serpentine und Prasinite. Der Serpentin auf der Nanzliicke
ist ein kleiner yertikal gestellter Gang im nach fallenden
Berisalschiefer, und er nimmt erst die Gestalt eines Lagers an,
135
wo er iin Westen in den Kalkschiefer herunterreicht, wie dies
aus der Darstellung auf der geologischen Simplonkarte, welche
ich allerdings zu kontrollieren keine Zeit gefunden habe,
hervorgeht und auch init den ion mir bereits geschilderten
Yerhaltnissen bei Visp in Einklang steht.
Es ergibt sich da r a us ganz allgemein der SchluB,
dafi alle sauren und basischen Eruptivgesteine durch
die alteren Sedimente gangforniig aufgestiegen sind
und sich in den jiingeren Kalksedimenten lagergang-
und lakkolithenartig ausgebreitet haben. Das ist ja
auch der Grund, weshalb man bisher zwar ein jungeres Alter
fur die Gneise in den Berisalschiefern stets anerkannt hat,
dasselbe fur die Gneise in den rnesozoischen Schichten aber
nicht zugeben wollte, weil dort die transgressive Natur der
Gneise nicht ebenso deutlich in die Erscheinung tritt und
deshalb sogar ganz geleugnet werden konnte. DaB dem jedoch
nicht so ist, daB Apophysen von den Gneisen ausgehen,
dafi diese aufierdem sich nicht an bestimmte Horizonte inner-
halb der Sedimente halten und ferner durch die Kontakt-
metamorphose auch ihr jungeres Alter dokumentieren, ist im
vorausgehenden nachzuweisen versucht worden.
Hiernach ergibt sich nun zugleich die Entscheidung uber
das Alter der Gneis-Injektionen. Sie konnen nicht erst nach
der Faltung in die Sedimente eingedrungen sein, da sonst die
Eigenart ihrer Lagerung in den rnesozoischen Schichten im
Gegensatz zu der in den alteren Sedimenten vollstandig un-
erklart bliebe. Wir sind gezwungen anzunehmen, daB zur Zeit
ihres Empordringens die Berisalschiefer noch iiberall normal
unter den rnesozoischen Schichten lagen, und daB die groBe
alpine Faltung erst nachher eingetreten ist.
In neuerer Zeit hat man eine alte, friiher besonders von
B. Studer vertretene Anschauung vvieder in Erinnerung ge-
bracht, wonach die Gneisbildung zeitlich und auch ursachlich
mit der Alpenentstehung zusammengefallen sei. Es ist mir
nicht recht klar geworden, ob die Beweggrunde dazu mehr in
allgemeinen theoretischen Erwagungen oder in der Erkenntnis
der Unzulanglichkeit der derzeit herrschenden Yorstellungen
zu suchen sind, aber wirkliche Anhaltspunkte fiir die Kichtig-
keit dieser Anschauung habe ich bis jetzt keine finden konnen.
Denn es haben sich Ealtungen iiberall in den Alpen gebildet,
sowohl da, wo Granite und Gneise vorhanden sind, als auch
da, wo sie fehlen. Speziell im Simplongebiet gibt es zwischen
dem Faltenwurf der Sedimente und der Form der Gneismassen
keinerlei Beziehungen, die darauf hinweisen, daB entweder die
136
Faltung dem Magma das Eindringen erleichtert und ihm ge-
wissermaBen den Weg dazu gewiesen habe, oder daB das empor-
dringende Magma es war, welches den Vorgang der Faltung
beeinflufite oder forderte.
So kommen wir also zu dem Ergebnis, daB die
Gneisintrusionen dem Zeitraum, der zwiscben die Ab-
lagerung der liasiscben Sedimente und die alpine
Faltung f al It, angeboren miissen.
Eine ibrer Folgen inuB die Hebung der liasiscben Meeres-
sedimente um mebr als tausend Meter und damit die Ent-
stebung von Festland gewesen sein, auf dem sicb weitere
Meeressedimente nicbt mebr absetzen konnten. Damit in Ein-
klaDg stebt das tatsacblicbe Feblen jeglicber jiingeren marinen
Formationen im Simplongebiet und nocb dariiber binaus gegen
AVesten und Osten, soweit als solcbe Gneise in Kalkphyllite
eingelagert vorkomrnen. Im Norden und Suden bingegen, wo
diese Gneise feblen, liegt eine normale Sedimentfolge vom Lias
durcb Jura und Kreide bis ins aitere Tertiar vor. Zwiscben
den Meeren, in denen jene Absatze erfolgten, lag wabrscbeinlicb
ein altes Walliser Festland als eine Schranke, welcbe* die
beiderseitigen Meeresbewobner voneinander schied und mit
dazu beitrug, daB die Jura- und Kreideformation sicb biiben
und driiben in so verscbiedenartiger Facies entwickelt baben.
e) Die Ursache der Metamorphose.
Das Simplongebiet ist ein Teil der Zone der scbistes
lustres oder Kalkpbyllite. Diese ganze Zone ist beriibmt da-
durcb, daB alle Sedimentgesteine einen auBergewobnlich boben
Grad yon Umwandlung erfabren baben, so daB man sie alle in
die Gruppe der krystallinischen Scbiefer stellen kann. Es ist
nicbts beweisender fiir diese Annabme und Stellung als der
Yergleich zweier jurassiscber Handstucke, von denen das eine
etwa vom NufenenpaB, das andere aus den nordlicben Scbweizer
Hocbalpen genommen ist. Bei beiden bat der gebirgsbildende
Druck zu Dynamometamorpbose gefiibrt und Veranderungen
erzeugt, aber Granaten, Biotit, Tremolit, Staurolitb usw. baben
sicb nur in der Zone der scbistes lustres gebildet. Schmidt
meint (Eclogae IX, S. 520), daB sicb bier die dynamometa-
morpbose Umwandlung in groBerer Rindentiefe vollzogen babe
als anderswo. „Die theoretischen Profile, die wir beute durcb
unser Gebiet legen, zeigen, daB die mesozoiscben Scbicbten des
Simplon zur Zeit ibrer Faltung 15 000 — 20000 Meter unter der
Oborflacbe gelegen sein sollen."
Von diesen tbeoretiscben Profilen kommt fiir unser Gebiet
137
das Profil Fig. 6, Taf. 12 (1. c.) in Betracht. Dauach waren
die Schiefer am Simplon einstnials von 12 000 ni Gestein be-
deckt gewesen, die inzwischen von der Erosion weggeschafft
worden sind. Von diesen 12000 m kommen 8 500 in
auf die oberste, ostalpine Decke, die aber gdnzlich in der Luft
liegt, fur deren Existenz aueh nicht ein einziger „Erosionsrest"
ins Feld gefiihrt werden kann. AuBerdeni ist bei diesen
Profilen angenommen worden, daB vor der Faltung die meso-
zoischen und alttertiaren Sedimente ohne Ausnahine uberall
abgelagert worden waren, nnd speziell in der ostalpinen Decke
in einer MacMigkeit yon beinahe 5 000 m. Nur wenn man
Decken zu HilTe niinmt, fiir die gar keine Anhaltspunkte ge-
geben sind, und nur wenn man Formationsmachtigkeiten ein-
tragt, wie sie so groB in den Alpen gar nicht vorkonimen, ist
es moglich, eine friihere Belastung yon 12 000 m auszurechnen
und damit zugieich die Hypothese der UmwandluDg durch
Dynamometamorphose „in groBerer Rindentiefe" zu retten.
In Wirk lichkeit ist es so, daB nur die eine groBe
Uberfaltung der Berisal schiefer im Simplongebiet
nachgewiesen ist; a He an deren Decken sind „Luft-
decken", und damit fiillt natiirlich die Dynamo-Um-
wandlungshypothese. Das Vorkommen zahlreicher typischer
Kontaktmineralien und hornfelsartiger Gesteine in den schistes
lustres hat schon seit langem die Aufmerksamkeit der Geologen
auf sich gelenkt. Aber nur wenige haben es gewagt, sie als
Produkte echter Kontaktmetamorphose zu deuten, weil die
dazu notigen Eruptivgesteine zu fehlen schienen. Die Gneise
waren zwar da, aber sie sollten archaisch sein, und die meta-
morphen Gesteine lagen zwar. z. T. am Kontakt mit diesen
Gneisen, aber z. T. auch entfernt yon denselben. Hatte man
Eruptivgange yon den Gneisen ausgehend und in die Sedimente
eindringend gesehen, dann wiirde auch Schmidt (Eclogae IX,
S. 515) sofort sich zur Kontaktmetamorphose bekannt haben.
Aber er fand solche Begleiterscheinungen intrusiyer Granite
nicht. Und doch sind sie da, nur hat eine spatere Gebirgs-
faltung die urspriingliche Form der Intrusiymassen bedeutend
verwischt. Die Apoph)rsen sind bei den groBen Massen-
bewegungen haufig yon dem Granitstock abgerissen worden
und stecken jetzt oftmals wie Einschliisse in den krystallinen
Sedimentgesteinen. GroBere Verzweigungen der Granitmassen
sind auch heute noch unverkennbar, aber unter dem Banne
einer allvermogenden Faltungstheorie hat man gerade diese
trefflichen Zeugen der Intrusion eliminiert und so aus jeder
groBen Apophyse (z. B. der bis 80 m breiten Eistenapophyse)
138
einen Spezialsattel geoiacht. Man wurde dabei noch unterstiitzt
durch die Meinung, daB die Parallelstruktur im Gneis keine
ursprungliche Intrusiystruktur sei, sondern erst bei der Gebirgs-
bildung durch Dynamometamorphose erzeugt wurde. Auch auf
die zahllosen Quarzgange und Knauer, die in den Kalk-
phylliten oftmals in geradezu erstaunlichen Mengen liegen und
die wegen ihrer Massenhaftigkeit unmoglich durch Lateral-
secretion erklart werden konnen, hat man hier kein Gewicht
gelegt, wahrend sie doch recht deutlich auf „postvulkanischect
Prozesse hindeuten. Auch sie tragen jedoch die deutlichen
Spuren spaterer Storungen durch die Gebirgsfaltung an sich
und sind ein weiterer Beweis dafur, dafi die ^rauitischen In-
trusionen nicht erst in oligocaner Zeit, sondern vor der alpinen
Faltung entstanden sind.
Einige Geologen, die weder in der Dynamo- noch in der
Kontaktmetamorphose eine geniigende Erklarung fanden, ver-
suchten es mit dem Regionalmetainorphismus, den sie in einem
Sinne auslegten, der sich den alten Anschauungen B. Studers
erheblich naherte. Aber iiber allgemeine Erorterungen ist diese
Hypothese mit Bezug auf das Simplongebiet nicht hinaus-
gekommen. Mit dem Worte „Regionalmetamorphismus" ist
bisher fast yon jedem Autor, der dieses "Wort gebrauchte, ein
besonderer Sinn verknupft worden, so da8 es unmoglich isty
dasselbe fernerhin noch zu gebrauchen, es sei denn, da8 man
jeweils eine besondere Interpretation clazu gibt oder, etwa wie
in der zoologischen Systematik, den Autornamen hinzufugt,
z. B. Regionalmetamorphose Lossen, — Termier usw.
Andernfalls ware diese Bezeichnung fiir das Simplongebiet
recht passend gewesen, weil es -sich hier um eine groBe Region
handelt, die von einem Metamorphismus erfafit worden ist,
der nicht an eine einzige Intrusion gekniipft war, sondern an
yiele, deren Kontaktwirkungen sich z. T. gekreuzt und ver-
starkt habeu, und die auch nicht gleichzeitig, sondern im Laufe
einer langeren Periode hintereinander aufgetreten sind, und die
nicht nur mit Kontaktwirkungen gearbeitet haben, sondern
denen auch pneumatolytische (postvulkanische) Beeinflussuugen
in den umgebeuden Gesteinsmassen eigen waren.
Da nun der Ausdruck „Regionalmetamorphosect
fiir die sowohl dem Simplongebiet als auch der
ganzen Zone der schistes lustres eigenartige Gesteins-
umwandlung nicht anwendbar erscheint, so durfte sich
vielleicht als Ersatz das Wort „ In j ektionsmeta-
morphose" empfehlen.
139
f) Die eruptiven Gneisgdnge von Candoglia.
Bei der Wichtigkeit, welche, wie aus dem vorausgehenden
Kapitel hervorgeht, dem Nachweis unzweifelh after eruptiver
Gneisgange zukomrnt, will ich hier einige beschreiben, die
zwar nicht niehr im Simplongebiet selbst liegen, sondern un-
gefahr 40 km weiter im Siiden, deren Situation aber eine
solche ist, daB ihnen Beweiskraft auch fiir das Simplongebiet
uninittelbar zukommt.
Zur Orientierung iiber den Fundplatz sei darauf hinge-
wiesen, . daS die Berisalschiefer, welche im Simplongebiet
iiberfaltet sind, bei Domo d'Ossola ihre „Wurzel" haben. Sie
stelien dort an und schieflen in den Talboden ein, unter dem
sie verschwinden. Auf Schmidt's Ubersichtskarte 1:350 000
sind sie zwar als solche dort eingetragen, aber jedenfalls
haben sie gegen Siiden eine weitere Ausdehnung. Am Wege,
der von Domo iiber den Calvarienberg nach Calice fiihrt, sah
ich sie deutlich anstehen, mit Neigung nach NW und nord-
ostlichem Streichen. Am Calvarienberg selbst freilich steht
echter Gneis an, der aber in den Berisalschiefern eine Ein-
lagerung bildet. Ich habe die Grenze gegen den im Siiden
angegebenen Tessiner- bezw. Antigorio-Gneis nicht erreicht.
Auch die sog. Iyreazone, welche zwischen Pie di Mulera und
Oruavasso von dem Ossolatal gequert wird, habe ich an diesen
Stelien nicht untersucht, aber bei einer Querung derselben
weiter im Siidwesten von Yarallo iiber Colle di Baranca nach
Pie di Mulera habe ich mich davon iiberzeugt, claB von den
geheimnisvollen Wurzeln, die die Nappisten darin zu suchen
geneigt sind, nichts zu sehen ist. Gneis, Granit, Diorit und
verwandte Tiefengesteine, z. T. mit ausgezeichneter Randfacies
und Kontakthofen, sind gegeniiber den stark umgewandelten
Sedimentgesteinen weitaus vorherrschend.
Im Siiden dieser Zone, d. h. da wo die basischen Tiefen-
gesteine, welche der Ivreazone ihren Charakter verleihen, enden,
stelien sich bei Ornavasso Schiefer mit Marmorlagern ein,
denen man, da sie mit Gneisen wechsellagern, friiher ein sehr
hohes Alter zugeschrieben hat. Carl Schmidt hat aber 1907
dieselben mit seinen triasischen Schiefern des Simplongebietes
identifiziert und ihr Yorkommen im Gneis als Folge einer
muldenformigen Einfaltung gedeutet. In diesem Schiefer liegen
oberhalb Candoglia die von altersher beriihmten Marmorbriiche.
Eine Fahre bringt uns von Ornavasso aus iiber die Toce, und
ein FahrstraBchen zieht sich von da in etwa 8 Kehren zum
untersten der Marmorbriiche hinauf.
140
Kombiniert man die Aufschltisse an d ein Wege mit denen
des Marmorbruches so hat man eine geschlossene Reihe von
Schichten, die bei nordostlichem Streichen steil aufgerichtet
sind und meist senkrecht stehen. Im Siidosten herrschen dunkel-
farbige Quarz - Glimmerschiefer, gegen Nordwesten folgen die
Marnioreinlagerungen, mit denen sich auch helle Quarzite ein-
stellen. Der Marmor ist meist unrein und sehr glimmerreich,
so daB er nicht verwendbar ist, aber bereits in der Hohe des
untersten Bruches liegt in solchen Marmoren eine etwa 20 Meter
machtige rein ere Marmormasse, die weiter unten am Gebange
ganz zu fehlen scheint. Beim Bau des FahrstraBchens sind an
mehreren Stellen gate Aufschltisse geschaffen worden. Zu unterst,
wo es durch eine parkahnliche Anlage hindurch ftihrt, sieht
man dunkle, glimmerige Schiefer, z. T. von hornfelsartigem Ha-
bitus, in seigerer Stellung anstehen. Sie schlieBen drei Marmor-
banke und zwei Gneislager in konkordanter Aufeinanderfolge ein.
Der Marmor ist sehr glimmerreich. Der Gneis ist dunnplattig
und wenig machtig. Im Schiefer fallen kleine Linsen von
Quarz und Feldspat auf. Langs des Zickzack-FuBweges,
welcher die langen mittleren Kehren abktirzt, sieht man
ahnliche Profile, nur werden die Gneiseinlagen mach tiger, und
die stark gefaltelten Schiefer sind nicht nur von Quarzknauern,
sondern auch von Linsen und Streifen von Feldspat und Quarz
erftillt. Auch im Marmor, gleich unterhalb des Marmorbruches,
sitzt ein 4 Meter breiter pegmatitischer Gang mit groBen Feld-
spaten, Quarz, Glimmer- und Hornblende auf.
Schon hieraus geht hervor, daB die Gneise und Granit-
gange jtinger sein mtissen als der Marmor und die Schiefer,
in die sie erst nachtraglich injiziert worden sind. Am tiber-
zeugendsten aber wirkt der AufschluB an der groBten der
StraBenkehren, die am weitesten nach Stiden vorspringt und
etwa auf halber Hohe zwischen dem Talboden und dem
Marmorbruch liegt. Hier fehlen die Marmorlager und herrschen
quarzige und glimmerige Schiefer. In diesen liegen mit deut-
licher Diskordanz und in durchgreifender Lagerung zwei Gneis-
gange, wie dies in beistehender Figur wiedergegeben ist. Da
ist ein Zweifel nicht mehr moglich. Es sind wirkliche Eruptiv-
gange, und jeder Versuch, sie als mechanisch eingepreBte iiltere
Gneis-Schuppen oder -Schollen zu erklaren, erscheint hier vollig
aussichtslos. In ahnlicher Weise sollten wir auch im Simplon-
gebiet Gneisgange in den mesozoischen Schichten zu finden
erwarten, und bei Eisten sowie am Wege zum GiacomopaB
haben wir ja auch etwas derartiges kennen gelernt. Nur
reicht der AufschluB dort nicht tief genug in den Boden
141
hinein. Ehe die FahrstraBe bei Candoglia gebaut worden war,
konnte man von dern jetzt so deutlichen Gneisgang wahrschein-
licli auch nur selir wenig sehen.
B. Lindemann hat schon 1904 auf Grund mikroskopischer
Untersuchung diesen Marmor fiir einen durcb Kontaktmeta-
rnorphose umgewandelteu Kalkstein erklart, wennschon er das
bewirkende Tiefengestein nicbt nacbweisen konnte. Eine weit
eingehendere Beschreibung bat Tacconi neuerdings gegeben
(Bd. 50 der Atti della soc. ital. di scienze nat. Milano S. 55 — 88),
die mir leider zur Zeit meines Besuches Ton Candoglia nicbt
bekannt war, die aber mit meinen Beobachtungen in gutem
Einklang steht. Er hat festgestellt, daB ein aus Feldspat, Quarz,
Gneisgange im Scliiefer oberhalb Candoglia im Ossola Tale.
Rechts iiber den Weg kleine Quelle.
Muscovit, Turrnalin, Apatit und Granat zusammengesetzter
pegmatitischer Gang stets im Kontakt mit dem Hauptmarmor-
lager auftritt und auch kleine Apophysen in denselben entsendet.
Aul3erdem sah er noch andere, quarzarmere pegmatitische Gange,
zu denen der Yon mir beobachtete und oben erwahnte gehoren
diirfte, darin auftreten, die yorwiegend aus Feldspat (Mikroklin),
wenig Quarz, aber Yiel Pyroxen, Hornblende und aufierdem aus
Turrnalin, Klinozoisit, Apatit und Titanit zusammengesetzt
sind. Am Kontact mit dem Marmor miscben sich haufig diese
Bestandteile mit denen des Marmors, so daB eine scharfe Grenze
zwischen beiden Gesteinen nicht besteht.
Im Marmor fand er als Einsprenglinge zwischen den Calcit-
krystallen Qnarzkorner mit Flussigkeitseinschlussen, Phlogopit,
Pyroxen, Amphibol, Epidot, Skapolith, Titanit, Apatit, Kupfer-
kies, Pyrit, Magnetkies und Magneteisen. In der Nahe der
Pegmatitgange stellen sich Feldspat, Granat und OliYin ein.
Dort haufen sich auch auf Kosten des Calcites die anderen
erwahnten Mineralien, besonders die Amphibole, Pyroxene und
aus umgewandeltem Olivin herYOrgegangener Serpentin, und die
Sulfide konzentrieren sich zu Schniiren und Knollen. Unter dem
142
Mikroskop erkannte Tacconi, daB gerade in diesen Kontakt-
zonen zwischen Marnior und Pegmatit oder Gneis die Mineralien
starke mechanische Deform ationen erhalten haben. Er zielit
daraus den SchluB, dafi die regionale oder Dynainometaniorphose,
selbst wenn man sie mit der thermodynainischen Metamorphose
zusammennimmt, nicht ausreicht, um die yon ihm beobachteten
Tatsachen zu erklaren, und dafi jedenfalls auch Kontakt-
metamorphose wirksam gewesen sein niuB. Was aber auf
Rechnung der einen oder der anderen Art Yon Metamorphose
zu stellen sei, gibt er nicht an und auch die you mir beschriebenen
Gneisgange in der Nahe des Marmorlagers erwahnt er nicht.
Wenn man aber das Vorhandensein einer Kontaktmetamorphose
zugibt, und es scheint mir dies unbedingt notwendig zu sein,
•dann wird man ihr ohne Zweifel die Marmorisierung des Kalk-
steines und die Ausscheidung der meisten Silikatmineralien,
•der Quarze und Erze zuschreiben miissen, und fiir die Dyna-
mometamorphose bleiben dann hauptsachlich nur noch die
mechanischen Storungen tibrig, die sich damit zugleich als ein
spaterer Vorgang dokumentieren. Das stimmt aber Yollkommen
iibereinmit demErgebnis, zu dem ich im Simplongebiet gekommen
bin, daJ3 die Injektion der Gneise Yor der alpinen Faltung ein-
^etreten ist und daB letztere den Marmor als solchen schon
Yorgefunden hat.
II. Die Tektonik des Simplongebietes.
Die Ergebnisse des Yorausgehenden Teiles lassen ohne
weiteres vermuten, daB mit der stratigraphischen Grundlage,
^uf der sich wahrend der Durchfiihrung des Simplontunnels die
neue tektonische Auffassung herausgebildet hat, auch letztere
selbst hinfallig geworden ist.
Die postliasischen Gneise konnen nicht mehr als die archa-
ischen Kerne groBer liegender Faltendecken in Anspruch ge-
nommen werden, und noch Yiel weniger konnen sie als Beweise
flir die Existenz dieser Falten dienen. Es ist notwendig, die
ganze Tektonik umzuarbeiten und alle geologischen Profile
unizuzeichnen. Das konnte nun als eine leichte Arbeit erscheinen,
bei der nichts weiter zu tun ware, als in die alten Profile die
neuen stratigraphischen Werte einzusetzen. Aber leider sind die
neuen Werte nicht von gleicher Bestimmtheit wie die alten.
Das geht aus einer kurzen Rekapitulation derselben hervor.
Wir haben erkannt, daB unter den Sedimentgesteinen die
Berisalschiefer die tiefste Stellung einnehmen. Sie sind min-
destens palaozoisch, doch ist ein archaisches Alter nicht yoII-
.standig ausgeschlossen. Die Bacenoschiefer hingegen sind ganz
143
unsicher, unci es ist ebensowohl moglich, dafi sie deni Mesozoicum
wie dem Palaozoicurn angehoren. Alle sonstigen Sedimente
durfen zwar mit groBter Wahrscheinlichkeit ins Mesozoicum
gestellt werden, und ein Teil derselben gehort sicher zum Lias,
ein anderer Teil hochstwahrscheinlich zur Trias, aber von
groBen Teilen ist es ganz ungewiB, ob sie der einen oder
anderen dieser zwei Perioden oder vielleicht auch keiner von
beiden angehoren. Sie miissen, solange diese UngewiBheit
besteht, in den Profilen stets rnit Fragezeichen erscheinen und
lassen in vielen Fallen erne sichere Beantwortung der tektonischen
Fragen nicht zu. Sie machen eindeutige Profile zur Unmoglich-
keit. Aus deren Yieldeutigkeit kann man jedoch dem Geologen
keinen Vorwurf machen, denn ultra posse nemo obligatur. Die
Erkenntnis, daB die meisten Gneise und die Grunschiefer
Intrusivgesteine sind, raubt diesen ebenfalls einen guten Teil
ihres stratigraphischen Wertes, den sie bisher gehabt haben.
Gleichwohl bleibt von dieser weitgehenden Umpragung
der Werte eine tektonische Tatsache von seltener GroBartigkeit
unberiihrt, deren Feststellung wir den unermiidlichen Arbeiten,
inbesondere von Pkeiswerk, Schardt, Schmidt und Stella ver-
danken. Es ist dies die Uberlagerung des gesamten Komplexes
mesozoischer Gesteine durch die alteren Berisalschiefer ; auf sie
miissen wir deshalb zunachst unser Augenmerk richten. Doch
sei es gestattet einiges liber die vou mir angewendete tektonische
Terminologie voraus zu schicken.
l. Zur tektonischen Terminologie.
Faltungen von groBer Ausdehnung und sehr verwickelter
Gestalt spielen im Simplongebiet eine bedeutende Rolle. Es
erscheint deshalb notwendig, bei ihrer Beschreibung fur die
einzelnen Faltenteile eine Nomenklatur zur Anwendung zu
bringen, iiber deren Bedeutung ein Zweifel nicht bestehen
kann. Unzweideutig in dieser Beziehung sind die Worte
Falte, Mulde, Sattel oder Gcwolbe, Fliigel oder Flanke
(das Wort ,,Schenkel" gebrauche ich nicht gern, weil ihm der
Begriff der flachenhaften Ausdehnung abgeht), Mulden- und
G-ewolb ekern, G ewolb esche itel oder -first, Mulden-
boden (erscheint mir besser als „Muldenbiegungu oder gar
^,Muldenscheitel"), Mulden- und Sattelachse. (ziehe ich dem
Wort „Linie" vor, weil es zugleich dem Begriffe der Schichten-
•drehung Ausdruck verleiht), Achsenflache (in der die Achsen
samtlicher verbogenen Schichten eines Mulden- oder Gewolbe-
kernes liegen und die nnr in seltensten Fallen eine Ebene sein,
und weshalb Achsenebene nicht als ein Synonym angesehen
144
werclen kann), stehende, schiefe oder geneigte, iiber-
gekippte,liegende und iiberstiirzte oder t auch en de Falten,
Mulden und Sattel, Mittelfliigel, der zwischen einer Mulde
und einem Sattel liegt, isoklinale imd antiklinale Mulden,
Sattel oder Falten.
AuJBerdem hat man zwischen offenen und geschlossenen
Falten zu unterscheiden. Isoklinale koinmen nur bei ge-
schlossenen Falten yor, cloch konnen letztere auch antiklinal
sein. Das Wesentliche der geschlossenen Falten besteht darin,
dafi die urspriingliche Oberflache der Schichtmasse durch die
spatere Faltung in den Mulden aufeinanderzuliegen kam.
In solchen Muldenkernen bildet diese Oberflache die Trennungs-
fliiche zwischen den beiden Muldenflugeln, und ich will sie
deshalb die M edianfl ache oder kurzweg die Mediane nennen.
Sie liegt stets in der Fortsetzung der Muldenachsenflache, und
ihre Gestalt ist abhangig sowohl von der urspriinglichen Ober-
flache als auch von den tektonischen Bewegungen bei der Faltung.
Man kann deswegen auch nicht erwarten, daB die Mulden-
medianflachen stets genau in der Mitte derMuldenkerne liegen,
da ja die beiderseitigen Muldenfliigel primar verschieden machtig
gewesen sein konnen. Aufierdem werden sie nur selten Ebenen
sein, sondern meistens einen mehr oder minder unregelmafiigen
Verlauf haben.
Eine besondere Beachtung verdienen die Faltungen der
Falten, worunter ich jedoch nicht jene feine Faltelung und
.Knitterung der Schichten verstehe, die besonders in schieferigen
Gesteinen im Simplongebiet die Regel ist, sondern die grofieren
Faltungen sowohl der Faltenfliigel in ihrer Fallrichtung als
auch der Faltenachsen in ihrem Streichen. Sie konnen schon
ursprunglich bei der Hauptfaltung oder erst nachtraglich ent-
standen sein infolge eines zweiten Faltungsprozesses, einer
Nachfaltung, durch die die alteren Falten noohmals zu
Mulden und Satteln zusammengeschoben worden sind. Im
ersteren Falle sind es sogen. Neben- oder Spezialfalten,
und man spricht von Mulden satteln, wenn sich kleine Sattel
innerhalb einer grofieren Mulde, von Sattelmulden, wenn
sich kleinere Mulden auf einem grofieren Sattel herausgebildet
haben. Ftir den zweiten Fall fehlt uns eine gute Bezeichnung.
Man spricht wohl von gefalteten oder wiedergefalteten Falten,.
aber fur die einzelnen Erscheinungsformen sollt-e es Be-
zeichnungen geben, die sofort den eigenartigen Sachverhalt
erkennen lassen. Dies gilt besonders ftir Faltungen schon
vorhandener liegender Falten. Es konnen da Gewolbe oder
Mulden entstehen, die nach dem gekriimmten Yerlauf der
Erklarungen zu Tafel I.
Hippopotamus hipponensis Gaudry.
Fig. 1. Linker oberer I 2, a von auBen, b von vorn, e Querschnitt in
Mitte der Hohe.
Fig. 2. Linker oberer C, a von innen, b Querschnitt in Mitte der
Hohe.
Fig. 3. Reenter oberer P 3, a von unten, b von auBen.
Fig. 4. Reenter oberer P 4, a von unten, b von innen.
Fig. 5. Reenter oberer M 2 von unten.
Die Originale zu Tafel I — III stammen bis auf das zu Fig. 1
Taf. Ill samtlich vom Garet el Muluk und befinden sich bis auf dieses
in der palaontologischen Staatssammlung in^Miinchen. AUe Figuren
sind in natiirlicher GruBe ohne Spiegel gezeichnet.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Tafel L
2b
A. Birkmaier gez.
Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin W.
Erlauterungen zu Tafel II.
Hippopotamus hippo nensis Gaudry.
Fig. 1. Unterer I 1, a seitlich, b Querschnitt unter der Mitte.
Fig. 2. Rechter unterer I 2, a von auBen, b Querschnitt unterhalb
des Schmelzes.
Fig. 3. Linker unterer C, a von aufien, b Querschnitt in Mitte der
Hohe.
Fig. 4. Rechter unterer P 4, a von inuen, b von oben.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1014.
Tafel II.
Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin W.
Erlanterungen zu Tafel III.
Hippopotamus hipponensis Gaudry.
Fig. 1. Rechter unterer P 2 von innen. Original zu Stromer 1905, '
Taf. 20, Fig. 5 vom Profil C, im Senckenberg-Museum.
Fig. 2. Rechter unterer M 2, a von oben, b von auBen.
Fig. 3. Rechter oberer D M 3, a von unten, b von innen.
Fig. 4. Linker oberer DM4 von unten.
Fig. 5. Linker unterer D C, hinten abgekaute Spitze, a von auBen,
b Querschnitt unten an ihr.
Fig. 6. Rechter unterer DM2 von innen.
Fig. 7. Rechter unterer DM3, wenig abgekaut, a von innen, b von j
oben.
Fig. 8. Rechter unterer DM3, maBig abgekaut, von oben.
Fig. 9. Rechter unterer DM3, stark abgekaut, von oben.
Fig. 10. Linker unterer DM4, sehr stark abgekaut, von oben.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Tafel III.
A. Birkmaier gez.
Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin W.
Zeitschirft der Deutschen Geologischen (
Taf. IV
Zeitschr. d. Deutsi
Taf. V.
Zeitschrift
der
Deutschen Geologischen Gesellschaft.
(Abhandlungen und Monatsberichte.)
A. Abhandlungen.
2. Heft. 66. Band. 1914.
April bis Juni 1914.
(Hierzu Tafel YI-XXI).
Berlin 1914.
Verlag von Ferdinand Enke,
Stuttgart.
INHALT.
Aufsatze:
4. ECK, OTTO: Die Cephalopoden der Schweinfurth-
schen Sammlung' aus der Oberen Kreide Ag-yptens.
(Hierzu Tafel IX bis XIX und 20 Textfig-uren) . . 179
5. LOTZE, K.: Beitrage zur Geologie des Aarmassivs
(Untersuchungen iiber Erstfelder Gneise und Innert-
kirchener Granit). (Hierzu Tafel XX bis XXI und
Textfiguren) 217
Deutsche Geologische Gesellschaft.
Vorstand fur das Jahr 1914
Vorsitzender: Herr Wahnschaffe*]* Schriftfiihrer : Herr Bartling
Stellvertretende Vor- { „ Bornhardt „ Hennig
sitzende: { „ Krusch „ Janensch
Schatzmeister: „ Michael „ Weissermel
Archivar: „ Schneider
Beirat fiir das Jahr 1914
Die Herren; FRECH-Breslau, FRICKE-Bremen, MADSEN-Kopenhagen,
OEBBECKE-Munchen, RoTHPLETZ-Muncheu, SALOMON-Heidelberg.
<§>
Mitteilungen der Redaktion.
Im Interesse des regelmaCigen Erscheinens der Abhandlungen und Monats-
berichte wird urn umgehende Erlediguug aller Korrekturen gebeten.
Die Manuskripte sind druckfertig einzuliefern. T)ie Kosten fiir
Korrekturen, Zusatze und Anderungen m der 1. oder 2. Korrektur werden
von der Gesellschaft niir in der Ho he von 6 Mark pro Druckbogen getragen; alle
Mehrkosten fallen dem Autor zur Last.
Der Autor erhalt in alien Fallen eine Fatmenkorrektur und Bach Umbrechen
des betreffenden Bogens eine Revisionskorrektur. Eine dritte Korrektur kann
nur in ganz besonderen Ausnahmefallen geliefert werden. Fiir eine solche hat
der Autor die Kosten stets ganz zu iibernehmen.
Im Manuskript sind zu bezeichnen:
Uberschriften (halbfett) doppelt unterstrichen,
Lateinische Fossilnamen (kursiv!) durch Schlangenlinie,
Autornamen (Majuskeln) rot unterstrichen,
Wichtige Dinge (gesperrt) schwarz unterstrichen.
®
Bei Zusendungen an die Gesellschaft wollen die Mitglieder
folgende Adressen benutzen:
1. Manuskripte zumAbdruck in der Zeitschrift, Korrekturen sowie darauf
beziiglichen Schriftwechsel Herrn Konigl. Geologen, Privatdozenten
Dr. Bartling,
2. Einsendungen an die Bucherei sowie Reklamationen nicht eingegangener
Hefte, Anmeldung neuer Mitglieder, Anzeigen von Adressenanderungen
Herrn Sammlungskustos Dr. Schneider,
beide zu Berlin N 4, Invalidenstr. 44.
3. Anmeldung von Vortragen fiir die Sitzungen Herrn Professor Dr.
Janensch, Berlin N.4, Invalidenstr. 43.
4. Sonstige Korrespondenzen an Herrn Geh. Oberbergrat Bornhardt,
Charlottenburg, Dernburg-Str. 49 oder Herrn Professor Dr. Krusch,
Berlin N4, Invalidenstr. 44.
5. Die Beitrage sind an Herrn Professor Dr. Rich. Michael, Charlotten-
burg, Kaiserdamm 74, Postscheckkonto Berlin NW 7, Konto Nr. 16 071
oder an die Deutsche Bank, Depositenkasse Q, fur das Konto „Deutsche
Geologische Gesellschaft E. V.u porto- und bestellgeldfrei einzuzahlen.
145
Gesteinsbanke als- solche sofort zu erkennen sind und
dennoch von den gewohnlichen normalen Schichtgewolben und
-mulden sich sehr wesentlich unterscheiden. Bei diesen liegen
jeweils die altesten Schichten (1 der Figur) im Gewolbekern,
die jiingeren (2) im Muldenkern. Jeder Fliigel besteht aus einer
einmaligen Aufeinanderfolge der altersverschiedenen Schichten,
und wo bei liegenden Falten drei Fliigel tibereinanderliegen,
ist die Reihenfolge der Schichten nur im Mittelfliigel eine zur
Altersfolge verkehrte. Anders ist das bei den Mulden und
Satteln einer nochmals gefalteten liegenden Falte. Hier
Fig. 25.
Einfache Uberfaltung mit liegendem Gewolbe.
Uberfaltung mit Nachfaltung.
besteht jeder Mulden- und jeder Gewolbeflugel aus einer drei-
maligen "Wiederholung der ganzen Schichtserie. Die oberste
und unterste haben normale, die mittlere yerkehrte Altersfolge.
Ist yon solchen Mulden und Satteln zufallig nur die obere
oder untere Schichtserie der Beobachtung zuganglich, dann
erscheinen sie wie einfache und normale Mulden und Sattel.
Ist aber nur die mittlere Serie zu sehen, dann kann man unter
vollstandiger Yerkennnng des wirklichen Sachverhaltes yer-
fuhrt werden, entweder an der Richtigkeit der Altersbestimmung
zu zweifeln und die jtirigsten fiir die altesten Schichten zu
halten, oder anzunehmen, daB infolge einer Drehung um 180°
die Mulden aus Satteln und die Sattel aus Mulden hervor-
gegangen seien.
Fiir solche in Wirklichkeit jedoch aus Einmuldungen und
Aufwolbungen entstandenen Mulden und Sattel ist eine be-
sondere Bezeichnung erforderlich. Da es sich hierbei um die
tektonischen Formen einer zyveiten oder Nachfaltung handelt,
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 10
146
so werde ich sie als Nachmulden und Nachsattel oder
Nachgewolbe bezeichnen. In dem gesetzlich sanktionierten
„Nacherben" haben wir im Deutschen ein Analogon fiir diese
Wortbilduug. Wiirde das Wort after im englischen Sinne
noch bei uns gebrauchlich sein, dann konnte man auch die
Bezeichnung Aftermulde und Aftersattel wahlen, was noch.
den besonderen Yorteil der Anwendbarkeit im Englischen
hatte (afterfold, aftertrough etc.).
2. Die Berisaliiberfaltung.
Soweit als die Berisalschiefer auf der Simplonkarte in die
Erscheinung treten, liegen sie auf den jiingeren mesozoischen
Sedimenten und deren G-neis-Intrusionen. Ihre Verbreitung ist
auf zwei voneinander getrennte Bezirke beschrankt. Yon
diesen habe ich den ostlichen nicht untersucht und ich weiB
nicht, inwieweit eine Identitat der im Osten des Antigoriotales
eingezeichneten Berisalschiefer mit denjenigen Yon Berisai
besteht. Nach dem Kartenbild erscheinen sie als Ausstrich
eines nach NW ubergekippten Doppelgewolbes, das von meso-
zoischen Schiefern auf der NW-Seite unter- und auf der SO-Seite
iiberlagert ist. Der Berisalkern tritt unter diesem Mantel im
SW beim Mte. Larone im Isornotal hervor und erstreckt sich
in nordostlicher Bichtung bis zur Marchenspitz und dem Dorfe
Bosco im gleichnamigen Tale, wo er unter die jiingeren Schichten
wieder untertaucht.
Tektonisch ganz unabhangig davon ist der Berisalschiefer
im Siiden und Westen der Simplonkarte. Er taucht im Osten
yon Domo d'Ossola (aufierhalb der Karte) auf und zieht sich
yon da in nordwestlicher Bichtung iiber Zwischenbergen bis
zum Simplonpafi mit Yorherrschend siidwestlichem Einfallen
seiner Schichten und stets auf den jiingeren mesozoischen Ge-
steinen und Schichten ruhend. Yom PaB aus greift er iiber
diese in Form einer schmalen, im Maximum bis 4 km breiten
und iiber 15 km langen Zunge in nordostlicher Bichtung hin-
iiber und erreicht damit den nordlichsten Punkt seiner Ver-
breitung am Cherbadung. Seine Nordgrenze lauft YOn diesem
Berge in westsiidwestlicher Bichtung iiber Berisai, SchieJ3horn,
Nanzliicke und Yisperterbinnen an die Westgrenze der Karte,
wo sie sich dann auf den Sudgehangen des Bhonetales weiter
bis Sion fortsetzt. Diese Uberfaltung — denn als eine solche
hiuB sie nach den Feststellungen im stratigraphischen Teile
gelten — hat sicher eine Weite von 20 km. Die mesozoischen
Schichten, die clementsprechend auch iiber diesem liegenden
Berisalgewolbe zu erwarten sind, erscheinen mit Ausnahme
147
einiger kleiner, abgelegener Pimkte auf der Simplonkarte
nicht, sondern stellen sich erst erheblich weiter im Siiden und
Siidwesten ein. Mit dem Gewolbe von Bosco hingegen hat
diese Berisalfalte keinen Zusammenhang imd kann ihn auch
nicht haben. Wenn sich also durch spatere Untersuchungen
herausstellen sollte, dafi bei Bosco die echten Berisalschiefer
gar nicht vorkommen und dafi dort gar kein liegendes Gewolbe,
sondern eine Mulde existiert, was aus den nachfolgenden
Erorterungen als nicht unwahrscheinlich hervorgehen wird, so
wird damit die Existenz der Berisaliiberfaltung in keiner Weise
betroffen.
Die Lagerung und Yerbreitung der Berisalschiefer, welche
uns zur Annahme einer so gewaltigen Uberfaltung zwingt, steht,
abgesehen von gewissen Einzelheiteu, aufier allem Zweifel. Sie
ist so augenfallig, dafi schon 1865 Gehlacii auf seiner Karte sie
mit einer verbliiffenden Genauigkeit eingetragen hat. Er be-
zeichnete die Berisalschiefer als Helvetanphyllite und Gneise
(Casannaschiefer z. T.), hielt sie aber fiir junger als die darunter-
liegenden Gneise, so dafi ihm diese Uberlagerung als etwas sehr
Natiirliches erschien. Heute, wo es infolge der genauen geologischen
Kartierung und der Aufschliisse, die der Simplontunnel gebracht
hat, nachgewiesen ist, dafi die Berisalschiefer zwar wohl iiber
jenen Gneisen, unmittelbar jecloch zunachst iiber mesozoischen
Kalkgesteinen liegen, dafi somit diese Uberlagerung eine abnormale
ist, mufi sie durch grofie tektonische Bewegungen erklart werden,
und es konnen dabei nur Uberschiebung 'oder Uberfaltung in
Betracht komnien. Nirgends aber, wo ich die Berisalschiefer
unmittelbar auf den Kalkschiefern liegend beobachten konnte —
und es bietet sich zu solchen Beobachtungen, besonders in der
Umgebung des Simplonpasses, guteGelegenheit — waren Anzeichen
einer Uberschiebungsflache oder Mylonitbildungen zu bemerken.
Uberfaltung ist somit beim gegenwartigen Stand uuserer Kennt-
nisse allein imstande, die Uberlagerung zu erkliiren. Die Kalk-
sedimente und Gneise entsprechen danach dem liegenden Flligel
dies gewaltigen Gewolbes unci zugleich dem hangenden Fliigel
•einer Mulde, die unter dem Gewolbe liegt.
Zu dieser liegenden Mulde sind alle die Gesteine zu rechnen,
die unter den Berisalschiefern im Norden und Osten heryor-
kommen, und es steht zu erwarten, dafi in ihr die verschiedenen
stratigraphischen Gliecler zweimal iibereinander auftreten, zu
oberst in verkehrter, zu unterst in normaler Lagerung, und dafi
zu allerunterst audi die Berisalschiefer wiedererscheinen werden,
falls die Erosion tief genug heruntergearbeitet hat.
Wenn wir nun von Westen nach Osten etwa in der Richtung
10*
148
Simplon-Hospiz — Cairascatal das Gebiet durchwandern, dann
ergibt sich folgende Reihenfolge von oben nach unten:
1. Berisalschiefer,
2. Kalkgestein,
3. Leonegneis,
4. Kalkgestein,
5. Valgrandegneis,
6. Kalkgestein,
5. Lebendungneis,
4. Kalkgestein,
3. Antigoriogneis,
2. Kalkgestein.
Die liegenden Berisalschiefer sind also wirklich nicht auf-
geschlossen, sonst aber entspricht die Schichtfolge genan der
einer liegenden Mulde, denn wir sind ja berechtigt, den Leone-
mit dem Antigoriogneis zn identifizieren. Die Muldenmediane
liegt im Kalkgestein 6.
3. Die Formazza-Uberfaltung.
Der liegende Fliigel der Berisalfalte zeigt besonders
da, wo der hangende Fliigel fehlt, bedeutende Yerbiegungen,
die ich als die Formazza-Uberfaltung bezeichne, weil sie zu
beiden Seiten dieses Tales am deutiichsten entwickelt ist. Es
liegen dort sicher zwei Falten ubereinander. Die untere beginnt
im SW am Teggiolo und zieht mit ihrem Stirnrand in nord-
ostlicher Richtung iiber Goglio im Deverotal und den Busin-
See nach Oberfrutt im Formazzatal. Die zweite beginnt erst
im Osten yon Formazza nnd zieht ins Basodino-Massiv hiniiber.
Soweit die Aufschliisse reichen, zeigen sich die Berisalschiefer
nirgends in diesen Falten.
Wahrend es bei der Berisaluberfaltung ungewiB ist, ob sie
mehr nach Norden oder mehr nach NO gerichtet war, lassen
die Formazzafalten eine nordwestliche Faltungsbewegnng sehr
deutlich erkennen, und es ist diese Diskordanz der Bewegungs-
richtungen eine Erscheinung von grower tektonischer Bedeutung^
4. Die Bedrettofaltung.
Die engen stehenden Falten bei Brig, die zwischen dem
Gneis des Aarmassives und der Berisalfalte eingezwangt sind,
streichen in ostnordostlicher Richtung iiber Binn und den
NufenenpaB ins BedrettotaL Nicht nur durch ihre Streichrich-
tung, sondern auch durch ihre Form unterscheiden sie sich sehr
auffallig von den liegenden Formazzafalten und der Berisalfalte.
149
Mit ersteren treffen sie am GiacomopaB zusammen, wahrend
sie bei Brig, in nordsiidlicher Richtung gemessen, schon einen
Abstand von 11 km von ihnen haben.
Diese drei Faltungseinheiten lassen sich trotz der be-
stehenden stratigraphischen Schwierigkeiten ziemlich genau
feststellen, und sobald man auf der geol. Simplonkarte die
Yeranderungen vornimmt, zu welchen uns die Stratigraphie
zwingt, dann wird man auch aus ihr ohne weiteres die drei
Faltungsziige herauslesen. Viel schwieriger jedoch ist es, die
zeitlichen und ursachlichen Beziehungen zu erkennnen, die
zwischen ihnen bestehen. Da ist es notwendig, durch ein
minutioses Studium der Einzelheiten die Anhaltspunkte zur
Entzifferung der tektonischen Yorgeschichte zu gewinnen. Ein
uniibertreffliches Hilfsmittel dazu hat der Simplon-Durchstich
geliefert, dem wir uns deshalb zunachst zuwenden wollen.
5. Der Simplontunnel.
Die geologischen Aufschliisse in diesem Tunnel haben fiir
die Auffassung des Gebirgsbaues in diesem Gebiete eine wahre
Revolution gebracht. Sie sind von solch grundlegender Be-
deuturig geworden, daB sie auch hier eine besondere Besprechung
erfordern. Was wir dariiber wissen, verdanken wir in erster
Linie den 31 Rapports trimestriels au Conseil federal Suisse
sur l'etat des travaux du percement du Simplon, vom
31. Dezember 1898 bis zum 30. Juni 1906, in denen Schakdt
die jeweils durchfahrenen Gesteine und ihre Schichtlage in
besonderen Kapiteln beschrieben hat. Der besondere Wert,
den diese Berichte haben, liegt darin, daB sie den Tatbestand
genau verzeichnen, soweit er damals bemerkenswert erschien,
und dafi bei der Auswahl der Mitteilungen nicht theoretische
Gesichtspunkte mafigebend waren, sondern in erster Linie die
praktisch wichtigen. Diese Unbefangenheit der Darstellung ist
fiir uns von groBtem Wert und laJt gern iiber das Fehlen
genauerer petrographischer Untersuchungen hinwTegsehen, die
erst nach langerer Studienzeit zu geben moglich war,
und die ja auch in Aussicht gestellt sind1). Weitere Beitrage
hat Schardt 1903, in Note sur le profil geologique et la
J) Die interessante Arbeit von H. Preisaverk: „Die metamorphen
Triasgesteine im Simplon Tunnel", erschienen in den Verh. der naturf.
Ges. Basel 1913, ist mir vom Verfasser leider erst zu einer Zeit zuge-
schickt worden, als das Manuskript schon abgeschlossen war. Die
darin festgestellte Mineralfuhrung der „triassischen" Gesteine steht mit
meiner Auffassung in bestem Einklang.
150
tectonique du Massif du Siinplon, und C. Schmidt geliefert,
der auch fur einzelne Tunnelstreckeu Profilzeichnungen gegeben
hat (Fiihrer zu den Exkursionen der D. G. G. 1907, S. 56
bis 63). Seine Aufsatze in den Eclogae (1907) und in den
Erlauterungen zur Simplonkarte (1908) enthalten allerdings
nur recht sunimarische Angaben iiber die Tunnelaufschliisse, und
das im Marz 1905 yon C. Schmidt u. H. Preiswerk ent-
worfene (Eclogae a. a. 0., Taf. 8) Profil 1 : 50 000 gibt die-
selben ziemlich schematisch und mit starker theoretischer
Farbung wieder. Ich kann es deshalb unserer Besprecbung
hier ebensowenig zugrunde legen wie die yielen anderen
seitber yeroffentlichten Profile yon Schardt, Schmidt, Stella
u. a., deren MaBstab 1: 150 000 oder noch kleiner ist.
Icb babe nacb den ScHARDTscben Angaben ein Tunnelprofil
1:10 000 gezeicbnet und micb dabei nur an die Rapports
trimestriels gehalten. Dann erst habe icb dasselbe in das
Simplonoberflachenprofil eingesetzt, das ich yorher genau in
der Pichtung der Tunnelacbse durcb das Gebirge gelegt hatte.
Auf diese "Weise erbielt icb zwei raumlicb yoneinander ge-
trennte auf tatsachliche Beobacbtungen gestiitzte Profile, die
icb dann in Fig. 1, Taf. I mit punktierten Konstruktions-
linien yerbunden babe. Dadurcb soil scbarfer als dies bisber
gescbab, zwiscben Tatsacben und Vermutungen unterscbieden
werden, was nacb den Ergebnissen des stratigrapbiscben Teiles
unbedingt erforderlicb erscbeint.
Wenn wir uns nun dem Tunnelprofile zuwenden, so fallt
es auf, daB yom Nordportal weg die Scbicbten alle ganz steilr
meist sogar yertikal stehen, gegen SO bin sicb langsam urn-
legen, so daB sie ein nordwestliches Einfallen erbalten, dann
iminer flacher werdend, bei Km. 6 (yom Sudportal) sogar
yollstandig borizontale Lagerung annebmen und weiterbin bis-
zum Sudportal in eine Neigung nacb SO iibergeben. Im
ganzen also, wenn wir yon raumlicb begrenzten Storungenr
die bernacb zu besprecben sind, abseben, bietet sicb uns das
Bild eines flacb gespannten weiten Gewolbes dar, dessen
nordlicher Fliigel jedocb steiler als der siidlicbe aufgericbtet
ist und zuletzt sogar in yertikale Stellung iibergebt. Sobald
wir aber die petrographiscbe Bescbaffenheit und den strati-
grapbiscben Wert der einzelnen Schicbten ins Auge fasseDy
yerscbwindet dieses einfacbe Bild sofort, und es bait scbwer, in
dem Wirrsal der Erscbeinuugen GesetzmaBigkeiten ausfindig;
zu macben.
151
6. Das Tunnelprofil.
Yom Nordportal weg durchfuhr man:
I 677 m Glanzschiefer, nur teilweise kalkhaltig,
meist von Quarz- und Calcitadern durchsetzt,
erst 40° nach SO fallend, langsam sich steiler
stellend bis 85° und zuletzt sogar steil nach
NW geneigt.
II 38 m grauer und weifler Anhydrit und Gips
mit Dolomiteinlagen, zu beiden Seiten yon
weiBem sericitischen Schiefer eingescklossen
(km 0,677—0,715).
Ill 521m Glanzschiefer wie oben 95 m, 60 — 65°
nach SO fallend, 10 m Zerknitterungszone,
2J m vertikale Stellung, 59 m steiles Einfallen,
nach NW bis zu 25° sich verflachend und
dann wieder bis 75° NW-Neigung steigend,
74 m Zerknitterungszone mit Verwerfungen,
39 m Neigung yon 75 — 85° nach SO, 17 m
Zerknitterungszone, 83 m Neigung nach SO
mit 75 — 90°, 11 m Zerknitterungszone mit
viel Gleitflachen, 86 m Schiefer, horizontal,
allmahlich Neigung mit 25 — 35° nach SO
annehmend, 26 m mit Neigung yon 70° SO
IT 294 m Anhydrit, Gips und Dolomiteinlagen.
156 m Anhydrit, Gips und Dolomit mit wieder-
holten sattelformigen Aufbiegungen, 2 m griin-
lichgrauer Schiefer, 2 m Anhydrit, 4 m
Schiefer, 23 m Anhydrit, 1 m weiBer pyrit-
reicher Schiefer, 23 m Anhydrit, 58 m grauer
Kalkschiefer mit wenig Quarzadern, aber
starken bizarren Faltelungen, durchaus yom
Ansehen der normalen Glanzschiefer, 28 m
Anhydrit. (km 1,236—1,530.)
Y 1467 m Glanzschiefer, dem vorausgegangenen ganz
ahnlich und zunachst stark gefaltelt, dann
vertikal gestellt mit 75 — 85° Neigung nach
SO, seltener NW, doch kommen auch Ver-
biegungen mit bis zu 1 m Krummungsradius
vor, mit kleinen Diskordanzen der Schichten
verkntipft. Eine Zunahme der kieseligen
Kalkeinlagerungen tritt ein und zugleich
groBere Krystallinitat.
152
VI 153 hi gleiche Gesteinsarten, aber plotzlich mit
20 — 25° SO Neigung und mehrfach mit yerti-
kalen Schichten abwechselnd. (km 2,997 bis
3,150.)
VII 420 m gleiche Gesteinsarten, Neigung nach SO
mit 75—85°, dann bei km 3,432 Neigung
70—80° NNW und Streichen (statt N 40° 0)
N 55—75 0. Von km 3,500—3,565 yertikale
Stellung und dann wieder Neigung nach SO
bis km 3,570.
VIII 261 m Glanzschiefer, kalkhaltig und weich, wellig
gebogen, bei km 3,595 fast horizontal, dann
steiler bis vertikal, aber mit zickzackformigen
Verbiegungen zwischen km 3,695 und 3,735,
ganz miirb mit viel Gleitnachen, yon km 3,710
nach SO fallend.
IX 34 m Glanzschiefer mit Einlagerungen yon 2 — 3
m dicken krystallinen Kalkbanken. Neigung
nach NW mit 80—85° bis km 3,865.
X 46 m Dolomit und glimmerreicherSchiefer, Neigung
NW 80—85°. Bei km 3,900 ein Gneisband,
1 m stark, yon Gleitnachen begrenzt, diskordant
im Schiefer. Die Gesteinsfolge ist 26 m
Dolomit, 12 m Schiefer mit Gneisgang, 2 m
Dolomit, zu unterst Gleitflache gegen den
XI 80 m Gneis (Eistengneis) zwischen km 3,911 und
3,991.
XII 91 m Dolomit 59 m, korniger grauer Kalk 3 m,
glimmerreicher Schiefer 22 m, weifler Dolomit
5 m, schwarzer Glimmerschiefer 1,5 m. Viel
Verbiegungen der Schichten. Deutliche Dis-
kordanzen.
XIII 329 m Gantergneis mit vielen bis x/2 m breiten
Aplitgangen zwischen km 4^081 und 4,410.
XIV 400 m kieseliger Kalk, Cipollin und sericiti-
scher Glimmerschiefer in Wechsellagerung
mit quarzitischen Lagen und Kalkschiefer
mit Granaten und Hornblende. Neigung NW
mit 70—75°.
XV 100 m Grunschieferzone mit grauem kalkhaltigen
Granatglimmerschiefer zwischen km 4,810 und
4,910.
153
XVI 90 m Granatgliminerschiefer mit einigen weiBen
Marmorbanken, Neigung NW mit 50 — 70°
bis km 5,000.
XVII 2247 m Gneis, Glimmerschief er, Chlorit-Horn-
blendeschief er und Quarzit in vielfacher
Wechsellagerung und meist ganz kalkfrei,
Neigung nacli NW mit 50° nimmt allmahlich
ab bis 20°, bei km 6,885 beinahe horizontal.
Zwischen 5,000 und 5,355 sind die granat-
fiihrenden Schiefer stark von Gneislagen
durchsetzt. Zwischen km 5,990 und 6,075
ausschlieClich Augengneis, bis km 7,247.
XVIII 5 m Kalkschiefer, zuerst chloritisch und granat-
fuhrend, dann kalkreich und mit Einlagerung
von 5 — 10 cm starken glirnmerfuhrenden
Kalkbiinken.
XIX 893 m Leone-Gneis, zuerst aplitisch (6 bis 7 m),
dann glimmerig und schichtig wie der Ganter-
gneis, ist durchweg etwas kalkhaltig, mit
Gangen von Quarz, Calcit und violettem An-
hydrit. Von km 7,800 an im glimmerreichen
Gneis viel rotlichgelbe Granaten. Neigung
NW mit 20—30°. Zwischen km 7,965 und
8,005 mit schwacher horizontaler Wellung,
dann bis zu 50° nach NW, bei km 8,085
20 m weit nach SO geneigt, dann wieder
nach NW. Endet bei km 8,145.
XX 442 m Schiefer verschiedener Art, mit Neigung
von 35° nach NW beginnend, bis 20° ab-
nehmend, bei km 8,550 fast horizontal. Bei
km 8,567 eine Verwerfung und danach Neigung
45 — 50° nach NW. Es folgen nacheinander:
10m weiBe quarzitischeKalkbanke, in glimmer-
reichen Marmor tibergehend, 30 m Kalk-
glimmerschiefer, 1 m Quarzitbank, 104 m
quarzfiihrender mehr oder weniger kalkreicher
Glimmerschiefer, stellenweise mit Granaten,
276 m silbergraue bis griinlichgraue weiche
Schiefer 'mit eingesprengten Biotitblattern,
hinter der Verwerfung 7 m weifier kalkhaltiger
Qarzit, 6 m Glimmerschiefer, 7 m Quarzit bis
km 8,587.
154
XXI 181 m Gneis, teils hell, teils dunkel und glimmer-
reicli, lokal mit groBen Granaten. Er ist
stark mit Gleitflachen und Yerbiegungen
durchsetzt, besonders bei km 8,600, 8,745
und 8,768. Die Spalte bei km 8,745 ist mit
kaolinisiertem Gneisgrus gefullt.
XXII 163 m Gl immerschief er wie Yorher, aber stark
zerknittert und zu einer Spiegel-Breccie zer-
driickt, die Spiegel durch Bewegungen Yon
SO nach NW herYorgerufen. Die Richtung
der HauptgleitfLachen ist wenig schief zur
Schieferung. Zwischen km 8,855 und 8,8870
sind die Schiefer nach SO geneigt, andere
stehen Yertikal. Von km 8,768 bis 8,931.
XXIII 291 m Yalgrande-Gneis. Zuerst 58 m Gneis und
Glimmerschiefer vermischt, mit Nestern Yon
Granat und stets etwas kalkhaltig. Dann
granatfiihrender, glimmerreicher Gneis Yon
km 9,100 an mit Hornblendenadeln und
glimmerschieferartigen Varietaten. Bei km
9,000 Neigung mit 30° nach SO, dann nach
NW bis zur Gleitflache bei km 9,080, die
30° nach SO geneigt ist, darauf Neigung im
Gneis nach SO und you km 9,200 an mit
35° nach NW. Bei km 9,260 Kontakt mit
XXIY 420 m Glimmerschiefer, 42° nach NW geneigt.
Der blaugraue sericitische Schiefer schlieBt
einzelne gneisartige Lagen ein. Bei 9,375 km
Quarzitschief er und Glimmerschiefer, bei
9,399 km dolomitischer Cipollin mit
einigen Anhydriteinlagerungen, die an Menge
zunehmen bis km 9,627, dann Kieselkalk,
Dolomit und grauer Kalkglimmerschiefer bei
km 9,680. Neigung nach NW mit 30—50°.
XX Y 939 m grauer Kieselkalk und heller korniger
Marmor, fallt zuerst 25° NW und verflacht
bei km 9,110 (Yom Siidportal) auf 10°. Einige
groBe Spalten mit Gleitflachen stehen in Be-
ziehung zu den Tunnelquellen.
Die Grenzflache bei km 9,110 ist nach
Schardt eine Yerwerfung; in Galerie I ist
sie mit 83° nach NW, in Galerie II aber' mit
35° nach SW geneigt. Er nennt sie deshalb
une surface gauche. Jenseits dieser Flache folgt
155
XX VI 2005 m Kalkglimmerschiefer mit einzelnen Gra-
naten, der aber 90 m weit von Gleitflachen
ganz durchsetzt und besonders nahe der
„Verwerfung" formlich zerhackt (hachure) ist.
Dann geht er in normalen, grauen, granat-
fiihrenden Kalkglimmerschiefer iiber, der zu-
erst mit 10 — 20° nach SO einfallt, an einer
Stelle sogar zwischen km 8,820 — 8,830 hori-
zontal liegt. Er ist yon sich kreuzenden
Gleitflachen durchsetzt bis zu der SW
streichenden vertikalen Verwerfungsspalte bei
km 8,691, jenseits welcher die Schiefer zuerst
horizontal liegen und dann 10 — 25° nach NW
einfallen. Es stellen sich im Schiefer teils
helle Kalkbankchen, teils quarzitische Ein-
lagerungen ein. Oft ist der Schiefer durch
Biotitknotchen gesprenkelt. Bei km 7,115
folgt
XXVII 280 m weiBer Marmor, oft mit viel Biotit, Phlogo-
pit (?) und griinlich gelbem Sericit, zwischen
km 7,110 — 7,115 ist er grau nnd quarzfuhrend,
zwischen km 6,831 und km 6,862 wird er
ein kalkreicher, korniger, Biotit und Muscovit
fiihrender Gb'mmerschiefer. Neigung nach
NW mit 15 + 20°.
XXVIII 1504 m Glimmer reicher, schichtiger Gneis mit
sehr viel Linsen von kornigem (Antigoriogneis
iihnlichem) Gneis, die nach Schakdt keine
Gerolle sein konnen. Auch in den aplitischen
Gneisbandern kommen solche Linsen oft mit
zonarer Struktur vor. Oft sind die Linsen
auch basischer Natur. Die ersten 660 m fallt
der Gneis mit 25 — 10° nach NW ein, auf
205 m liegt er horizontal, auf 375 m ist er
mit 5 — 6° nach NW geneigt, auf 330 m wieder
horizontal, und auf weitere 34 m fallt er mit
10° nach SO. Dariiber folgt bei km 5,326
XXIX 385 m K alks chief er mit viel Quarz- und Calcitadern
und hie nnd da mit Einlagerungen von
kornigen Kalkbanken. Er ist stark zerknittert,
aber wellig horizontal gelagert, mit schwacher
Neigung nach SO, die kurz vor km 4,940
steil wird.
156
XXX 330 m Es folgt dariiber zuerst eine Marmorbank
und dann wellig verbogene Kalkglimmer-
schiefer und Anhydrit, spater auch mit
Doloiniteinlagen, die roit 15 — 35° nach SO
einfallen, dann sich aberwieder ganz verfiachen,
bis km 4,610. Unvermittelt folgt in steiler
Stellung mit Neigung von 70 — 75° nach SO
XXXI 150 m glimmeriger Kalks chief er mit Anhydrit-
einlagerungen (Carl Schmidt gibt bei km
4,560 einen grofieren Graniteinschlufi an, der
vielleicht dem an der Poststratfe bei Eisten
analog sein diirfte, Schardt hat ihn nicht
erwiihnt), der starke Faltungen zeigt, so dai3
bei km 4,460 nordwestliches und siidostliches
Einfallen wiederholt mit horizontaler Lagerung
abwechseln. Jenseits einer Gleitflache
XXXII 41 m feinschiefriger Kalkglimmerschiefer ohne
Anhydrit und Dolomit, aber mit zerbrochenen
Banken von Kalk und Cipollin. Er ist stark zer-
driickt und verbogen, bildet vielleicht zwei Ge-
wolbe. Eine Verwerfung bei km 4,420 streicht
N 50° O nnd fallt 80° SO (siehe Schardt: „Note
sur le profil" 1903, Taf. II). Jenseits folgt
XXXIII 95 m weifler und grauer glimmerreicher Marmor,
diskordant zu den nordlich anstoflenden
Schiefern. Er fallt 35 — 40° SO, ist aber an
der Verwerfung gestort und fallt sogar gegen
sie ein. Dariiber liegt bei km 4,325
XXXIV 4325 m Antigoriogneis, bis zum Siidportal zuerst
40° nach SO geneigt, dann in horizontal
wellige Lagerung iibergehend und zuletzt
8—10° SO fallend. Er schliefit viele Glimmer-
schieferpartien von bis zu 20 m Breite ein,
wird von zahlreichen Aplitgangen durchsetzt
und zeigt auf den Bankungsflachen sehr oft
Gleitspuren. Bei km 3,855 ist er von einer
vertikalen Yerwerfungsspalte durchsetzt, die
N 36° W streicht und auf der heiBe Quellen
aufsteigen und kalte in die Tiefe sinken.
Nach Schardt betragt ihre horizontale Yer-
schiebung bis 10 m, ihre vertikale 5 m, d. h.
der ostliche Gebirgsteil ist von Sud nach
Nord auf 10 m unter einem Winkel von 30°
in die Hohe geschoben worden.
157
Die Deutung, welche Schardt der Anhydritzone IV gegeben
hat, erscheint wohl begriindet. Die starken Verbiegungen in
der 156 m breiten Hauptmasse stehen mit der Vorstellung
eines Gewolbes in Einklang, und die 58 m breite Zone ver-
knitterter Glanzscbiefer 1 aI3t sich als eine kleine Sattelmulde
versteben. Die nur 38m breite Anhydritzone II zeigthingegen keiner-
lei Spuren gewolbeartiger Unibiegungen nnd konnte deshalb auch
als eine einfache Einlagerung in den Kalkschiefern aufgefaBt
werden. Dahingegen ist es sebr wahrscheinlich, daB die zwei
Gipslager bei der Massa (Fig. 4) auBerhalb des Tunnels ini Norden
des Nordportales jenseits der Rhone der Zone IV entsprechen und
denNordfliigel einerMulde bilden, in derenKern die Glanzschiefer
I und III mitsamt dem Anhydrit II liegen. In diesem Mulden-
kern hat man nirgends auch nur die geringsten Spuren einer
muldenformigen Schichtumbiegung beobachtet, aber man wird
annehmen diirfen, daB dieselbe in groBerer Tiefe unterhalb der
Tunnelsohle vor sich geht, und die 4 m breite Zerknitterungszone
in Glanzschieferzone III deutet vielleicht eine Muldenmediane
an. Ob der Muldenkern ganz aus Triasschichten besteht, oder
ob ein innerster Teil schon zum Lias gehort, laBt sich nicht ent-
scheiden. Wenn der Anhydrit II kein Gewolbe, sondern eine
Einlagerung sein sollte, wird auch der groBteTeil derSchiefernoch
in die Trias zu stellen sein, etwa als Rat. Die Glanzschiefer der
Zone V bilden den sudostlichen Fliigel des Anhydritgewolbes IV
und haben zuniichst auch die gleiche petrographische Beschaffen-
heit wie die Schiefer I und III. Weiterhin aber veriindern sie
sich etwas durch Aufnahme kieseliger Kalkbanke. Sie ent-
sprechen wahrscheinlich einem hoheren stratigraphischen Ho-
rizont, der in den Bedrettomulden nicht mit eingefaltet ist, und
man konnte allenfalls mit ihnen den Lias anfangen lassen.
Diese ganze Serie hat die betrachliche Machtigkeit von im
Maximum vielleicht 1000 m; denn wegen der Faltelungen und der
schiefen Neigung der Schichten und der zahllosen Quarzgange
bedarf die entsprechende Tunnellange einer starken Reduktion,
urn als MaB der Machtigkeit zu dienen. Die Zone VI besteht
aus den gleichen Gesteinsarten, aber statt der regelmafiigen
Steilstellung mit 75 — 85° Neigung gegen SO, tritt hier plotzlich
flache Neigung von 20 — 25° abwechselnd mit steiler Stellung ein,
und erst in Zone VII stellt sich wieder die alte Ordnung ein.
Diese 153 m breite Storungszone VI macht es wahrscheinlich,
daB wir uns in der Mediane der groBen liegenden Berisalmulde
beiinden, wo die urspriingiiche Oberflache der Gesteine der Zone V
mit derjenigen der Zone VII infolge der Uberfaltung in Be-
ruhrung kam, wobei die obersten Lagen beider durch die ge-
158
waltige Massenbewegung starke Zerriittung erlitten. Anhlich
wie in Zone V folgt auf Zone YII die Zone VIII mit feinen
Glanzschiefern, wie solche das GewoTbe IV urnhullen. In dieser
Zone VIII herrschen starke Verbiegungen vor und Storungen
auf Gleitflachen. Sie erklaren sich wohl damit, dafi bei der
grofiartigen Uberfaltung diese weicheren Gesteine yon der Last
der dariiber liegenden Massen schwer zu leiden hatten, wahrend
da, wo in Zone IX sich wieder feste bis zu 3 m dicke Kalk-
banke einstellen, die Schichten ihre regelmaBige Anordnung
mit steiler Neigung nach NW behalten haben, ebenso wie dies
in der Dolomitzone X, die der Trias zugezahlt werden darf,
der Fall ist.
Die Tatsache, dafi die in Zone VI liegende Medianflache
der Mulde jedenfalls eine sehr steile Stellung bat, erschwert
die Erkenntnis, daB es sich dabei um eine urspriinglich liegende,
durch Uberfaltung gegen Norden entstandene Mulde handelt,
die erst durch die Nachfaltung gerade an dieser Stelle steil
aufgerichtet worden ist. Die Beweise hierfiir linden wir aber
auf der Siidseite des Tunnels.
Die diinne Gneislage in Zone X liegt diskordant in den
Triasschichten und muB deshalb als Gang gedeutet werden.
Auch der Eistengneis zeigt sowohl zu seinen hangenden als
auch zu den liegenden Triasschichten unverkennbare Diskor-
danzen, und das gilt auch fur den Gantergneis der Zone XIII.
In der folgenden Zone XIV fehlen Dolomit- und Anhydritein-
lagerungen, wie es scheint, yollstandig, aber zugleich ist derGe-
steinscharakter yon dem der Zonen VII — IX sehr verschieden.
Es liegt deshalb kein Grund yor, diese Gesteine fur etwas
anderes zu halten, als was sie erscheinen, namlich als das
Liegende der dolomitfiihrenden Trias. Das gilt auch fur die
Zone XV mit den yielen Griinschiefereinlagerungen und fur
Zone XVI, in der die Kalkgesteine zwar bereits stark zuriick-
treten, aber in Form weifier Marmorbanke doch noch yor-
kommen. Die Gesamtmachtigkeit dieser untertriasischen
Schichten der Zonen XIV — XVI kann auf 400 m geschatzt
werden, die der dolomitischen Trias auf iiber 100 m.
Der tibergang zur Zone der Berisalschiefer macht sich
durch keinerlei Diskordanz bemerkbar. Es stellen sich erst
feinkornige, granathaltige, helle Gneise ein in granatfiihrenden
und granatlreien Glimmerschiefern, dann graue Gneise mit Aplit-
ziigen, mehrere Amphibolitlagen , die stets noch etwas Kalk
enthalten. Nach 733 m erst kommt ein kalkfreier Glimmer-
schiefer, der yon Gneisen ganz durchschwarmt ist, so dafi es
schwer halt, beide auseinander zu halten, aber ein besonders
159
machtiger Gneiszug ist zwischen Km 5,999 und (3,075 durch-
fahren worden. AuBerdem stellen sich auch viele Amphibolit-
gesteine ein. Der Umstand, daB zwischen den Berisalschiefern
und den Kalkschichten der Trias keine Diskordanz und keiner-
lei Grundkonglomerat in der Trias zu bemerken ist, liifit dar-
auf schlieBen, daB zwischen die Ablagerung beider Forniationen
kein groBer Zeitabschnitt fiel, daB somit diese Berisalschiefer
•vielleicht als jungpalaeozoisch angesehen werden diirfen.
Diese Schichten fallen alle nach NW, aber anfangs erheb-
lich steiler als spater, woraus geschlossen werden darf, das
sie die Form einer nach SO geoffheten iibergekippten Mulde
haben, die aber abnormal ist, weil die jiingeren Kalkschichten
am Hangendfliigel iiber und am Liegendfliigel unter den alteren
Berisalschiefern liegen. Wir haben hier somit eine offenbare
N a c h m u 1 d e .
Die nuu folgende Zone XVIII hat den Xappisten groBe
Schwierigkeiten bereitet. Sie liegt nach ilmen zwischen Berisal-
und Leonegneis und mi'iBte somit als Mulde zweimal die ganze
Kalkschieferformation in sich einschlieBen, obwohl ihre Miich-
tigkeit nur wenige Meter betriigt. Trotzdem also eine unge-
heure Ausquetschung stattgefunden haben soli, kann man
doch den Gesteinen davon gar nichts ansehen. Der Bericht
Schaiidts geht dariiber hinweg mit den Worten: „La zone de
schiste calcaire, traversee entre 7,247 — 7,252, se compose d'abord
de schiste chloriteux granatifere avec quelques feuillets cal-
caires; puis de schiste gris tres calcarifere; enfin de deux lits
de calcaire grenu micace de 0,05 a 0,1 m d'epaisseur, separes
par du schiste calcaire broye." Da aber der folgende Leone-
gneis fiir uns nur eine Intrusion in den Kalkschichten bedeutet,
so sind diese 5 m nichts anderes als die untersten Lagen der
„Unteren Trias ut. Die hoheren Schichten folgen nach dem un-
fahr 500 m machtigen Leonegneis und bestehen (Zone XX) aus
kalkreichen, oft quarzhaltigen Glimmerschiefern, glimmerreichen
Marmor-. und Quarzitbanken von etwas iiber 200 m Machtigkeit.
Dann folgt nochmals ein ungefahr 100 m machtiges Gneislager
und danach wieder granatfiihrende Kalkglimmerschiefer wie in
Zone XX.
Nach ihrer petrographischen Beschaifenheit sind alle Kalk-
gesteine der Zonen XVIII, XK und XXII mit den untertria-
sischeu Gesteinen der Zonen XIV — XVI in Parallele zu stellen.
In Zone XXII sind die Schiefer stark yerdruckt und von
Gleitflachen durchsetzt, die mit den nach NW geneigten Schicht-
lagen einen Winkel bilden. Plotzlich nehmen die Schichten
eine Neigung nach SO an, stellen sich stellen weise auch senk-
160
recht. Der nun folgende Valgrandegneis, der mit Glimmer-
schiefer wechsellagert, hat anfangs ebenfalls SO-Neigung, und
erst bei Km 9,200 stellt sich definitiv Einfallen mit 35° nach
NW ein. Wir haben somit eine ungefahr 400 m breite Zer-
riittungszone durchschritten, in der der Wechsel der Schichtnei-
gung yon Gleitflachen begleitet ist. Die Hauptverwerfungsflachen
liegen in der Schieferzone und an der Grerjze zwischen dieser
und dem Valgrandegneis und scheinen nach den leider un-
bestimmten Angaben in den Rapports nach NW geneigt zu sein.
Ich nehme an, daB sie steiler stehen als die nach NW geneigten
Schiefer.
Unter den Gneis einfallend hat man weiterhin (Zone XXIV)
Glimmer- und Quarzitschiefer mit dolomitischem Cippolin, An-
kydritlager und Kieselkalke mit Dolomit, die der Trias zuzu-
rechnen und im ganzen etwa 200 m machlig sind. Dann erst
kommen wieder (Zone XXV) die clolomit- und gipsfreien grauen
Kieselkalke und Marmorbanke mit einer Machtigkeit yon min-
destens 400 m.
Im Suden der Berisalschiefer und unter ihnen liegend haben
wir somit eine Kalkformation mit drei Gneiseinlagerungen. In
den „untertriasischen" Schichten liegen die zwei Leonegneis-
massen, die petrographisch mit dem Ganter- und Eistengneis
im Norden der Berisalschiefer groBe Ahnlichkeit haben.
Die mitteltriasische Dolomit- und Anhydritzone liegt un-
mittelbar unter dem Valgrandegneis. Aber das Profil ist hier
durch die Verwerfung in der Zone XXII gestort und der Val-
grandegneis dadurch in das Niyeau der untertriasischen Schichten
gebracht worden. Vielleicht ist es diesem Umstande zuzu-
schreiben, daB die untertriasischen Schichten, welche im Norden
400 m machtig sind, hier im Siiden nur in einer Machtigkeit
yon etwa 250 m (wenn wir dabei yon den Gneiseinlagerungen
absehen) aufgeschlossen sind. Die mitteltriasischen Schichten
hingegen haben beiderseits dieselbe Machtigkeit yon rund 100 m.
Daraus ergibt sich dann fur die Verwerfung in XXII, dafi die
Gebirgsmasse im NW derselben tiefer liegt als im SO, und
zwar um etwa 200 m.
Die Grenzflache bei Km 9,110 (S. P.) hat nicht die Gestalt
einer normalen Verwerfung, sie ist windschief, und zwar so stark,
daB sie in der einenJTunnelgalerie mit 83° nach NW, in der
anderen mit 35° nach SW einfallt. Ich betrachte sie als die
Muldenmediane, welche in dieser liegenden Mulde den hangenden
yon dem liegenden Flugel trennt. Es ist dieselbe Mediane,
die wir im Norden bei Km 3 bereits kennen gelernt haben.
Hier tritt sie aber umso deutlicher hervor, weil im SO die
161
Kalkschiefer des liegenden Fliigels (Zone XXVI) petrographisch
sich von denen desHangendfliigels nnterscheiden. Stratigraphisch
nehmen sie auch eine hohere Stelle em. Die starke Zerruttung
der Gesteine auf eine Erstreckung von 10 m steht mit dieser Auf-
fassung in bester Ubereinstimmung. Die meist granatfuhrenden
Kalkglirnmerschiefer des liegenden Fliigels zeichnen sich durch
ihre schwache Neigung nach NW aus. Weiter im Liegenden
(Zone XXVII) stellen sich darin weiBe glimmerreiche Marmore
ein, und dann folgt(Zone XXVIII) nach Schmidt und Pbeiswerk
Lebendungneis. Schakdt hat ihn, als er von Siiden her erst ein Suck
weit erschlossen worden war, in den Rapports als ein umge-
wandeltes urspriinglich sedimentaresKongloinerat gedeutet,spater
aber kam er zu der Uberzeugung, dafl er ein echtes Erstarrungsge-
stein mit linsenformigen Segregationen sei. Auf alle Falle hat er
nach dieser Beschreibung petrographisch mit dem Lebendun-
gneis die groflte Ahnlichkeit. Er liegt sehr flach, spater sogar
ganz horizontal und schieBt zuletzt rasch umbiegend mit bis
10° nach SO ein. Infolgedessen gelangt der Tunnel von neuem in
Kalkschiefer (Zone XXIX), den man geneigt sein konnte mit dem
im Norden des Lebendungneises zu identifizieren. Er hat aber
eine andere petrographische Beschaffenheit und wird auBerdem
weiterhin von einer machtigen „mitteltriasischenc: Zone von An-
hydrit und Dolorniten iiberlagert, was beweist, daB die Schichten
hier verkehrt. am Nordrand des Lebendungneises aber normal
liegen. Das ist aber nur moglicb, wenn der Gneis eine Mulde
bildet, deren unterer Fliigel sehr flach liegt, wahrend der
obere steil in die Hohe steigt, wie ich das imTunnelprofil ange-
deutet habe. Der Tunnel hat zufiillig nur den unteren Fliigel
der ganzen Lange nach durchfahren. Diese Vermutung wird
auch durch die weiteren Tunnelaufschlusse durchaus nur be-
statigt. Die Anhydrit-Zone XXX mit ihren imter 15 — 35a
nach SO einfallenden Schichten endet plotzlich bei Km 4,610
an einer Verwerfung, hinter der glimmerige Kalkschiefer mit nur
wenig Anhydriteinlagerungen in steiler Stellung und stark zu-
sammengefaltet angetroffen wurden (Zone XXXI), und dann
kommt wieder eine Verwerfung, die N 50° 0 streicht und mit 80°
nach SO einfallt. Sie trennt die Schiefer von dem weiflen
Marmor, (Zone XXXIII), cler nach SO geneigt ist und unter den
Antigoriogneis einschie!3t. Aufdiesen zweiHauptverwerfungen sind
die Massen im Siiden jeweils ein Stuck in die Tiefe gesunken.
Da aber Lebendungneis iiberall, wo normale Schichtenfolge im
Simplongebiet herrscht, uber dem Antigoriogneis liegt, so ist
damit bewiesen, daB hier zwischen Km 5,300 und 4,0 die Ge-
steine alle iiberstiirzt sind. Umgekehrt jedoch liegen sie uber
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 11
162
der Tuunellinie an der Tagesoberflache am Teggiolo in normal er
Folge, und daraus ergibt sich, daB der Antigoriagneis hier
einen liegenden Sattel bilden ruuB, dessen First zwischen Valle
und dem Tunnel etwa in 1200 m Meereshohe zu suchen ware.
Ruck-warts schreitend haben wir also von Slid nach Nord
zuerst die liegende Teggiolofalte, dann die groBe ebenfalls lie-
gende Berisalmulde, deren hangender Fliigel jedoch durch Nacli-
faltung die Form einer nach Siiden geoffneten isoklinalen Mulde
angenommen hat. Und zuletzt kommt die stehende Bedrettofalte.
Dieser groBartige Faltenwurf ist nachtraglich durch zwei Verwer-
fungen betroffen und das Ganze durch dieselben in drei Schollen
zerlegt worden. Wenn wir die Lage der mittleren Scholle als
Fixpunkt nehmen, dann sind die beiden anderen in die Tiefe
gesunken, jede ungefahr um 200 m.
7. Verbindung des Tunnel- mit dem Oberflachenprofil.
Taf. VI, Fig. 1.
Die geologischen Beobachtungen, die man an der Ober-
flache des Simplongebietes jederzeit zu machen G-elegenheit
ha t, lassen sich mit denjenigen, welche wahrend des Tunnel -
durchstich.es gemacht worden sind, yerhaltnismaBig leicht in
Einklang bringen.
Schon seit langer Zeit hat man erkannt, daB im Rhonetal
stehende Falten existieren, und nur iiber die Anzahl derselben
bestehen Meinungsverschiedenheiten. B. Studer machte den
Anfang mit einer einzigen Mulde, und zuletzt haben Stella 3,
Schmidt und Preiswerk 4, Schardt sogar 6 stehende Gewolbe
in diese Mulde hineingelegt. Mit Sicherheit laBt sich jedoch
nur eines — das Rie der-Gewo lb e (Zone IV) — nachweisen.
Ein zweites — das Thermen-Gewolbe — ist etwas zweifel-
haft, doch entbehrt es nicht einer gewissen Wahrscheinlichkeit.
Die auf der Karte eingetragenen Gipsziige beweisen, daB diese
Falten N 60° O streichen und mit denen des Nufenenpasses
und Bedrettotales zusammen hangen, so daB ich sie auf Taf. VI,
Fig. 1 geradezu als B edrettof alten bezeichnet habe. Der
Sudniigel des Riedergewolbes bildet den Ubergang zur groBen
liegenden Berisalfalte und setzt sich als liegender Fliigel der
Berisalmulde weiter nach Siiden fort. Er taucht, zuniichst nach
Slid fallend, tief unter, biegt sich dann aber wahrscheinlich
um und steigt wieder in die Hohe, so daB er es sein kaun,
der auf der Tunnel-Siidseite zwischeu Km 9 und 5 angetroffen
wurde. In dem unzuganglichen Teil der Saltineschlucht ist
sein Kontakt mit dem hangenden Muldenniigel zu vermuten,
der im Tunnel bei Km 3 wirklich durchfahren wurde. Auf
163
der Hohe des Glieshornes und des Klenenhornes fallen die
Kalkschiefer des hangenden Fliigels nach SO em, im Tunnel
stehen sie fast seiger mit Neigung nach NW, sie beschreiben
also in der Fallrichtung eine nach N geoffnete Kurve, deren
nach Stid gekehrter Scheitel sich bei Eisten in der ausge-
sprochenen Neigung der Schichten nach NW verrrat. Noch
viel deutlicher tritt diese Erscheinung im Westen der Saltine
zwischen Glieshorn und SchieBhorn hervor. Aus der Tiefe bei
Grund steigen die Schichten mit NW Einfallen zum SchieBhorn
empor, richten sich dort bis zu vertikaler Stellung auf, biegen
dann nach NW um und legen sich mit flachem Siideinfallen
iiber das Faulhorn nordwarts bis zum Glishorn hin. Auf
dem Profil (Fig. 1, Taf. YI) habe ich dieses Lagerungsverhaltnis,
clurch Luftlinien angedeutet.
Der Hangendniigel der Berisalmulde unterscheidet sich in
seiner Zusammeasetzung sehr wesentlich von dem Liegendflugel.
An sich ist dies nicht merkwurdig, denn sie sind ja nicht wie
die Fliigel derBriger Bedretto-Falten ortsnahe Gebilde. Die Teile,
welche sich gegenwartig in der Muldenmediane bei Km 3
beriihren, lagen vor der Faltung mindestens 50 km weit aus-
einander, und es ware geradezu wunderbar, wenn sich die
gleichalterigen Ablagerungen in solcher Entfernung genau in
derselben Facies entwickelt hatten. Der Hauptunterschied
liegt in der Trias", wo der Anhydrit gegeniiber dem Dolomit
und Marmor sehr stark zuriicktritt. Wo der Hangendfliigel
zwischen Km 9 und 10 durchfahren wurde, enthalt er zwar
reichlich Anhydrit, doch wiegt der Dolomit stark yor, und wo
dieser Fliigel rings um den Monte-Leone-Stock zutage tritt, ist
er durch seine Armut an Anhydrit ausgezeichnet gegeniiber
dem liegenden Fliigel, der zwischen Km 4 und 5 auf der Siid-
halfte des Tunnels angetroffen wurde. Und wo er im Cairascatal
zutage kommt, schlieBt er ebenfalls sehr reiche Anhydritlager
ein. Auffallig sind auch die Graniteinlagerungen, die im
Hangendmigel bei Eisten in der ,,Mittel - Trias" liegen
ebenso wie bei Alpe Veglia und am Lago d'Avino. Sie sind
aber nicht horizontbestandig, denn im Tunnel bei Km 9 liegen
sie unter der ,,Mittel-Trias". DaB sie im Rieder-Sattel nicht
vorkommen, konnte yielleicht so gedeutet werden, daB sie dort zu
tief liegen und deshalb von der Tunnelsohle nicht erreicht werden
konnten, aber es ist doch bemerkenswert, daB sie auch nordlich
der Rhone in der Gipszone ganzlich fehlen und der Gneis des
Aarmassives erst in ihrem Liegenden zum Yorschein kommt,
ganz in ahnlicher Weise, wie dies bei Km 4 der Tunnelsiid-
hiilfte der Fall ist, wo der Antigoriogneis ebenfalls unter,
11*
164
beziehungsweise infolge der Uberkippung iiber der Mitteltrias-
liegt und der Lebedungneis] erst erheblich ini Hangenden
sich einstellt. Letzterer scheint gegen Norden iiberhanpt ein
Ende . zu nehmen, denn er ist im Liegendfliigel bei Brig
nirgends niehr angetroffen worden.
Die untertriasischen Schichten des Hangendfliigels zwischen
Gantertal und Berisal zeicbnen sicb durcb ihre bedeutende
Machtigkeit aus und durch die im Tunnel festgestellte Ein-
scbaltung von Griins chief ern, die aucb bei der Stein en- Alp zu-
tage ausstreicben. Sie scbeinen jedoch nur eine lokal be-
schrankte Yerbreitung 'zu baben, denn zwischen Km 7 und 9,
wo die untertriasischen Schichten dieses Fliigels wieder ange-
troffen wurden, fehlen sie ganz und statt dessen liegen hier
zwei Gneislager darin, zu unterst der machtige Leone-Gneis
und zu oberst ein ahnlicher, aber minder machtiger Gneis.
Wahrscheinlich sind diese die Fortsetzung desGanter- und Eisten-
Gneises gegen Siiden, die aber hier nicht mehr in der Mittel-
Trias eingeschaltet, also auch nicht horizontbestandig sind.
Die Diskordanz, welche zwischen den Schiefern und dem
Ganter- und Eistengneis existiert, und auf die schon Schakdt
in den Rapports hingewiesen hat, steht damit in yollem Einklang*
und gibt uns auch die Erklarung, weshalb die Kalkschiefer
zwischen dem Monte-Leone-Gneis und den Berisalschiefern bei
km 7,250 nur eine Machtigkeit von 5 m haben. Man braucht
da nicht Ausquetschung zu Hilfe zu nehmen, gegen die die
Beschaffenheit der Schiefer durchaus spricht.
Die Machtigkeit der Gneiseinlagerungen nimmt gegen
Siiden erheblich zu, und auBerdem stellt sich in hoheren
Horizonten auch noch der Valgrandegneis ein. Er hat an
vielen Stellen zwar ganz das Aussehen echten Monte-Leon e-
Gneises, zeichnet sich aber dadurch von ihm aus, dafl er in
viel hoherem Mafie stark umgewandelte Schieferpartien in sich
einschlieBt, die aber ihren urspriinglichen Kalkgehalt z. T. noch
erhalten haben, wahrend diejenigen im Leonegneis nichts mehr
davon zeigen. Sie liegen meist annahernd parallel zur Banderung:
des Gneises und haben zu der irrigen Auffassung des Val-.
grandegneises als Paragneis Yeranlassung gegeben.
Diese Gneise streichen an den ostlichen und siidlichen
Steilgehangen des Leonemassives aus, senken sich von da
gegen SW herab bis ins Doveriatal und steigen jenseits des-
selben wieder in die Hohe um das Seehorn herum nach
Zwischenbergen und weiter in ostlicher Richtung uber die
Rovalekette bis Crevola im Ossolatal. Man hat deshalb an-
genommen, daB sie auch von den Siidostgehangen des Monte-
165
Leone in flach gewolbteni einfachen Bogen daliin hiniiber-
gespannt waren, und daB nur die spatere Erosion die unmittelbare
Yerbindung unterbrochen habe. In auffallenclem Widerspruch
dazu steht jedoch das merkwiirdige liegende Gewolbe des
Monte-Leone-Gipfels, das den Tektonikern eine harte Nufl zu
knacken aufgegeben hat, weil es ini Gegensatz zu alien anderen
Falten seinen Scheitel nach Siiden kehrt. C. Schmidt erklart
dies als eine Riickfaltung und stellt in den Erlauterungen zur
Simplonkarte (S. 32 — 36) den Yorgang so dar: Das Leonegneis-
gewolbe ,,brandet" rnit seiner Stirn an der Bedrettomulde
etnpor und bohrt sich ebenso wie das dariiberliegende Berisal-
gewolbe „nordwarts in die Tiefe", wobei sich sein ,,aus der
Tiefe aufgestiilpter" Scheitel ,,bifurkiert" zur Ganter- und
Eisten-Antiklinale. Zugleich erfahren dabei beide Gewolbe
iin Siiden am Monte Leone eine Riickfaltung. Wie aus dem
schernatischen Profil S. 32 hervorgeht, nimrnt er an, da6 die
yon Siiden her aufsteigenden liegenden Falten in der Breite
des Monte Leone , eine tiefe tektonische Mulde erreichten, in
die sie mit beschleunigter Bewegung bis zum Muldentiefsten
herabglitten und am jenseitigen Gehange eine Strecke weit
emporbrandeten. Dabei erlitten sie einen RiickstoB, der die
Riickfaltung am Monte Leone erzeugte. Dieser Yorstellung
kann man sicherlich eine gewisse dramatische Anschaulichkeit
nicht absprechen, aber ich bezweifle, daB die tektonischen Be-
wegungen durch den Yergleich mit der Brandung des Meeres
gegen sein Ufer an Klarheit gewinnen. Erklart werden sie
dadurch sicherlich nicht.
Das Yerdienst, das Berisalgewolbe im Monte-Leone-Gipfel
nachgewiesen zu haben, kommt aber jedenfalls Schmidt und
Preiswerk zu. Der hangende Leonegneis hangt ohne Zweifel
mit dem unteren Leonegneis zusammen und kann nur durch
eine sattelformige Umbiegung des ietzteren in seine jetzige
Lage gekommen sein. Uber seine Fortsetzung, die der Erosion
ganzlich zum Opfer gefallen ist, konnen wir nur Yermutungen aus-
sprechen. Die wahrscheinlichste ist die, Avelche Schmidt bereits
ausgesprochen hat, dafi dieser GneiB auf dem KaltwasserpaS
sich auf sich selbst zuriickgelegt hat, so daG die am Siid-
gehange des Wasenhornes in die Berisalschichten eingefalteten
Kalkschiefer das Scharnier dieser Embiegung anzeigen.
Das groJ3e liegende Berisalgewolbe hat also eine sehr ver-
wickelte Gestalt. Seine Medianflache ist keine Ebene, sondern
ganz gewaltig yerbogen. Yon der Stirn weg ist sie zunachst
zu einer tiefen nach Siiden geoffneten schragen Mulde verbogen,
der siidliche Muldenast yernacht sich bis zum Monte Leone
166
unrl biegt sich yon da sattelformig nach Norden zuriick, um
dann you neuem muldenformig nach Siiden unizuwenden.
Diese Yerbiegungen miissen jiinger als das ganze Gewolbe und
Folge einer Nachfaltung sein, und wir bezeichnen deshalb deren
Mulden und Gewolbe als Nachmulden und Nachgewolbe.
Wir kehren nun zu dem liegenden Fliigel der Berisal-
mulde zuriick, den wir bei Km 3 (N) bereits kennen gelernt
haben. Er wurde auf der Siidhalfte des Tunnels Yon Km 9
ab durchfahren, und sein Beginn machte sich durcb eine eigen-
artige windschiefe Trennungsflacbe und eine starke Zerriittung
einer obersten Scbichten bemerkar. Die Gesteine haben eine
andere Ausbildung als diejenigen des hangenden Fliigels, der
unmittelbar dariiber liegt. Seine Schichten fallen nach nach
NW ein und liegen bei Km 6,830 (S) direkt auf dem Lebendun-
gneis. Eine ungefahr 100 m machtige breite Kontaktzone
zeichnet sich jedoch durch hohe Krystallinitat aus, und die
Kalksteine sind in Marmor mit Biotit und Phlogopit umge-
wandelt. Die LagerungsYerhaltnisse des Lebendungneises habe
ich bereits erortert und die Wahrscheinlichkeit, daB er dem
liegenden Fliigel einer Separat-Mulde angehort, im Siiden aber
als deren hangender Fliigel aufsteigt und sich mit dem gleichen
Gneis Yerbindet, der bei Alpe Nembro zutage ausstreicht. Hinter
diesem Gneifi folgt in Yerkehrter Lagerung erst Schiefer, dann
die anhydritreiche Mittel-Trias, deren Schichten alle nach SO
seinfallen unter den Antigoriogneis, der dariiber am Siidgehange
des Teggiolo mit entgegengesetztem Einfallen nach NW ansteht,
aber ebenfalls wie im Tunnel unmittelbar Yon Marmorbanken
begrenzt wird. Er bildet somit anscheinend ein liegendes Ge-
wolbe, dessen Scheitel ungefahr in der Mitte zwischen der
Tunnelsohle und der Alpe Yalle liegen wird.
Merkwiirdig 1st die LagerungSYerschiedenheit, die sich hier
zwischen den beiden Fliigeln der Berisalmulde bemerkbar
macht. Der hangende Fliigel steigt Yon der Tunnelsohle
langsam und jedenfalls nur schwach gekriimmt zur Hohe des
Yalgrande auf, wahrend der liegende stark Yerbogen ist zu
einer Mulde und einem Sattel. An der Medianflache der
Berisalmulde miissen demnach die Schichten in diskordanter
Lagerung aneinanderstoBen. Leider habe ich keine Gelegenheit
gefunden, die Medianflache an den Steilwanden des Pizzo
Forato zu studieren. Sie sind dort auch nur schwer zuganglich,
aber unterhalb Cropalla bemerkte ich eine deutliche Diskordanz
zwischen verschiedenartig ausgebildeten Schiefern, you denen
die einen zum hangenden, die anderen zum liegenden Fliigel
gehoren diirften (siehe S. 126).
167
8. Die Verwerfungen im Tunnel.
Wenn man die Rapports daraufhin ansieht, so fallt es
auf, wie darin immer und immer wieder Gleitfliichen imd Ver-
werfungen notiert sind. Diese rein mechanischen Storungen
steigerten sich an manchen Stellen in solcher Weise, dafi das
Gebirge ganz zerriittet war und nur noch eine sehr geringe
Standfestigkeit hatte. Viele der Gleitfliichen verlaufen auf den
Bankungskliiften und zeigen uns an, dafi bei der Faltung Yer-
schiebungen zwischen den einzelnen Scbieferlagen und Gesteins-
banken eingetreten sind. Wie groB ihr Ausniafl war, lieB
sicli nicht feststellen, aber es darf angeDOmmen werden, daB,
wenn sie audi nur geringfugig waren, ihre Summierung doch
bedeutende Yerschiebuugen heryorbriDgen konnte. Der Umstand,
dafi nicht nur im Tunnel, sondern auch an der Tagesoberflache
so oft Quarz und Kalkspatgiinge angetroffen werden, die wie
abgebrochen und zerhackt in den Gesteinen liegen, findet in
solchen Yerschiebungen, die nicht nur auf den Schichtflachen,
sondern auch auf quer durchsetzenden Kliiften vor sich gingen,
seine Erklarung. Sicher waren die meisten dieser Giinge schon
Yorhanden, ehe jene Yerschiebungen eingetreten sind, und da
letztere zum Teil wenigstens mit dem FaltuugsprozeB in Ver-
bindnng standen, so miissen jene Giinge alter als die alpine
Faltung sein.
Kleine Gneis- oder Granitplatten und -brocken stecken oft
wie Einschlusse in den Sedimentgesteinen. Sie sind aber nicht
abgerollt und konnen deshalb kein Geschiebe sein. Meist sind
sie eckig und kantig. Es mogen Apophysen der grofien Gneis-
Intrusionsmassen sein, die xlurch jene Yerschiebungen wahrend
der Faltung yon dem Wurzelstock abgetrennt und abgeschoben
worden sind.
Neben diesen fiir die Tektonik immerhin geringfiigigen Yer-
schiebungen sind auch solche von bedeutenderem Ausmafi zu
yerzeichnen. Es sind Yerwerf ungen, die sich besonders an
zwei Stellen im Tunnel scharen, wo zugleich die Nebengesteine
die Spuren starker mechanischer Zertriimmerung zeigen. Die
eine Stelle liegt vor Km 9 (N), die andere zwischen Km 4 und 5
(S). Bei letzterer ist eine der Yerwerfungsspalten yon Schardt
gemessen worden, sie streicht N 50° 0 und fallt 80° SO.
Durch sie ist Marmor in das Niveau weicher Schiefer ver-
worfen worden. Yerlangert man sie nach oben, so kommt sie
bei Yalle am Fui3 der Steihvande des Pizzo Forato zutage.
Die Schuttbedeckung erschwert es, sie dort zu erkennen, doch
halte ich es wohl fiir moglich, daB eine eingehende Unter-
suchung ihre Spuren nachweisen kann.
168
Von der ancleren Verwerfungszone liegen genauere Messungen
im Tunnel leider nicht vor. Aber ganz unabhangig davon — denn
ich kannte damals die Rapports noch nicht — babe ich am
NordfuB des Hiibschhornes und beim Rossetto unweit Yeglia
eine Yerwerfung festgestellt, die darauf schlieBen laBt, daB das
Oebirge imNorden derselben um ein betrachtliches abgesunken ist.
9. Die Verwerfung bei Rossetto.
Tafel VII, Figur 2.
Wenn man von der Punta Amoinciei nach Norden absteigt,
so durchschreitet man zunachst die Berisalscliiefer jenes merk-
wiirdigen Nachgewolbes und gelangt durch eine darunterliegende
mur sehr scbmale Kalkzone in den darunterliegenden Leone-
gneis, der sich bis an den Auronabach herabzieht, an dessen
rechtem Ufer er einen grofien Felsbuckel aufbaut. Auf dem
linken Ufer gerade gegeniiber erhebt sich ebenfalls ein Fels-
hiigel, und man erwartet, daB er ebenso aus diesem Gneis
bestehe. Statt dessen sind es Berisalscliiefer, die bei ungestcirfcer
Lagerung erheblich hoher oben und iiber dem Gneis zu erwarten
waren. Die Sprunghohe der Vorwerfung muB wenigstens 100 m,
vielleicht auch noch mehr betrageD.
10. Die Verwerfung am NordfuD des Hiibschhornes.
Tafel V, Figur 1 und Tafel VLI Figur 5.
DaB die mesozoischen Kalkgesteine am Siidgehange des
Wasenhornes in die Berisalschiefer eingefaltet sind in Form
einer nach S beziehungsweise SSO geoffneten Doppelmulde, ist
ebenso unverkennbar wie die Tatsache, daB dieser Kalkzug sich
yon da ohne Unterbrechung unterhalb des Kaltwassergletschers
nach dem SimplonpaB heriiberzieht, erst gegen WSW, dann, von
Hospiz an umbiegend, gegen Siiclen. Ebenso sicher ist, daB in
dem Kern dieser Doppelmulde nur Kalkgesteine eingeschlossen
sind, daB aber da, wo letztere vom Hospiz aus nach Siiden
umbiegen, die Kalkgesteine nur noch die Rolle eines Hangend-
und Liegendfliigels spiel en, zwischen denen als Muldenkern der
Leonegneis liegt. Die Folge davon ist, daB ein Profil, von W
nach 0 iiber das Hiibschhorn gelegt, eine nach Osten geoffnete
und iibergekippte Mulde mit machtigem Gneiskern anzuzeigen
scheint (Taf. VII Figur 1), wahrend ein Profil annahernd recht-
winklig dazu ein ganz anderes Bilcl gibt (Figur 5). Man erkennt
daraus sofort, daB cler Leonegneiskern des Hiibschhornes fur die
Wasenhorn-SimplonpaB-Kalkmulde zu hoch liegt. Wenn man vom
Norden her die Steilwand des Hiibschhornes betrachtet (siehe
Schmidt und Preiswerk, Geol. Fuhrer, Taf. VI), so begreift man,
169
dafi die Kalkschiefer im Yordergrund sehr steil nach Norden
einfallen miifiten, um sich in der Luft auf den Leonegneis legen
und iiber die Spitze des Hiibschhornes heraufschwingen zu
kimnen. Eine solche Annahme wird aber durch leicht
beobachtbare Tatsachen widerlegt. Auf deni flach ansteigenden
Gelande zwischen der PoststraBe und den Nordwanden des
Hiibschhornes sieht man die Kalkschiefer allerorten weit
schwacher, im Maximum nur bis zu 30° ansteigender Neigung
gegen NW einfallen. Ihr Kontakt mit dem Gneis ist zwar
durch Gehangeschutt verdeckt, aber wenn man die Schiefer in
ihrer Fallrichtung nach oben sich fortsetzen laBt, miiBten sie an
den Gneis anstoBen und es ergibt sich aus Figur 5 eine Verwerfung
yon mindestens 150 m seigerer Sprunghohe, durch die der
Kalkschiefer in das Niveau des Gneises herabgesunken ist. An
den Steilgehangen gegen den Kaltwassergletscher hingegen er-
scheint es so, als ob die Kalkschiefer, die dort deutlich sichtbar
unter dem Leonegneis auftauchen, sich gegen NW ohne Unter-
brechung bis zur alten Galerie an der PoststraBe herabzogen.
Da sie dort aber unter den Berisalschiefer einschieBen, also
nicht mehr, wie weiter oben, normal unter dem Leonegneis,
sondern in verkehrter Lagerung unter dem alteren Berisal-
schiefer liegen, so sind wir vor eine tektonische Unmoglichkeit
gestellt, solange wir an der Einheit dieses Kalkzuges festhalten
wollen. Viele steile Kluftflachen setzen durch die Kalkwande
und scheinen die Verwerfung anzudeuten, deren genaue Fest-
legung dort wohl nicht schwer fallen konnte. Diese beiden
Verwerfungen, am Hiibschhorn und bei Rossetto, liegen auf der-
selben Verwerfungsspalte und sind sicher j linger als die Gebirgs-
faltung. Sie haben auf die Gestaltung des Gebirgsbaues nur
geringen EinfluB ausgeiibt, aber fur die Arbeiten im Tunnel
waren sie und die Verwerfung auf der Siidhalfte des Tunnels
mit sehr unangenehmen Begleiterscheinungen verkniipft.
n. Die Formazzafalten.
Die Teggiolofalte, die wir im Simplontunnel bereits kennen
gelernt haben, steht zur Berisalfalte in einem eigentiimlichen
Gegensatz. An ihr nimmt nur der liegende Fliigel der Berisal-
mulde teil, wahrend deren hangender Fliigel, soweit er im Tunnel
erhalten ist, davon ziemlich unberiihrt geblieben zu sein scheint.
a) Die Formazzafalti am Teggiolo.
Tafel V, Figur 1. Tafel VI, Figur 3 u. 4. Tafel VII, Figur 4.
Das liegende Gewolbe der Teggiolofalte laBt sich nach NO
ohne Unterbrechung durch das ganze Gebiet der Simplonkarte
170
Terfolgen bis iiber das Formazzatal hinaus. Der Kern desselben
besteht aus dem Antigoriogneis.
Zwischen Kra 1,875 und 2,030 (S) hat der Tunnel wahr-
scheinlich die Gewolbe-Mediane durchfahren. In teils sohliger,
teils schwachwelliger Lagerung traf man auf ein glimmerreiches
Gestein, das im Dach und in der Sohle yon ecbtern Antigorio-
gneis eingeschlossen war. Schardt bezeichnet es als einen
schieferigen, glimmerigen Gneis mit unzahligen Gleitflacben, als
„une zone d:ecrasement et de lamination". Wenn man annimmt,
da!3 diese Medianflache gegen NO bis zum Cairascatal, also auf
eine Strecke von iiber 2l/2 km, um nur 200 ni ansteigt, dann kommt
man gerade an die Stelle, wo siidlich you Croso die Straccioni-
Quelle entspringt und unter dem machtigen Gneisstock des
Teggiolo die Kalkschiefer und Rauhwacke zum Yorsckein kommen.
Es erscheint mir deshalb wahrscheinlich, da!3 die Yarzoschiefer
dem Kern des Teggiologewolbes angehdren, daJ3 aber dieser
Schieferkern gegen SW an Macktigkeit abnimmt und im Tunnel
nur noch angedeutet ist. Schardt und Schmidt haben, von
der Yoraussetzung ausgehend, dai3 die Yarzoschiefer j linger als
der Gneis seien, angenommen, daB sie dem liegenden Fliigel
des Gewolbes angehoren, und zeichnen die Profile so, als ob
dieser Schiefer unter dem Gneis im oberen Teil des Cairasca-
tales bei Xembro wieder zum Yorschein kame, sich dort aufbiege
und den Teggiologipfel krone, und als ob auch die Marmore,
die bei Km 4 (S) im Tunnel unter den Gneis einschiei3en, mit
der Rauhwacke bei der Straccioni-Quelle in direktem Zusammen-
hang stiinden. Das ware aber nur moglich, wenn die letzteren
mit mindestens 15° nach NW und gleichzeitig mit 15° nach
SW einfielen (siehe Schardt, Profil Tafel III und IY in „Note
sur le Massif du Simplon 1903".) Dies steht aber mit den im
Tunnel beobacbteten Fallrichtungen durchaus im Widerspruch;
denn das Streichen wurde dort yon Schardt selbst fast durchweg
als ein nordostliches und die Neigung, wo nicht Horizontalitat
herrschte, als nach SO gerichtet bestimmt.
Sicher ist, das die Kalkgesteine, die am Gipfel des Cistella
und Teggiolo im Hangenden des Antigoriogneises anstehen, sich
nur ganz wenig gegen SW senken, und es ware doch sehr
merkwiirdig, wenn die Yarzoschiefer unter dem Gneis nicht
auch eine ahnliche Neigung hatten.
b) Die Formazzafalte bei Crodo und im Deverotale.
Tafel VIII, Figur 4 und 5.
Gerade so wie am Teggiolo sieht man auch im Deverotal
den Antigoriogneis, der mit sehr flacher Lagerung die Gehange
171
des Cistella- und des Fornostockes aufbaut, bei Goglio sich
umbiegen und gegen NW rasch unter die Talsohle uutertauchen ;
dariiber legt sich Kalkschiefer und dann Lebendungneis. Es
ist dasselbe tektonische Bild wie am Teggiolo, und oben auf
der Hohe des Forno und der Cistella liegen dieselben Gesteine
in fast sohliger Lagerung auf dem Gneis. Unter letzterem
kommen im Deverotal und bei Crodo die Bacenoschiefer hervor,
ebenfalls in horizontaler oder doch nur sehr schwach geneigter
Lagerung. Man hat sie als den Liegendfliigel des Antigorio-
gewolbes gedeutet, und das erscbeint auch sehr wahrscheinlich,
wenn man die Eintragungen auf der Simplonkarte bei Goglio
ansieht. Bei Cngnesco biegt auf der Karte der Marmorzug,
der *bei Ausone iiber dem Gneis liegt, um und legt sich unter
denselben. Yon da bis zum Bacenoschiefer sind nur 800 m
verschuttet, aber beide passen so gut zueinander, daB ein Zu-
sammenhang sehr wahrscheinlich erscheint. In Wirklichkeit
sieht man aber von diesem Marin or nichts. Das ganze Gehange
ist von Schutt uberdeckt, und die Schiefer, die hundert und
mehr Meter oberhalb Cugnesco anstehen, fallen alle nach NO
ein. Der aufschlufilose Zwischenraum betragt also nicht 800,
sondern 1400 in, und das ist fur den Gneis mehr als genug
Raum, um zwischen beiden Schieferarten in die Tiefe einzu-
schieflen, umzubiegen und unter den Bacenoschiefern gegen SO
sich fortzusetzen, bis er bei Yerampio in dem tiefen Antigorio-
tal wieder als Yerampiogneis zum Yorschein kommt (Fig. 5).
Legt man ein Profil yon Mte. Foro zur Cistella in Richtung
ONO — WSW (Fig. -4), so erkennt man leicht, dafl, wenn meine
Auffassung der Yarzoschiefer richtig ist, es auch die der Bazeno-
schiefer sein mul3.
Zugleich ergibt sich daraus, dai3 die Kalkschiefer und
oberen Gneise am Gipfel des Pizzo quattro Pilastri und iiber-
haupt der ganzen Isornokette, wie schon im stratigraphischen
Teil als moglich hiugestellt wurde, den Gipfel-Schichten des
Mte. Forno und Cistella entsprechen, also nicht den Berisal-
schiefern angehoren.
c) Die Forwazzafalte im Formazzatal.
Tafel VIII, Figur 3.
Die Bacenoschiefer im Kern des liegenden Gewolbes yer-
schwinden schon unweit Premio im oberen Antigoriotal unter
dem Talboden, und herauf bis Tuffald ist das Tal ausschliefllich
im Antigoriogneis des hangenden Gewolbefliigels eingeschnitten,
aber hoch oben an beiden Talgehangen liegen die Kalkschiefer
und dariiber der Lebendungneis darauf. Dann aber zwischen
172
Tuffald und Zumsteg steigt der Antigoriogneis an beiden Ge-
hangen ziemlich rasch in die Hohe, und machtiger Kalkschiefer,
Quarzit und Dolomit koinmen unter ihm zum Vorschein und
umtmllen den Gneis arn Lebendunbach bei Unter-Bach und
jenseits oberhalb der Tamieralp auf seiner Nordseite nach Art
eines liegenden Gewolbefirstes. Damit endigt zugleich die
Yerbreitung des Antigoriogneises im Formazzatal gegen Norden,
und diese Enden entsprechen genau dem Teggiolo- und Forno-
Stirnrand. Der Lebendungneis, der im Westen nur eine geringe
Machtigkeit hat, gegen Nordosten hin aber nordlich des
Mte. Forno schon erheblich anschwillt, erreicht im Formazzatal
Machtigkeiten bis zu 800 und 1000 m, besonders am Mte. Giove
und dem Gloggstafelberg. Hier schliefit er aucli groBere
Schiefermassen in Form langgezogener Linsen ein. Zugleich
jedoch schwellen die Schiefer, welche zwischen ihm und dem
Antigoriogneis liegen, auBergewohnlich stark an, und das mag-
die Ursache sein, weshalb der Lebendungneis sich nicht ebenso
wie der Antigoriogneis stirnforraig umbiegt zu einem nach Siiden
einfallenden liegenden Fliigel. Er zieht sich vielmehr, nur
langsam nach Norden sinkend, am Gehange herunter und fallt
erst bei den Tosafallen steil in die Tiefe. Es hat den An-
schein, als ob er ein dem Teggiologewolbe im Norden vor-
liegendes zweites Gewolbe bilde, das ich vorlaufig das Tosa-
gewolbe nennen will. IJber dem Lebendungneis liegen die
Giacomoschiefer, und dieses Lagerungsverhaltnis spricht daftir,
daB letztere im System der Glanzschiefer eine verhiiltnismaBig
hohe Stellung einnehmen und moglicherweise deren jiingstes
Glied sind (siehe S. 117).
d) Die Formazzafalten im Ba&odino-Massiv.
Tafel Vlir, Figur 1 und 2.
Die Faltungen, welche bis zum Formazzatal verhaltnismaBig
einfach und ziemlich klar sind, nehmen nun hochst verwickelte
Formen an. Da ich nur zwei Tage auf ihr Studium verwenden
konnte und dabei im einzelnen manches anders gefunden habe,
als es die Karte angibt, so bin ich iiber einiges im unklaren
geblieben. Doch glaube ich mit der Annahme nicht fehl zu
gehen, daB hier das Teggiologewolbe sich starker entwickelt
hat und viel weiter nach Norden iibergreift, bis zum Marchhorn.
Unter den Steilvvanden, die das Basodino-Massiv gegen Westen
begrenzen und aus Gneis besteheu, liegen Kalkschiefer, in denen
der Kastelsee eiugebettet ist, und die sudwarts in einzeluen
Partien noch erhalten sind bis zum Talihom. Diese Schiefer
liegen auf demselben Gneis, der sie auch tiberlagcrt, und dieser
173
Kegende Gneisfliigel entspricht genau denrjenigen, der im Tunnel
(S) zwischen Km 5 und 7 durchfahren worden ist. Wahrend
aber dort der hangende Lebendungneisfliigel sich rasch in die
Hohe biegt und wahrscheinlich bei Valle zur Tagesoberflache
heraufkoinmt, ist dieser Fliigel am Basodino flach gelagert und
biegt sich erst am Marchhorn in die Hohe. Dort liegt also
die Stirn des Teggiolo-Gewolbes. Der liegende Fliigel hingegen,
dessen Fortsetzung gegen Norden im Tunnel unbekannt ist,
biegt sich einerseits beim Tosa-Wasserfall rasch herab und
bildet das tiefere Tosagewolbe, anderseits aber springt er mit
seiner oberen Seite noch bis „Im Moos" nach Norden yor und
spitzt sich dort aus.
12. Die Beziehung der Formazzafaltung zur Berisalfaltung.
Die Formazzafaltung ist am bedeutendsten im NO, die
Berisalfalte im SW des Gebietes entwickelt. Erstere streicht
deutlich von SW nach NO, letztere von W nach 0, vielleicht
sogar von NW nach SO. Sie bilden somit jedenfalls einen
recht grofien Winkel miteinarider. Im SW liegt die Teggiolo-
falte teilweise unter dem Berisalgewolbe und war friiher wahr-
scheinlich ganz von ihm bedeckt. Wie weit letzteres vor
seiner Zerstorung durch Erosion sich im Gebiete des Simplon
nach NO ausgedehnt hat, lafit sich nicht mehr mit Sicher-
heit nachweisen, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daB das
Gebiet des Cairasca-, DeYero- und Antigoriotales einstmals you
ihm ganz bedeckt war. Dahingegen scheint es sich bis zum
Basodino-Massiv nicht erstreckt zu haben, und darin liegt wohl
der Grund, weshalb gerade dort die Formazzafalten sich unge-
hemmter zu weitausgreifenden Deckfalten entwickeln konnten.
Es hat den Anschein, als ob die Berisalfaltung friiher
einsetzte als die Formazzafaltung und das grotfe Berisalgewolbe
sich schon auf seinem Vorlande ausgebreitet hatte, als die
Formazzafaltung den liegenden Fliigel der Berisalmulde in Be-
wegung setzte und damit zugleich das Berisalgewolbe zu seiner
so merkwiirdigen Nachfaltung am Monte Leone zwang. Unter
der Last dieser zu bewaltigenden Masse wurde die Formazza-
faltung wahrscheinlich in ihrer freien Entwickelung gehemmt,
die sie erst weiter im Osten, bis wohin die Berisaldecke nicht
reichte, erlangt hat.
13. Die Bedrettofalten,
Im Gegensatz zu den liegenden Falten des Berisal- und
Formazzasystems stehen* die Bedrettofalten nicht nur deshalb,
weil es stehende Falten sind, sondern auch weil sie ein anderes
174
Streichen haben. Ich habe sie nur bei Brig eingehender
studiert, aber aus der geologischen Karte entnirnnit man leicht,
dafi sie sich bis ins Bedrettotal fortsetzen mit ostnordostlicheni
Streichen. Die Schubbewegung, welche sie erzeugt hat, muB
also eine andere Bichtung gehabt haben als bei den anderen
Falten. Ob ihre Entstehung zeitlich mit der der stidlichen
Deckfalten zusammenfiel oder ihr erst nachfolgte, laflt sich zur-
zeit kauni feststellen. Dahingegen ist es sehr wahrscheinlich,
dan, als die Deckfalten ihre nordlichste Ausdehnung er-
reichten, die Bedrettofaltuug schon eingesetzt hatte, der
weiteren Ausdehnung der Deckfalten hemmend entgegen-
trat und bestrebt war, letztere selbst in ihrem Sinne mitzu-
falten. Auf diese Weise entstand die Nachfaltung des
Berisalgewolbes, welche der Stirn dieses Gewolbes die merk-
■wtirdige Muldenform Yerlieh, die durch den Tunneldurch-
stich klargelegt worden ist. Die . steile Aufrichtung des Stirn-
randes der Berisalfalte Ton Yisp bis zum Ofenhorn ist das
Produkt der Bedrettofaltuug. Sie teilt deshalb auch mit dieser
das ostnordostliche Streichen. Die muldenformige Einsenkung,
die die Berisalfalte dadurch erfuhr, ist die Ursache, weshalb
gerade dieser Teil derselben noch so vollstandig erha,lten und
Tor der Zerstorung durch Erosion besser bewahrt worden ist
sis die siidlicheren Teile.
Inwieweit dieser Kampf zwischen den Yerschiedenen
Faltungsrichtungen auch spater im Osten am Stirnrand der
Formazzafalten seine Spuren zuriickgelassen hat, kann ich nicht
beurteilen, da ich diese Strecke nicht besucht habe.
14. Das Verhaltnis der alpinen Falten zu den Gneisen.
Die Ansicht Studers, daB die Gneise sehr jung und erst
wahrend der alpinen Faltung, teils durch sie YeranlaBt, teils
dieselbe beeinflussend, in die Sedimentgesteine eingedrungen
seieu, ist in neuerer Zeit wieder lebhaft Yon Yerschiedeuen
Seiten aufgegriffen und weiter ausgebaut worden.
Schon im ersten Teile dieser Arbeit (S. 121 — 3 36) habe
ich dem Alter der Simplon-Gneise ein besonderes K#pitel
gewidmet. Ich kam dabei zu dem Ergebnis, daB sie junger
als der Lias und alter als die alpine Faltung sind.
Jetzt, nachdem ich gezeigt habe, weshalb die bisher
herrschenden Yorstellungen fiber den alpinen Faltenbau im
-Simplongebiet aufgegeben und durch andere ersetzt werden
miissen, denen aber wegen der stratigraphischen Unsicherheiten
noch keine festgepragten Formen gegeben werden kounen, er-
.scheint es notwendig, nochmals an die Altersfrage der Gneise
175
heranzutreten, um zu erwagen, ob die Formen der Gneismassen
nicht dock vielleicht fiir eine Intrusion wahrend oder nach der
Faltung sprechen.
So wie Klemm (Sitzber. PreuB.Akad. d. Wiss. XII, S. 5, 1907)
meint, daB die tadellose Erhaltung der so sproden Tremolite
auch in den am starksten gefalteten Dolomitschichten bei Campo-
luugo spiitere Gebirgsbewegung absolut ausschliefie, konnte
man auch im Simplongebiet in diesem Sinne die Tatsache an-
fi'ihren, daB mancherorts Aplitgange auf Erstreckungen von
mehreren Metern schnurgerade durch den Gneis setzen (z. B.
im Verampiogneis an der PoststraBe Crodo-Baceno, im
Diveriatal oberhalb Iselle und im Antigoriotal bei Foppiano)
und somit keine Anzeichen einer spiiteren Verbiegung zeigen, von
der die Sedimentgesteine hier doch allgemein betroffen sind.
Diesem Argumente kann ich jedoch kein allzugrofies Gewicht
beimessen, weil gerade an diesen Orten, wie das auch die
Profile lehren, die Sedimentgesteine nur van einer ganz grofi-
ziigigen Faltung erfaBt worden sind und kleiner Faltungen
oder Faltelungen entbehren. Dahingegen ist es eine unbestreit-
bare Tatsache, dafl an sehr vielen Orten die Gneise die deutlichsten
Anzeichen einer nachtraglichen sehr starken mechanischen Be-
anspruchung zur Schau tragen; im Simplontunnel wurden sie
in Menge beobachtet und von Schardt in den Rapports be-
schrieben. Es sind Gleitflachen, Ruschelzonen und Zer-
triimmerungen, die sich erst nach der Yerfestigung des Gneises
gebildet haben und jedenfalls beweisen, da6 nach der Intrusion
noch erhebliche tektonische Bewegungen stattgefunden haben.
Wo groBere Gneismassen in den Schiefern und Kalksteinen
eingelagert sind, sind die mulden- und sattelformigen Yer-
biegungen gewohnlich weitgespannt und der Kriimmungsradius
ist ein sehr groBer. Enge Faltungen kommen fast nur da vor,
■wo die Gneise fehlen. Das hangt wohl damit zusammen, daB die
Gneise den Yerbiegungen einen groBeren Widerstand entgegen-
gesetzthaben. Nur an einigen Stellen erfolgte,wie die Profile zeigen,
die Umbiegung unter spitzeren Winkeln. Es ware wichtig,
durch mikroskopische Untersuchungen festzustellen, ob dort in
den Gneisen vielleicht starkere mechanische Zertriimmerung
herrscht als anderwarts oder nicht. Man konnte daraus An-
haltspunkte gewinnen, ob die Gneise erst nach oder schon
wahrend ihrer Intrusion diese Lagerungsform angenommen haben.
Es ist aber auch so schon recht unwahrscheinlich, daB z. B.
die Lebendungneisintrusion bereits primar eine so gewundene
Form angenommen habe, wie sie im Profil durch das Basodino-
massiv erscheint.
176
Das liegende untere Antigoriogewolbe des Teggiolo, des-
oberen Deyero- und des Forniazzatales liefte sich bei Annahine
des alpinen Alters der Gneise als das nordliche Ende eines
grofien Lakkolithen deuten, der von Siiden her in die Kalk-
sediniente eindrang. Ich habe diese Moglichkeit langere Zeit
in Erwagung gezogen und in diesem Sinne Profile zu zeichnen
versucht. Ich bin dabei aber stets mit beobachteten Tat-
sachen in Widerspruch geraten und habe deshalb diese Profile
verworfen. Aber es nmft zugegeben werden, daft auch fiir die
Deutung dieser Stellen als liegendes Gewolbe das Beobachtungs-
material nicht vollstandig ausreicht. Am Teggiolo liegt
zwischen den Aufschlussen iiber Tag imd denen im Tunnel
eine 1000 in dicke Zone, yon der wir nichts wissen, und die
uns niancherlei TJberraschungen bringen konnte (siehe Taf. VI,
Fig. 1). Das gilt in noch hoherem Mafie fiir das liegende
Antigoriogewolbe im Deverotal (Taf. VIII, Pig. 5), woselbst die
unterirdische Yerbindung des Antigorio- mit dem Verampiogneis
ganz hypothetiseh ist.
Eine der groftten Schwierigkeiten fiir die Annahme eines
alpinen Alters der Gneise liegt in der Berisaluberfaltung. Die
Hauptgneismassen liegeu unter dem Berisalgewolbe im Mulden-
kern urid dazu noch groBtenteils im inversen MuldenfliigeL
Man konnte sich mit der Annahme zu helfen such en, daii
gerade durch das Eindringen des plastischen, noch nicht er-
starrten Gneismagmas die gleitende Bewegung der Berisal-
schiefer begiinstigt wurde. Denn sie schwammen gewissermafien
auf einer beweglichen Unterlage, die ihnen den Marsch nach
Norden erleichterte. Aber im Widerspruch dazu steht, daft
die Gneise alle Faltungen der Schiefer mitmachten, sogar die
seltsame Nachfaltung am Monte Leone. Ware der Gneis
wirklich wahrend der Paltung der festen Sedimentgesteine
noch nicht verfestigt gewesen, dann miiJ3te doch diese Ver-
schiedenartigkeit des physikalischen Zustandes in der heutigen
Gestalt der Gneismassen und in ihrem Yerhaltnis zu den sie
umgebenden Sedimentgesteinen einen deutlichen Ausdruck ge-
funden haben. Die auffallige RegelmaBigkeit, mit der die
Kalksedimente unter dem Berisalschiefer wiederholt mit Gneisen
wechsellagern und gemeiSisam mit ihnen in Falten gelegt
sind, scheint mir einem erst wahrend des Faltungsvorganges
erfolgten Eindringen der granitischen Massen nicht zu ent-
sprechen.
Fiir den Vorgang gleichzeitiger Gebirgsfaltung und mag-
matischer Intrusion fehlt uns allerdings jede Erfahrung, so daft
es gewagt erscheint, daruber ein Urteil abzugeben, welche Ge-
177
stalt in solchem Falle die Gesteinsmassen annehrnen miissen
oder konnen, und dies umsomebr, als es noch ganz zweifelhaft
ist, ob ein solcher Fall iiberhaupt im Bereicb pbysikalischer
Moglichkeit liegt.
15. Die Beziehung der drei Faltungs-Systeme zueinander.
Fiir die scbier unentwirrbaren tektonischen Yerwickelungen
des Simplongebietes scheint rnir die Annahme der oben be-
schriebenea drei verschiedenartigen tektonischen Bewegungen
eine einigermafien befriedigende Erklarung zu geben. Als ich
vor 6 Jahren mit dem Studiuin dieser Gegend begann, versuchte
ich es natiirlich zuniichst mit der Annahme einer einheitlichen
tektonischen Bewegung, wie sie damals allgeniein iiblich war.
Yier Jahre miihte ich mich umsonst ab. Es gelang nicht, eine
mit alien mir bekannten Tatsachen in Einklang stehende Yor-
stellung yom Gebirgsbau zu gewinnen, und auf rein induktivem
Wege bin ich allmahlich zur Erkenntnis jener drei Faltungs-
vorgange gelangt.
Ich habe versucht, in einer Reihe von Profilen dieser
meiner Auffassung bildlichen Ausdruck zu geben. Die Un-
sicherheit der Stratigraphie jedoch und mehrere andere Um-
stande, unter denen ich besonders die Unmoglichkeit hervor-
heben mochte, meinem Untersuchungsgebiet eine weitere
Ausdehnung zu geben, bringen es mit sich, daB in alien diesen
Profilen Stellen vorkommen, die mehrdeutig sind. Die Deutung,
die mir am wahrscheinlichsten schien. habe ich gewahlt, ohne
jedoch mir zu Yerhehlen, daB weitere Untersuchungen yielleicht
einer anderen Deutung eine groBere Wahrscheinlichkeit geben
konnen.
Die drei Faltungssysteme haben, wenn sie als solche
wirklich bestehen, jedenfalls eine weit iiber das Simplongebiet
hinausreichende Yerbreitung und fiir den Bau der Alpen eine
grofie Bedeutung. Es wird notwendig sein, zu prufen, ob sie
auch in den benachbarten Gebieten konstant bleiben, ob sich
ihre Zahl gleich bleibt, und in welchem kausalen Zusammenhang
sie zueinander stehen.
Die Yerschiedenheit der Massenbewegungen, durch die sich
die drei Systeme im Simplongebiet zu unterscheiden scheinen,
kann entweder ihre Ursache in yerschiedenartig gerichteten
Schubkraften haben oder darin, daB dieselbe Schubkraft durch
Yerschiedenartigkeiten in dem Aufbau des sich faltenden
Krustenteiles zum Wechsel im Faltenwurf gezwungen war. Es
ware ganz begreiflich, wenn die Einschaltung der Gneismassen
in den Sedimenten durch ihre Machtigkeit an den einen und
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 12
178
ihr zum Teil vollstandiges Fehlen an den anderen Stellen
Ablenkungen der Faltungsrichtungen hervorgerufen hatten.
Ebensogut ware es aber auch moglich, daB die Schubkraft
selbst, wahrend der vielleicht sehr langen Faltungszeit, ihre
Richtung aus Ursachen verandert hatte, die auBerhalb des
Simplongebietes liegen.
Wenn man die Punkte, welche einigermaBen aufgeklart
sind, mit denjenigen, welche noch ganz dunkel sind, in der
nachfolgenden Weise zusammenstellt, dann ergibt sich, wieviel
hier noch zu tun ist.
1. Die Gneise sind jiinger als die sie umgebenden Sedimente
und erst nachtraglich in dieselben eingedrungen, sie waren es
aber schon, als die groBe Gebirgsfaltung eintrat.
2. UngewiB hingegen bleibt, wann diese Faltung einge-
treten, wann die Sedimentbildung aufgehort hat, und wann in
dem dazwischen liegenden Zeitraum die Gneisintrusion sich
ereignet hat.
3. Die Alpenfaltung hat zur Herausbildung dreier Falten-
systeme gefiihrt, von denen das Berisalsystem den Anfang
machte, das Formazza- und das Bedrettosystem wahrscheinlich
erst spater nochfolgten, aber so, daB alle drei noch eine Zeit-
lang zusammen in Tatigkeit waren.
4. UngewiB hingegen bleibt, wie lange diese Faltungen
gedauert haben, zu welchem Zeitpunkt sie einsetzten, und ob
Ruhepausen dazwischenlagen, die vielleicht von Erosions-
vorgangen begleitet waren.
5. Erst nach der Faltung haben auf Verwerfungsspalten
Schollenbewegungen stattgefunden, deren relative Yerschie-
bungen im Verhaltnis zur Gebirgshohe nur gering waren.
6. UngewiB aber ist, ob dieselben nur eine lokale Be-
deutung haben, oder ob sie mit der vertikalen Heraushebung
des ganzen Gebirges und der Hebung der pliocanen marinen
Schichten am Siidrand der Alpen in Verbindung standen.
Manuskript eingegangen im Juli 1913.]
179
4. Die Cephalopoden der Schweinfurthschen
Sammlung aus der Oberen Kreide Agyptens.
Von Herrn Otto Eck in Berlin.
Hierzu Tafel IX bis XX und 20 Textfigureu.
Yorbemerkung. Das von Schweinfurth in den Jahren
1877 bis 1886 an verschiedenen Punkten Agyptens gesammelte
Material wurde zum groBten Teil dem palaontologischen Institut
der Universitat Berlin iiberwiesen, wahrend ein kleinerer Teil
nach Stuttgart und Miinchen gelangte.
Die Bearbeitung des in Berlin befindlichen Materials wurde
durch eine Reihe von Umstanden verzogert. Im Sonimer 1908
iibertrug mir Herr Geheimrat Prof. Dr. Branca die Bearbeitung
der Cephalopoden. Ich gestatte mir, an dieser Stelle meinem
hochverehrten Lehrer fur die Ubertragung dieser hochinter-
essanten Aufgabe meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Zu besonderem Danke bin ich auch Herrn Prof. Blancken-
horn fiir Uberlassung und Erlauterung einer Originalkarte
Schweinfurths sowie fiir mancherlei miindliche Ratschlage
verpflichtet. Herr Prof. Dr. Yabe aus Tokio hatte die Liebens-
wiirdigkeit, mir die neuesten Abbildungen seines Werkes iiber
die Hokkaido-Kreide zum Yergleich zuganglich zu machen.
Das Palaontologische Institut der Universitat Miinchen und
das Konigliche Naturalienkabinett in Stuttgart sandten mir in
dankenswerter Weise bereitwilligst die dort befindlichen Cepha-
lopoden der Schweinfurth schen Sammlung zum Yergleich.
Literatnr.
Blanckenhorn, M.: Beitrage zur Geologie Syriens. Die Entwicklung
des Kreidesystems in Mittel- und Nord-Syrien. Cassel 1890.
Blanford, H. F., et F. Stoliczka: The fossil Cephalopoda of the
Cretaceous Rocks of Southern India. Mem. Geol. Surv. of India
(Paiaeontologia indica). Calcutta 1861—65. (Cret. S. India.)
v. Buch, L.: Uber Ceratiten. K. Akad. d. Wiss., Berlin 1849.
Choffat, P.: Recueil d'etudes paleontologiques sur la faune cretacique
du Portugal — Especes nouvelles ou peu connues. — I. Cepha-
lopodes. — II. Les Ammonees du Bellasien, des couches a Neolobites
Vibrayeanus, du Turonien et du Senonien. Section des Tr. Geol.
du Portugal. Lisbonne 1886-1898. (Faune cret. Portugal.)
12*
180
Coquand, H.: Notice sur les richesses paleontologiques de la Province
de Constantine. Journ. de Conch., vol. Ill, 1852, S. 418—438,
Taf. XIII et XIV.
— Description geologique de la Province de Constantine. Mem.
S. G. F. (2), vol.V, 1, 1854. (Descr. Prov. Const.)
— Geologie et Paleontologie de la region Sud de la Province de
Constantine, avec atlas de 35 pi. Marseille 1862. (Geol. Pal.
S. Const.)
Fourtau, R. : Contribution a l'etude de la faune cretacique d'Egypte.
Bull. Institut Egyptien, vol. IV, S. 231-347, L. Caire 1904.
Hyatt, A.: Pseudoceratites of the Cretaceous. U. S. G. S. Monographs,
vol. XLIV. Washington 1903.
Jimbo, K. : Beitrage zur Kenntnis der Fauna der Kreideformation von
Hokkaido. Pal. Abh., Bd. VI. 3. Jena 1894.
v. Koenen : Uber Fossilien der Unteren Kreide am Ufer des Mungo in
Kamerun. Abh. K. Ges. Wiss. zu Gottingen, N. F. I. Berlin 1897.
— Nachtrag zu: Uber Fossilien der Unteren Kreide am Ufer des
Mungo in Kamerun. Ebenda. Berlin 1898.
Kossmat, F.: Untersuchungen uber die siidindische Kreideformation.
Beitr. z. Pal. und Geol. Ost.-Ung. und des Orients, Bd. IX, XI,
1895-98. (Siidind. Kreidef.)
d'Orbigny: Paleontologie francaise. Terrains Cretaces, vol. I., Cepha-
lopodes. Paris 1840-1842. (Pal. fr.)
— ■ Prodrome de Paleontologie stratigraphique universelle, vol. II.
Paris 1850.
Peron, A.: Description des Mollusques fossiles des terrains cretaces de
la region des Hauts-Plateaux de la Tunisie recueillis en 1885 et
1886 par M. Philippe Thomas. Exploration scientifique de la
Tunisie. Paris 1889-90. (Moll. foss. Tun.)
— Les Ammonites du Cretace superieur de TAlgerie. Mem. S. G. F.
Pal. 17, 1896. (Amm. Cret. Algerie.)
Pervinquiere, L. : Carte Geologique de la Tunisie. Etudes de Paleon-
tologie Tunisienne I, Cephalopodes des Terrains Secondaires.
Quaas, A.: Beitrag zur Kenntnis der Fauna der obersten Kreide-
bildungen in der libyschen Wiiste (Overwegischichten und
Blattertone). — Palaeontographica 30, 2, 1902, S. 150—334,
Taf. XX-XXXIII (4°).
Solger, F. : Uber die Jugendentwickelung von Sphenodiscus lenticvlariz
Owen und seine Beziehungen zur Gruppe der Tissotien. Diese
Zeitschr. 55, 1903, S. 69-84, Taf. IV.
— Die Fossilien der Mungokreide in Kamerun und ihre geologische
Bedeutung, mit besonderer Beriicksichtigung der Ammoniten; in
Esch, Solger, Oppenheim, Jaekel : Beitrage zur Geologie von
Kamerun. Stuttgart 1904. (Kamerun.)
Stoliczka, F. s. Blanford.
Wanner, J. : Fauna der obersten WeiBen Kreide der Libyschen Wiiste.
Palaeontographica 30, 2, 1901, S. 91—150, Taf. XIII— XIX.
Yabe, H. : Cretaceous Cephalopoda from the Hokkaido, Part 1. Journ.
Coll. Sc. Univ. Tokyo XVIII, 1903. Part 2. ebenda XX, 1904.
Yokoyama, M. : Versteinerungen aus der japanischen Kreide. Palae-
ontographica 36, 1890, S. 159-202, Taf. XVI1I-XXV.
Siehe ferner meine aus der Bearbeitung des Materials
hervorgegangenen kiirzeren Mitteilungen:
181
IJber die Notwendigkeit einer Revision des Genus Neolobites.
Sitz.-Ber.Ges. naturforsch.Freunde, Berlin 1908, S. 253—286.
(Zus. mit Dr. v. Staff.)
Bemerkungen iiber drei neue Ammoniten aus der Oberen agyp-
tischen Kreide. Ebenda 1909, S. 179—191.
Yorlaufige Mitteilung iiber die Bearbeitung der Cephalopoden
der Sciiweinfurth schen Sammlung und iiber die Entwick-
lung des Turons in Agypten (Oberen Kreide Agyptens).
Zeitschr. Deutsch. Geol. Ges. 62, 1910, S. 379—387.
Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit erschien ferner ohne
Abbilduugen bereits 1910 als Dissertation bei Ebeking, Berlin.
Aus der Sammlung Schweinfurths konnten bestimmt werden:
Nmitiloidea.
Genus Nautilus Breyn.
N. Mermeti Coquand.
N. Mermeti var. Munieri Choffat.
Ammonoidea.
Genus Pachydiscus Zittel.
P. cfr. Menu Forbes.
Genus Neolobites Fischer em. Peron.
N. Fourtaui Fourtau.
N. Fourtaui Pervinquiere. = nov. var. Pervinquieri Eck.
N. Peroni Hyatt.
N. Sch weinfur tin Eck n. sp.
N. Brancai Eck n. sp.
Genus Hoplitoides v. Koenen.
H. ingens v. Koenex.
H. cfr. mirabilis Pervinq.
Genus Acanthoceras Neumayr.
A. cfr. Footeanum Stol.
A. cfr. Mantelli Sow.
A. cfr. meridionale var. africana Pervinq.
Genus Fagesia Pervinquiere.
F. Bomba Eck n. sp.
F. cfr. Thevestensis Peron.
F. indet.
182
Genus Vascoceras Choffat.
V. cfr. Amieirensis Choffat.
V. Kossmati Ceioffat.
V. Durandi Thomas et Peron.
V. Barcoicensis Choffat.
Tr. sp. indet.
Genus Pseudotissotia Peron.
P. segnis Solger und var. discoidalis Pervinquiere.
Genus Tissotia Douyille.
T. cfr. Fourneli Bayle.
T. cfr. Tissoti Bayle.
T. Schweinfurthi Eck n. sp.
T. securiformis Eck. n. sp.
T. Bobini Thiolliere.
Genus Hemitissotia Peron.
Hemitissotia sp. indet.
Faunistische Bemerkungen.
Die agyptische Fauna zeichnet sich, wie schon frtiher mit-
geteilt wurde1), durch einen verhaltnismaJ3igen E-eichtum an
Individuen bei Armut an Species aus und zeigt die groJite
Ahnlichkeit mit der Fauna Tunesiens und Portugals; jedoch.
kommen auch Anklange an die Cephalopodenfauna Indiens vor
(Acanthoceras cfr. Footeanum ; Ac. cfr. Mantelli; Ac. meridionale).
An der Hand der yorliegenden Cephalopoden laBt sich
mit einer einzigen Ausnahme keine Stiitze fur die Annahme
einer Faunenvermischung an der Grenze des Turons und
Cenomans finden (cfr. Blanckenhorn). Nur einmal findet sich
ein Neolobites Schweinfurthi in der Gesellschaft von turonischen
Ammoniten, wie Acanthoceras cfr. Footeanum und Vascoceras.
Palaontologischer Teil.
Genus Nautilus Breyn.
Yon der Familie der Nautiliden liegen mir nur drei
Exemplare sowie einige Bruchstucke vor. Sie stammen aus
dem Westen von Gebel om el Tennasseb (Schicbt der grofien
Exogyren) und aus Wadi Mor Scliicbt 2.
J) Diese Zeitschrift 1910, S. 381. (Monatsber.)
183
Nautilus Mermeti Coquand.
Taf. IX, 1.
1862 Nautilus Mermeti Coquand: Geol. Pal. Constantine, S. 16G, PI. 2,
Fig. 1 und 2.
1886 Nauti/us Munieri Choffat: Faune cret. Portugal, S. 1, PI. 1, 2.
1900 Blanckenhorn : Neues zur Geologie und Pal. Agyptens, S. 36.
1903 Nautilus Mermeti Coquand; Pervinquiere, Et. Geol. Tun., S. 66,
77, 79.
1904 Fourtau : Faune cret. d'Egypte, S. 552.
1907 Nautilus Mermeti Coquand: Pervinquiere, Pal. Tun., S. 46.
135
69
55 mm
Dicke der Windung ....
. 56
82
r>
Dicke der vorigen Windung .
. 30
15
?
1)
Radius der Windung . . .
. 91
45
0
n
Radius der vorigen Windung
. 46
20
0
• 5)
Durchmesser des Nabels . .
8
5
0
n
In der Literatur herrscht einige
Unklarheit uber die Stellung
und Yerwandtschaft des Nautilus Mermeti Coq. Die einzige
mir bekannte photographisclie (und daher einwandfreie) Ab-
bildung gibt Choffat (a. a. O. Taf. 1 und 2). Er benennt
seinen Nautilus aber Nautilus Munieri Choffat; er identifiziert
ihn also nicht mit dem Typ Coquands. Er kommt zu dieser
Trennung, weil in der Abbildung Coquands die durch Zeichnung
hergestellt wurde, die Schweifung der Septen eine andere ist.
Pervinquiere hingegen (a. a. 0., S. 46) vergleicht die Zeichnung
Coquands mit den in der Sammlung der Sorbonne befindlichen
Exemplaren von Nautilus Mermeti Coquand und kommt zu dem
Sehlufl, dafi ein Zeichenfehler bei Coquand Choffat die
Identifizierung der portugiesischen Spezies mit dem echten
Nautilus Mermeti Coquand erschwert babe. Er bait den
Nautilus Munieri Choffat bocbstens fur eine einfacbe Varietat
des letzteren. Icb schlieBe micb Pervinquieres Ansicbt an
und benenne zvvei meiner Stiicke, die sicb Choffats Typ
n ah era: Nautilus Mermeti Coquand var. Munieri Choffat,
Andere Bruchstiicke: Nautilus Mermeti Coquand.
Nautilus Mermeti Coquand. Yon dieser Spezies liegen mir
nur Bruchstiicke yor, die gleichwohl eine genaue Bestimmung
erlauben. Pervinquiere gibt als bezeichnende Eigenschaft an,
dafi der Querschnitt eng sei, und daJ5 die Septen einen geringen
Abstand voneinander besitzen. Der Sipho liege etwa in einem
Fiinftel der Hohe des Septum s.
Alle diese Merkmale, besonders die geringere Breite des
Querschnittes, finden sich an den mir vorliegenden Bruchstiicken.
184
Nautilus Mermeti Coquand var. Munieri Chofeat.
Taf. IX, 2-4.
Zwei vollig erhaltene Exemplare aus der Schicht der
groBen Exogyren westl. Gebel om el Tennassib.
Choffat gibt als Unterschied zwischen Nautilus Munieri
und Nautilus Mermeti an, daJS Nautilus Munieri unter anderem
eine ovalere Miindung besitze als Nautilus Mermeti. Die
anderen Unterschiede, die er anfiihrt, daB z. B. Nautilus Mermeti
eine „ondulation plus reguliere, quoique plus forte que chez
Nautilus triangularis" besitze, habe ich nicht so genau feststellen
konnen. Die mir yorliegenden Stticke unterscheiden sich nur
in der verschiedenen Dicke und der Form des Querschnittes.
Alle anderen Merkmale sind zu wenig charakteristisch, um
als Kennzeichen zu dienen. Dazu kommt, daB sich Ubergange
finden. Ich habe die Trennung in der Weise vorgenommen,
daB ich die beiden Formen mit geblahteren Flanken, die
zugleich einen ovaleren Querschnitt besitzen, als var. Munieri
Choffat bezeichnete, da Choffat ausdriicklich unter anderem
angibt: bouche plutot ovale que triangulaire. Die Bruchstiicke
hingegen, die einen engeren Querschnitt zeigen, der sich der
Dreiecksform nahert, habe ich gemafi Pervinquieres Angaben
als echten Nautilus Mermeti bezeichnet.
Ich mochte die Aufmerksamkeit auf Nautilus Mermeti
Coquand hinlenken, damit Untersuchungen an reichhaltigerem
Material feststellen, ob Nautilus Mermeti, Nautilus Munieri und
Nautilus Fittoni Sharpe nicht in Wirklichkeit enger zusammen-
gehoren, als man aus den bisherigen Angaben der Literatur
schlieBen konnte. Leider wird dem bis auf lange Zeit hinaus
die verhaltnismaBig groBe Seltenheit dieser Spezies, die von
alien Autoren betont wird, entgegenstehen.
Ich bemerke ausdriicklich, daB ich dieUnterscheidung der var.
Munieri Choffat nur mit Vorbehalt in Anbetracht des geringen mir
zu Yerfiigung stehenden Materials mache. Deswegen fiige ich
einige photographische Aufnahmen bei, die u. a. iiber die Lage
des Sipho, des Querschnittes, des Ruckens usw. Auskunft geben.
Nautilus Mermeti ist ein charakteristisches Fossil des
Cenomans. (Rotomagien.)
Genus Pachydiscus Zittel.
Pachydiscus cfr. Menu Forbes.
1845 Amm. Menu Forbes: Trans. Geol. Soc. London, 2. Ser., vol. VII,
S. Ill, PI. X, Fig. 1.
1865 Amm. Menu Stoliczka: Cret. South. India, vol. 1, S. 103, PI. 52,
Fig. 3 und 4.
185
1898 Pachydiscus Menu Kossmat: Beitrage zur Palaontologie Oster
reich-Ungarns, Bd. IX, Heft III, S. 104.
1907 Pachydiscus Menu Pervinquikre: ~tt. de Pal. Tun., S. 177. 178.
Anzahl: 4 Fragmente.
Fundort: Wadi Dhahel.
Abmessungen:
Durchmesser des Aminoniten .
. 88
mm
Radius der Windung ....
50
ii
Radius der vorigen Windung
?
n
Dicke der Windung . . , . .
. 43
55
Dicke der vorigen Windung .
?
n
Durchmesser des Nabels . . .
. 24
55
Yier mir vorliegende Fragmente weisen den typischen
Habitus des Genus Pachydiscus Zittel auf. Leider gestattet
ihr Erhaltungszustand bei keinem Individuum die Lobenlinie
auch nur teilweise zu erkennen. Daher konnten sie auch
nicht mit Sicherheit als Pachydiscus Menu Foubes angesprochen
werden, ein Ammonit, mit welchem sie sonst die groflte
Ahnlichkeit haben.
Der Nabel ist weit. Die Umgange umfassen einander
nicht weit, der Querschnitt entspricht der von Stoliczka (a. a.
0. Tafel 52) angegebenen Zeichnung.
Vom Nabel aus ziehen sich wohlausgepragte starke Rippen
uber die Flanken und den Riicken hinweg. Zwischen die
Lucken sind schwachere Rippen in anscheinend wechselnder
Anzahl eingeschaltet, die ebenfalls sich uber die ganze Auflen-
seite der Schale hinziehen. Die meisten Fragmente zeigen
starke Randknoten wie zuweilen auch starke Nabelknoten.
Genus Sphenodiscus Meek. (-Libycoceras Eastman).
Sphenodiscus Ismdelis Zittel.
(Taf. X.)
1883 Ammonites {Buchiceras) Ismaelis Zittel: Palaeontogr. XXX, 1.
1902 Libycoceras Ismaeli Zitt. Quaas: Palaeontogr. XXX, 2, Taf. 29,
3—7 und 30, 1.
1907 Libycoceras Ismaeli Pervinquiere: Et. Pal. Tunis. Ceph. Terr. sec.
DieAbbildung wurdenach einer Platte hcrgestellt, auf der sich
derVermerk „Coll. Schweinfurth, Original Stuttgart" befand. Erst
durch Nachforschungen wahrend der Korrektur stellte sich heraus,
daB es sich urn das beiQuAAS nach einer Zeichnung bereits abgebildete
Exemplar der Munchener Sammlung aus der Coll. Zittel handelt.
Genus Neolobites Fischer.
1840 Ammonites Vibrayeanus d'Orbigny: Pal. franc. Terr, cret., S. 322,
Tafel 96.
186
1882 Neolobites Vibrayeanus d'Orb. Fischer: Manuel de Conchy].
1889/90 Neolobites Vibrayeanus d'Orb. Peron: Description des mollusques
fossiles de la Tunisie.
1890 Neolobites Vibrayeanus d'Orb. Docyiele: Sur la classification des
Ceratites de la craie. Bull. Soc. Geol. France, 3. Serie, Bd. 18.
1898 Neolobites Vibrayeanus d'Orb. Choffat: Faune cret. du Portugal,
2. Ser., Lissabon.
1900 Neolobites Vibrayeanus d'Orb. Blanckenhorn : Z. d. Deutsch. Geol.
Ges. Bd. 52.
1903 Neolobites Vibrayeanus d'Orb., Neolobites Vibrayeanus Peroni,
Neolobites Vibrayeanus Choffati Hyatt: Pseudocerat. of the Creta-
ceous. Mon. U. S. Geol. Surv.
1904 Neolobites Peroni Focrtau: Contribution a Tetude de la faune
cretacique d'Egypte.
1907 Neolobites Per 'o/u' Hyatt = Neolobites Fourtaui Peryinq. Peryinquiere:
Etudes de Paleontologie Tunisienne. Cephalopodes des terrains
secondaires.
1908 H. v. Staff und Otto Eck: Uber die Notwendigkeit einer Re-
ason des Genus Neolobites. Sitzber. Ges. Naturforsch. Freunde.
Berlin. Nr. 9.
Die obigen Angaben umfassen nur einen Teil der Literatur
iiber das Genus Neolobites. Ich verweise auf die von Herrn
Dr. y. Staff und mir verfaBte Arbeit, in welcher eine umfang-
reichere Zusammenstellung tder Literatur angegeben ist. Die
wichtigsten Autoren sind jedoch unter den obengenannten auf-
gefuhrt.
Schon in der Benennung der einzelnen Elemente der Sutur
hat in der Literatur eine groiJe Verwirrung eingesetzt, indem
die Autoren sich z. B. nicht iiber die Bedeutung des ersten
Externsattels einig wurden.
Ich mochte also, um MiBverstandnisse zu vermeiden, auf
die friiher gegebene schematische Darstellung einer Neolobiten-
Lobenlinie verweisen.
Neolobites Schweinfurthi Eck.
Taf. XI, 1.
1908 Neolobites Schweinfurthi Eck n. sp. v. Staff und Eck. A. a. O.
S. 284, Fig. 13.
Anzahl: 11 Stiicke.
Fundort: Wadi Mor (Schicht 2) und Wadi Gebel om el
Tennasseb (10 Ex.) ; Oase-Beharie (CoII.Blanckenhorn).
Abmessungen:
Durchmesser des Ammoniten .
Radius der Windung. . . .
Radius der vorigen Windung .
Dicke der Windung ....
Dicke der vorigen Windung .
Durchmesser des Nabels. . .
126
68 mm
81
37
0
•>•>
32
0
15
14 „
5
5 „
187
In denSitzungsberichtenderGesellschaftderNaturforschenden
Freunde konnte ich seinerzeit nur ein Fragment als Ver-
treter der neuen Spezies abbilderj, da unter den zehn mir vor-
liegenden Individuen kein einziges vollig erhalten war. Die
Fragmente zeigten wohl einwandfreie Einzelheiten, jedoch waren
die wenigen vollstandigen Stiicke verdriickt. Durch die Liebens-
wiirdigkeit des Herrn Professors Blaxckenhorn wurde mir
ein vollstandig erhaltener Neolobit aus der Oase Beharie iiber-
wiesen, in dem ich unschwer einen typischen, vollstandig er-
haltenen Neolobites Schweinfurthi erkannte. Ich nehme die
Abbildung dieses Cephalopoden zum Typ des Neolobites Schwein-
furthi und bemerke, dafi er die von mir seinerzeit an Hand der
Fragmente aufgestellte Definition vollstandig bestatigt.
N. Schweinfurthi zeichnet sich durch folgende Eigen-
schaften aus:
1. Der Nabel ist sehr eng. Bei zwei Bruchstucken betrug
der Durchmesser des Ammoniten 68 resp. 168 mm und der
Durchmesser des Nabels 5 mm.
2. Er ist von mittlerer Dicke.
3. Die Loben sind plump und von wechselnder Form.
4. Es konnen bis zu fiinf Auxiliarsattel auftreten.
Die Form der Loben zeigt einige Ahnlichkeit mit der von
Choffat (a. a. 0. PI. V, Fig, 2 b) gegebenen Abbildung; bei
alien mir vorliegenden Exemplaren zeigt sich dieselbe eigen-
artige tropfenformige Gestalt der Sattel, die zuweilen nach
oben etwas spitzer werden und zum Nabel sich neigen konnen.
Doch beobachtet man solche Neigung nur bei den bei den
Adventivloben und bei dem Lateralsattel. Diese Uberein-
stimmung ist die einzige, die diese neue Spezies mit Choffats
Exemplar aufweist, und dazu nach meiner Ansicht vielleicht
nicht die wichtigste. Da ferner das Exemplar Choffats wegen
seines schlechten Erhaltungszustandes (vide Hyatt, Pervin-
quiere) sehr wenig einwandfreie Details gibt, so stehe ich nicht
an, obige Neolobiten wegen sonstiger grower Unterschiede einer
neuen, deutlich verschiedenen Spezies zuzurechnen. Am Nabel
sind Andeutungen von radial verlangerten Knoten. Der Riicken
ist flach, abgekantet und mit zahlreichen, zum Teil ziemlich
dicken Knoten versehen. Rippen sind an den vorliegenden
Exemplaren nicht mehr sichtbar; sie diirften, wenn uberhaupt
vorhanden, nicht allzu stark gewesen sein, da die Steinkerne
stellenweise die Einzelheiten recht gut bewahrt zu haben scheinen.
188
Neolobites Brancai Eck.
Taf. XII.
1908 Neolobites Brancai Eck n. sp., a. a. 0. S. 276., Fig. 5.
Anzahl der untersuchten Exemplare: 1 Indiyiduum.
Fundort: Wadi Abu Rimf II. d.
Abmessungen:
Durchmesser des Ammoniten . . 150 mm
Radius der Windung 98 „
Radius der vorigeu Windung . . 32 „
Dicke der Windung 32 ,,
Dicke der vorigen Windung ... 13 „
Weite des Nabels 8 „
Das mir vorliegende Exemplar ubertrifft an Grofie die bis-
her beschriebenen Exemplare mit Ausnahme der yon Peryin-
quiere abgebildeten Bruchstiicke und eines Exemplars yon
Choffat.
Neolobites Brancai ist hochmiindig, flach, scheiben-
f ormig.
Die Hohe der Windungen nimmt schnell zu.
An den Stellen, an denen nocb Schale erbalten geblieben
ist, sind keine oder doch nur yerscbwindend gering ausge-
pragte Rippen yorbanden. An einer Stelle (62 mm Windungs-
radius) bemerkt man, dafi etwa in 25 mm Abstand parallel mit
der Peripherie eine schwache, schmale Erhdhung umlauft; je-
doch ist zu wenig davon erbalten, als dafi man einen sicberen
Schlufi iiber ibren weiteren Verlauf zieben konnte. Icb wurde
diesem Dmstande weiter keine Bedeutung beilegen, wenn nicbt
an dem im folgenden bescbriebenen Stuck, das allerdings einer
anderen Spezies angebort, an derselben Stelle eine umlaufende
Knotenreibe zu seben ware. Der Riicken ist sehr scbmal,
abgestutzt und mit kleinen in der Ricbtung der Peripherie aus-
gezogenen Knoten besetzt, die in den alteren Windungen deut-
licb und grofier Averden und in den Jugendwindungen zu fehlen
scheinen. Nabelknoten fehlen; nur an einer Stelle scheint eine
schwach radial ausgezogene Erhobung sicb zu finden, die auf
nach dem Riicken zu in Rippen sich fortsetzende Nabelknoten
deuten konnte. Dafi derartige Nabelknoten yorkommen, be-
merkt bereits Peryinquiere yon Neolobiten einer anderen
Spezies; icb selbst konnte dieselbe Erscbeinung mehrfach
beobachten. Der Nabel ist sebr eng. Die Lobenlinie ist sanft
bogenformig nach vorne gescbwungen. In den Jugendwindungen
ist diese Kriimmung starker. Die Lobenlinie besteht aus einem
■durch einen Sekundarzacken zweigeteilten Externlobus,
189
einem durch einen Adyentivlobus zweigeteilten Externsattel,
zwei Lateralsattel imd Tier (5 ?) Auxiliarsatteln.
Bei zunehinenderu Alter nahert sich der siphonale Teil des
Externsattels an Hohe dem lateralen Teil. In einigen alteren
Windungen iibertrifft er ihn an Breite. Die Loben sind breit
und eingeschniirt (pince), so daB das untere Ende tropfenformig
erscheint. Die Auxiliarloben nehmen ziemlich schnell an Hohe
und Breite nach dem Nabel bin ab. Loben und Sattel beriihren
sich nirgends. Die Lange der Wohnkainnier war nicht zu be-
stininien; sie betragt aber niindestens 130°.
Zusammenfassung der Artm erkmale des N. Brcmcai.
1. Gestalt: Grofl, nach, scheibenforniig, hochiniindig.
2. Berippung: Sehr schwach.
3. Auf dem schmalen abgestutzten R lick en sehr kleine lang-
gezogene Knoten.
4. Lobenlinie bogenformig geschwimgen : Sattel und Loben
breit.
5. Vier (fiinf?) Auxiliarsattel.
Xeolobites Fourtaui FoURTAU.
Taf. VI, 6.
1903 Xeolobites sp. Pbrvinquiere : Et. geol. Tun. cent., S. 76.
19U4 Neolobites Peroni Foirtau: Contribution a TEtude de la faune
cret. d'Egypte. Bull, de lTnstitut Egyptien, S. 253, Fig. 2.
1907 Neolobites Fourtaui Pbrvinqdikre: etudes de paleont. Tunisienne,
S. 209, Tafel VIII.
1908 Neolobites Fourtaui Fodrtad var. PERMSQuitRi v. Staff und Eck:
tiber die Notwendigkeit einer Revision des Genus Neolobites.
a. a. O. S. 269.
Anzahl: 3 Individuen, einige Fragmente (unsicher).
Fundort: Wadi Mor.
Abmessungen :
Durchmesser des Ammoniten
Radius der Windung . .
Radius der yorigen Windung
Dicke der Windung . .
Dicke der yorigen Windung
Durchmesser des Nabels .
Nur nach langem Zogern und genauestem Yergleichen der
ScHWEiNFURTHschen Neolobiten habe ich mich entschlossen, die
yon Fourtau und Pervinquiere unter den oben erwahnten
Benennungen abgebildeten Cephalopoden als zwei yerschiedene
Varietaten zu beschreiben und sie nicht, wie Pervinquiere
48
19
52
mm
35
27
32
r>
9
11
22
n
9
11
11
ii
?
?
5
•n
5
8
5
55
190
will, zu yereinigen. Ich glaube hierzu umsomelir in der Lage
zu sein, als mir etwa 20 Indiyiduen vorliegen, von denen ein
Teil ganz auffallend dem Typ Fourtaus, der Rest dagegen
dem Typ Pervinquieres nahe kornmt. Ich will an dieser
Stelle gleich bemerken, da£, wenn auch Neolobites im Cenoman
leitend ist, sich dennoch einmal ein Neolobites Schweinfurthi
zusammen mit unterturonischen Cephalopoden, z. B. Pseudotisso-
tia segnis, im Wadi Mor yorfand. Wenn spater auf Grund
reichhaltigerer Funde und genauerer Untersuchungen die Ho-
rizonte des Cenomans feiner gegliedert sind, werden moglicher-
weise die beiden abgetrennten Yarietaten verschiedene Hori-
zonte anzeigen. Zurzeit laBt sich. an Hand der mir yorliegenden
Fig. 1. Fig. 2.
Lobenlinie von Neolobites Fourtaui Fourt.
Entstehung des Externsattels.
Indiyiduen eine Reihe von Ubergangsformen nachweisen.
Trotzdem glaube ich die beiden auJSersten Glieder als ver-
schiedene Yarietaten bezeichnen zu niiissen.
Ich benenne, wie bereits v. Staff vorschlug (a. a. 0. S. 269),
den von Fourtau (a. a. 0. S. 253) abgebildeten Cephalopoden,
Neolobites Fourtaui Fourtau, den von Pervinquiere (a. a.O.S.209;
abgebildeteten Neolobites Fourtaui var. Pervinquieri. Drei
recht gut erhaltene Indiyiduen der ScnwEiNFURTHSchen Sammlung
schliefien sich der von Fourtau gegebenen Beschreibung und
Abbildung an.
Als Hauptmerkmale dieser Yarietat gegeniiber der
PERViNQUiERESchen Yarietat mochte ich folgende Punkte an-
sehen:
Der Nabel ist enger.
Der Rucken ist schmaler.
Die Nabelknoten sind bedeutend rnehr entwickelt als
die Randknoten; letztere konnen z. B. kaum entwickelt sein,
wenn die Nabelknoten stark hervortreten.
Rippen- und Randknoten sind nur sehr schwach entwickelt
(an meinem Individuum die Rippen uberhaupt nicht). Die
Sutur zeigt die von Fourtau angegebene „anse de panier". Irn
allgemeinen treten nicht mehr als fiinf Elemente auf (bei var.
191
Pervinquieri bis 7). End.li.ch scheint der Neolobites Fourtaui
Fourtau nicht iiber die von Fourtau angegebene GroBe hin-
auszukommen (55 mm Durchrnesser). Die mir vorliegenden
Individuen bleiben alle hinter dieser GroBe zuriick. Die Per-
YiNQUiEREschen Individuen konnen bis 135 mm Durchmesser
besitzen. Ich halte letztere in anbetracht der recht konstanten
Unterscheidungsmerkmale durchaus nicht etwa fiir Altersstadien
des Neolobites Fourtaui Fourtau und betone, daB, obwohl mir
IJbergangsformen vorliegen, sich diese beiden einstweilen als
Varietaten unterschiedenen Formen gut auseinanderhalten
lassen.
Neolobites Fourtaui var. Pervinquieri n. var.
Anzahl: 16 Individuen.
Fundort: Wadi Mor und westlich Gebel om el Tennessab.
Als typische Merkmale des Neolobites Fourtaui var. Pervin-
quieri betrachte ich, verglichen mit Neolobites Fourtaui Fourtau:
1. Der Nabel ist weiter.
2. Die Riickenkante ist mit groBen Knoten versehen und ver-
haltnismaBig weniger tief ausgekehlt als beim Neolobites
Fourtaui Fourtau.
3. Die Sutur, besonders E-ippen- und Randknoten, ist starker
entwickelt.
4. Die Lobenlinie kann mehr Elemente umfassen (s. oben).
Diese Unterschiede mogen auf den ersten Blick unbedeutend
erscheinen, so daB sie die Trennung als uberflussig erscheinen
lassen, jedoch laBt sich durch den Gesamteindruck die Trennung
leicht ermoglichen. Zum SchluB mochte ich noch darauf hin-
weisen, daB die „courbure generale de la ligne suturalew', von
der Pervinquiere spricht, nach den mir vorliegenden Individuen
zu urteilenj nicht bei Neolobites Fourtaui Fourtau auftritt. Bei
diesem konnte ich niemals die scharfe Knickung in der Sutur
feststellen.
Endlich scheinen bei Neolobites Fourtaui Pervinquiere ein
bis zwei Auxiliarsattel mehr als bei Neolobites Fourtaui Fourtau
auftreten zu konnen.
Neolobites Peroni Hyatt
var. Yervinquieri v. Staff und Eck.
Taf. XI, 2-3.
1889 Neolobites Yibrayeanus Peron: Moll. foss. Tunisie, S. 16., PI. XVIII,
Fig. 1-2. ,
1903 Neolobites Vibrayeanus Pervinquikre: Et. G-eol. Tun. cent., S. 67.
1903 Neolobites Peroni Hyatt: Pseudoceratites, S. 179.
192
1907 Neolobites Peroni Hyatt, Pervinquihre: Etudes de Pal. Tun., S. 208,
Taf. 8, Fig. la, b.
1908 Neolobites Peroni var. Pervinquieri v. Staff und Eck S. 279.
Anzahl: 1 Individuum, westlich Gebel om el Tennasseb.
Abmessungen:
Durchniesser des Annnoniten . .
. 92
mm
Radius der Windung
61
11
Radius der vorigen Windung . .
. 28
11
Dicke der Windung
34
11
Dicke der yorigen Windung . .
. 15
11
Weite des Nabels
7
11
Das oben genannte Exemplar stelle icli zu Neolobites Peroni
Hyatt, lege aber meiner Beschreibung nicht die yon Peron
(Illustration des invertebres fossiles de la Tunisie PI. XVIII,
Fig. 1. 2) gegebene Abbildung zugrunde, sondern halte mich
an Pervinquieres Abbildungen und Beschreibungen. Das Stuck
ist yon geblahter Form. Der Ruck en ist kantig abgeplattet;
er scheint in der Mitte leicht eingesenkt und ist an beiden
Seiten mit niedrigen, im Sinne der Peripherie langgezogenen
Knoten bedeckt. Diese Knoten werden durch das Auftreten
der zahlreich radial yom Nabel zur Peripherie ausstrahlenden
Rippen gebildet. Diese Rippen sind deutlich sichtbar und
ziemlich breit. Das bis zum Ende suturierte Exemplar weist
ca. 35 Rippen auf. Am Nabel sind etwa funf ziemlich dicke
Knoten zu beobachten, deren Grofie mit den Knoten an Per-
vinquieres Exemplar iibereinstimmt, jedoch erheblich hinter
Perons Zeichnung zuruckbleibt. Weil gerade an dieser Stelle
die Schale erhalten blieb, konnen keine Entstellungen durch
Verwitterung der Nabelknoten entstanden sein.
Die Lobenlinie besteht aus einem durch einen Sekundar-
zacken zweigeteilten Externlobus, einem durch einen Adventiv-
lobus zweigeteilten Externsattel, aus zwei Lateralsatteln und
drei (vier ?) Auxiliarsatteln. Die „feinen yom Nabel zum Kiel"
verlaufenden Streifen, yon denen Fortau bei Beschreibung seines
Neolobites Fourtaui spricht, habe ich an der erhalten en Schale
der beiden besprochenen (allerdings anderen Spezies zugehorigen)
Neolobiten nicht bemerken konnen. Diese Streifen scheinen
demnach eine Eigentumlichkeit des Neolobites Fourtaui zu sein.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dafi der yorliegende
Neolobit dem Peroni yon Pervinquiere sehr nahesteht. Der
groflte Unterschied wiirde darin bestehen, daB eine zweite kon-
zentrische Knotenreihe parallel dem Riicken lauft. Ich halte
jedoch angesichts der sonstigen groBen Ubereinstimmung mit
193
Seolobites Peroni diesen Umstand fur nicht schwerwiegend
genug, um die beiden Formen zu trennen. Lediglich die
stellenweise erhaltene Schale des ScHWEiNFURTHschen Exemplars
hat die Feststellung der zweiten Knotenreihe erlaubt, wahrend
Pervinquieres Exemplar etwas abgewetzt ist imd eventuell
dieses Merkmal nicht mehr zeigen kann. Ubrigens zeigt Per-
vinquieres Abbildung Tafel 8 in 6 mm Abstand Yon der
Riickenkante auf der Flanke eine Vorbiegimg, die auf eine
Akzentuierung der Rippen an dieser Stelle schlieflen laBt.
Genus Hoplitoides. Von Koenen. em. Solger und Pervinquiere.
1898 Von Koenen: Uber Fossilien der Unteren Kreide am Ufer des
Mungo in Kainerun. Berlin 1898.
1904 Solger: Die Fossilien der MiiDgokreide in Kamerun und ihre
geologische Bedeutung, mit besonderer Bei iicksichtigung der
Ammoniten. Stuttgart 1904.
1907 Pervinquiere: Etudes de Paleontologie TuDisienne.
Als Solger im Jahre 1904 mehrere Ammoniten der Mungo-
kreide als Hoplitoides ingens v. Koenen bestimmte, machte er
bereits auf ihre grofie Ahnlichkeit mit dem SpJienodiscus
Bequieni d'Orbigny aufmerksam, den Peron abbildet (Ammo-
nites du Cret. sup. de PAlgerie, PI. 4, Fig. 2, 3).
Pervinoiiere ging weiter, indem er mehrere Ammoniten,
die er urspriinglich als Sph en o discus angesprochen hatte, nach
eingehender Priifung dem Genus Hoplitoides anschloB.
Mehrere mir vorliegende Cephalopoden schlieBe ich eben-
falls dem Genus Hoplitoides an, indem ich die erweiterte Ge-
nusdefinition SoEtiERs und Pervinquieres zugrunde lege.
An dieser Stelle sei es gestattet abzuschweifen zur Beant-
wortung der Frage nach der Ausdehnung der Kreide-
meere.
Pervinquieke sagt (a. a. 0. S. 223): „I1 est interessaut de rappeler
que le type provieiit du Cameroun. C'est la uiie nouvelle preuve de
Fextension de la mer du Cretace superieur sur une grande partie de
PAfrique. 11 ne parait pas douteux que cette mer s'etendait dAlgerie
et de Tunisie, a Bilma, au Damerghou, au Cameroun et de la au Bresil,
tous ces pays presentant sa plus graDde affinite quant a leurs faunes
du Turonien et du Senonien inferieur. J'ajoute, enfin, que la collection
de l'Ecole des Mines renferme un fragment de Hoplitoides provenant
du Sinai, ce qui nous indique l'extension, vers l'Est, de la meme mer".
Es ist yon Interesse zu erfahren, daB Hoplitoides
also auch in Agypten yorkommt.
Die bisher bekannten Fundorte sind: Kamerun (Esch,
Solger), Tunis (Peron, Peryinquiere), Agypten (Schweinfurth),
Sinai.
ZeitBchr. d. D. Geol. Ges. 1914. 13
194
Eerner konnte ich das Vorkornmen von Yascoceras und
Fagesia in Agyten feststellen. Yascoceras (Turon) ist bekannt
in Spanien, Portugal, Algier, Tunis und Agypten.
No ch weitermuB sich das Meer ausgebreitethaben,
in welchein Fagesia lebte. Fagesia ist gefunden in Portu-
gal, Algier, Tunis, Agypten, Indien, Japan, Mexiko.
Hoplitoides in gens v. Koexex em. Solger.
Taf. XIII, 2.
1897 Sphenodiscus Requieni Peron: Amm. cret. sup. dAlgerie, S. 34,
PL IV.
1897 Neoptychites ingens v. Koenex: Fossilien der unteren Mimgokreide.
Tafel II, S. 12.
1903 Sphenodiscus indet. Pervinqoiere : Et. geol. de la Tunisie centrale,
S. 115, 116, 117.
1904 Hoplitoides ingens Solger: Beitrage zur Geologie von Kamerun,
Tafel V, S. 137-153.
1907 Hoplitoides ingens Pebvinquiere: Etudes de Pal. Timisienne,
PI. IX, S. 219.
Anzahl: 4.
Eundort: Wadi Abu Rimf; Unteres Wadi Tin; Oberstes
Wadi Hauaschieh.
Horizont: Unterstes Senon.
Abmessungen:
Eadius der Windung . . .
65
32
59
18
Hadius der vorigen Windung
30
21
38
9
Dicke der Windung
32
22
32
9
Dicke der vorigen Windung .
12
10
12
4
Durchniesser des Arnmoniten
110
59
80
30
Durchmesser des Nabels .
14
6
5
2
Der Erhaltungszustand der mir vorliegenden Hoplitoiden
ist nicht besonders giinstig, wenngieich er geniigt, urn die zur
Bestimmung notigen Merkinale festzustellen. Die Steinkerne
sind stellenweise etwas verwittert, so daB die oben angegebenen
Mafie nicht ganz genau sind. Das grofite Individuum ist am
meisten verwittert, so dafi ich nicht feststellen kann, ob Knoten
oder Rippen vorgelegen haben. Ein kleineres Individuum von
Wadi Tin zeigt vom Nabel aus sich sichelformig liber die
Flanken bis zuni Kiel erstreckende RijDpen.
Im allgemeinen verweise ich auf die ausfiihrlichen Be-
schreibungen Solgers und PerVinquieres , da der Erhaltungs-
zustand der mir vorliegenden Individuen leider nicht gestattet,
neue Beobachtungen zu machen.
195
Ich habe einige Zeichnungen von Lobenlinien beigefiigt,
aus denen man die groBe Yeranderlichkei t, die das Genus
Hoplitoides auszeichnet, ersehen mag.
Solgek wie Pervinquiere wiesen bereits darauf hin;
letzterer fiihrt als eine ziemlich konstante Eigentiimlichkeit der
Lobenlinie den Umstand an, dafi der erste Laterallobus eine
besonders weitgehende Entwicklung aufweise; diese Erscheinung
kann ich durchaus bestatigen.
Die vorliegenden 4 Hoplitoiden schliefle ich eng an die
von Pervinquiere als Hoplitoides ingens beschriebenen und
abgebildeten Ammoniten an. Wenn auch kleinere Abweichungen
vorliegen, vermag ich keinen bedeutenderen Unterschied fest-
Fig. 3. Fig. 4.
Lobenlinie von Hoplitoides ingens v. Koenen,
Fig. 5.
Naturl. GroBe.
zustellen und halte beide Formen fiir identisch. Unterschiede
finden sich hauptsachlich in der Sutur.
Da die Steinkerne etwas verwittert sind, laflt sich iiber
die Skulptur nichts feststellen.
Hoplitoides cfr. mirabilis PERVINQUIERE.
1907 Per vin queue: Etudes de Pal. Tunisienne. Tafel X, Fig. 3 a b,
S. 218.
Anzahl: 1 Individuum.
Fundort: Unteres Wadi Tin.
Horizont: Unteres Turon.
Abmessungen:
Radius der Windung . . .
Radius der vorigen Windung
Dicke der Windung . . .
Dicke der vorigen Windung
Durchmesser des Ammoniten
Durchmesser des Nabels
94
51
9
28
176
15
Ein ziemlich stark verwittertes Individuum aus dem
unteren Wadi Tin stelle ich vor allem wegen der eigentiim-
lichen Ausbildung der Sutur in die Nahe von Hoplitoides mira-
bilis Pervinquiere.
Diese Spezies ist wegen der eigenartigen sehr plumpen
13*
196
phylloiden Ausbildung ihrer Suturelemente leicht erkenntlich.
Wenn das mir vorliegende Individuum ungliicklicherweise nicht
gerade an dem Siphonallobus stark verwittert und durch tief-,
gehende Spriinge im Steinkern deformiert ware, vviirde ich die
beiden Formen sogar fur identisch erklaren konnen.
Leider gestattet der Erhaltungszustand auch nicht, eine
Zeichnung der Sutur beizufiigen.
Der Siphonalsattel laBt grofie Ahnlichkeit mit der< von
Pervinquiere abgebildeten Lobenlinie erkennen; auch der Si-
phonallobus zeigt die blattformigen ziemlich weit in die Hohe
ragenden Zacken.
Pervinquiere gibt als Alter des Hoplitoides mirabilis
Unteres Turon an.
Genus Acanthoceras Neumayr.
Das Genus Acanthoceras wurde 1875 yon Neumayr aufge-
stellt, jedoch so wenig scharf umgrenzt, daB ein Teil seiner
damaligen Angehorigen, wie Pervinquiere sagt, geradezu als
Typen neuer Genera aufgestellt wurden (Mammites, Douvillei-
ceras, Prionotropis usw.).
Pervinquiere gibt als Typ das Acanthoceras Rotomagense
Defrance an und halt ungefahr folgende Eigenschaften fiir be-
stimmend:
Form meist dick, ziemlich dicker Nabel, auf den Flanken
gerade oder leicht geschwungene Rippen, die einfach oder
zweifach gegabelt sein konnen. Diese Rippen ziehen sich ganz
oder nur teilweise iiber die Yentralseite hin. Stets entspricht
ein Randknoten einem Nabelknoten, wenn auch die Anzahl
schwanken kann. In der Mitte kann man zuweilen einen
Knoten beobachten, doch kann dieser entweder ganz fehlen
oder im Alter verschwinden. Die Sutur umfaBt nur wenige
Elemente. Pervinquiere bemerkt selbst, daB schon aus der
Genusbeschreibung hervorgehe, wie eine genaue Umgrenzung
durch die auBerordentliche Yariabilitat der einzelnen Spezies
erschwert werde.
Acanthoceras cfr. Footeanum Stol.
Taf. XVII, 1-2.
1865 Ammonites Footeanus Stoliczka: Southern India, S. 101, Taf. 52f
Fig. 1-2.
1897 Acanthoceras Footeanum Kossmat: Sudindische Kreide, S. 127.
1898 Acanthoceras Footeanum Choffat: Faune cretacique du Portugal
S. 66, PI. 16.
Fundort: 1 Ex. vom Wadi Mor, Schicht I.
Horizont: Unteres Turon: Schicht der Pseudotissotia segnis..
197
Abmessungen.
Durchmesser des Ainmoniten . . 125 mm
Dicke der Windung 78 ..
Dicke der vorigen Windung . . 30 „
Radius der Windung 50 „
Radius der vorigen Windung . 20
Durchmesser des Nabels ... 45 „
Nur ein einziges Individuum aus dem reichaltigen Material
der Sammlung Sghweinfurths gehort dieser Art mit groflter
Wahrscheinlichkeit an. Mehrere sehr verwitterte Fragmente
die ich der Sicherheit halber als Ammon. indet. bezeichne,
kbnnte man dem Aufiern nach allenfalls hierhin stellen.
Auch das obengenannte Individuum ist ebeufalls sehr
stark verwittert; so sind z. B. die Rippen nur noch undeutlich
zu erkennen, ebenso die Rand- und Nabelknoten. Die einzelnen
Elemente der Sutur sind wenigstens der Zahl nach durch
Praparieren feststellbar gewesen. Immerhin weist der Gesarnt-
habitus eine so auffallende Ahnlichkeit in alien Teilen mit
dem Acanthoceras Footeanum auf, daB es fur mich keinem Zweifel
unterliegt, daB es sich hier um einen Angehorigen derselben
Spezies handelt.
Genus Fagesia Pervinquiere 1907.
1907 Pervinquiere. Etude de Paleontologie Tunisienne. I. S. 319
(Literatur).
Fagesia Bomba Eck.
Taf. XVIII, 1 und 2.
1909 Fagesia homba Eck, Neue Amm. Ob. Kr. Agypt. Sitzber. Ges.
Naturf. Fr. Berlin Nr. 3, S. 181, Fig. 1—5.
Fundort: 2 Individuen von Wadi Mor, Schicht I.
Horizont: Unteres Turon.
Abmessungen :
I
II
Durchmesser des Ammoniten .
. 170
59 mm
Dicke der Windung ....
. 162
51
r>
Dicke der vorigen Windung
. 96
27
n
Radius der Windung ....
. 103
32
n
Radius der vorigen Windung .
. 77
10
n
Durchmesser des Nabels . .
. 47
11
55
Yon den vier mir vorliegenden Fagesien, von Schweinfurth
1877 bei Wadi Mor (I) und Wadi Abu Rimf (II) gesammelt,
unterscheiden sich zwei Individuen aus Wadi Mor in wichtigen
Merkmalen so bedeutend von den bisher beschriebenen Arten,
198
daB icli sie einer neuen Spezies zuweisen muB; ich benenne
sie Fagesia Bomba m. (Schweinfurth hatte sie auf seinen
Etiketten als Ammonites Bomba bezeichnet).
Fagesia Bomba ist im Alter fast vollig kugelrund, der Nabel
ist ziemlich tief und sehr breit. Die Nabelwande fallen senkrecht
ab, die Umgange sind ziemlich umfassend, niedrig, abgerundet;
nach der Miindung zu verbreitern sie sich bedeutend. Am Nabel
Fig. 6.
Lobenlinie von Fagesia bomba n. sp. Wadi Mor.
Von der linken Seite. 3/4 natiirl. GroBe.
sitzen 10 bis 12 Knoten, die in der Jugend ziemlich spitz sind,
im Alter rund werden, aber nicht yollig yerscbwinden. Yon
den Nabelknoten laufen Eippen iiber die Tlanken, die im Alter
undeutlich, aber nicht unsichtbar werden. Die Lobenlinie be-
steht aus Tier Satteln, von denen ungefahr drei auf der Flanke
und der vierte auf der Nabehvand Kegen. Fig. 6.
Diese Merkmale bedingen besonders in ihrer Gesamtheit so
bedeutende Unterschiede den andern bisher beschriebenen
Fagesien gegeniiber (z. B. Fagesia superstes Kossmat, thevestensis
Peron, rudra Stojliczka), dafi die Aufstellung einer neuen Spezies
geboten erschien. Die Unterschiede habe ich in meiner fruheren
Arbeit dargelegt (a. a. 0. S. 1S2— 184).
199
Fagesia indet. cfr. Fagesia Thevestensis Pekon.
Ein Individuum aus dem "Wadi Abu Rirnf.
Abmessungen:
Durchrnesser 134 mm
Dicke der Windung ... 91 „
Dicke der vorigen Windung . ? „
Radius der Windung ... 75 „
Radius der vorigen Windung ? „
Durchrnesser des Nabels . . 28
Der schlechte Erhaltungszustand dieses einzigen Exemplares,
aus welchem grofie Stiicke herausgebrochen sind, gestattet leider
keine einwandfreie Zuweisung an eine der bisher beschriebenen
Arten und keine erschopfende Beschreibung.
Ich habe diesen Ammoniten, den ich nach der leidlich er-
haltenen Lobenlinie und dem ganzen Habitus unbedingt zum
Genus Fagesia recline, in die Nahe von Fagesia therestensis ge-
stellt. Ich bemerke jedoch ausdriicklich, dati der schlechte Er-
haltungszustand mich allein bestimmt, keine neue Spezies auf-
zustellen, wozu mich die nachstehend aufgefuhrten Unterschiede
sonst veranlatit hatten.
Der Querschnitt ahnelt demjenigen von Fagesia thevestensis
(Pervinquiere a. a. 0., Fig. 6b). Dagegenl ist der Nabel im
Verhaltnis bedeutend enger. Nabelknoten sind nicht zu erkennen,
ebensowenig Rippen. Die Nabelwande fallen senkrecht und
miiBig tief ab. Die Umgange sind ziemlich nach.
Diese Unterschiede weicheu in ihrer Gesainthait allerdings
von den Merkmalen der bisher beschriebenen Spezies betracht-
lich ab und lassen die Zuweisung an irgendeine derselben
untunlich erscheinen. Die Lobenlinie ist jedoch durchaus die
dem Genus Fagesia eigentiimliche; auch andere Merkmale
sprechen dafiir. Das Fehlen der Rippen und Nabelknoten kann
entweder auf schlechten Erhaltungszustand zuriickzufiihren sein,
oder es liegt dieselbe Erscheinung wie bei Peroni Pervinquiere
vor, die ja auch diese Kennzeichen nur in geringem MaBe zeigt.
Solange kein besseres Material vorliegt, muH die Frage nach
der Zugehorigkeit dieses Individuums offen bleiben.
Fagesia ? indet.
Einen vollig verkieselten Steinkern aus Wadi Mor I fiihre
ich an dieser Stelle mit A'orbehalt an. Die Sutur ist nirgends-
wo erhalten. Jedoch stimmt das Aui3ere mit Fagesia f Fleuryi
Pervinquiere tiberein, besonders der Querschnitt, die enge
Nabelung und die Form der Windung.
200
Genus Vascoceras Choffat.
Die ScHWEiNFURTHsche Sammlung enthalt zahlreiche
Individuen, welche deni Genus Vascoceras Choffat angehoren.
Leider ist ihr Erhaltungszustand nicht immer gunstig, da viele
Individuen stark verwittert sind; aus diesem Grunde muBten
mehrere Steinkerne als Vascoceras sp. ind. bezeichnet werden.
Die Einteilung des Genus Vascoceras ist hauptsachlich von
dem AuBeren, dem Vorhandensein oder Fehlen von Knoten und
Hippen, abhangig. Der teilweise sehr schlechte Erhaltungszu-
stand, der wohl die Characteristika des Genus erkennen laBt,
verbietet die Zuweisung an bestimmte Spezies.
Choffat, der das Genus Vascoceras fiir eine Gruppe zahlreich
in Portugal vorkommender Ammoniten aufstellte, unterschied vier
Untergruppen. Pervinquiere zog diese vier Gruppen in drei Unter-
abteilungen zusammen, da ibm die uberaus groBe Yeranderlich-
keit und das Yorkommen von Ubergangen eine Yereinfachung
ratlich erscheinen lieB. Auch hierin scbliefie ich mich der
Einteilung Pervixquieres an. Obwohl die Yascoceratiden dort,
wo sie auftreten, zahlreich vorkommen, ist ihre Yerbreitung
anscheinend ziemlich beschrankt. Pervinquiere fiihrt als Fund-
orte an: Portugal, Spanien, Algier, Tunis, Agypten, Brasilien.
Gattungsdiagnose nach Pervinquiere.
(A. a. 0. S. 332).
„Schale mehr oder minder gewolbt, zuweilen rundlich,
Yentralseite abgerundet, in der Jugend Rippen, die mit Nabel-
knoten und Randknoten versehen sind; diese Knoten werden
im Alter undeutlicher (die Nabelknoten bleiben langer sichtbar)
und verschwinden, auBer bei einer Gruppe, sogar vollig. Nie-
mals Knoten auf der Yentralseite. Die Lobenlinie enthalt zwei
breite Sattel, abgerundet, wenig zerschlitzt; der dritte Sattel
ist kleiner. Loben breit und durch kleine ungeschlitzte Sattel
geteilt."
Untergruppen nach Pervinquiere.
A) Forme monotuberculee.
Type: Vascoceras Gamai, V. Douvillei.
B) Forme globuleuse.
Type: V. Hartiiformis.
C) Forme multituberculee.
Type: V. subconciliatum.
201
Vascoceras sp. cfr. Amieirensis Choffat.
1897 Choffat: Faune cret. da Portugal, S. 61, Taf. 12, 13, 21.
Einige Cephalopoden axis der ScHWEiNFURTHschen Sammlung
weisen die unverkennbaren Merkmale des Genus Vascoceras
auf, jedoch sind sie zum Tell so stark verwittert, daB es sich
nicht entscheiden laBt, ob sie Rippen und Knoten besessen
haben, oder ob die Schale glatt war. Auch die Lobenlinie ist
dementsprechend entstellt. Aus diesen Griinden verzichtete ich
darauf, derartige Individuen einer der bisher beschriebenen
Arten zuzuweisen.
Abme ssungen:
143
137
mm
Radius der Windung . . .
83
70
33
Radius der yorigen Windung
52
47
33
Dicke der Windung . . .
?
61
33
Dicke der vorigen Windung
?
?
33
Durchmesser des Nabels
40
28
33
Die als Vascoceras cfr. Amieirensis bescbriebenen Ammoniten
weisen wohl kleinere Abweicbungen voneinander auf,1 dock
zeigen sie in der Hauptsache folgende ubereinstimmende Merk-
male: Die Schale ist ziemlieh gewolbt, und ihre Vorderansicht
entspricht im allgemeinen etwa der bei Choffat (Tafel 12,
Fig. lb) beigefiigten Abbildung; Rippen und Knoten sind nicht
sichtbar und scheinen, wenn iiberhaupt vorhanden, nur schwach
entwickelt gewesen zu sein. Der Nabel ist ziemlieh weit; die
Wande des Nabels sind an der Kante abgerundet und fallen
senkrecht ab. Die Umgange sind ziemlieh weit umfassend und
entsprechen in der Hohe etwa dem Querschnitt des Vascoceras
Amieirensis Choffat.
Die Sutur zeigt drei breite, vollstandig auf der Flanke
entwickelte Sattel, die nach dem Nabel hin regelmaBig an
Grofie abnehmen. Da die Individuen mehr oder minder durch
Yerwitterung gelitten haben, laBt sich nicht entscheiden, wie-
weit die Zerschlitzung der Sattel ging.
Die Lobenlinie, die Choffat beigefiigt hat, (a. a. 0. Taf. 21,
Fig. 17 — 21), laBt allerdings erkennen, daB ein kleiner Teil
des zweiten Lateralsattels bereits auf der Nabelwand liegt.
Bei den mir vorliegenden Individuen liegt der zweite Lateral-
sattel vollig auf der Flanke; in Anbetracht der grofien Yer-
anderlichkeit schreibe ich diesem Zustand keine besondere Be-
deutung zu, sondern halte die oben beschriebenen Ammoniten
fur eng verwandt mit Vascoceras Amieirensis Choffat.
202
Vascoceras Kossmati Choffat.
1897 Vascoceras Kossmati Choffat: Faune cret. du Portugal,
S. 63. Taf. 13, 14, 21.
Abmessungen:
Durchmesser des Ammoniten 58 mm
Radius der Windung ... 33 „
Radius der vorigen Windung 21 „
Dicke der Windung .... 55 „
Dicke der yorigen Windung . 32 „
Durchmesser des Nabels . . 12 . „ - ..
Ein Individuum, bei Wadi Mor I gesammelt, schlieflt sich
genau der von Choffat gegebenen Beschreibung des Vascoceras
Kossmati an.
Die Schale ist kugelformig, der Nabel ziemlich klein und
auffallend tief. Die Lobenlinie, leider etwas verwittert, zeigt
zwei breite Sattel auf der Flanke. Ein dritter greift schon zum
Teil auf die Nabelwand uber. Die Lobenlinie entspricht der
von Choffat (a. a. 0. Tafel 21, Fig. 26) gegebenen Abbildung,
nicht der Abbildung Nr. 27. Letztere zeigt drei Sattel auf der
Flanke und den Anfang eines vierten Sattels. Der Querschnitt
stent ungefahr in der Mitte zwischen den Figuren 8 und 9
(Choffat a. a. 0. Tafel 13).
Vascoceras Durandi Thomas et Peron.
1889 Pachydiscus Durandi Thomas et Peron: Moll. foss. Tunisie, S. 27,
PL XVIII, Fig. 5-8.
1896 Id. Peron: Amm. Cret. sup. Algerie, S. 44, PL IV. Fig. 1; V, 1;
XVII, 5.
1898 Vascoceras Dourillei Choffat: Faune cret. Portugal, S. 59, PL X,
Fig. 3, 6; XI, 2-5; XXI, 13-16.
1903 Vase. Durandi, Pervinqoiere: Et. geol. Tun. cent, S. 98, 99.
1903 Vase. cf. DouviUei Pervinqciere: Ebenda S. 99.
Abmes ssun gen:
Durchmesser des Ammoniten .
. 70
mm
37
7>
Radius der vorigen Windung .
. 22
n
57
r>
Dicke der vorigen Windung
. 22
7)
Durchmesser des Nabels . . .
. 18
n
Anzahl : 1 Individuum.
Fundort: Wadi Mor I.
Pervinquiere hat, gestiitzt durch reichhaltigeres Material,
im J ah re 1907 den Vascoceras Dourillei Choffat mit dem 1889
203
yon Thomas und Peron als Pachydiscus Durandi beschriebenen
Cephalopoden yereinigt. Choffat, dem die grotfe Ahnlichkeit
keineswegs entgangen war, hatte sie in Anbetracht des schlechten
Erhaltungszustandes der portugiesischen Turon-Ammoniten nicht
damit yereinigen wollen. Ich schlieBe mich Pervinquieres
Ausfiihrungen an und bezeichne den im Wadi Mor gefundenen
Yascoceras als Durandi Thomas et Peron.
Der im allgemeinen gut erbaltene Steinkern zeigt einen
breiten, ziemlicb tiefen Nabel. Die inneren Unigange sind mit
Knoten yerseben, die am letzten Umgang kaum nocb bemerk-
bar sind. Ebenso yerscbwinden die liber die Ventralseite sich
erstreckenden Pippen nach der ersten Halfte des letzten Um-
ganges. Die Schale wird zum SchluB ganz glatt. Die Umgange
sind nicht hoch und ziemlicb weit umfassend. An der Nabel-
wand sind sie abgerundet und biegen sich nicht unyermittelt
um. Die Umgange nehmen auffallig schnell an Breite zu. Die
Sutur zeigt anf der Flanke zwei breite fast gleichhohe Sattel
und den Anfang eines dritten Sattels. Der mir yorliegende
Vascoceras zeigt, wenn auch kleine Abweichungen yorkommen,
groBe Ahnlichkeit mit der yon Choffat auf Taf. 11, Pig. 4 und
5 gegebenen Abbildung. Auch die auf Taf. 21 beigefiigte
Lobenlinie schlieBt sich durchaus derjenigen des mir yorliegen-
den Indiyiduums an.
Vascoceras Barcoicensis Choffat.
Taf. XIV, Fig. 1.
1898 Vascoceras Barcoicensis Choffat: Paune cret. du Portugal, S.; 67,
PI. XVII, Fig. 1 a-c, Taf. XXII, Fig. 35-36. ,
1907 Vascoceras cfr. Barcoicensis Choffat, Pervinquiere : Etudes de pale-
ont. Tunisieune, S. 335.
Abmessungen:
Durchmesser des Ammoniten .
. 92
76
mm
?
42
55
Radius der yorigen Windung .
?
26
55
Dicke der Windung ....
40
48
55
Dicke der vorigen Windung .
?
22
55
?
16
55
Ein Bruchstiick aus den yon Schweinfurth als Schicht der
grofien Exogyren bezeichneten Fundstellen beim Kloster St. Paul
weist die charakteristischen Merkmale des Barcoicensis Choffat
auf. Wenngleich das Indiyiduum durch Verwitterung gelitten
hat und zum Teil zertriimmert ist, laflt sich dennoch der
Querschnitt erkennen, der mit der yon Choffat Tafel XVII,
204
Fig. 1 c gegebenen Abbildung ubereinstimmt. Rippen und
Knoten sind nicht mehr erhalten. Dagegen ist em grofies
Stuck der Lobenlinie erhalten geblieben, welches sehr wohl
mit Choffats Figur 36 Taf. XXII ubereinstimmt.
Ein besser erhaltenes Individuum laBt noch die Andeutung
von schwachen uber die Yentralseite sich hinziehenden Rippen
erkennen; jedoch ist die Sutur in diesem Falle unvollstandig
erhalten.
Genus Pseudotissotia Peron.
1896 Peron: Amm. Cret. sup. Algerie, S. 26.
1903 Choffaticeras Hyatt: Pseudocerat. of the Cretaceous, S. 37.
Pseudotissotia segnis Solger.
Taf. XIII, Fig. 3—7; Taf. XIV, Fig. 2-5 u. 8; Taf. XV, Fig. 2;
Taf. XVI, Fig. 1-3.
1903 Pervinquikre : Pseudotissotia indet. Et. geol. Tun. cent, S. 99.
1903 Solger: liber die Jugendentwicklung von Sphenodiscus lenticularis
Owen und seine Beziehungen zur Gruppe der Tissotien. Diese
Zeitschr. 55, S. ,77.
1907 Pervinquiere: Etudes de Paleontologie Tunisienne. S. 351, Tafel
1, 2, 3.
Abmessungen:
Durch-
Dicke der
Radius der
Durch-
messer der
Dicke der
Torigen
Radius der
vorigen
messser d.
Ammoniten
Windung
"Windung
Windung
Windung
Nabels
39
12
7
22
12
7
64
17
7
39
16
6
124
44
23
73
38
20
136
54
28
78
43
30
151
52
29
86
45
34
135
52
25
75
42
20
66
18
8
40
17
4
110
33
20
61
34
17
94
37
19
53
33
13
93
29
17
55
26
13
18 '
8,4
3,7
9
5,5
5,5
22
10,2
5,3
12,3
7,5
5
4,6
1,3
0,7
4,5
2,8
0,5
8,1
2,5
1,1
4,9
2,8
0,5
9,3
3
1,6
5,4
2,9
1,5
10,5
3,7
2,2
6,3
3,7
1,4
8,2
2,6
1,4
4,8
2,6
0,7
Weil Pervinquieke bemerkt, daJ3 die Mafie seiner Pseudotissotia
segnis nicht genau mit den von Solger arigegebenen MaBen
iibereinstimmen, habe ich die Masse von einigen Individuen der
Berliner und Miinchener Sammlung zum Vergleich beigefugt.
Man ersieht aus ihnen, wie grofien Schwankuugen dieselben im
Verhiiltnis unterworfen sind.
205
Schweinfurth gebiihrt das Yerdienst, diesen interessanten
Ammoniten entdeckt und zahlreiche, zum Teil ganz trefflich
erhaltene Individuen der Wissenschaft zugangig gemacht zu
haben1). Er erkannte schon im Jahre 1877, dai3 er erne selbst-
standige Art vor sich habe, und nannte sie Ammonites Macro-
diskus. Unter dieser Bezeichnung trug er sie in seine Profile
ein. Es entging ihm schon damals nicht, dafi diese Spezies
sehr variabel sein konne; deshalb unterschied er eine Yarietat
mit engerem Nabel und engerem Querschnitt, dieselbe Yarietat,
die Pervinquiere als Yariatio discoidalis 1907 aufstellte (var.
discoideus Schweinfurth). Solger beschrieb 1903 diesen Am-
moniten zum ersten Mai genau und nannte ihn Pseudotissotia
segnis 2).
In demselben Jahr fiihrte Pervinquiere eine Pseudotissotia
indet. aus Tunis an, die er spater unter Pseudotissotia segnis
Solger beschrieb3).
Das Palaontologische Institut der Universitat Miinchen
sandte mir bereitwilligst die von Schweinfurth dorthin ge-
schenkten Individuen von Pseudotissotia segnis^ ebenso das Kgl.
Naturalienkabinett in Stuttgart.
Auf diese Weise stand mir ein auBerst reichhaltiges Mate-
rial zur Yerfugung. Ich habe mich bemuht, durch Yergleichung
von zahlreichen Individuen Ubergangsformen zwischen extremen
Ausbildungen zu finden. Die Yariationsbreite ist aufierordent-
lich grofi, so dafi man leicht versucht sein konnte, Angehorige
dieser Spezies, die man an Hand eines grofieren Materials un-
zweifelhaft als solche erkennen konnte, einer neuen Art zuzu-
teilen. Aus demselben Grunde habe ich es auch vermieden,
auBer der von Pervinquiere aufgestellten und wohl zu unter-
scheidenden var. discoidalis etwa noch andere Unterscheidungen
zu machen. Der schlechte Erhaltungszustand seiner Stticke
erlaubte es Pervinquiere nicht, Abbildungen oder Zeichnungen
von Lobenlinien beizufiigen3).
J) In einem Berichte iiber eine Reise, die Schweinfurth 1876 in
Gesellschaft mit Dr. Gussfeldt in die Arabische Wiiste gemacht hatte,
schreibt Schweinfurth:
Die das Wadi Mor begrenzenden Schichten sind durch
einen beispiello sen Reichtum an groBen, wo hlerhalten en
diskusformigen Ammoniten ausgezeichnet, deren Massen
hauptsachlich zum Aufbau dieser SchichteD beigetragen
haben. (Schweinfurth: Reise von Dr. Gussfeldt und Dr. Schweinfurth'
durch die Arabische Wiiste vom Nil bis zum Roten Meer 1876. Peter-
manns MitteiluDgen Bd. 22, 1876, S. 254.)
2) Solger: 1. c. S.,77.
3) Pervinquiere: Et. geol. Tun. cent., S. 99. — Et. de Paleont. Tun. I,
S. 351.
«
206
Beschreibung: Im Jugendstadium beobachtet man eine
wohlausgebildete Skulptur. Deutlich abgesetzte Rippen, zuweilen
sichelfdrmig geschwungen, yerlaufen iiber die Flauke und endigen
am Kiel in ziemlich dicke breite Knoten. Diese beiden Knoten-
reihen tauschen, wie Pervinquiere sagt, 2 Kiele yor, die von
■dem dritten, echten Kiel uberragt werden. Diese Pseudokiele
lassen bis etwa 90 mm Durchmesser des Ammoniten erkennen,
dafi sie aus einzelnen Knoten zusaminengesetzt sind. Dann aber
Yerschmelzen sie mit dem Hauptkiel entweder zu einem dicken
tauformigen KieJ, der deutlich Yon den Flanken durch eine
Auskehlung abgesetzt ist, oder die einzelnen Knoten der Pseudo-
kiele Yerschmelzen schon friiher miteinander zu einem einheit-
lichen Kiel und begleiten so auf beiden Seiten den Hauptkiel.
Die Rippen endigen samtlich in einen deutlich en Knoten
an der Peripherie. Zwischen je zwei vom Nabel bis zur Peripherie
durchlaufende Rippen ist eine Rippe eingeschaltet, die mitten
uuf der Flanke entspringt. Eine deutliche Berippung konnte
ich bei einem Radius Yon 3 mm feststellen (cfr. Solger a. a. 0. 79).
Die dicken Nabelknoten Yerschwinden eigentlich niemals
Yollstandig. Wohl Yerschwinden im hoheren Alter die Rippen
(etwa von 95 mm Durchmesser an) ; dafiir ziehen sich unregel-
maBige dicke Wiilste nach Art von Rippen vom Nabel zum
Kiel hin.
Ich fand, daB bei meinem Material die Berippung gerade
bei var. discoidalis langer anhalt, und daB die Rippen dunner
und feiner sind, als wie es die PERYixQuiEREschen Stiicke
anzeigen. Das groBe Exemplar, das noch deutliche Berippung
zeigt, hat etwa 95 mm Durchmesser und gehort der var.
discoidalis an.
Im Altersstadium schwillt Pseudotissoiia segnis am Nabel
zuweilen bedeutend an. Jedoch ist diese Yeranderung nicht so
groB wie diejenige ini Yerhaltnis vom Durchmesser des Ammoniten
zum Durchmesser des Nabels. Dieses schwankt oft betrachtlich,
ersteres bedeutend weniger.
Die in der Jugend und im mittlereu Entwicklungsstadium
sich fast rechtwinklig zum Nabel umbiegenden Flanken biegen
sich im Altersstadium zuweilen flacher um, so daB der erste
Auxiliarsattel, der sonst noch auf der Flanke liegt, schon auf
-der Nabelwand liegt. Aus demselben Grunde konnen in der
^rsten Halfte des letzten Umganges bis zu 5, in der letzten
Halfte etwa 3 — 4 Siittel auf der Flanke liegen.
Eine Yerengung der Schale an der Mundung, wie sie
Pervinquiere vermutet, habe ich auch an Exemplaren, an deneu
ein Teil der Wohnkammer erhalten war, nicht beobachten konnen.
207
Var. discoidalis Pervinquiere.
Taf. XIV, Fig. 7 und Taf. XV, Fig. 1.
Pervinquiere stellte 1907 diese Varietat auf, deren typische
Merkmale er folgendermafien festlegt:
Querschnitt eng, Nabel eng, Lobenlinie abweichend.
Die Abtrennung dieser Varietat ist ohne Zweifel wohl-
berechtigt und notwenig; jedoch miissen nach meinem Erachten
die von Pervinquiere als typisch angegebenen Merkmale nur
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 9.
Lobenlinien vod Pseudotissotia segnis var. discoidalis.
in ihrer G-esamtheit und nicht etwa einzeln herangezogen werden,
da es mannigfache Ubergange gibt.
Pervinquiere gibt ferner an, dafl die Schale glatt sei. Ich
fuge dem hinzu, da6 sowohl fast glatte als auch deutlich
gerippte Exemplare (siehe Abbildung) vorkommen konnen.
Da der schlechte Erhaltungszustand seiner Stiicke Pervin-
quiere keine Abbildung von Loben gestattete, so fuge ich eine
solche bei, die als Typ gelten mag.
Durchmesser des Ammoniten . . 92 mm
Radius der Windung .... 27 „
Dicke der Windung . . . . .29 „
Nabelweite 11
208
Bemerkungen zur Lobenlinie der Pseudotissotia segnis.
Die Nabelwande sind abgeschragt; daher liegen auf der
Flanke scheinbar nur drei Sattel.
Fig. 12. 3/4 natiirl. GroBe.
Fig. 13. 3/4 natiirl. GroBe.
Plumpe, blattformige Ausbildimg der Sattel (infolge Abwetzung).
Der Externsattel ist im Yergleich zu den anderen Satteln
niedriger als gewohnlich.
Bei Solgers Original: Man beobaclitet zuweilen fiinf
bis fiinfeinhalb Sattel auf der Flanke. Der iiberzahlige fiinfte
209
Sattel scheint durch eine tiefer einschneidende Zackung des
vierten Sattel s ausgebildet zu werden. In der hierunter ab-
gebildeten Figur ist der yierte Sattel (d. i. der erste Auxiliar-
sattel) oben leicht eingesenkt; in der mittleren der bei Be-
schreibung der yar. discoidalis wiedergegebenen Abbildungen ist
Fig. 14.
Lobenlinie von Pseudotissotia seg/iis. Natiirl. GroBe.
Fig. 15.
Lobenlinie einer erwachsenen Pseudotissotia segnit
natiirl. GroBe.
Fig. 16.
Lobenlinie einer erwachsenen Pseudotissotia segnis (von einem nicht ab-
gebildeten Ex.). x/2 natiirl. GroBe.
die Einsenknng des ersten Auxiliarsattels so vveit gegangen, daB
sich ein zweiter Auxiliarsattel gebildet hat. Man beobachtet
diese Erscheinung besonders bei var. discoidalis.
Bei Pseudotissotia segnis: Der Externsattel ist hoher als
gewohnlich. Der erste Lateralsattel ist breiter im Yerhaltnis als
der entsprechende Sattel in Solgers Typ und plumper gegliedert.
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 14
210
Der zweite Lateralsattel ist in den beiden Halften geschlitzt;
es tritt eine Koniplizierung der Sutur ein (cfr. Solgers Typ).
Die Yeranderlicbkeit der Sutur, sei es daB sie durcb die
ungleicb weit vorgescbrittene Abwetzung bervorgerufen wird
(wieweit letztere zu Trugscbliissen fiihren kann, glaube icb
bei der Beschreibung des Genus Neolobites genugend betont zu
baben), sei es daB sie durch das Auftreten von Sekundarzacken
hervorgerufen wird, ist in der Tat so bedeutend, daB es mir
notwendig erscbeint, moglicbst viele Zeicbnungen beizufiigen.
Icb gebe zu den Zeicbnungen nur kurze Erlauterungen.
Im Gegensatz zu obiger Erscbeinung kann die Abwetzung
eine scbeinbare Yereinfacbung der Sutur bervorrufen. Die
gezackten Spitzen der Sattel werden rund, plump blattabnlicb.
Einige Benierkungen iiber Enibry onalkarnnier und
Jug end win dun gen.
Es gelang im ganzen drei Ernbryonalkaniniern freizulegen;
von diesen wurde die in Fig. 17 abgebildete unter dem
Mikroskop in 60facber YergroBerung gezeicbnet. Eine zweite
Kanimer wurde yon der Eirma Leitz (Wetzlar) in SOfacber
YergroBerung mikropbotograpbiscb aufgenommen. Letztere Auf-
nabme eignet sicb nicbt gerade fiir die Reproduktion, jedocb
tat sie die besten Dienste beim Yergleicb mit der Zeicbnung.
Die Lobenlinie beginnt, wie scbon Solger bemerkte, mit
einer ziemlich angustisellaten Sutur. Hocbinteressant ist der
Emstand, daB die groBe Asymmetrie dieses dekadenten Ammo-
niten scbon in der fiiibesten Jugend auftritt. Im ausgewacbsenen
Stadium beobacbtet man eine asymmetriscbe Ausbildung der
Loben auf der recbten und der linken Halfte, die eigentlicb docb
Spiegelbilder sein sollten (s. Fig. 15 und 16). Ferner nimmt der
Sipbo zuweilen (aber durcbaus nicbt immer) eine asymmetriscbe
Lage eio. Alle diese Asymmetrien konnte icb, wie die bei-
gefiigten Zeicbnungen beweisen, schon in den Anfangswindungen
feststellen. (Fig. 17, 19.)
Icb mocbte nicbt verfeblen, an dieser Stelle auf die
interessante Frage binzuweisen, die scbon friiber yon Branca
aufgeworfen wurde, namlicb, ob individuelle Yerscbiedenbeiten
in den Jugendwindungen zu beobacbten seien.
Bei dem genauen Studium dieser so merkwiirdigen Spezies
glaubte icb mit Sicherbeit bei der mikroskopiscben Untersucbung
zweier yerscbiedener Embryonalkammern eine solcbe gefunden
zu haben.
Leider wurde jedocb die eine Embryonalkammer zerstiirt,
bevor sie gezeicbnet oder photographiert werden kounte. Die
211
zweite Anfangssutur habe icb in Fig. 17 abgebildet. Yon einer
dritten ist eine Mikropbotograpbie vorhanden, die sicb leider
nicht zur Wiedergabe eignet. Jedocb kann man mit geniigender
Sicberbeit erkennen, daB sie yon der abgebildeten anderen Sutur
abweicbt. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Moglicbkeit
einer individuellen Yerschiedenbeit damit bewiesen ist. Icb
personlicb balte sie fur in der Tat bestebend. Yielleicbt ist
Fig. 17.
Anfangssutur von Pseudotissotia
segnis. Vergr. ca. 60mal.
Fig. 19.
Querscbnitt eines anderen
Individuums mit stark seitlich ver-
schobenemSipho. Vergr. ca. 60mal.
Fig. 18.
Pseudotissotia segnis. Querschnitt
vergroBert (nat. GroBe = 0,8 mm).
Sipho normal gelegen.
Fig. 20.
2 Querschnitte von Pseudotissotia
segnis. 3/4 nat. GroBe.
dies weniger verwunderlicb, wenn man bedenkt, wie ganz auBer-
•ordentlicb gerade diese Spezies in alien moglicben Punkten
variieren kann.
Icb erinnere an Yeranderungen in: Querscbnitt, Randknoten,
Pseudokiele, Komplikation oder Yereinfacbung der Sutur, asym-
metriscbe Lage des Sipbo im senilen Stadium und in Jugend-
windungen, asymmetriscbe Ausbildung der Loben auf ver-
^cbiedenen Seiten u. s. w. Es muB der Zukunft iiberlassen
bleiben, ob sie vielleicbt Aufklarung zu bringen vermag, wie-
weit es berecbtigt ist, an diese Erscbeinungen biologiscbe Riick-
scbliisse zu kniipfen.
Merkwiirdig ist es immerbin, daB kurz vor dem Aussterben
des so macbtigen und bocbentwickelten Ammonitenstammes gleicb-
14*
212
zeitig mit regelmaBigen Formen auch solche wie die yorliegende
auftreten, deren auffallende, in den inannigfachsten Punkten
hervortretende Asymmetrie wohl als Dekadenz aufzufassen ist7
oder wenn z. B. gleichzeitig nait anderen hochdifferenzierten
Formen die Ceratitensutur der Tissotien oder gar die goniatitische
Lobenlinie eines Neolobiten (Flickia Pervinqu.) auftritt.
Die Zahl der untersuchten Indiyiduen betrug etwa sechzig.
Pseudotissotia segnis Solger ist bisher nur in Tunis, in
Agypten und nach Blankenhorn im Ostjordanland gefunden
worden.
Pervinquiere gibt ihr Alter als unterturonisch an.
Schloenbachia Quaasi Fourtau =
Pseudotissotia segnis Solger.
Taf. XIIT, Fig. 3—7; Taf. XIV, Fig. 2-5 und 8.
Im Jahre 1904 beschrieb R. Fourtau unter dem Namen
Schloenbachia Quaasi yier kleine Ammoniten; bei der Beschreibung
gab er ausdriicklich an, daB es sich nur um vier kleine Exemplare
handele, yon den en das grofite etwa zwanzig Millimeter groB seL
Pa weder Miindung noch Lobenlinie erhalten war, wurde ihm
die Bestimmung schwer, und er reihte seinen Fund in das Genus
Schlonbachia ein.
Etwa ein Dutzend kleiner Ammoniten aus der Schwein-
FURTH'schen Sammlung, bei denen sich stufenweise eine Weiter-
entwicklung yon kleinen sichelformig gerippten Stucken ohne
Sutur bis zu grofieren, ebenfalls siclielformig gerippten und
mit der typischen Sutur der Pseudotissotia segnis Solger yer-
sehenen Stiicken verfolgen laBt, bestimmen mich. zu der Annahme,
dafi es sich bei Fourtau um Jugendformen yon Pseudo-
tissotia segnis Solger handelt, und dafi daher Schloen-
bachia Quaasi gestrichen werden mui3.
Fourtaus Irrtum ist leicht erklarlich, cla ihm einmal kein
Yergleichsmaterial zur Yerfugung stand und die . Yeroffent-
lichung Solgers liber seine neue Spezies erst kurz yorher er-
schienen war. In dieser Yeroffentlichung betont iibrigens Solger
(a. a. 0. S. 84), claB Pseudotissotia segnis gerade durch ihre
Skulptur groBe Ahnlichkeit mit den Schloenbachien zeige, wenn-
gleich die Lobenlinie durchaus nicht fiir niihere Yerwandtschaft
spreche; und gerade die Lobenlinie war Fourtau nicht mehr
erhalten.
Fourtau gibt als Merkmal seiner neuen Species unter
anderm an: Nabel ziemlich eng, am Rande abgerundet und nicht
senkrecht. Diese Eigenschaft kann Pseudotissotia segnis ebenfalls
besitzen, wie bereits friiher bemerkt (siehe Abbildungen). Die
213
Flanken sind gerippt; die Rippen gehen von Nabel aus, wo sie
eine leichte Anschwellung hervorrufen. Sie sind sichelformig
geschwungen und teilen sich in der Mitte gabelformig. Genau
dieselbe Berippung, welche man bei der jungen und erwachsenen
Pseudotissotia beobachtet! Die Aufienseite ist verjiingt; der
Kiel ist yorspringend, aber nicht schneidend.
Die Abbildungen zeigen eine Entwicklung von kleinen
nicht suturierten Stiicken bis zu solchen, die doppelt so groJ3
sind und deutliche Sutur zeigen.
Genus Tissotia Douville.
Leider ist der Erhaltungszustand gerade der Cephalopoden
von Abu Roash nicht derartig, daB man immer mit Sicherheit
einzelne Spezies von benachbarten auBerst ahnlichen Formen
trennen kann. Die meisten Tissotien der Sammlung Schwein-
furth sind, wie bereits Dacque (a. a. 0. S. 388) bemerkt, „ge-
glattet, meist auf der einen Seite von Wasser zerfressen; im
Innern hat sich der geloste Kalk wieder in krystalliner Form
abgesetzt und die Schale vollig verdrangt".
Ahnliche Bemerkungen iiber den schlechten Erhaltungs-
zustand der Tissotien von Abu Roash macht Fourtau (a. a. 0. •
S. 251).
Auch die mir vorliegenden Stiicke von Abu Roash befinden
sich keineswegs in einem besseren Zustand und konnten z. T.
trotz aller Praparierversuche nur mit Yorbehalt einer Spezies
zugewiesen werden. Zu diesen auBeren Schwierigkeiten kommt
noch hinzu, daB hochstwahrscheinlich manche bisherige gute
Art nur den Rang einer Yarietat haben wird, wenn spater an
Hand eines ausgedehnten Yergleichsmaterials eine Revision
dieses Genus stattfindet, die unumganglich ist. Unter diesen
Umstanden wage ich nicht, an Hand meines ungeniigenden Ma-
terials in dieser Frage Stellung zu nehmen.
Blanckenhorn und Dacque haben bereits das Yorhandensein
von Tissotia Tissoti Bayle in Agypten erwahnt. Fourtau (a. a. 0.
S. 251) bezweifelt ihre Existenz bei Abu Roash und glaubt die
meisten dort gefunclenen Ammoniten als Tissotia Ficheuri be-
zeichnen zu miissen. Man mufi zugeben, daB die Abbildung
Dacques nicht gentigt, wenn es sich um die Unterscheidung
von Spezies handelt, die so geringe Unterschiede aufweisen,
wie beim Genus Tissotia', ein Umstand, den ebenfalls Pervin-
quiere anfuhrt (a. a. 0. S. 367). Da mir die Individuen, die
Dacque und Blanckenhorn bestimmten, nicht alle vorliegen,
kann ich kein Urteil fallen, ob diese Bestimmung richtig ist.
An Hand der mir vorliegenden Tissotien komme ich zu detn
214
SchluB, daB einige mit groBter Wahrscheinlichkeit der Tissotia
Fourneli zuzurechnen sind; ein anderes Individuum halte ich
mit Bestinimtheit fur eine Tissotia Tissoti. Tissotia Ficheuri habe
ich nicht bestimmen konnen; obwohl es mir gelang, den Extern-
sattel an den meisten Individuen freizulegen, konnte ich niemals
die eigentuniliche weitgehende Zerschlitzung, die denselben in
zwei ungleiche an der Basis eingeschnurte Blatter teilt und ihn
dadurch deutlich yon andern Spezies unterscheidet, wahrnehmen.
Ebensowenig nahert sich der Querschnitt der vorliegenden In-
dividuen, die alle stark gewolbt und dick sind, demjenigen von
Tissotia Ficheuri. Wenn FouRTAub ehauptet: „Sans nier l'existence
de Tissotia Tissoti a Abu Roash, je ne puis que noter ce fait,
c'est que je suis le seul a y avoir trouve Tissotia Ficheuri et a
ne pas avoir recolte Tissotia Tissoti", so kann ich dem nur unter
Verweisung auf die obigen Ausfiihrungen entgegenhalten, dafl ich
in dem ScHWEiNFUR'mschen Materiale meinerseits keine einzige
Tissotia Ficheuri fand, sondern nur Individuen, die mit grofiter Wahr-
scheinlichkeit als Tissotia Tissoti und meist als Tissotia cfr. Fourneli
anzusprechen sind. Es werden eben bei Abu Roash alle
drei Spezies mit zahlreichen Ubergangen vorkommen.
Ussotia cfr. Fourneli Bayle.
1849 Ammonites Fourneli Bayle: R^chesse min. Algerie, S. 360, Taf. XVII
1862 Ceratites Fourneli Coquand: Geol. Pal. CoDstantine, S. 167.
1889 — 1893 Buehiceras Fourneli Peron et Thomas: Inv. foss. Tvmisie,
S. 9, Taf. 15.
1890 Tissotia Fourneli Douville: Bull. soc. geol. France, 3. ser., S. 232,
Taf. 18.
1893 Tissotia Fourneli Grossouvre: Ammon. craie sup., S. 36, Fig. 18.
1897 Tissotia Fourneli Peron: Ammon. Cret. sup. Algerie, S. 59,
Taf. X und XVII.
1903 Tissotia cfr. Fourneli Bayle in Dacque : a. a. 0. S. 388.
1903 Metatissotia Fourneli Hyatt: Pseudoceratites, S. 45.
1904 vide Fourtau: Etudes de ]a faune cret. d'Egypt.
1907 Tissotia Fourneli Pervinquiere : Etudes de pal. Tun., S. 372, Taf. 26.
Anzahl: 6 Individuen.
Fundort: Abu Roash.
Abmessungen:
Durchmesser des Ammoniten
Radius der "Windung .
Radius der vorig*en Windung
Dicke der Windung
Dicke der vorigen Windung
Durchmesser des Nabels .
6 von Schweinfurth an verschiedenen Punkten des Kreide-
komplexes von Abu Roash gesammelte Tissotien sind wegen ihres
124
105 mm
68
60 „
43
34 „
45
65 „
40
•}
9 „
215
verwitterten Zustandes nicht mit Sicherheit einer bestimmten
Spezies zuzuvveisen. Jedoch scheint mir nach Vergleichung mit
den Abbildimgen der obengenannten Autoren, da£) sie sich un-
bedingt der Tissotia Fourneli Bayle eng anschlieflen, mit welcher
sie entweder identisch sind oder von welcher sie Yielleicht eine
Yarietat darstellen. Da alle Individuen eine sehr gewolbte
bauchige Form aufweisen, sind sie Yielleicht der Yar. crassa
Pervinquieres anzuschlieflen.
Tissotia Tissoti Bayle und Tissotia cfr. Tissoti Bayle.
1878 Buchiceras Tissoti Bayle: Explic. carte geol. France., vol. 4, Taf. 40.
1891 Tissotia lissoti Douville: Sur la Tissotia Tissoti B. S. G. F., vol. 19,
S. 501.
1897 Tissotia Tissoti Peron: Ammon. cret. sup. Algerie, S. 65,
Taf. 12, 13, 18.
1900 Blanckenhorn : Neues zur Geologie und Palaontologie Agyptens.
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. Bd. 52.
1903 Tissotia Tissoti Bayle Dacque: Kreidekomplex von Abu Roash.
Palaeontogr. Bd. 30, S. 387.
1907 Tissotia Tissoti Bayle PERviNQuikRE: Et. de pal. Tun., S. 367, Taf. 25
Anzahl: 3 Individuen.
Fundort: Gegend westlich Gizeh.
Ich kann in Anbetracht des ungeniigenden Materials iiber
Tissotia Tissoti keine weiteren Mitteilungen machen und ver-
weise auf meine obigen Ausfiihrungen sovvie auf die Abbildung
bei Dacque (1903, Taf. XXXYI, Fig. 8).
Von den 3 untersuchten Stiicken fiihre ich 2 Individuen
nur mit Zweifel an dieser Stelle an; das dritte Individuum
erscheint mir wegen des guterhaltenen dreifachen Kieles und
der Lobenlinie tatsachlich eine echte Tissotia Tissoti zn sein.
Tissotia SoJiwemfurthi Eck.
Taf. XIX, Fig. 1 u. 2.
1909 Tissotia Schwewfvrthi n. sp. Eck, Neue Amm. Ob.-Agypt. Kr.-
Sitzber. Ges. Natf. Fr. Berlin Nr. 3, S. 184, Fig. 6-8.
Fundort: Wadi Mor, Schicht I.
Horizont: Unteres Turon, Schicht der' Pseudotissotia
segnis.
Abmessungen:
Durchmesser des Ammoniten .
. 163
mm
90
•>•>
Radius der vorigen Windung .
. 52
n
78
ii
Dicke der vorigen Windung
. 38
ii
Durchmesser des Nabels
. 45
ii
216
Es liegt ein vollstandig erhaltener Steinkern rait teilweise
erhaltener Schale vor, der aus dem von Schweinfurth der Uni-
versitat Munch en geschenkten Teile seiner Sanimlung stammt.
Das Gehause ist ziemlich dick und gewolbt, der Nabel
mittelmaBig weit mit nicht genau senkrecht abfallenden Wanden.
Yom Nabelrand ziehen sich undeutlich, jedoch immer noch
sichtbar, plumpe breite Rippen iiber die Flank en. Der Kiel
ist abgerundet und wird yon zwei deutlich erkennbaren Kielen
auf beiden Seiten begleitet. Die Wolbung der Flanken wird
weder vor noch hinter den Seitenkielen durch irgendeine Ein-
senkung unterbrochen. Der Sipho liegt symmetrisch.
Die Sutur habe ich in der obengenannten Arbeit beschrieben.
Uber die Beziehungen und Unterschiede der vorliegenden
Art habe ich mich an gleicher Stelle (S. 186 — 187) geaufiert.
Was die generische Stellung der neuen Art betrifft, so be-
merke ich ausdriicklich, daJ3 ich sie mit Yorbehalt dem Genus
Tissotia angliedere.
Tissotia securiformis Eck.
Taf. XIX, Fig. 3.
1908 0. Eck: Bemerk. iib. drei neue Ammon, aus d. ob.-agypt. Kreide.
Sitzber. Ges naturf. Freunde.
Diese auf ein Bruchstiick von Wadi Abu Rinif gegriindete
Art habe ich ausfuhrlich bereits friiher beschrieben, In Taf. XI,
Fig. 3, ist noch eimnal die Vorderansicht abgebildet, um die
asymetrische Lage des Siphos zu zeigen. Bemerkt sei noch, daB
das Stuck nicht verdriickt ist. Alter: vermutlich Unterturon.
Tissotia Robini Thiolliere. (= Tissotia Eivaldi v. Buch.J
Es liegt ein Bruchstiick vor, welches eine grofie Ahnlich-
keit mit dem als Tissotia Ewaldi v. Buch bezeichneten Ammo-
niten hat, der nach Pervinquieres Yorschlag aus Prioritatsruck-
sichten besser Tissotia Bobini Thiolliere genannt wird, mit
welchem er sicher identisch ist. Das Stuck stammt vom
Wadi Ragaloh, Schicht G.
Gattung Hemitissotia Peron.
Hemitissotia sp. indet.
Taf. XIII, Fig. 1; Taf. XVII, Fig. 3 u. 4.
Auf Grund der Lobenlinie stelle ich zu Hemitissotia ein
vereinzeltes Bruchstiick aus der agyptischen Wiiste, dessen art-
liche Zugehorigkeit nicht erkannt werden konnte.
Manuskript eingegangen am 5. Dezember 1911.]
217
5. Beitrage zur Geologie des Aarmassivs.
(Untersucliungeii iiber Erstfelder Gneise und Innert-
kirchener Granit.)
Von Herrn R. Lotze in Stuttgart.
(Hierzu Taf. XX-XXI und 8 Textfiguren.)
Einleitung.
Die vorliegende Arbeit ist das Pesultat von Beobachtungen,
die ich in den Sommernionaten der Jahre 1910 und 1911
anstellen konnte. Das Untersacbungsgebiet erstreckte sicb
auf die sogenannte „nordliche Gneiszone" des Aarmassivs
zwischen Hiifigletscher (Maderaner Tal) und Gauligletscber
(Urbachtal). Eine reicblicbe Sammlung yon Handstiicken, so-
wie eine groBere Anzabl yon Diinnscbliffen (ca. 170) bildeten
die Grundlage der petrograpbiscben Untersucbung, die in der
Hauptsacbe im mineralogiscb-geologiscben Institut der Kgl.
Technischen Hochscbule Stuttgart ausgefuhrt wurde. Die An-
regung zu der interessanten und lobnenden Untersuchung ver-
•danke icb meinem bocbyerebrten Lebrer, Herrn Professor Dr.
Sauer. Es ist mir Bedurfnis, ibm fiir seine yielseitige Unter-
stiitzung und Anregung bei der Ausfiibrung der Arbeit meinen
berzlicbsten Dank auszusprecben. Besonders bin icb ibm fiir
•die Uberlassung wertyollen Untersucbungsmaterials sowie zabl-
reicber Diinnscbliffe yon seinen eigenen friiheren Forscbungen
im Aarmassiy zu groBem Dank yerpnicbtet. Die beiden an-
gefiibrten Gesteinsanalysen wurden yon mir im Laboratorium
fiir Elektrocbemie und tecbniscbe Cbemie der Kgl. Tecbniscben
Hocbscbule Stuttgart unter freundlicber Anleitung yon Herrn
Professor Dr. Muller ausgefiibrt. Die Arbeit wurde im Winter-
semester 1911/12 im geologiscben Institut der Uniyersitat
Tubingen yollendet. Aucb Herrn Professor Dr. y. Koken f bin
ich fiir liebenswiirdige Unterstiitzung aufricbtigen Dank scbuldig.
Da sicb im Verlauf der Untersucbung berausstellte, daJ3
die „nordliche Gneiszone" keinen einbeitlicben Komplex dar-
stellt, wie dies bis jetzt meist angenommen wurde, da!3 sicb in
ibr yielmebr verschiedene scbarf begrenzte Gesteinsgruppen
unterscbeiden lassen, so ergab sicb daraus yon selbst die Glie-
derung des Stoffes, die bier yorausgescbickt sei.
218
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung 217
Inhaltsverzeichnis 218
Literaturangabe 219
Karten .221
A. Die Erstfelder Gneise 221
I. Geschichtliches 221
II. Verbreitung der E. Gn 222
III. Petrographische Beschreibung der E. Gn 223
1. Der Erstfelder Eruptivgneis 223
Makroskopische Beschreibung 223
Mikroskopische Beschreibung 223
Varietaten 227
Chemische Zusammensetzung 229
2. Der Erstfelder Sedimentgneis 230
Makroskopische Beschreibung 231
Mikroskopische Beschreibung 231
Chemische Zusammensetzung 233
Einlagerungen vom SustenpaB 234
„ Riedtal 238
Varietat von Silenen 239
3. Die Mischgneise 240
4. Amphibolite 244
5. Abzweigungen eines granitischen Magmas .... 245
IV. Allgemeines fiber die E. Gn 246
Parallele mit dem Schwarzwalder Gneismassiv .... 246
Genesis der E. Gn 247
V. Die Zone der Sericitgneise und ihre Beziehungen zu den
E. Gn 254
B. Der Innertkirchener Granit 258
I. Geschichtliches 258
II. Verbreitung des I. Gr 260
III. Petrographische Beschreibung des I. Gr 261
Makroskopische Beschreibung 261
Mikroskopische Beschreibung 262
Vergleich mit anderen Gesteinen 265
Chemische Zusammensetzung 267
IV. Scholleneinschlfisse im I. Gr 268
AuBere Erscheinungsform 268
Petrographische Beschreibung 270
Marmorlinsen der AuBeren Unveid 271
Marmore vom Lauternsee usw 275
Allgemeine geologische Bedeutung _ . 276
V. Mechanische Deformation des I. Gr 277
Makroskopische Beschreibung 278
Mikroskopische Beschreibung . 279
C. Das Carbon des Wendenjochs 288
D. Die Tektonik des Aarmassivs 295
Zusaimnenfassung der Resultate 300
219
Literaturverzeichnis.
1. Baltzer: Der mechanische Kontakt von Gneis und Kalk im Berner
Oberland. Beitrage z. geol. Karte der Schweiz, Lief. 20, 1880.
2. — Das Aarmassiv (mittlerer Teil) nebst einem Abscbnitt des
Gottbardmassivs , enthalten auf Blatt XII, 1888. Beitrage z.
geol. Karte der Scbweiz, Lief. 24, 4. Teil.
3. — Die granitischen Intrusivmassen des Aarmassivs. N. J. f. Min.,
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4. — Geologiscber Fiihrer durcbs Berner Oberland. Berlin 1905.
5. — Die intrusive Granitzone des westl. Aarmassivs. Eclogae geo-
logicae Helvetiae XI, Nr. 3, Dez. 1910.
6. Becke: Die Eruptivgesteine des bobmiscben Mittelgebirges und
der amerikanischen Andes. Tsch. m. u. p. Mitt. Bd. 22, 1903.
7. — TJber Mineralbestand und Struktur der krystalliniscben Scbiefer(I).
75. Bd. der Denkscbriften der math.-naturw. Klasse der Kais.
Akad. der Wissenscbaften, Wien 1903.
8. — Zur Pbysiographie der Gemengteile der kryst. Scbiefer (III).
Derselbe Band, Wien 1906.
9. — Bericbt uber geol. und petrogr. Untersuchungen am Ostrand
des Hocbalmkerns. Sitzungsber. der matb-naturw. Klasse der
Kais. Akad. d. W., Bd. 118, Abt. 1, 2, Wien 1909.
10. Berg: Die Entstebung der Ortbogneise. Diese Zeitscbr. 1910,
Bd. 62, Monatsbericbt 2.
11. Buxtorp-Truninger: "Uber die Geologie der Doldenborn-Fisistock-
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12. Chelius u. Klemm: Erlauterungen zur geol. Karte des GroBberzogtums
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13. Escher: tiber pratriassiscbe Faltuug in den Westalpen mit be-
sonderer Beriicksicbtigung des Carbons an der Nordseite des
Todi (Bifertengratli). Ziiricber Dissertation, 1911 (Amsterdam).
14. Fellenberg: Bescbreibung desjenigen Teils von Blatt XVIII,
der zwischen dessen Nordrand, dem Siidabsturz der Blumlis-
alpkette und der Ebone liegt. Mit petrogr. Beitragen von
C. Schmidt. Beitrage z. geol. Karte d. Scbw., Lief. 21, 1893.
15. Fischer: tiber einige Intrusivgesteine der Scbieferzone am Nordrand
des zentralen Granits aus der Umgebung der Sustenborner.
Tsch. M. u. p. Mitt. Bd. 24, 1905.
16. Gabert: Die Gneise des Erzgebirges. Diese Zeitschr. Bd.59, 1907.
17. Grubenmann: Die krystallinen Scbiefer. 2. Aufl., Berlin 1910.
18. Heim: Untersucbungen uber den Mecbanismus der Gebirgsbildung
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Basel 1878.
19. — Geologie der Hochalpen zwiscben EeuB und Rbein (Text zu
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von C. Schmidt. Beitrage z. geol. Karte d. Scbw., Bd. 25, 1891.
20. Hugi: Vorlaufige Mitteilungcn uber Untersucbungen in der nordl.
Gneiszone des zentralen Aarmassivs. Eel. geol. Helv. IX, 1906.
21. — Exkursionsbericbt der Dtscb. Geol. Gesellscbaft (mit einer An-
merkung von C. Schmidt). Diese Zeitscbr 1908, Bd. 69, S. 154 ff.
22. Klemm: TJber sogenannte Gneise und metamorpbe Schiefergesteine
der Tessiner Alpen. Sitzungsbericbte der Kgl. Pr. Akademie
der Wissenschaften Berlin. I: 1904, II; II: 1905, I; III: 1906, I;
IV: 1907, I.
220
23. Konigsberger: Geologische Beobachtungen am Pizzo Forno. N. J. f.
Min., Beilage-Bd. 26, 1908.
24. — Einige Folgerungen aus geolog. Beobachtungen imAare-,Gotthard-
und. Tessiner Massiv. Eel. geol. Helv. X, 6, Dez. 1909.
25. — Erlauterungen zur geol. und mineralog. Karte des ostl. Aar-
massivs von Dissentis bis zum Spannort. Freiburg i. B. und
Leipzig 1910.
26. — Uber Analogien zwischen der ersten Zone der Westalpen und
benachbarten Massiven. Geologische Rundschau Bd. Ill, 1912.
27. — Uber Gneisbildung und Aufschnielzungszonen der Erdkruste in
Europa. Geologische Rundschau Bd. Ill, 1912.
28. — Mosch: Geologische Beschreibung. der Kalkalpen und Schiefer-
gebirge zwischen ReuB und Kiental. Beitrage z. geol. Karte der
Schweiz, Lief. 24, 3.
29. Reinisch: Druckprodukte aus Lausitzer Biotitgranit. Habilitations-
schrift, Leipzig 1902.
30. Rosenbusch: Studien im Gneisgebirge des Schwarzwaldes. a) I. Uber
einige kohlenstoffiihrende Gneise des Schwarzwalds. Mitt, der
bad. Geol. Landesanstalt IV, 1, 1903; b) II. Die Kalksilikat-
felse im Rench- und Kinziggebiet. Ebendort IV, 3, 1903; V,
1907.
31. — Mikroskopische Physiograp'hie der Mineralien und Gesteine.
4. AufL
32. — Elemente der Gesteinslehre. 3. AufL, 1909.
33. Rothpletz: Die Steinkohlenformation und deren Flora an der Ost-
seite des Todi. Abhandlungen der Schweiz. Palaontologischen
Gesellschaft, Bd. 6, Nr. 40, 1880.
43. Ruetschi: Zur Kenntnis des Rofnagesteins, ein Beitrag zur Gesteins-
metamorphose. Eel. geol. Helv. Bd. 8, 1903.
35. Salomon : Gequetschte Gesteine des Mortirolotals , N. J. f. Min.,
Beilage-Bd. 11, 1897.
36. — Neue Beobachtungen aus den Gebieten des Adamello und
St. Gotthard. Sitzungsber. der Kgl. Pr. Ak. d. W. Berlin 1899, I.
37. Sauer: Erlauterungen zu Blatt Gengenbach der geol. Karte des
GroBherzogtums Baden. 1894.
38. — Geologische Beobachtungen im Aarmassiv. Sitzungsberichte
der Kgl. Pr. Ak. d, W. Berlin 1900.
39. — Uber die Erstfelder Gneise am Nordrand des Aarmassivs.
Bericht liber die 38. Versammlung des Oberrhein. Geol. Vereins
in Konstanz, 1905.
40. Schmidt: Geologisch-petrographische Mitteilungen iiber einige Por-
phyre der Zentralalpen und die in Verbindung mit denselben
aul'tretenden Gesteine. N. J. f. M., Beilage-Bd. 4, 1886.
41. — Geologic des Simplongebiets. Eel. geol. Helv. IX, 1907.
42. — Bild und Bau der Schweizeralpen. Basel 1907.
Schmidt siehe audi bei Nr. 14, 19, 21.
43. Schwenkel: Die Eruptivgneise des Schwarzwaldes und ibre Be-
ziehungen zum Granit. Tsch. M. u. p. Mitt. Bd. 31, 1912.
44. Staub: Geologische Beschreibung der Gebirge zwischen Schiichen-
tal und Maderanertal. Beitrage z. geol. Karte d. Schw., Neue
Folge. Lief. 32.
45. Sti'der : Geologie der Schweiz. 1853.
46. Thurach: Uber ein Vorkommen von kornigem Kalk im Harmers-
bacher Tal. Mitteilungen der grofih. bad. Geol. Landes-
anstalt III, 1.
221
47. Tobler: Uber die Gliederung der mesozoischen Sedimente am
Nordrand des Aarmassivs. Verhdl. d. Naturf. Ges. in Basel7
Bd. 12, 1900.
48. Truninger: Kontaktmetamorphe Erscheinungen im westlichen Teil
des Aarmassivs (Gasterenmassiv). Eel. geol. Helv. XI, 4, 1911.
49. — Geologisch-petrographische Studien am Gasterenmassiv. Mit-
teiluDgen der Naturf. Gesellschaft Bern 1911.
50. Weber: Tiber den Kalisyenit des Piz Giuf. Beitrage zur geol.
Karte der Schw., N. F., Lief. 14, 1904.
51. Wehrli: Das Dioritgebiet von Schlans bis Dissentis. Beitrage z.
geol. Karte d. Schweiz, N. F., Lief. 6, 1896. _
52. Weinschenk: Beitrage zur Petrographie der ostlichen Zentralalpen^
speziell des GroCvenedigerstocks. Abhandlungen der math.-
phys. Kl. der Ak. der Wissensch. Miinchen Bd. 22, Abt. II, 1906.
Geologische und topographische Karten des Untersuchungs-
gebiets.
Geologische Karte der Schweiz 1:100000 (Dufourkarte).
Blatt XIII : Krystalliner Teil von Baltzer.
Blatt XIV : von Heim.
K6n«5sberger: Geologisch-mineralogische Karte des ostl. Aarmassivs
von Dissentis bis zum Spannort. Freiburg i. B. und Leipzig 1910.
1:50000.
Stacb: Geologische Karte der Gebirge zwischen Schachental und Ma-
deranertal. Beitrage z. geol. Karte der Schweiz, N. F., Lief. 32r
1911. 1:50000.
Siegfriedatlas 1:50000. Blatt Altdorf, Amsteg, Engelberg, Wassen,
Meiringen, Guttannen.
A. Die Erstfelder Gneise.
I. Geschichtliches.
Eine erste kurze Beschreibung erfuhren die Erstfelder
Gneise 1880 in dem "Werke Baltzers „Der mechanische Kontakt
zwischen Kalk und Gneis iin Berner Oberland" (Lit. 1). Er
halt sie fiir identisch mit den „Gneisen" von Innertkirchen.
Heim betont 1891 (Lit. 19, S. 96) die „iiberaus gleichformige
Ausbildung" des Gneises von Erstfeld und erklart das Gestein
fiir einen alten Gneis, der wenig oder gar keinen nachtraglichen
dynamometamorphen Umwandlungen unterlegen sei. „Aus der
groflen Gleichartigkeit und klaren Krystallisation ist zu schliei3enT
dafi hier ein urspriinglicher echter Typus vorliegt."
Demgegeniiber hebt Sauer 1905 hervor (Lit. 39), daB sich
im Erstfelder Gebiet deutlich zwei Typen unterscheiden lassen,
ein Eruptivgneis (auf den Heims Beschreibung zutrifft) und ein
Sedimentgneis. Diese beiden Arten von Gesteinen entsprechen
nach Sauer einerseits den Schapbachgneisen, andererseits den
Renchgneisen des Schwarzwaldes. Die auBere habituelle
222
Ahnlichkeit ist nach diesem Autor so grofi, daB man sich im
Erstfelder Gneisgebiet geradezu in den Schwarzwald Tersetzt
fiihlen muB.
Auch Konigsbekger (Lit. 25) stellte bei seinen karto-
graphischen Aumabmen, die allerdings nur einen kleinen Teil
der Erstfelder Gneise einbeziehen, eine Zweiteilung in Ortho-
gneise und Paragneise fest (1910).
In allerneuster Zeit (1911) erfuhren die Erstfelder Gneise
schlieJ31ich noch von Staub eine eingehendere Beschreibung
(Lit. 44). Er gelangt zu Anschauungen, die von den erwabnten
stark abweichen, und bait die Gesteine vom Typus der Schap-
bachgneise fiir injizierte Schiefer, also fur Miscbgesteine.
Es wird sich ini Verlauf der Abbandlung Gelegenheit geben,
auf diese verschiedenartigen Ansicbten naber einzugehen.
II. Yerbreitung der Erstfelder Gneise.
Gebt man yon Fliielen das ReuBtal aufwarts, so siebt man
zwiscben Altdorf und Erstfeld von S ber eine macbtige Sediment-
decke unter einem vVinkel von ca. 25° sich ins Tal berabsenken.
Unter ibr taucbt ein System von steilgestellten Gneisen empor,
das unter dem Namen „Erstfelder Gneise" (E. Gn.) zu-
sammengefast werden soil. Als einbeitlicbes Cbarakteristikum
dieser Gesteine kann hocbstens das angegeben werden, dai3 es
durcbweg Biotitgneise obne nambafte dynamiscbe Beeinnussung
sind. Nacb S zu geben sie allmablicb in scbiefrige sericitiscbe Ge-
steine iiber, die scbon von Baltzer als „Zone der Sericitgneise"
ausgescbieden wurden. Der unveranderte E. Gn. findet sicb baupt-
sacblicb unter der Sedimentdecke, die allerdings zu einem grolien
Teil scbon abgetragen ist. Grassen, Kl.-Spannort, Kronte sind auf
der W-Seite des ReuBtals die slidlicbsten Erosionsrelikte (vgl.
Taf. XXI, Fig. 2). Im 0 des ReuBtals ist die Sedimentdecke voll-
standiger erbalten. Im ReuBtal reicben die unveranderten E. Gn.
ungefabr bis Amsteg. Das Erstfelder Tal, das im S von der
steilenKalkmauer der ScbloBbergkette begrenzt wird, liegt ganz in
ibnen. Im oberen Teile des Engelberger Tales sind am S-Ab-
bang zwiscben Titlis und Spannortern ebenfalls nocb die E. Gn.
freigelegt. Inscbialptal, Gornerental, Gorezmettlental (Neben-
tal des Maientals), diese alpeneinwarts sicb offnenden Quertaler,
liegen in ibrem oberen Teil nocb in den E. Gn. Die Susten-
straBe fiibrt von Hinterfeldalp (Maiental) an iiber die PaBbobe
bis zu den oberen Kebren von Feldmoos durch E. Gn., und
es scbeint, daJ3 diese Gneise sicb nun als scbmale Zone siid-
licb an den Innertkircbener Granit anlebnen. Sie biKlen
die Kette des Giglistocks; im Trifttal oberbalb Triftalp treten
223
Gneise auf, die denen von Erstfeld gleichen. An der Grimsel-
straBe wiirden die zwischen Boden und Guttannen auftretenden
hellen Gneise ihnen entsprechen. Im Urbachtal treten diese
Gesteine zwischen Schrattern und Hohwang bis gegen den
Gauligletscher hin auf. Doch sind die Verhaltnisse hier noch
weit von der endgiiltigen Klarung entfernt; die betreffenden
Gesteine des Grimselprofils unterseheiden sich ziemlich bedeutend
von denen des Erstfelder Gebiets; die typischen E. Gn. lassen
sich nur bis gegen das Trifttal hin verfolgen.
III. Petrographische Beschreibung des Erstfelder Gneiskoinplexes.
Unter den Erstfelder Gneisen lassen sich unschwer zwei
Haupttypen voneinander unterseheiden. Sie sollen mit ihren
Abanderungen im folgenden als Eruptivgneise und Sediment-
gneise beschrieben werden. An dritter Stelle sind Gesteine
aufgefiihrt, die eruptives und sedimentares Material enthalten,
also Mischgneise darstellen. Sie entsprechen nur zuni kleinsten
Teil den „Mischgneisen Staubs. — Sowohl in Eruptivgneisen
als in Sedimentgneisen sind Amphibolite eingelagert. —
Schliefllich finden sich im Erstfelder Gneisgebiet noch Gesteine,
die als Abzweigungen eines in der Tiefe befindlichen
granitischen Magmas gedeutet werden miissen und die an
letzter Stelle beschrieben werden sollen.
1. Der Erstfelder Eruptivgneis.
Dieses Gestein stellt den von Heim als so auBerordent-
lich konstant bezeichneten Typus dar. In der Tat gleicht
der Gneis der nachsten Umgebung von Erstfeld voll-
standig dem Gneis vom Arni oder vom SustenpaB. Es sind
kornig-schuppige Biotitgneise mit gut ausgebilde ter
Lagentextur; die Biotitlagen mit glanzend schwarzbraunem
Biotit in groBen Krystallen halten ziemlich lange aus, die rein
weifien Quarz-Feldspatlagen besitzen sehr regelmafiige und
und gieichbleibende Machtigkeit. Fast alle Gesteine haben
mittlere Korngrol3e. Trotz der ausgesprochenen Paralleltextur
erweist sich jedoch das Gestein als vollstandig kompakt. In
manchen Fallen verschwindet die Lagenbildung, die Parallel-
textur wird undeutlich; das Gestein erhalt dadurch sehr granit-
ahnlichen Habitus.
Im mikroskopischen Bild dieser Gneise (TafelXX, Fig.l)
fallt vor allem der Biotit in die Augen. Er besitzt tief dunkel-
braune Farbe und weist starken Pleochroismus aut (a = tief
dunkelbraun, c = hellgelb). Urn Einschliisse von Zirkon
zeigt er kraftige pleochroitische Hofe. Auch schlieUt er haufig
224
gedrungene Saulchen von Apatit em. Selten gelingt es, em
ganz frisch.es Gestein mit unyersehrten Biotiten zu erlangen;
meist ist der Biotit schon in der Umwandlung zu Chlorit be-
griffen oder bereits ganz umgewandelt. Diese Chlo ritisierung
ist anscheinend eine Erscheinung der Yerwitterung. Dai3 sie
zienilich rasch erfolgen nmi3, beweist ein Handstiick, das in
der einen Halfte noch unzersetzten Biotit zeigt, in der anderen
Halfte schon Yollstandig chloritisiert ist. Der IJbergang yon
unzersetzteni Biotit zu Chlorit ist rasch, aber kontinuierlich.
Bei der Chloritisierung des Biotits bilden sich als Nebenprodukte
dunkle, oft titanhaltige Erzausscheidungen. Sehr haufig tritt
neben dem Chlorit noch Muscoyit als Unrwandlungsprodukt
auf; auch Epidotruineralien konnten beobachtet werden.
Wichtig ist yor allem die strenge Parallelordnung der
Glimmer. Sie bilden haufig zusammenhangende Lagen und
stellen so gewisserma^en das Geriist der Gneisstruktur dar:
zwischen ihnen ordnet sich Quarz und Feldspat an. Kleinere
Biotite werden auch noch yon diesen Mineralien eingeschlossen.
Ilmgekehrt schlieBt auch der Biotit hie und da kleine Partien
yon Quarz, seltener yon Feldspat ein: es sind Ausfiillungen
yon Hohlraumen, die bei der Bildung der Glimmer zwischen
den einzelnen Lamellen erhalten blieben. — Der Biotit kann
mit Yollkommener Deutlichkeit als der zuerst gebildete Be-
standteil des Gesteins erkannt werden.
Die Peldspate lehnen sich vielfach an die schon aus-
krystallisierten Biotite an, benutzen sie als Krystallisations-
basis. Es ist Plagioklas und Orthoklas Yorhanden.
Der Plagioklas ist an der Zyvillingsbildung nach dem
Albitgesetz kenntlich und yveist fast immer geringere Licht-
brechung als der Quarz auf. In seltenen Fallen erreicht er dessen
Lichtbrechung oder iibertrifft sie ein wenig.
Parallelstellung w >» al5 z > 7^
Kreuzstellung w ^ yx s > a1
Es liegt demnach Oligoklasalbit (imgefahr you der Zu-
sammensetzung Ab8 Anj — Ab3 AnJ yor. Damit stimmt die
Ausloschungsschiefe, die auf Bliittchen nach M im Durchschnitt
zu+120 gemessen yvurde. Auch der Kalkgehalt, den die Ana-
l)'se ergibt, deutet auf einen kalkarmen Plagioklas bin.
Plagioklas besitzt oft deutlichen Idiomorphismus mit bestimm-
baren Krystallfliichen. Weniger ist dies beim Orthoklas der
Fall. Diesem fehlt die Zwillingsbildung; dagegen zeigt er sich
nicht selten yon Mikroperthitspindeln durchzogen, die wohl
als Entmischungen zu deuten sind. Hie und da linden sich
225
am Rande des Orthoklas die bekannten myrmekitischen Yer-
wachsungen.
Umwandlungserscheinungen der Feldspate sind haufig. Es
finden sich im Feldspat (bes. im Plagioklas) kleine Muscovit-
schiippchen, die wie ein Schleier den Krystall iiberziehen
konnen. AuBerdem trifft man sehr regelmaBig Aggregate yon
rundlichen bis traubenformig yerzweigten schwarzlichen Yer-
witterungsprodukten. Plagioklas ist durchweg starker ange-
griffen als Orthoklas, der z. T. noch yollstandig frisch er-
scheint.
Beide Feldspate zeigen mit groBer RegelmaBigkeit die
„tropfenf6rmigen Quarzeinschlusse," die hie und da die Form
yon Dihexaedern erkennen lassen, meist aber nur unbestimmt
rundliche Gestalt aufweisen.
Der Quarz des Gesteins fiihrt haufig Fliissigkeitsein-
schliisse. Wo er in groBeren Dimensionen auftritt, bildet er
die letzte Ausfiillung: er weist unregelmai3ige TJmrisse auf
und zeigt besonders auch die lappigen pseudopodienartigen
Fortsatze, die fiir die Quarze in den Eruptiygneisen des
Schwarzwaldes so charakteristisch sind. AuJ3erdem findet sich
Quarz als Ausfiillung schmaler Zwischenraume zwischen zwei
Glimmerblattchen.
Yon Nebengemengteilen des Gesteins sind Apatit und
Zirkon zu erwahnen. Apatit tritt sehr haufig auf und
erreicht auch recht betrachtliche Grofle (bis zu 0,6 mm Durch-
messer). Zirkon (z. T. Monacit oder Xenotim?) ist wie der
Apatit fast ausschlieBlich an Biotit gebunden. Ziemlich selten
sind kleine Koruer yon Gran at. Im Glimmer finden sich
regelmaBig auch Erzeinschliisse, die zum groBten Teil . aus
Magnetit bestehen.
Einige Erscheinungen deuten auf Druckwirkungen hin,
denen das feste Gestein unterlag. Die Biotite zeigen manch-
mal leichte Yerbiegungen; auch scherende Bewegungen, die
die Glimmer in der Richtung der Lagen auseinanderzerrten,
machen sich in geringem MaBstab geltend. Quarz zeigt undu-
lose Ausloschung und ist haufig in einzelne Felder zerfallen.
Ob diese letztere Erscheinung zum Teil schon primaren Charakter
besitzt, muB allerdings dahingestellt bleiben. Fiir alpine Be-
griffe sind die mechanischen Deformationen des normalen Ge-
steins sehr gering. Yon einer Entstehung des Gneises aus
einem richtungslos kornigen Gestein durch bloBe Druck-
metamorphose (ygl. Lit. 10) kann keine Rede sein. Was aus
einem Granit durch Pressung entsteht, das zeigen in schonster
Weise die Sericitschiefer der GrimselstraBe, die aus dem
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 15
226
Innertkirchener Granit herYOrgehen. Mit derartigen Gesteinen
haben die beschriebenen Gneise strukturell nicht das mindeste
gemein.
Ebenso ist eine Entstehung des Gneises durch Krystalli-
sationsschief erung ausgeschlossen (vgl. hierzu Lit. 7 und 17).
Die Struktur des groBglimmrigen E. Gn. kann nach dem Ge-
sagten nicht als krystalloblastisch bezeichnet werden. Diese
Strukturform entsteht ja durch gleicbzeitiges Wachsen aller
Koniponenten, wahrend in dem vorliegenden Gestein sich
deutlicbe Anklange an reine Eruptivstruktur nacbweisen lassen.
Biotit ist (nacb Zirkon und Apatit, die er einschlieflt) der
zuerst gebildete Gemengteil. Ibm folgen die Feldspate, yon
denen Plagioklas zum Teil nocb deutlicb erkennbare Krystall-
fornien aufweist. Quarz bildet dagegen die Ausfiillung der
Zwischenraume zwischen den iibrigen Gemengteilen (Vgl. Taf.XX,
Fig. I)-
Es liegt also die normale Ausscbeidungsfolge eines
granitahnlich en Gesteins yot, die nur desbalb nicht
mit Yollstandiger Klarheit zum Ausdruck kommt, weil
die zuerst gebildeten Glimmerlagen die Auskry stalli-
sierung der iibrigen Bestandteile unter einer gewissen
raumlichen Beschrankung erfolgen liefien.
Bei der Bildung des Gesteins kann es sich also Yveder um
reine Druckmetamorphose (dagegen spricht das Fehlen mechani-
scher Deformationen) noch auch um Krystallisationsschieferung
handeln (die Struktur ist nicht krystalloblastisch). Da die
Anzeichen einer Metamorphose im Gestein fehlen, so mochte ich
den grobglimmrigen Erstfelder Gneis fur ein primar parallel-
struiertes Erupti Ygestein halten, in derselben Weise, wie
dies fur den Schapbachgneis des Schwarzwaldes angenommen
wird (vgl. Lit. 37, 43). Auch der grobglimmrige Erstfelder
Gneis ware demnach als Eruptivgneis (Ortho gneis) zu
bezeichnen1).
DaJ3 richtungslos kornige granitische oder syenitische Ge-
steine randlich in parallel struierte Gesteine iibergehen konnen,
wurde von Sauer am Beispiel des Durbachits gezeigt (Lit. 37).
Im Gebiet des zentralen Aaregranits konnen uberall die
}) Damit fallt das Gestein allerdings nicht mehr unter die Defini-
tion der krystallinen Schiefer als nietamorphe Gesteine. Trotzdem
kann der Name „ Gneis" beibehalten werden, da er. ohne auf theoretische
Ansichten Riicksicht zu nehmen. nur die Erseheinungsform des Gesteins,
vor allem seine Paralleltextur bezeichnen will. Zu einer Aufteilun«>;
der „Gneise", wie sie von mancher Seite vorgeschlagen wird, ist ge-
genwartig, wo sich die verschiedensten Anschauungen iiber die Genese
dieser Gesteine gegeniiberstehen, noch nicht die Zeit.
227
TJbergange zwischen richtungslosem Granit und „Gneis" nach-
gewiesen werden. Worauf die Entstehung der Paralleltextur
zuriickzufiihren ist, ist eine andere, noch ungeloste Frage; ich
mochte sie mit Sauer und Schwexkel durch eine Art FlieB-
bewegung im Magma erklaren (ygl. Lit. 43, S. 171).
Mit dieser Auffassung der grofiglimmrigen E. Gn. lassen
sich yerschiedene andere Erscheinungen gut in Einklang bringen.
Wahrend bei den meisten Gneisen ebenflachige Paralleltextur
vorherrscht, so finden sich doch auch Gneise, besonders am
linken ReuBnfer der Gegend yon Erstfeld, die eine schlierige
Sonderung der Bestandteile sowie merkwiirdige Biegungen,
Faltelungen und Windungen der Lagen aufweisen. In den
Satteln sammelt sich dann haufig eine groBere Quantitat yon
Quarz-Felclspatmasse an. Diese Gneise stimmen nach einer
Mitteilung you Herrn Dr. Schwenkel Yollstandig mit ge-
Yvissen Gneistypen des Schwarzwaldes (z. B. des Feldberge-
biets) iiberein. Ich mochte sie mit ihm als Schlierengneise
bezeichnen. Unter dem Mikroskop zeigt sich mit aller wiinschens-
werten Deutlichkeit, dafl diese Faltungen nicht sekundar im
festen Gestein erzeugt worden sein konnen. Die Biotite, die
die Erscheinung Yor all em hervorbringen, zeigen keine Spur
mechanischer Einwirkungen. Es miissen also diese Schlieren-
bildungen und Faltelungen primar im Gneismagma ent-
standen sein.
Andere Eigentiimlichkeiten der Eruptivgneise zeigt eine
Wanderung iiber den SustenpaB. Nicht selten sieht man hier
im Gneis helle Adern (6 — 10 cm machtig), die in die Lagen
der Gneise eindringen und hier ein linsenartiges An- und Ab-
schwellen der Quarz-Feldspatlagen Yerursachen. Oft werden,
anscheinend durch die Stofikraft dieser eindringenden Eruptiy-
massen, Biegungen und Stauchungen der Lagen des Gesteins
Yerursacht. Es handelt sich um Injektionen, denn es findet
ja ein Eindringen nach Yorgebildeten Lagen und Schichtflachen
statt. Trotzdem ist das ganze Gestein als eruptiy anzusprechen ;
die Injektionen sind in Analogie mit Schwarzwalder Vor-
kommnissen als endogene zu erklaren.
Das heiBt: Der bereits in Erstarrung begriffene oder schon
erstarrte Gneis erhielt hier aus der Tiefe neue Nachschiibe,
die auf Gangen und Adern aufdrangen und you hier aus den
Flachen geringsten Zusammenhangs, den Glimmerflachen, folgten.
Auf diese Weise ware der starke Wechsel in der Machtigkeit der
Quarz-Feldspatlagen sowie die starke Durch aderung mancher
Gneise zu erklaren.
Auf die neueste Theorie, welche die groBglimmrigen E. Gn.
15*
228
als injizierte Schiefer zu erklaren yersucht, d. h. als ein Misch-
gestein, das dadurch entstanden ware, daB aplitische Eruptiy-
massen auf den Schichtflachen eines Sediments eindrangen,
wird spater eingegangen werden.
Schwenkel weist fiir die Granulite des Schwarzwalder
Gneismassivs nach, daB sie Spaltungsprodukte des Gneismagmas
darstellen. Hochstwahrscheinlich sind auch die yon Staub be-
schriebenen granatfiihrenden, oft parallel struierten Aplite nichts
anderes als Granulite, also yom Magma des Eruptiygneises ab-
zuleiten. AuBerdem gelang es mir, auf dem linken ReuBufer
oberlialb Erstfeld ein Gestein zu finden, das nach einer Mit-
teilung yon Herrn Dr. Schwenkel sehr stark einem sillimanit-
fubrenden Granulit yon Yorgelbach gleicht. AuBerlicb zeigt
sich das Gestein sehr fein parallel struiert, weiB mit einem
Stich ins Griinliche. U. d. M. yerrat es deutlich den eruptiyen
Ursprung. Idiomorphe, im Durchschnitt fast quadratische
Plagioklase fallen auf. Die Quarze weisen rundliche Eormen
auf, wie sie fiir Granulite charakteristisch sind. Dazwischen
hindurch ziehen sich streng parallel Strahnen yon Sillimanit.
Dieser scheint zum groBen Teil aus Biotit heryorgegangen zu
sein. Mineralbestand und Struktur erlauben also, das Gestein
als Sil limanitgranulit zu bezeichnen.
Alles in allem genommen, muB die Ahnlichkeit der
Erstfelder Eruptiygneis e mit den S chapbachgneisen
des Schwarzwalds jedem Kenner beider Gebiete auffallen. Sie
bezieht sich sowohl auf den auBeren Habitus und die mikro-
skopische Struktur des normalen Biotitgneises als auch auf
einzelne untergeordnete charakteristische Varietaten, die beiden
Gebieten gemeinsam sind.
Auch ein Yergleich der chemischen Zusammensetzung
beider Gesteine zeigt ihre nahe Verwandtschaft, was die nach-
folgenden Analysen dartun sollen.
Analyse I: Orthogneis, normaler Erstfelder Eruptiygneis
yom Sustlital (SiidostfuB des Wasenhorns); zitiert nach
Konigsbekger (Lit. 25). Analytiker: Sahlbom.
Analyse II : Gneis yon Erstfeld (Yarietat ahnlich dem
Schapbachgneis); zitiert nach Staub (Lit. 44). Aualytiker:
Hezner.
Analyse III : Glimmergneis (Schapbachgneis), Wildschapbach-
tal; zitiert nach Lit. 37. Analytiker: Dittrich.
Analyse IV: Orthitgneis, ebendort; zitiert nach Rosenbusch
(Lit. 32). Aualytiker: Dittrich.
229
Die Analysen wurden auf Molekularprozente unigerechnet,
daraus die Werte fur A, C, F, T, n festgestellt; schlieBlich
wurden noch die OsANNschen Projektionswerte a, c, f berechnet
(nach dem Yorgang von Becke (Lit. 6) und Grubenmann
(Lit. 17) ohne den TonerdeuberschuB als Molekiil (MgFe)Al204
zu c zu schlagen). Der TonerdeuberschuB wurde noch extra
auf a + c + f = 20 umgerechnet.
Ge wicktspro zente.
I II III IV
Si02 68,27 64,89 68,21 70,25
TiO, 0,35 0,91 0,41 0,27
P205 — 1,10 0,10 -
A1203 15,08 14,69 12,22 14,47
Fe,03 1,22 1,78 0,89 0,85
FeO 3,25 3,85 2,88 2,30
CaO 1,18 2,67 2,66 2,64
MgO 1,19 1,85 1,65 1,93
KoO 4,76 4,05 2,47 3,04
Na,0 3,70 2,57 4,43 2,82
Ghihverl. , . 1,88 1,87 0,84 0,95
100,88 100,32
Molekularprozente.
Si02 + TiO, 75,61 73,7
A1203 9,78 9,6
FeO 4,00 4,7
CaO 1,39 3,2
MgO 1,96 3,1
K20 • 3,35 2,9
NajjO 3,91 2,8
10p 100,0 100,0 100,0
99,76
76,15
7,99
3,43
3,17
2,75
1,76
4,77
99,52
76,65
9,26
2,79
3,07
3,15
2,11
2,97
Gruppen werte (nach Osann-Grubenmann).
I II III IV
S 75,6 73,7 76,1 76,6
A . 7,0 5,7 6,5 5,1
C 1,4 3,2 1,5 3,1
F 6,0 7,8 7,9 5,9
M : .... 0,0 0,0 .1,7 0,0
T 1,4 0,7 — 1,1
K 1,5 1,5 1,5 1,7
n . . . . • 5,6 5,2 7,3 5,8
Projektionswerte (nach Osann).
. . 9,7
7
8,2
7,2
. . 2,0
4
1,9
4,4
f
, 8,3
9
9,9
8,4
-f A1203 auf a + c + f = 20
. . 2,0
1
1,6
230
Die chemische Analyse der Erstfelder Gneise deckt sicb
mit den Befunden der mikroskopischen Untersuchung: es sind
Gesteine yon granitahnlicher Zusammensetzung; der Kalkgehalt
ist maBig, Natronfeldspat uberwiegt den Kalifeldspat. Der
TonerdeuberschuB ist gering, jedenfalls nicht hoher als bei
einer groBen Anzahl echt granitischer Gesteine (ygl. Konigs-
berger, Lit. 23). Ein Beweis dafiir, daB in dem grobglimmrigen
Erstfelder Gneis sedimentares Material enthalten sein miisse,
laJ3t sicb mit einem so geringen TonerdeiiberschuB nicht fuliren.
Mineralogiscb ist er wohl auf den reiclilich vorbandenen Biotit
zuruckzufiihren. Die Analysen sind vielmebr wobl geeignet,
die Ansicbt yon der rein eruptiven Natur des groBglinimrigen
E. Gn. zu stiitzen.
Ein Yergleicb mit den Analysenvverten der beiden Scbwarz-
waldgneise zeigt obne weiteres die nabe Verwandtscbaft beider
Gesteine.
2. Der Erstfelder Sedimentgneis.
Von dem grobscbuppigen Erstfelder Eruptiygneis unter-
scheidet sicb ein anderer Typus recbt scbarf; er gleicbt den
Rencligneisen des Schwarzwalds, die dort als S edimentgneise
231
erkannt wurden. Es sind sehr feinkornige Gneise mit kleinen
Biotitblattchen. Die grofle Menge dieses Minerals yerleiht
ihnen dunkelbraunes bis schwarzliches Aussehen. Oft ist an
diesen sehr gleichmaBig zusammengesetzten Gesteinen nur
schwer eine Paralleitextur zu erkennen; zu einer Lagenbildung
kommt es nicht. Trotzdem spaltet doch das Gestein hie und
da ganz vorziiglich. Ein AufschluB im typischen feinkornigen
Gneis oberhalb der Krontehiitte des S. A. C. im „Grau" zeigt
geradezu eine Schichtung des Gneises. Er erscheint aus zahl-
reichen Bankchen von ca. 5 — 8 cm Machtigkeit aufgebaut. Da
noch eine Kliiftung senkrecht zur Schichtflache hinzukommt,
so entstehen bei der Verwitterung kleine prismatische Stiicke.
Auch sonst wurde in den feinkornigen Gneisen ziemlich haufig
ein derartiges Spalten wahrgenommeu. Unwillkiirlich wird man
durch diese Erscheinung an Schichtflachen eines urspriinglichen
Sediments erinnert. An verschiedenen Stellen finden sich in den
feinkornigen E. Gn. Einlagerungen yon Kalk oder Kalksilikat-
fels, was den Gedanken an sedimentare Natur verstarken mul3.
Ahnlich wie bei den Renchgneisen des Schwarzwalds findet
man nur selten groBere Blocke dieses Gesteins, meist nur
kleinere Bruchstiicke. Infolge der ziemlich weitgehenden
Kliiftung ist hier auch die Verwitterung yiel weiter fort-
geschritten als in den kompakteren Eruptivgneisen.
Der Mineralbestand der feinkornigen Gneise ist im
allgemeinen derselbe wie in den Eruptiygneisen. Dagegen er-
geben sich in der Ausbildung der einzelnen Gemengteile, in der
Struktur, scharf unterscheidende Merkmale (vgl. Taf.XX, Fig. 2).
U. d. M. macht sich yor allem ein groBer Reichtum an
Biotit bemerkbar. Er tritt in lauter kleinen, aber meist
streng parallel geordneten Schiippchen auf. Nur in seltenen
Fallen finden sich Ansatze zur Lagenbildung, meist liegen die
Glimmerkrystallchen isoliert und unregelmafiig yerteilt. Zum
Teil erweist sich der Biotit noch als frisch und kraftig pleo-
chroitisch; in andern Fallen hat schon die Verwitterung ein-
gesetzt, die chloritische und muscoyitische Substanzen liefert
und in alien Stadien verfolgt werden kann.
In zweiter Linie fallt bei vielen Gesteinen dieser Art ein
betrachtlicher Reichtum an Quarz auf, der in Gestalt runcler
oder langlicher Korner mit einfachen Umrissen erscheint.
Pseudopodienartige Verzweigungen, wie sie fur die Quarze der
Eruptiygneise charakteristisch gefunden wurden, sind ihm fremd.
Sehr wechselnd ist das Mengenverhaltnis yon Quarz und Felcl-
spat; meist iiberwiegt der erstere.
232
An Feldspat ist Orthoklas und saurer Plagiokla s vor-
handen. Nahere Bestimmungen sind bei der Kleinheit des
Korns und der meist schlechten Erhaltung nicht gut moglich.
Auch das Yerhaltnis von Orthoklas und Plagioklas scheint
starkem "Wechsel zu unterliegen. Sehr haufig ist die Bildung
muscoYitischer Substanzen aus Feldspat.
Charakteristisch fur diese Gneise ist nun das Auftreten
von Sillimanit, der sich in Yielen Gesteinen in Gestalt
glanzender Strahnen nachweisen lieB. Bezeichnend ist auch
die Anwesenheit Yon Graphit. Er bildet Stabchen und
Blattchen mit den eigentiinilich faserigen Umrissen. Auch die
fur Graphit so typischen zerfaserten und aufgeblatterten
Aggregate kommen YOr. Gran at konnte nur in wenigen Gesteinen
aufgefunden werden; dagegen sind Apatit und Zirkon sehr
haufige akzessorische Gemengteile. An Erzen finden sich blut-
rot durchscheinender Hamatit, Magnetit, seltner auch Pyrit.
Der Mineralbestand ist also, mit Ausnahme des sehr be-
zeichnenden Yorkommens Yon Sillimanit und Graphit, derselbe
wie im EruptiYgneis. Um so scharfer sind die Unterschiede
der Struktur. Zunachst muB auffallen, daB diese Gesteine
viel feinkorniger sind als die EruptiYgneise. Alle Komponenten
weisen annahernd gleiche GroBe auf und stoflen in einfachen
Begrenzungslinien zusammen. Eigene Krystallformen werden
dabei nicht gebildet. Am ehesten ist dies noch beim Biotit
der Fall; Quarz und Feldspat bilden dagegen iiberall rundliche
oder schwach langliche Formen. Dabei finden noch gegen-
seitige EinschlieBungen der Komponenten statt, die wesentlich
weiter gehen als bei den EruptiYgneisen. Sehr haufig um-
schliefien sich Quarz und Feldspat; oft ist auch der Biotit
Yollstandig in eins dieser Mineralien eingewachsen. Besonders
finden sich diese Erscheinungen an vereinzelten groBeren Feld-
spatkrystallen, die Yollstandig durchspickt erscheinen. Nicht selten
kann man Feldspate mit Anwachsrandern beobachten. Alle diese
Tatsachen deuten auf ein gleichzeitiges Wachsenaller Komponenten
hin; die Struktur, die auf diese Weise zustande kommt, ist als
krystalloblastisch bzw. granoblastisch zu bezeichaen. Sie
weist deutliche Anklange an Kontaktstruktur (Siebstruktur) auf.
Das Substrat, das diesen Gneis lieferte, muB sedimentarer
Natur gewesen sein; neben der auBeren Erscheinungsform und
den erwahnten Kalkeinlagerungen sprechen Mineralbestand und
Struktur der Gesteine dafiir. Sillimanit ist ein typischer
Gemengteil der Sedimentgneise des Schwarzwalds, Graphit
deutet auf organische Einschliisse (vgl. Rosenbusch, Lit. 30, I).
Die Struktur der Gesteine zeigt in keiner "Weise Anklange an
233
Eruptivstrukturen. Yielmehr machen manche Partien u. d. M.
direkt den Eindruck eines glimmerreichen Sandsteines (vgl.
Taf. XX, Abb. 2). Diese feinkornigen Gneise miissen demnach
als Sedimentgneise aufgefaflt werden.
Die chemische Analyse bestatigt diese Ansicht.
Analyse Y: Feinkorniger Biotitgneis von Silenen. Analytiker:
Verfasser.
Analyse VI: Sericitgneis (Sedimentgneis) von Amsteg; zitiert
nach Staub (Lit. 44). Analytiker: Hezner.
Si02
Ti02
P205
•SO,
Gewichtsprozente.
V VI
69,12
0,67
Molekularprozente.
FeO .
MnO .
€aO •
MgO .
K20 .
Ka?0 .
Gliihverl
16,46
1,43
2,71
2,10
0,71
2,60
3,14
0,73
61,20
1,09
0,33
0,28
16,19
0,27
6,64
0,10
1,36
3,62
3,51
2,64
3,22
V
VI
Si02 + Ti02
. 76,81
70,7
Al2Oa . . .
. 10,68
10,8
FeO . . . .
. 3,67
6,6
CaO . . . .
. 2,48
1,6
MgO . . .
. 1.18
4,9
K20 ....
. 1,83
2,5
NaaO . . .
. 3,35
2,9
100,0
100,0
99,67 100,45
S 76,8
A 5,2
C 2,5
F 4,8
G-ruppenwerte.
VI
70,7
5,4
1,6
16,8
M 0,0
T 3,0
K 1,6
VI
0,0
3,8
1,3
Gesteinsformeln nach Osann :
V:
VI
'76,8
S70,5
l4.5
'14,6
Die beiden Analysen zeigen ziemlich bedeutende Unter-
schiede, besonders bei Kalk, Eisen und Magnesia. Bei um-
gewandelten Sedimenten kann dies nicht wundernehmen. Fur
sedimentare Natur der Gesteine spricht vor allem der betracht-
liche TonerdeiiberscbuB, der in solcher Hohe bei Eruptiv-
gesteinen nicht gefunden wird.
Noch starker kommen chemische Differenzen im Aufbaa
dieser Gneise durch die Einlagerungen yon Kalksilikat-
felsen und kornigem Kalk zum Ausdruck. Sie liefern den
234
besten und augenfalligsten Beweis fiir die sedinientare Natur
des feinkornigen Gneises. Rosenbusch (Lit. 30, II) wies zuerst
auf die groBe theoretische Bedeutung solcher Einlagerungen
hin und beschrieb in klassiseher Weise eine Anzahl von Yor-
kommnissen des Schwarzwalds (Lit. 30, II und III). Besonders
schone und petrographisch interessante Einlagerungen im
Sedimentgneis des Erstfelder Gebiets finden sich an der Susten-
straBe (Urner Seite). Dieses Yorkommen wird zuerst yon
Sauer (Lit. 38) erwahnt, der tier zum erstenmal in den
Schweizer Alpen Wollastonitgesteine nachweisen konnte. Der
Freundlichkeit von Herrn Sauer verdanke ich schones Material
yon dieser Lokalitat.
Folgt man von Earnigen an der StraBe aufwarts, so fiihrt
der Weg vom Gorezmettlental an durch typische Eruptivgneise
bis zur dritten Kehre oberhalb Sustenalp; bier steht ein merk-
wiirdiges weiBes Gestein mit griinlichen Flecken und Lagen an.
Bessere Einblicke in die Yerbandsverhaltnisse gewahrt der
Anscbnitt der vierteu Kehre ; auch die fiinfte Kehre zeigt noch-
mals das weiBe Gestein. Kurz darauf tritt man jedoch wieder
in den Eruptivgneis ein, der nun bis zum Hotel Stein anhalt.
Es muB hier sofort auffallen, daB an dieser Stelle eine Bildung
vorliegt, die von dem sonst herrschenden Gneis total ver-
schieden ist. Durch tiefe Yerwitterung einzelner Lagen treten
fast senkrecht gestellte Banke eines weiBen Gesteins heraus.
Zu dem massigen, keine Spur von Bankung aufweisenden Auf-
bau des Eruptivgneises bedeutet dies einen uberaus scharfen
Gegensatz. Das weiBe Gestein laBt sich bei naherer Unter-
suchung als ein Kalksilikatfels erkennen, der bier in vielfacher
Wechsellagerung mit einem feinkornigen Biotitgneis auftritt.
Dieser stimmt makroskopisch und mikroskopisch mit den oben
bescbriebenen Sedimentgneisen uberein und iiberwiegt wolil an
Quantitat die Kalksilikatfelse. Der Eindruck, den man ge-
winnt, ist der, daB hier eine riesige Scholle von Sediment-
gneis mit stark kalkhaltigen Einlagerungen vom
Eruptivgneis eingehullt ist. Dieser Eindruck wird da-
durch verstarkt, daB diese Sedimentgneise in erheblicher Ab-
weichung vom sonst iiblichen alpinen NO-Streichen fast genau
nach N streichen. In der Nahe folgen ihnen darin die Eruptiv-
gneise, um in einiger Entfernung jedoch wieder allmahlich in
die gewohnliche Richtung einzubiegen. Es liegt also ein An-
schmiegen des Eruptivgneises an die Scholle, eine Art Um-
flieBen derselben vor. Yon ihr scheint ein richtunggebender
EmfluB auf die Paralleltextur des unihullenden Gneises aus-
geiibt worden zu sein. Eine den Sedimentgneis durchsetzende
235
pegmatitische Ader, hauptsachlich aus blaulichem Feldspat
(Orthoklas) bestehend, deutet darauf bin, daB Eruptivmassen
in geringem Mafie auch ins Innere der Scholle eindrangen.
Die mechanische Beeinflussung des Ganzen durch den tertiaren
Gebirgsdruck ist gering. Sie auBert sich in N — 30° 0
streichenden sekundaren Schieferungs- und Ablosungsflachen.
Besonderes Interesse erregen natiirlich die Kalksilikat-
felse, die als Einlagerungen in den Sedimentgneisen auftreten,
und ihre petrographische Beschaffenheit.
Den haufigsten Typus stellt ein weiBes Gestein dar,
das deutlich parallel geordnete Lagen eines griinen Minerals
aufweist, in dem man unschwer Augit erkennt. AuBerdem ist
in allgemeiner Yerbreitung noch ein rotliches Mineral mit
spitzrhombischen Durchschnitten zu finden, das sich dadurch
als Titanit zu erkennen gibt. Bei der Yerwitterung treten oft
strahlig-faserige Aggregate heraus, die auf die Anwesenheit von
Wollastonit hindeuten. — Wahrend im allgemeinen eine maBige
KorngroBe vorherrscht, so bilden doch einzelne Yarietaten recht
groBe Krystalle aus. Gewisse Kalksilikatfelse weisen pracht-
volle griine Augite yon 4 — 5 cm Lange und 1 cm Durchmesser
auf, die das charakteristische Prisma des Augits deutlich er-
kennen lassen. Die Titanitkrystalle wachsen in diesem Gestein
bis auf y3 cm GroBe.
Bei der Untersuchung im Mikroskop muB zunachst auf-
fallen, daB der groBte Teil des Gesteins yon einem Feldspat
gebildet wird, der geringere Lichtbrechung als Canadabalsam
besitzt und keine Spur yon Zwillingslamellierung aufweist.
Es liegt also offenbar Orthoklas vor. Meist treten ja in der-
artigen Gesteinen stark kalkhaltige Plagioklase auf; jedoch
erwahnt aach Rosenbusch das Yorkommen yon Orthoklas im
Wollastonitfels des Bellenwald (Lit. 30, II, S. 388). Meist ist
der Orthoklas schon etwas getrubt, hie und da auch schwach
sericitisiert. Der Augit erscheint im Dunnschliff vollkommen
farblos; an maximaler Ausloschungsschiefe wurde 38 — 39° ge-
messen; es handelt sich demnach um Diopsid, worauf schon
der makroskopische Habitus der Krystalle schlieBen laBt. All-
gemein yerbreitet ist eine sehr feine und scharfgezeichnete
Zwillingsbildung nach (100). Besonders zeigen dies auch die
schonen groBen Augitindiyiduen. Meist findet sich der Augit
in den Feldspat eingewachsen, hie und da in skelettformigen
Krystallen. Im allgemeinen ist er noch vollstandig frisch; an
manchen Stellen kommt eine schwache Serpentinisierung vor. —
Sehr haufig ist Titanit, der in schon idiomorphen Krystallen
236
(Briefkuyertform) im Augit oder Feldspat eingewachsen auftritt.
An manchen Krystallen ist ein deutlicher Pleochroismus be-
merkbar (farblos — braunlichrot). Die iiberaus gleichmaBige
und ziemlich reichliche Titanitfuhrung ist als besonderes
Charakteristikum aller Yarietaten zu bezeichnen. Dasselbe
betont Rosenbusch fiir die „Paraaugitgneise" (Kalksilikatfelse)
des Schwarzwalds (Lit. 30, II, S. 372). Vgl. auch Sauer: Erl.
zu Bl. Gengenbach, 1894. RegelmaBig findet sich auch Zoisit,
der an seinen stahlblauen Interferenzfarben leicht zu erkennen
ist und meist Aggregate bildet. Wollastonit findet sich in
dieser Gesteinsvarietat nur in geringen Mengen; er tritt in radiar
angeordneten Biischeln von schlanken Nadeln auf. Ob der in
geringer Menge vorkommende Kalkspat als direkt aus dem
Sediment stammend zu erklaren ist, oder ob in ihm Yerwitterungs-
und Infiltrationsprodukte vorliegen, ist nicht gut zu entscheiden.
Apatit in Gestalt kurzer gedrungener Saulchen ist regelmaBig
vorhanden, freier Quarz dagegen selten. Erze konnten nicht
gefunden werden. Sie fehlen anscheinend, wie hier gleich ange-
fiigt werden soli, alien Kalksilikatfelsen des Sustenpasses.
Die Gesteinsstruktur ist die typischer Kontaktgesteine:
fast alle Bestandteile schlieBen sich (soweit die GroBenverhalt-
nisse dies erlauben) gegenseitig ein. Das Gestein, aus dem dieser
Kalksilikatfels hervorging, muB ein vorwiegend toniges, kali-
reiches Sediment mit maBigem Kalkgehalt gewesen sein.
Es sei gleich hier die Beschreibung eines Kalksilikat-
felses vom Opplital (linkes Nebental der ReuB zwischen
Amsteg und Erstfeld) angefiigt, der makroskopisch der eben
beschriebenen Yarietat vom SustenpaB aufierordentlich gleicht.
U. d. M. zeigt sich eine starke Zunahme des Quarzes, der dem
Feldspat gleichkommt. Neben unverzwillingtem Feldspat tritt
noch ein zwillingsgestreifter saurer Plagioklas auf. Im ilbrigen
gleicht das Gestein vollstandig dem vom SustenpaB.
Andere Gesteine des Sustenpasses zeigen nun ein Zunehmen
der Kalksilikate auf Kosten des Feldspates, der nach und nach
vollstandig verschwindet. Diese Gesteine besitzen weiBe Farbe;
nur noch wenige lichtgrune Flecken lassen Augit darin erkennen.
Dagegen sind schon makroskopisch seidenglanzende radiar-
faserige Aggregate eines weifien Minerals zu erkennen. Es
handelt sich um Wollastonit. Die mikroskopische Unter-
suchung bestiitigt, daB hier echte Wollastonitfe lse vorliegen.
Schon radiar angeordnete Biischel schlanker Wollastonitsaulchen
beherrschen das ganze Strukturbild. Kalkspat ist in diesem
237
Gestein noch in schon ausgebildeten, zwillingslamellierten
Krystallen vorhanden und stellt sicher einen primaren Bestand-
teil dar. Von den JBuscheln des Wollastonits wird er kreuz
und quer durchschossen, und man bekommt geradezu den Ein-
druck, als wiirde der Kalkspat von dem ihn durchwachsenden
Wollastonit allmahlich aufgezehrt. Yom Wollastonit hebt sich
durch starkere Lichtbrechung deutlich der Augit ab. Er kommt
nur in relativ kleinen Krystallen yor, liegt haufig innerhalb der
Wollastonitrosetten und weist Zwillingslamellierung nach (100)
auf. Kleine Korner von Titanit und Apatit sind sehr zahlreich,
Quarz dagegen selten.
Das Substrat, das diesem Wollastonitfels zugrunde lag,
muB, im Gegensatz zum vorigen Gestein, ein kalkreiches, ton-
erdearmes Sediment gewesen sein.
Eine weitere Zunahme des Kalkes zeigt ein Typus, der nun
schon als silikatreicher Marmor bezeichnet werden kanm
Dieses Gestein gleicht auBerlich dem zuerst beschriebenen: weiBe
Farbe mit griinliclien Lagen. Jedoch erkennt man schon mit
der Lupe in dem weitfen Mineral zwillingslamellierten Kalkspat.
Eine weitere Eigentiimlichkeit, die schon makroskopisch in die
Erscheinung tritt, sind schwarze, iiberaus lebhaft glanzende
Kornchen. TJ. d. M. zeigt sich das Gestein als zum groBten Teil
aus Kalkspat bestehend. Es scheint einer Pressung unter-
legen zu sein: auf Gleitflachen erfolgten leichte Verschiebungen
der Krystalle; zum Teil sind die Zwillingslamellen stark ver-
bogen. Im Kalkspat eingeschlossen linden sich zerstreut Korner
von Apatit und Quarz sowie Augit krystalle maBiger Grofle;
auch kleine idiomorphe Krystallchen von Titanit sind weit
verbreitet. Vor allem aber fallt das schon makroskopisch
erkennbare schwarze Mineral auf, das sich durch semen blenden-
den Glanz und seine Unloslichkeit in HC1 als Graphit zu
erkennen gibt. Teils sind es rundliche Korner mit Andeutung
von Krystallflachen, teils Stabchen mit zerfasertem Rand.
In diesem krystallinen Kalk finden sich nun Lagen von
Silikaten, die eine grofie Anzahl von Mineralien erkennen lassem
Haufig sind Zoisit, schwach pleochroitischer grunlicher Epidot
und Augit (Diopsid). AuBerdem kommt Orthoklas, zonarer
Vesuvian und Gran at vor. Alle diese Mineralien sind aufs
engste miteinander verwachsen. Titanit, Apatit und Graphit
finden sich auch hier in den Silikatlagen. Freier Quarz
ist an den Grenzen dieser Lagen gegen den Kalk ziem-
lich haufig und drangt sich oft noch zwischen die einzelnen
Krystalle ein.
238
Nach deni Mineralbestand zu schliefien, liegt also hier ein
kontaktmetamorphes Kalkgestein mit geringeni Tonerde- und
Kieselsauregehalt vor.
Reiner (silikatfreier) krystalliner Kalk konnte nur in wenigen
Stiicken gefunden werden, die zudem jedenfalls nur sekundare
Bildungen darstellen.
An den zuletzt beschriebenen Typus Tom SustenpaB schliefien
sich nun sehr eng Gesteine an, die von Herrn Prof. Sauer im
Schuttkegel des Riedbachs bei Erstfeld gefunden wurden. In
ihnen nimmt der Kalkgehalt noch weiter zu. Die innige
Yerbindung mit G-neis beweisen Handstiicke, die zur einen
Halfte aus dem feinkornigen Sedimentgneis, zur andern aus
krystallinem Kalk bestehen. Der Gneis zeigt kleine, parallel
geordnete Biotitschuppchen, die zum grofiten Teil schon der
Chloritisierung anheimgefallen sind. Gegen den Kalk hin
stellen sich einzelne Graphitkorner, Augit- und Kalkspat-
krystallchen im Gneis ein. Die Grenze bildet eine helle
glimmerfreie Zone von ungefahr ya cm Breite. Der krystalline
Kalk, der nun folgt, bildet gegen den Gneis eine Lage von
Kalksilikaten aus. Yor allem ist es Augit, der an der Bildung
dieser Grenzzone beteiligt ist; daneben findet sich Tit an it,
Wollastonit, Apatit und Granat. Quarz drangt sich
zwischen die Kalkspatkrystalle ein. Diese weisen groBe, sehr
schon verzwillingte Individuen auf, die haufig eine schwache
Druckwirkung erkennen lassen. Der krystalline Kalk fiihrt
noch vereinzelte kleine Augite neben sehr reichlich vorhandenem
G rap hit. Oft zeigen sich die Calcitkrystalle von staubformig
verteiltem Graphit impragniert. Die Kalksilikate sind bei diesem
Gestein also hauptsachlich auf die Grenze gegen den Gneis
beschrankt, wo bei der Metamorphose vielleicht ein gegenseitiger
Stoffaustausch vor sich ging.
Ein anderes krystallines Kalkgestein derselben Lokalitat
zeigt in der Art und Weise seiner Yerwitterung einen Aufbau
aus chemisch differenten Lagen. U. d. M. zeigt es sich zum
grofiten Teil aus grobkrystallinem Kalk spat zusammengesetzt,
in dem zerstreut einzelne Korner von Augit, Granat, Titanit
und Graphit liegen. Die Lagen, die sich'bei der Yerwitterung
als widerstahdsfahiger erweisen, werden von Quarz gebildet,
der zahlreiche Krystalle von stahlblau polarisierendem Zoisit
einschlieflt.
In anderen krystallinen Kalken hnden sich statt dessen
einzelne Lagen von Wollastonit in den schon mehrmals er-
wahnten biischeligen Aggregates
239
Die petrographische Untersuchung der Kalksilikatfelse des
Sustenpasses, deiien sich die Kalkeinlagerungen des Riedtals
eng anschlieBen, bestatigt also die zuerst ausgesprochene Ansicht,
dafi in ihnen umgewandelte Sedimente vorliegen. Ihre
enge Verbindung mit dem feinkornigen Gneis macht es sicher,
daB auch er ein umgewandeltes Sediment darstellt. Liegt diesem
in der Hauptsache ein grauwackenahnliches Material zugrunde,
so liegen uns in den Kalksilikatfelsen, bezw. kornigen Kalken,
tonig-kalkige bis kalkige Z wischenlagerungen dieses
Gesteins vor.
Dann erlaubt uns aber die petrographische Untersuchung,
auch die Frage nach der Art und Weise der Umwandlung zu
beantworten. Der Mineralbestand der Kalksilikatfelse (Wollasto-
nit, Augit, Vesuvian, Zoisit, Granat) spricht entschieden fur
Kontaktmetamorphose. Damit erhalten wir auch eine An-
deutung, wie wir uns die Entstehung des Sedimentgneises
zu denken haben: auch er diirfte im wesentlichen unter den
Verhaltnissen der Kontaktmetamorphose gebildet
worden sein.
Zum SchluB sei nochmals auf die frapp ante Ahnlich-
keit der Kalksilikatfelse des Sustenpasses mit den ent-
sprechenden Einlagerungen im S edimentgneis des
Schwarzwalds hingewiesen. Es wiederholen sich in beiden
Gebieten vollstandig dieselben Typen mit ihren charakteristischen
Einzelheiten (vgl. hierzu Rosenbusch, Lit. 30, a und b, und
Thurach, Lit. 46).
Als eine Yarietat des Sedimentgneises muB hier
endlich noch ein merkwiirdiges Gestein beschrieben werden, das
von Sauer bei Silenen gefunden wurde. Es ist ein feinkorniger,
graugrunlicher Gneis, der makroskopisch kaum eine Parallel-
textur erkennen laBt. Das ungewohnliche daran sind hell-
blauliche Flecken, die bis 1 cm Durchmesser aufweisen.
Das Mineral, das sie bildet, zeigt gut ausgebildete spiegelnde
Krystallflachen und gibt sich dadurch als F elds pat zu erkennen.
Meist sind diese Feldspate yon einer etwas dunkleren Zone
umgeben. U. d. M. zeigt die Hauptmasse des Gesteins den
Typus eines normalen feinkornigen Sedimentgneises mit Biotit,
Feldspat (meist Plagioklas) und Quarz. Merkwiirdig ist nun
das Auftreten von Turmalin, der sich zahlreich in Gestalt
kurzer gedrungener Saulchen einstellt (Durchmesser 0,1 — 0,15mm,
Lange bis 0,5 mm). Meist fiigen sich diese Saulchen in die
Parallelitat des Gesteins ein. Der Turmalin ist deutlich pleo-
240
chroitisch (a = farblos, c = hellbraunn) und weist nicht selten
Zonarstruktur auf. In krystallographisch begrenzten Hohl-
raumen fiihrt er Flussigkeitseinschliisse. Er tritt meist mit
Biotit Yergesellschaftet auf, findet sich aber auch im Quarz und
Feldspat eingewachsen.
Yon diesem Strukturbild heben sich nun deutlich die
groJ3en Feldsp ataugen ab. Urn sie herum findet eine An-
reicherung des Biotits statt. Im G-egensatz zu den Feldspaten
des iibrigen Gesteins erweisen sich diese groflen Krystalle als
Orthoklas. Haufig sind in ihnen runde Einschliisse von Quarz,
die gegen den Rand bin an Zahl zunehmen; hier wird auch
Turmalin, jedocb kein Biotit eingeschlossen. Neben sparlicheni
Sericit bilden sich in diesen grofien Orthoklaskrystallen eigen-
tiimliche haarformige Verwitterungsprodukte die zum Teil an
Sillimanit erinnern.
Was diese merkwiirdigen Gebilde zu bedeuten haben, ist
unklar. Jedenfalls steht das Yorkommen des Turmalins und
der Feldspataugen in einem gewissen Zusammenhang; beides
ist vielleicht durch eine pneumatolytische Beeinflussung des
Gesteins zu erklaren. Damit wiirde dieser Gneis zu andern
Gesteinen iiberleiten, die sicher eruptives Material aufgenommen
haben, also Mischgneise darstellen.
3. Die Mischgneise.
Meist tritt uns der Sedimentgneis nicht in yollstandiger
Reinheit entgegen. Yielfach zeigt er sich (in sehr wechselndem
Mafie) durch drnngen Yon eruptivem Material, so daB diese
Gneise als „ Mischgneise-' you den echten Sedimentgneisen ab-
geschieden Yverden mtissen.
Nicht selten finden sich im Sedimentgneis aplitische
bezw. gr anulitis ch e Gange; Yon ihnen aus fiihren Gangchen
ins Nebengestein, die sich zuletzt in feine Adern auflosen.
Eben diese feinen letzten Yerzweigungen sind ungemein
charakteristisch fur weite Gebiete. Ihre Ablosnng Yon groBeren
Aplitmassen, die nicht selten noch Bruchstiicke des benachbarten
Gneises einschliei3en, konnte nur selten beobachtet werden; nicht
selten erweisen sich die feinen Aderchen bei der Yerwitterung
als Aviderstandsfahiger und treten dann plastisch aus dem Gestein
heraus. Scheinbar ohne Regel setzen sie quer oder schief zur
Schichtung durch den Sedimentgneis hindurch3 oft in eigentum-
lich gebogenen und gewundenen Linien1). Auf kurze Strecken konnen
') Die Erscheinungen zeigen die groCte Ahnlichkeit mit den neuer-
dings von Sederholm beschriebenen und abgebildeten ,.ptygmatisch
geialteten Aplitadern". (N. J. f. Min., Beilage-Bd. 36, 1913).
241
sie auch in der Schichtungsebene verlaufen, meist weichen sie bald
wieder dayon ab. Hie und da kommen bauchige Anschwellungen
der Adern vor, in denen sich das Eruptivmaterial staut. Dafl
die Schichtflachen der Gneise nicht in viel weitgehenderem
Fig. 2.
Sedimentgneis mit eruptiven Adern. Block im Riedbach bei Erstfeld.
1]i natiirl. GroBe.
Fig. 3.
Sedimentgneis mit gewundener aplitischer Ader quer zur Schichtung.
Riedbach. Natiirl. GroBe.
MaBe benutzt werden, erklart sicb aus ihrer undeutlichen Aus-
bildung, dem Mangel an Lagentextur (vgl. das mikroskopiscbe
Strukturbild, Tafel I, 2). Nur an wenigen Stellen bilden sich.
Injektionen nacb Schichtflachen. In diinnen keilformigen Lagen
dringt hier die Eruptivmasse in den Sedimentgneis ein, urn
jedoch bald ihre StoBkraft zu yerlieren und blind zu endigen
(vgl. Fig. 4).
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 16
242
XL d. M. zeigen diese so kaufigen Eruptivadercken uberall
gleickartige Zusammensetzung. Ziemlich grofie, idiomorphe
Feldspate bilden die Hauptmasse. Es konimt Ortkoklas und
sehr feinlamellierter Plagioklas yor. Am Rand der Ortko-
klase finden sich zum Teil myrmekitiscke Yerwachsungen.
Biotit scheint dem eindringenden Eruptivmaterial zu feklen;
wo er auftritt, ist er nach vielen Beobacktungen vom Neben-
gestein, dem Sedimentgneis, losgerissen und in das Gangcken
hinein verfloBt worden. Die Begrenzung der Adercken ist
manckmal Yollkommen sckarf, in andern Fallen findet an der
Fig. 4.
Sedimentgneis mit Injektionen. Arni bei Amsteg. 1/2 natiiii. GroBe.
Beriikmngsnacke eine teilweise Durckdringnng von Eruptiy-
und Sedimentmaterial statt. Diese Yermisckungszone iiber-
sckreitet jedock kaum die Breite von 1/2 cm. Makroskopisck
aufiert sick der Vorgang in einem allmaklicken Yersckwinden
der Biotite gegen das Gangcken kin. Hie und da finden sick
an Stellen, wo das EruptiYmaterial offenbar Teile des Neben-
gesteins assimilieft kat, Krrstalle Yon Granat. Anhaufungen
yon Biotit gegen die Adercken kin, wie sie Staub (Lit. 44, S. 9)
besckreibt, konnten nickt gefunden werden; ebensowenig zeigten
die Glimmer in der Nackbarsckaft der Gangcken eine Anderung
ikres Erkaltungszustands.
In alien derartigen durckaderten „Misckgneisen" kann
Eruptiv- und Sedimentmaterial gut auseinandergekalten werden.
In anderen Fallen mackt dies Sckwierigkeiten. Sckon in dem
Handsti'ick, das in Fig. 4 abgebildet ist, deutet die glimmer-
reicke Lage inmitten des kellen (eruptiven) Teils darauf kin,
dafl kier eine Aufsckmelzung und Yollstandige Lostrennung Yon
Sedimentmaterial erfolgtist. DieselbeErscbeinung wiederkolt sick
in einem Gestein vom Faulenbackfall (Erstfelder Tal), das
neben dunklen, durckaus sedimentgneisartigen Partien kellere
243
Lagen zeigt, die sich in ausgezeickneter Paralleltextur in glimmer-
armere und -reichere Bander differenzieren. U. d. M. zeigen sich
sehr wechselnde Strukturverhaltnisse : neben ziemlich reiner
Eruptiystruktur tritt ein intensives gegeuseitiges Sich-Durch-
dringen aller Bestandteile ein. Sehr haufig sind zerstiickelte
Granaten. Jedenfalls handelt es sich hier urn ein Mischgestein,
in dem durch eine eindringende aplitische Masse Teile des Sedi-
mentgneises losgelost und mebr oder yveniger yollstandig assi-
Fig. 5.
Sedimentgneis mit pegmatitischen Adern (z. T. verworfen).
Grau (Erstf elder Tal). Y10 natiirl. GroBe.
miliert wurden. Die streng parallele Anordnung der chemisch
differenten Partien geschah durch die Flieflbewegung des sich
eindrangenden Eruptiymaterials.
Neben den Apliten kommen im Gebiet der Sedimentgneise
noch pegmatiti sche Adern in Betracht, die besonders im
„Grau" schon zu beobachten sind. — Auch sie setzen meist
unbekummert um die Schichtung quer durch das Gestein hin-
durch mit yereinzeltem schwachem seitlichem Eindringen. Sie
bestehen aus grobkrystallinem, blaulichem Feldspat (Orthoklas),
kleinen Nestern yon Biotit und wenig Quarz. Die vom Susten-
paB erwahnte Ader im Sedimentgneis der Scholle ist identisch
mit den Pegmatiten des Grau.
Fragen wir schlieBlich nach der Abstammung dieser Eruptiv-
massen, so ist es das nachstliegende, sie auf den Eruptivgneis
zuriickzufuhren. Das Sedimentgneisgebiet des Grau liegt yoll-
standig im Eruptiygneis eingeschlossen, der es in groBerem und
16*
244
i
kleinerem Maflstab durchdringt und so zum Teil Mischgneise
aus ihm schafft. Das Auftreten des Pegmatits in der Scholle
am Susten, das nur auf den umhiillenden Eruptivgneis zuriick-
gefuhrt werden kann, bestatigt diese Ansicht.
Ein Vergleich mit den Mischgneisen des S chwarzw aides-
zeigt, dafi auch hier weitgehende Ahnlichkeiten bestehen. (Vgl.
hierzu Schwenkel (Lit. 43) und eine in nachster Zeit erscheinende
Arbeit yon Haffner.)
4. Amphibolite.
In den meisten Gneisgebieten finden sich als Einlagerungen
in wechselnder Anzahl und Machtigkeit Gesteine (eruptiver pder
sedimentarer Entstehung), deren gemeinsamerCbarakter ein boher
Gebalt an Hornblende ist, und die deshalb als Amphibolite be-
zeicbnet werden. Sie feblen auch den Erstf elder Gneisen nicht
und kommen sowohl in den Eruptivgneis en als auch in den
Sedimentgneisen vor. Es seien im folgenden zwei Typen be-
schrieben.
Der erste Tvjdus stammt aus dem Erstfelder Tal und ist
als Plagioklasamphibolit zu bezeichnen. Plagioklas (von
der chemischen Zusammensetzung des Oligoklas) iibertrifft die
iibrigen Mineralien an Quantitat. Zwillingsbildung nach Albit-
und Periklingesetz ist allgemein verbreitet; selten werden von
dem Mineral eigene Krystallflachen ausgebildet. Haufig finden
sich die bekannten rundlichen Quarzkorner im Feldspat ein-
geschlossen; sonst kommt wenig freier Quarz vor. Mit dem
Feldspat eng verbunden ist die Hornblende. Sie ist meist in
unvollkommenen Krystallen im Feldspat eingewachsen; gewohn-
lich sind nur die Krystallflachen des Prismas ausgebildet. Die
Hornblende ist schwach pleochroitisch (a = schwach gelblich,
5 = griinlich, c = hellbraungriin) und weist Ausloschungsschiefen
bis zu 12° auf. Biotit findet sich haufig in krystallographischer
Orientienmg nach denPrismenflachen inHornblende eingewachsen.
Meist ist er schon weitgehend chloritisiert und durch Aus-
scheidungsprodukte verunreinigt. Apatit, Zirkon und Eisen-
erze vervollstandigen den Mineralbestand des Gesteins.
Scharf davon unterschieden ist ein zweiter Typus, ein
Gestein von Silenen, das aus Sedimentgneisen stammt. Es ist
fast schwarz, sehr dicht und kolossal zahe. Hornblende und
Biotit sind schon makroskopisch zu erkennen. U. d. M. zeigt
sich, dal} Hornblende den Hauptbestandteil des Gesteins bildet.
Sie erscheint jedoch nicht in grofieren zusammenhangenden
Krystallen, sondern als ein Haufwerk sehr kleiner Korner und
Prismen. Der Hornblende kommt an Quantitat der Quarz
245
nicht ganz gleich. Zwischen beiden Mineralien bestehen innige
Yerwachsungen: bald scbeint Hornblende in Quarz eingewachsen,
bald Quarz in Hornblende, die Struktur des Gesteins ist also
„ diablastisch". Aufier Hornblende und Quarz kommt noch
Biotit yor, meist in Aggregaten von mehreren Blattchen. Er
schlieBt sparliche Eisenerze (Magnetit) ein.
Nach dem Mineralbestand zu schlieBen, muB das Gestein
sedimentaren Ursprungs sein; nach den Hauptgemengteilen ist
■es als Quarzamphibolit zu benennen,
5. Abzweigungen eines granitischen Magmas im Gebiet der
Erstfelder Gneise.
Zum SchluB sind noch Gesteine aus dem Erstfelder Gneis-
gebiet zu erwahnen, die streng genommen nicht in den Verband
der Gneise gehoren; sie sind junger als diese. Hierher zahlen
der von Staub zuerst erwahnte „Granitstock" yon Erstfeld,
■der yon einem Quarzporphyr begleitet ist, sowie gewisse Yon
.Sauer im Erstfelder Tal aufgefundene basische Ganggesteine
(Minette, Gangporphyrit, Orthophyr). Bei dem „Granitstock"
.Staubs handelt es sich zweifellos um einen Gang Yon Granit-
porphyr, der auf ein in der Tiefe Yerborgenes granitisches
Magma hinweist. Auch die Ganggesteine Sauers deuten dar-
auf hin; als Ganggefolge eines EruptiYgneises sind solche Ge-
steine noch nicht bekannt geworden.
Durch diese Erscheinungen ware eine weitere Analogie
zwischen Schwarzwald und Erstfelder Gneisgebiet festgestellt.
Auch dort wird ja das Gneisgebirge regelmaBig Yon Granit-
porphyrgangen durchbrochen, die meist der Yaristischen Streich-
richtung SW — NO folgen; auch Gange basischer Ganggesteine
(Minette) im Gneis sind aus dem Schwarzwald bekannt ge-
worden.
Das Granitmagma, auf welches diese Ganggesteine als mag-
matische Differenzierungen zuriickzufiihren sind, ist ohne Zweifel
das des Innertkirchener Granits, das weiter nach W an die
Oberflacbe tritt.
Es sei hier noch die Beschreibung einer typischen Minette
aus dem Erstfelder Tal angefiigt, die you Sauer an mehreren
Stellen im Gehangeschutt gefunden wurde.
Das Gestein ist feinkornig und glimmerreich, Yon sehr
dunkler Farbung. Die Untersuchung im Dunnschliff laBt alle
Eigentiimlichkeiten erkennen, die fiir dieses lamprophyrische
Ganggestein so charakteristisch sind. Den Hauptbestandteil
bildet ein langlich leistenformiger Feldspat, der haufig Zwillings-
bildung nach dem Karlsbader Gesetz aufweist. Jedenfalls handelt
246
es sich um Orthoklas. — Quarz ist sehr selten. Dem Feld*
spat folgt an Menge der Biotit, der zurn Teil in kleinen
Schiippchen zwischen den Feldspaten liegt, jedoch auch groBere
Krystalle aasbildet. Diese zeigen in schoner Weise die charak-
teristischen Eigenschaften des Biotits in derartigen Gesteinen:
zonare Struktur (auBen dunkler, d. h. eisenreicher als innen)
und randliche Zerlappung. Mit Biotit zeigt sich oft Pyrit
Yerwachsen. — Recht haufig ist ein farbloser Augit, der je-
doch meist schon der Zerstorung anheimgef alien und nur noch
in TJberresten zu sehen ist. Er wandelt sich in Chlorit um,
und auch der reichlich vorhandene Kalkspat muB zum Teil
auf Rechnung des Augits gesetzt werden. Apatit in langen
diinnen Nadelchen ist sehr haufig.
Durch die beschriebenen Eigenschaften wird das Gestein als-
typische Augit-Minette charakterisiert, d. h. als basisches-
Spaltungsprodukt eines granitischen Magmas.
IT. Allgemeines iiber die Erstfelder Gneise.
Schon bei der Beschreibung der einzelnen Gneistypen wurde-
auf ihre enge Yerwandtschaft mit Schwarzwaldgesteinen
hingewiesen. Es mogen diese Analogien noch einmal im Zu-
sammenhang dargestellt werden.
Der groBglimmrige Biotitgneis des Erstfelder Gebiets ent-
spricht dem normalen Schapbachgneis des Schwarzwalds. Ge-
banderte und gefaltelte Varietaten finden ihr Analogon in den
„Schlierengneisen" der Feldberggegend und des Kinzigtals. Yon
Granuliten wurde ein Sillimanitgranulit gefunden, der sein Gegen-
stiick in der Kinziggegend findet. Die feinkornigen Sedimentgneise
des Erstfelder Massivs sind den Renchgneisen des Schwarzwalds
gleichzustellen. Auch in ihnen finden sich Kalksilikateinlagerungen,
die denen des Schwarzwalds auffallend gleichen. Neben Eruptiv-
und Sedimentgneisen treten in beiden Gebieten Mischgneise auf.
Die Amphibolite weisen sehr ahnlichen Habitus auf.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daB die IJberein-
stimmung des Erstfel der Gneiskomplexes mit dem des
Sch warz waldes fur den Kenner beider Gebiete eine ganz iiber-
raschende ist. Nach der Aussage von Herrn Dr. Schwenkel
konnte man bei jedem meiner in der Erstfelder Umgebung ge-
sammelten Handstiicke irgendeinen Ort im Schwarzwalder
Grundgebirge nennen, wo derselbe Typus Torkommt. Was dies
bedeutet, yersteht der, der schon verschiedene Gneismassive
kennen gelernt hat. Die Typen krystalliner Schiefer, wie sie
uns etwa der Schwarzwald, das Erzgebirge, der Bohmisch- Bay-
risclie Wald oder irgendein alpines Gneisgebiet (z. B. der Simplon)-
247
bieten, sind alle unter sich yerscbieden; fur jedes Gneisgebiet
sind gewisse Gesteine cbarakteristisch, die sich in einem andern
nicht yorfinden. Nie ist z. B. im Scbwarzwald ein Gneis nacb-
gewiesen worden, der etwa an den Cordieritgneis des Bayrischen
Waldes erinnern wiirde. — Daran andert auch eine gleiche Ent-
stehnng zweier Gesteine nicbts. Genetisch ist der Eruptiygneis
des Scbwarzwalds dem Eruptiygneis des Erzgebirges gleicb-
zustellen: es sind primar parallel struierte Eruptivgesteine.
Trotzdem lassen sie sich sehr gut unterscbeiden, es sind yer-
scbiedene Typen. Wenn nun eine derartig yollkommene petro-
grapbiscbe Ubereinstimmung aller, nicbt bloB einzelner Glieder
bestebt wie zwiscben Erstfeider Gneisen und Schyyarzwald-
gneisen, so ist der ScbluB zwingend, daB es sicb bier um yer-
scbiedene Teile eines und desselben Gneismass,ivs
bandeln muU. Konigsberger (Lit. 25) spricbt die Ansicbt aus,
der Erstfeider Ortbogneis „entsprecbe genetiscb dem Eruptiv-
gneis des Scbwarzwalds, des Erzgebirges und anderen Ortbo-
gneisen". Es ist auf Grund der uberraschenden Abnlicbkeit
beider Gneisgebiete erlaubt, weiter zu geben und zu sagen: Das
Erstfeider Gneismassiy ist mit dem des Scbwarzwalds
identiscb, nacb einer Unterbrecbung durcb Sedimentbedeckung
taucben bier bei Erstfeld wieder ecbte Scbwarzwalder Gneise
empor.
Uber die Entstebung des Scbwarzwalder Gneis-
gebirges bat in letzter Zeit nacb Sauer (Lit. 37) und
Rosenbusch bauptsacblicb Schwenkel gearbeitet (Lit. 43). Nacb
ibm ware der Gang der geologiscben Ereignisse im Scbwarz-
wald der fol^nde: Jedenfalls in pracambriscber Zeit dringt ein
Magma (der Scbapbacbgneis) in einen Sedimentkomplex ein,
den es durcb und durcb metamorphosiert (Rencbgneis). Rand-
licb findet eine intensiye gegenseitige Durcbdringung, die Bildung
yon Miscbgneisen, statt. Das eruptiv eindringende Magma er-
starrt mit paralleler Anordnung seiner Gemengteile, was auf
eine Art yon FlieJ3bewegung im Magma zuruckzufubren ist.
Granulite und gewisse Pegmatite stellen Spaltungsprodukte des
Gneismagmas dar.
Schwenkel weist auiterdem ausfiihrlich nacb, daB der
mittelcarboniscbe Granit den Gneis bereits so yorfand, wie
er uns aucb beute nocb yorliegt. Yon einer Bildung yon
Injektionsgneisen durcb den Granit kann demnacb keine
Rede sein.
Diese Ans cbauungen mocbte icb auf die Erstfeider
Gneise iibertragen. Leider ist es bier nicbt in demselben
248
Mafie rnoglich, genetische Studien zu treiben wie im Schwarzwald.
Kunstliche Aufschliisse, die frisches Material liefern wiirden
und einen Einblick in die Natur der eruptiven Vorgange ge-
wahren konnteu, wie dies bei den Steinbriichen des Schwarz-
waldes so schon der Fall ist (vgl. die ungewohnlich gunstigen Auf-
schliisse im Kinzigtal !), fehlen fast vollstandig. Was iiber die geolo-
gischen Yerbandsverhaltnisse der einzelnen Gneistypen festgestellt
werdenkonnte, ist ungefahr folgendes : Eruptivgneis nnd Sedi-
mentgneis wechseln miteinander ab. Zunachst treten beim
Auftauchen der E. Gn. Eruptivgneise auf; dann folgen im Profil
des ReuBtals feinkornige Sedimentgneise , die aber wieder yon
Eruptivgneisen abgelost werden. So konnten z. B. bei Bristen
wieder Eruj)tivgneise yon normal em Typus, allerdings durcli
Gebirgsdruck etwas verandert, gefunden werden. Auch die
Arbeiten am Stausee auf dem Arni lieferten schones Material
yon Eruptiygneisen. Das Erstfelder Tal liegt der Hauptsache
nach in Eruptivgneisen ; auch der Kronte ist aus ihnen auf-
gebaut. Dazwischen liegen die typischen Sedimentgneise des
Grau, die deutlich Beeinflussung durcli eruptives Material zeigen.
Am SustenpaB fanden sich die beschriebenen Kalksilikatlagen
in Sedimentgneis; das Ganze schwimmt als riesige Scholle im
Eruptiygneis. Hier wird es uns auch klar, daB es in erster
Linie der Eruptiygneis selber war, der die Sedimente metamor-
phosierte und je nach der chemischen Zusammensetzuug des
vorgefundenen Materials Sedimentgneise oder Kalksilikatfelse
daraus erzeugte.
Diese Beobachtungen stimmen mit den Verhaltnissen des
Schwarzwaldes iiberein und lassen esals das gegebene erscheinen,
die angefiihrten Anschauungen iiber die Entstehung des Schwarz-
walder Gneismassiys auch auf die Erstfelder Gneise zu iiber-
tragen. Nichts spricht dagegen.
Dieselben Ansichten vertritt im allgemeinen Konigsbergek
(Lit. 25). Auch er lafit den Orthogneis eruptiy in eine Sediment-
masse, die „Sericitgneise", eindringen uud konstatiert zwischen
beiden Gesteinen dasselbe Yerhaltuis wie zwischen Schapbach-
und Renchgneis. Ich mochte dabei nur dem widersprechen,
daB der Eruptiygneis in die „Sericitgneise" eingedrungen sei.
Dieser Typus wurde erst durch die tertiare Gebirgsbewegung
geschaffen, wie spater des niiheren ausgefiihrt werden soil. —
Eiir das Alter des Erstfelder Orthogneises mochte Konigsbergek
wie fur die andern Eruptivgneise Mitteleuropas Devon oder
Untercarbon ansetzen. (Eine Begrundung dieser Ansicht findet
sich in Lit. 27.) Eigentlich kann iiber die E. Gn. nur das aus-
249
gesagt werden, daB sie alter als das Carbon des Wendenjochs
sein miissen, in dem sie als Gerolle auftreten. Schwenkel
macht fiir den Schwarzwaldgneis prac ambris ch es Alter
wahrscheinlich. Da die E. Gn. den Gneisen des Schwarzwaldes
gleichzusetzen sind, ware auch fiir sie dieses Alter anzu-
nehmen.
Neuerdings (1911) erschien nun von W. Staub eine Be-
schreibung der Erstfelder Gneise, die zu einer ganz andern
Auffassung des Komplexes kommt (Lit. 44). Auch Staub kon-
statiert zunachst zweifellose Sedimentgneise, legt nun aber be-
sonderen Wert auf die granitischen und aplitischen Gesteine
der Umgegend von Erstfeld und schreibt ihnen, bezw. dem
Magma, dem sie entstammen, die Bildung von „Mischgneisen
(Injektions- und Imbibitionsgneisen)" zu. Er bescbreibt, wie
von Pegmatitgangen aus Adern in das Nebengestein (den Sedi-
mentgneis) eintreten, und versucbt dann nachzuweisen, daB auch
die groBglimmrigen Gneise („Yarietat ahulich dem Schap-
bachgneis") Mischgesteine sind, daB sie durch den Granit, bezw.
Aplit, injizierte Schiefer darstellen. Der „Sedimentgneisu
hatte dazu das Substrat geliefert.
Zunachst diirfte der Beweis, der aus der chemischen Ana-
lyse gefiihrt wird, kaum stichhalten. Der TonerdeiiberschuB
(0,7 Molproz.) ist so gering, daB er nicht als beweisend fiir sedi-
mentare Beimischung angesehen werden kann. Echt granitische
Gesteine konnen noch hoheren TonerdeiiberschuB aufweisen.
DaB fiir ein Eruptivgestein der Gehalt an Eisenoxyden und
Magnesia (d. h. der Biotitgehalt) zu hoch sei, ist nicht zu be-
griinden. Eher konnte aus der Analyse ein Gegenbeweis gefiihrt
werden. Es lieJ3e sich zeigen, daB durch. die Mischung eines
aplitischen Gesteins mit dem Erstfelder Sedimentgneis (vgl.
Analysen Y und VI, Seite 223) kein Gestein von der chemischen
Zusammensetzung des groBglimmrigen Gneises (vgl. Analysen
I und II, Seite 229) entstehen kann; vor allem konnte es keine
derartig konstante Zusammensetzung aufweisen.
Bei der mikroskopischen Beschreibung der betr. Gneise
betont Staub: „Unter dem Mikroskop zeigen alle Diinnschliffe
dieser Mischgesteine einen sehr ahnlichen Habitus." Dies wi-
derspricht aber ihrer Natur; denn Mischgesteine, wie sie von
Staub supponiert werden, miissen stets auBerordentlich wech-
selnde Strukturbilder aufweisen; je nach dem Uberwiegen des
sedimentaren oder des eruptiven Materials werden sich ab-
wechselnd Sediment- und Eruptivstrukturen erkennen lassen,
auBerdem Durchdringungs- und Resorptionsvorgange. Zeigt
250
ein Gestein iiberall denselben konstanten Habitus, so spricht
dies entschieden dagegen, dafl hier ein Mischgestein vorliegt.
TJm die Art und Weise der Entstehung der groB-
glimmrigen E. Gr. zu erklaren, fiihrt Staub folgende Beobach-
tungen an: Der Sedimentgneis enthalt fur gewdhnlich
nur Chlorit statt des Biotites. Wo nun dieser Chlorit mit
einem eruptiven Aderchen in Beriihrung tritt, wird er durch
Biotit ersetzt, der Biotit also regeneriert. Die Glimmerlagen
des grobschuppigen Gneises wiirden dann auf folgende Weise
gebildet: „Das Eindringen der maginatischen Substanz erfolgt
von Gangen aus in paralleler Anordnung lagenweise; die sauren
Adern folgen chloritreichen Schieferungsflachen, welche sie zu
Biotitauskleidungsflachen uniform en. "
Darauf ist zunachst zu erwidern, da£S der Sedimentgneis
uberhaupt keine „cliloritreiclie Schieferungsflachen" aufweist,
langs deren der magrnatischen Substanz das Eindringen so
leicht gefallen ware (vgi. Taf. XX, Fig. 2). Oft ist die Parallel-
textur dieses Gesteins mit bloBem Auge kaum erkennbar. Die
sauren Adern folgen nach meinen Beobachtungen nur in seltenen
Fallen der Paralleltextur des Gesteins ; meist setzen sie vielfach
gekriimmt und gewunden quer durch.
Dann stehen die Ansichten Staubs iiber Chlorit und seine
Regeneration zu Biotit auf sehr schwachen FiiBen. Er schiebt
die Entstehung des in den Erstfelder Sedimentgneisen vorhan-
denen Chlorits in die Zeit vor dem Eindringen des injizierenden
Magmas. Die Biotite des Sedimentgneises (durch welchen
Yorgang uud wann entstand tibrigens dieser „Gneis", den
Staub voraussetzt, und den er cloch vvohl kaum fiir ein
primares Gestein halt, aus dem Sediment?) waren alle chlori-
tisiert, ehe das Magma eindrang. Wo dieses mit den Chloriten
in Beriihrung kam, machte es sie wieder zu Biotiten; wo wir
also jetzt noch Biotit im E. Gn. linden, beweist er das Ein-
dringen von Eruptivmaterial! Das widerspricht den in der
Natur zu beobachtenden Tatsachen auf Schritt und Tritt. Schon
die Angabe, daB der Biotit sich auf die Nachbarschaft der Aderchen
beschranke und sich hier ansammle, stimmt weder mit der
makroskopischen noch mit der mikroskopischen Beobachtung
iiberein. In verschiedenen Dunnschliffen, die ich von derartigen
Aderchen im Sedimentgneis besitze, lieB sich nirgends weder
eine besondere Anhaufung, noch eine frischere Erhaltung der
Biotite gegen das Aderchen hin nachweisen. Das Yorkommen
von Chlorit richtet sich vielmehr nach dem allgemeinen Er-
haltungszustand des betrefFenden Gesteins. — Die ganze Theo-
rie Status fallt mit der Tatsache, daB die groBglimmrigen
251
Gneise, die ja gleichartig injizierte Schiefer darstellen sollen,
die gleichen Chloritisierungserscheinungen aufweisen
wie die Sedimentgneise. Sie sind in beiden Gesteinen in alien
Stadien zu beobachten; yon beiden Gesteinen kanti man aber
auch Stiicke mit frischem, unzersetztem Biotit finden. Dadurch
charakterisiert sich die Chloritisierung als eine nachtrag-
liche gewohnliche Umbildung der dunkeln Glimmer.
Sie geht ungemein rasch vor sicb, was scbon friiher ausgefuhrt
wurde (vgl. Seite 224). DaB die meisten aufgefundenen Gesteine
umgewandelte Biotite entbalten, erklart sich aus den ungiinstigen
Aufschliissen und der Neigung des Gesteins mit seiner seiger
stebenden Paralleltextur zu tiefgreifender Yerwitterung.
Ubrigens sind die feinkornigen Sedimentgneise mit unzer-
setztem Biotit nicbt selten. Sie einfacb als „Imbibitionsgneise"
zu bezeicbnen, geht unter keinen Umstanden an.
Zur Stiitze seiner Tbeorie iiber die Bildung der Erstfelder
Gneise ziebt nun Staub noch Beobachtungen beran iiber die
von Truninger entdeckten Scbolleneinschliisse im Gaste-
rengranit (Kanderfirn). Hier sind im Granit riesige eckige
Schollen (10 — 20 m machtig, bis iiber 100 m Umfang) einge-
schlossen, die in einem Netzwerk von Gangen und Adern ein-
gebettet sind. Truninger scbildert die Verhaltnisse folgender-
maBen (Lit. 49, S. 49):
„Die Injektion dieser Scniefereinschliisse mit aplitischem
Material ist an den Randern der Injektionsgneise oft bis
gegen deren Mitte zu eine so intensive, dafl eine vollstandige
Aufblatterung und Zertriimmerung des ganzen Schieferkomplexes
in einzelne Scbollen stattfand. Die aplitiscben Intrusionen,
soweit es sich nicht um groflere Gange handelt, die richtungslos
das Gestein durchsetzen, erfolgen mit Vorliebe in die Schieferungs-
fugen und verleihen dem Gestein ein gebandertes, durch kno-
tiges Anschwellen der Aplitadern oft augengneisartiges Aus-
sehen."
Staub schreibt (Lit. 44, S. 18): „Die kantigen Schollen,
die von den Gangen und Adern umschlossen und zum Teil
auch durchzogen werden, bestehen aus stark gefalteltem, ge-
bandertem und gestreiftem Biotitgneis vom unzweideutigen
Typus der Erstfelder Gneise."
Es entstanden also hier nach Staub und Truninger durch
aplitische Injektionen in ein Sedimentgestein (die Sediment-
natur wird durch kalkige Einlagerungen bewiesen) Gesteine,
die den grobschuppigen E. Gn. gleichen; damit ware nach Staub
fur die E. Gn. dieselbe Bildung durch Injektion anzunehmen.
252
Dieser SchluB ist jedoch iibereilt, und schon die sorg-
faltigen Beobachtungen Truningers geniigen, um seine Unhalt-
barkeit nachzuweisen. Zunachst konnte es sich beini E. Gn.
nicht um ein derartiges Substrat handeln, wie es hier in den
Schiefern des Kanderfirns vorliegt; Kalkeinlagerungen, die einen
sicheren SchluB auf Yorhandensein sedimentaren Materials ge-
statten wiirden, kommen in ihm nicht yor. DaB lokal durch
den Mechanismus einer Injektion Gesteine entstehen konnen,
die auBerlich dem grobglimmrigen E. Gn. gleichen, soil nicht
bestritten werden. (Jedoch wiirde gewiB schon die mikro-
skopische Untersuchung betrachtliche Unterschiede zutage
fordern.) — Nun findet aber bei den Schollen eine allseitige
Zertriimmerung statt, die randlich am starksten ist. Aplit-
giinge, die yon groBeren wie die Aste yon eineni Baum ab-
zweigen, durchbrechen richtungslos mit scharfer Begrenzung das
sedimentare Nebengestein. Wo dann eine Injektion in die
Schichtfugen erfolgt, entstehen knotige Anschwellungen.
Diesem Yerhalten widerspricht aber in jedem Punkt die
geradezu langweilig einformige Ausbildung des Erstfelder Gneises.
Er ermangelt der aplitischen Zufuhrgange ; die Quarz-Feldspat-
lagen halten bei ihm in gleicher Breite so lange aus, als man
sie iiberhaupt Yerfolgen kann; Queraste Yon Lagergangen, wie
sie bei der Injektion in derartig diinnen Lagen Yorkommen
mufiten, sind nicht Yorhanden ; knotige Anschwellungen fehl en. —
Kurz, gegeniiber der Vielgestaltigkeit der injizierten Schollen
Truningers, die in der Mitte sogar noch Schieferhornfelse zeigen
(also noch nicht einmal zur Yollstandigen Yergneisung gelangt
sind), herrscht im E. Gn. grofite Einheitlichkeit.
Yollends weist nun aber die sog. „ Inj ektionszone " Staubs
und Truningers keine Spur yon Ahnlichkeit mit den Erstfelder
rInjektionsgneisen" auf, wie man nach der Bezeichnung doch
yermuten sollte.
„Aplite treten fastganz zuriick; nur als ganz feine Adern ini-
pragnieren sie das Gestein mit aplitischem Material. Um so
zahlreicher durchbrechen dunkler gefarbte dioritische Gange
diese Zone." „Die Injektionsgneise dieser Zone zeigen oft
rasch wechselnden Habitus; im allgemeinen sind es feinkornige,
oft hornfelsartig dichte, chlorit- (biotit-) reiche Schiefer."
(Lit. 49, S. 51.).
Diese Gesteine gleichen aber in gar keiner Weise
den E. Gn.
Der Begriff „Injektion" wird hier im Sinne einer unregel-
maBigen Durchdringung eines Sediments mit Eruptiymaterial
gebraucht, wahrend Staub fiir die E. Gn. Injektion als das
253
„Eindringen von Magma yorwiegend in parallelen Lagen auf
Schichtfugen " definiert. (Lit. 44, S. 9, Anm. 1.).
Die einzigen Gesteine aus dem von Truninger beschriebenen
Gebiet, die dem E. Gn. etwas gleichen, finden sich also lokal
in abgelosten, von Eruptivmaterial durchschossenen Schiefer-
paketen der „Assimilationszone." Derartige lokale Injektionen
sind auch von anderwarts schon beschrieben (vgl. Erl. zu Bl.
Hornberg und Schiltach, S. 30, 31; 1897). Von solchen lokalen
Mischzonen aus auf die Genese eines groBen Gneismassivs zu
schlieBen, ist ein Ding der Unnioglichkeit. Vielmehr geht aus
den Ausfiihrungen Truningers klar hervor, daB es dem
Gaster engranit in keiner Weise gelang, aus den vor-
gefundenen Sedimenten Gneise zu erzeugen, die in
konstanter Ausbildung aus einem regelmafiig lagenformigen
"Wechsel von grobschuppigem Biotit einerseits und einem Ge-
menge von Feldspat und Quarz andererseits bestehen;
Der schematische Aufbau: „Assimilationszone, Injektions-
zone" fur die Erscheinungen am Kanderfirn ist geeignet, irr-
ttimliche Yorstellungen zu erwecken, die dann zu bedenklichen
Konsequenzen fiihren, wenn man diese lokalen Verbands-
verhaltnisse dazu verwendet, um die Entstehung machtiger
Gneismassive zu erklaren. Dazu kommt noch die erst recht
hypothetische Imbibitionszone Staubs, die auf einer irrigen
Interpretation ganz gewohnlicher Yerwitterungsvorgange be-
ruht1).
Auch die glatte Ubertragung der In j ektionshyp o-
these auf dieselben Gneise des S chwarz walds muB
zuriickgewiesen werden. Staub sagt: „Ich mocbte nur er-
wahnen, dafi die Annahme eines getrennten Injektionsherdes
fiir den Schwarzwald und fiir die nordliche Gneiszone wahr-
scheinlicher erscheint." (Lit. 44, S. 21.) Schwenkel (Lit. 43)
weist in Ubereinstimmung mit der schon friiher von A. Sauer
ausgesprochenen Auffassung an der Hand zahlreicher sorg-
faltiger Beobachtungen ausfiihrlich nach, daB die Schapbach-
gneise keine injizierten Schiefer darstellen. Der Granit schlieBt
dort Schollen dieser Gneise ein; sie konnen demnach nicht
unter Mitwirkung des Granits entstanden sein.
Dasselbe gilt fur das Yerhaltnis der E. Gn. zum Innert-
kirchener Granit (=Gasterengranit), dem Staub die Injektion
l) Die Berufung* Staubs (Lit. 44, S. 16) auf Konigsbergeb, der zu
einem „ahulichen Resaltat" gekommen sei, ist nicht statthaft. Konigs-
berger erklart den grobschuppigen Erstfelder Gneis fiir einen echten
Orthogneis, der vermutlich die obere Randfacies eines Granits darstelle,
Staub dasselbe Gestein fiir einen injizierten Schiefer.
254
zuscnreiben mocbte. Es gelang mir, im Gadmental oberhalb
Obermatt einen Block aufzufinden, der beide Gesteine Yereint
aufweist. Der Block besteht zur einen Halfte aus Innert-
kircbener Granit, zur anderen Halfte aus groBglimmrigem E. Gn.
Der Gneis wird yom Granit eingeschlossen, ist also alter als
dieser. Letzterer bildet gegen den Gneis die charakteristiscbe
pegmatitiscbe Randfacies aus, wie sie besonders bei den
Scholleneinscbliissen der auBeren Urweid in scboner Entwick-
lung zu beobacbten ist. In ibr fanden sicb scbone Turmalin-
aggregate. Der Gneis wird Yon der Randfacies des Granits
quer abgeschnitten, obne daB aucb nur die Spur eines Ein-
dringens Yon Magma in den Gneis zu bemerken ware. Der
Granit traf also den grobscbuppigen E. Gn. bereits so
an, wie er uns beute noch Yorliegt.
Damit diirfte zur Geniige die Unbaltbarkeit der Injektions-
theorie fur die E. Gn. nachgewiesen sein. Dabei will icb nicht
in Abrede stellen, daB eine lokale Beeinnussung Yon Sediment-
gneisen durcb eruptives Material stattfindet und dadurcb Ge-
steine entsteben konnen, die man als Miscbgneise zu bezeicbnen
bat. Derartige Miscbgneise stimmen aber durcbaus nicbt mit
den normalen E. Gn. uberein, ja sie weicben in alien wesent-
licben Merkmalen, wie gezeigt worden ist, Yon diesen ab.
Eolglicb ist es unzulassig, die grobschuppigen Erstfelder Gneise
als Injektions- oder Miscbgneise zu bezeicbnen.
V. Die Zone der Sericitgneise und ihre Beziehungen zu den
Erstfelder Gneisen.
Im Siiden scblieBt sicb an die E. Gn. eine Gesteinszone
an, die bis zum zentralen Granit reicbt und als Zone der
S ericitgneise bezw. -scbiefer bezeicbnet wird. Damit ist
nur der auBere Habitus dieser Gesteine cbarakterisiert. Sicber
stecken aber ganz Yerscbiedene Gesteinstypen in dieser Zone,
worauf schon Schmidt (Lit. 40) und Heim (Lit. 19) binwiesen.
Es diirfte iiberaus scbwierig sein, fiir alle diese Sericitscbiefer
und -gneise das ursprunglicbe Gestein zu ermitteln. Durcb
einen einbeitlicben Yorgang baben sie alle dasselbe Geprage
erbalten: durch den tertiaren Gebirgsdruck.
Uberzeugend laBt sich dies an den Porpbyren dieser Zone
beweisen. Schmidt stellte zuerst fest, daB die Sericitscbiefer
der sog. „Alpgnofer Platten", die \on Heim (Lit. 18) unter
den Sammelbegriff „Yerrucano" gestellt worden waren, in
Wirklicbkeit niclits anderes sind als gepreBte Quarz-
porpbyre. Sie erwiesen sicb als identiscb mit dem Wind-
255
gallenporphyr, der an Stellen, wo der Druck gering war (z. B.
im Gewolbekern der Windgallenfalte), als solcher noch erhalten
blieb, dagegen an Stellen starken Gebirgsdrucks zum Sericit-
schiefer verarbeitet wurde. Auf den Porphyren der YVindgalle
liegen carbonische Schiefer, die petrographisch den Schichten
des Ochsenstockli (ob. Westphalien nach Escher und Zeiller,
Lit. 13) entsprechen. Dies ist auch bei den Porphyren des
Bristenstocks der Fall, die deshalb dem Windgallenporphyr
gleichgesetzt werden miissen, trotzdem sie centralmassivisch
gestellt sind, also erne Yollstandig andere Lagerung einnehmen.
Doch wies Schmidt auch schon auf die groBe petrographische
Ahnlichkeit dieser Gesteine mit dem Windgallenporphyr hin.
Ihr Alter ist mit grofler Wahrscheinlichkeit als obercarbonisch
anzunehmen (vgl. S. 292).
Es ist ein Yerdienst Koxigsbergers, diese Porphyre karto-
graphiscli ausgeschieden und ihre Yerbreitung verfolgt zu haben
(Lit. 25, sowie Karte des ostlichen Aarmassivs). Yor allem ist
der Nachweis von Bedeutung, dai3 diese Porphyre sowohl
die Lnterlage des Carbons vom Bristenstock als auch
des Jura von Farnigen bilden. Sie sind also beim ter-
tiaren Zusammenschub in das Centralmassiv einbezogen worden
und haben bei diesem Yorgang ihre TJmwandlung zu Sericit-
schiefern erlitten. Damit ist aber auch festgestellt, daB die
iibrigen Gesteine gleichfalls durch die gebirgsbildenden Yor-
gange mit ihren Begleiterscheinungen die Umpraguug zu Sericit-
gneisen erfuhren. Es ist also nicht ganz richtig, wenn Konigs-
berger den Erstfelder Orthogneis in die „Sericitgneisew ein-
dringen laBt. Er drang in Gesteine ein, die jetzt zum Teil
als Sericitgueise vorliegen, es aber damals noch nicht waren.
Aufierdem stecken ja in den Sericitgneisen Gesteine, die sicher
jiinger sind als der Orthogneis (die Porphyre).
Den besten AufschluS in der Zone der Sericitgneise gibt seit
1911 die neuerbaute StraBe yon Amsteg nach Bristen.
Es sind dunkle Gesteine mit zahllosen Putschflachen. Die
Handstiicke brechen leicht nach Flachen, die you glanzenden
Sericithauten iiberzogen sind. Yielfach ist der normale Erst-
felder Sediment gneis in dem Gestein noch gut zu erkennen.
U. d. M. zeigen sich die Glimmer des Gesteins yollstandig
■chloritisiert; Quarze und Feldspate weisen Zerbrechungs-
erscheinuugen auf; das Ganze ist Yon Sericit in parallelen
Flasern and Strahnen durchzogen. Die Biotite sind meist in
dieser Richtung auseinandergeschoben und in die Lange gezerrt.
Sonst ist das Strukturbild das der Erstfelder Sedimentgneise.
Ebenso lassen sich geprefite Eruptiygneise an der
256
Bristener Strafie zum Teil noch als solche erkennen. Makro
skopisch fallen diese Gesteine durch ihre Sonderung in Glimmer-
lagen mit grofien Biotitkrystallen und Quarz-Feldspatlagen auf.
Ein noch recht typischer Eruptivgneis konnte bei Bristen am
"Weg nach Frenschenberg gefunden werden. U. d. M. zeigt sich
das normale Strukturbild dieser Gneise mit dem TJnterschiedr
dafi starke Zerbrechungen von Quarz und Feldspat zu be-
obachten sind. Hand in Hand damit gehen sekundare Um-
setzungen. Besonders bemerkenswert ist die weitgehende
Umwandlung des Biotits in Epidotmineralien (Epidot und
Zoisit).
Die Gotthardstrafi e zeigt in ihren Aufschliissen ober-
halb Amsteg gleichfalls veranderte E. Gn. Zunachst (oberhalb
der Briicke) finden sich hier typische Sedimentgneise mit
weifien Eruptivaderchen. U. d. M. zeigen sich die Biotite voll-
kommen frisch; gegeniiber andern Sedimentgneisen fallen
hochstens die stark undulosen Quarze auf. Wenige Schritte
davon steht ein Gestein an, dafi sich u. d. M. als durch und
durch sericitisiert erweist. Die Biotite sind in chloritische und
muscovitische Substanzen umgewandelt und in der Schieferungs-
richtung auseinandergezerrt. Feldspate liefern das Material zu
den das ganze Gestein durchnasernden Sericitziigen.
Dieser haufige Wechsel, der ja fiir Gebiete mit starken
Wirkuugen des Gebirgsdrucks nicht ungewohnlich ist, zeigt sich
auch im weiteren Verlauf des Profils.
Weiter aufwarts treten Gesteine auf, die wohl auf Eruptiv-
gneis zuriickzufuhren sind. Doch ist oft die Entscheidung nur
schwer zu treffen, denn die mechanische Zertriimmerung schafft
in den Gesteinen yollstandig neue Strukturen. Im allgemeinen
gewinnt man den Eindruck, dafi alle Gesteine der Sericit-
schieferzone nordlich des Porphyrzugs auf E. Gn. beider Typen
sich zuriickfiihren lassen. Auch Gesteine aus dem Maiental
und Gorezmettlental bestatigen diese Ansicht.
Diese yerschiedenen Gneise reichen an der Gotthardstrafie
ungefahr bis zum Schwandental, wo merkAYiirdige, stark ver-
witterte und ungemein diinnschiefernde Sericitschiefer anstehem
Die mikroskojDische Untersuchung schliefit es yollstandig aus,
dafi diese Gesteine geprefite Porphyre darstellen, als welche sie
Staub auf seiner Karte bezeichnet: es ist im Diinnschliff keine
Spur einer Porphyrgrundmasse zu sehen; dagegen macht sich
ein grofier Biotitreichtum bemerkbar. (Umgekehrt erkennt
Staub die erst 100 m weiter oben beim Eisenbahntibergang die
Strafie kreuzenden Porphyre nicht als solche und kartiert sie
als „stark geprefite Sericitschiefer und schwarze Tonschiefer".
257
Die Karte von Konigsberger gibt an dieser Stelle die Yer-
haltnisse richtig wieder.)
Bei Gelegenheit der Herstellung eines StraBeniiber-
gangs iiber die Gotthar db ahn (ca. 100m oberhalb der
Briicke iiber das Schwandental) wurden nun schone Aufschiiisse
in einem Gestein geschaffen, das sich als Porphyr zu er-
kennen gibt. Hier quert also der Porphyrzug Bristenstock —
Farnigen das ReuBtal. Der Porphyr ist zum Teil stark ge-
schiefert, oft fast papierdiinn, mit sericitischen Hauten auf den
S chief erungsflachen. Deutlich heben sich indessen noch, be-
sonders in weniger gepreBten Partien, Einsprenglinge yon
Quarz und Feldspat aus der Grundmasse heraus. Merkwiirdiger-
weise haben sich neben vollstandig geschiefertem und gepreBtem
Gestein Stellen erhalten, die vom Druck ziemlich yerschont
blieben. Es ist dies eine Erscheinung, die auch anderwarts
bei dynamometamorphen Einwirkungen beobachtet wird und
die geeignet ist, die Wiedererkennnung der Gesteine zu er-
leichtern. Spalten mit sekundaren Mineralien (Quarz und
Chlorit) deuten auf regen Losungsumsatz nach der Schieferung,
Das mikro skopisch e Bild eines gepreBten Porphyrs
ist ungefahr folgendes : In der sehr feinkrystallinen Grundmasse
ziehen sich breite Bahnen und Strahnen yon Sericit hindurch.
An Einsprenglingen sind Quarz und saurer Plagioklas zu be-
obachten. Neben der eigentlichen Grundmasse kommt Doch
sogenannte „unechte Grundmasse"1) vor: in der eigentlichen
Grundmasse treten oft linsenformige Partien yon Quarz mit
mittelgrofiem Korn auf, die sich deutlich abheben und ohne
Zweifel yon zerpreBten grofieren Quarzeinsprenglingen her-
riihren. — Dasselbe Bild bieten die demselben Zug angehorenden
Porphyre des Bristenstocks.
Auf die Porphyre folgen nun im Profil der GotthardstraBe
wieder Sericitgesteine, die jedenfalls yon Gneisen abzuleiten
sind. Noch bei der Kapelle yon Gurtnellen konute ich Gneise
auffinden, die den Erstfelder Sedimentgneisen iiberraschend
glichen.
Diese Gesteine werden ca. 800 m oberhalb der Briicke
iiber den Fellitobel vom zentralen Granit (Aaregranit) ab-
gelost2). Etwa 150 m unterhalb der Granitgrenze steht etwas
:) Vgl. Ruetschi; Beitrage zur Kenntnis des Rofnagesteins (Lit. 34).
2) Die Grenze des zentralen Granits gegen die Zone der Sericitgneise
ist auf der Karte von Konigsberger unrichtig eingezeichnet. Der Zentral-
granit tritt erst ca. 800 m oberhalb der Briicke iiber den Fellitobel an
die StraBe; diese ganze Strecke zahlt also noch zar Sericitgneiszone.
Hier muB ich der Darstellung von Staub zustimmen, der auch gegen
Gurtnellen hin nach meinen Beobachtungen die Grenze richtig angibt.
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 17
258
versteckt hinter Banmen ein porphyrisches Gestein an, das
ohne Zweifel die Yon Konigsberger beschriebene por-
phyrische Randfacies des Aaregranits darstellt. Dieser
Porphyr, der sehr helle, fast weiBliche Earbe aufweist, fiihrt
Einsprenglinge von Quarz, Plagioklas und Mikroklin. Daneben
kommen ziemlich zahlreiche dunkelgriine Biotitschuppchen yor.
Diese besondere Varietat des Biotits sowie der Mikroklin sind
Mineralien, die fur den Zentralgranit charakteristisch sind und
nie in den E. Gn. oder den Scgn. gefunden wurden. Sie sprechen
m. E. fur die Abstammung des Porphyrs Yom Zentralgranit.
Von grofiter Bedeutung ware es nun, zu untersuchen, ob
beide Porphyre der Gotthardstrafle vom gleichen Magma ab-
stamrnen. Konigsberger behauptet den Zusammenhang des
Porphyrzugs yom Bristenstock mit dem Zentralgranit am Tschar-
(Lit. 24, S.867). Damit ware bewiesen, daB auch der Zentral-
granit carbonisches Alter besitzt.
Am Aufbau der Sericitgneiszone sind also hauptsachlich
umgewandelte Gneise und Porphyre beteiligt. Da das Besondere
dieser Gesteine in ihrer mechanischen Beeinnussung zu suchen
ist, die ihnen den einheitlichen Charakter als „Sericitgneise
bezw. -schiefer" verlieh, so lafit sicb die von Sauer (Lit. 38)
gebrauchte Bezeichnung einer Quetschzone1) wohl recbtfertigen.
Es ist der pragnante Ausdruck fiir die Tatsache, daB
zwiscben dem Zentralgranit, der nur wenig kataklastische
Pbanomene erkennen lafit, und den Erstfelder Gneisen, die
fast vollstandig frei von Druckerscbeinungen blieben, eine Zone
liegt, in der sich die mechanischen Druckkrafte in groBartiger
Weise ausgelost haben.
B. Der Innertkirchener Granit.
I. Geschichtliches.
Das Gestein von Innertkirchen wurde von Studer in seiner
Geologie der Schweiz (1853) zuni erstenmal in den Kreis wissen-
J) Von Klemm (Lit. 22, IV) ist der Ausdruck ^Quetschzone", wie
ihn Sacer auch fiir analoge Gesteine des Grimselprofils gebraucht,
miBverstanden worden. Er verstand darunter eine Uberschiebungs-
breccie. Dieser Irrtum wurde jedoch inzwischen schon von Escher
(Lit. 13, S. 70) berichtigt. Auch Konigsberger scheint etwas anderes
als Sauer unter der „Quetschzone" zu verstehen, niimlich die Myloniti-
sierung der E. Gn. unter der Sedimentdecke (Lit. 24, S. 859). Eine
„Quetschzoneu im Sinne Rosenucschs, der diese Bezeichnung einfiihrte,
ist eine Zerpressungszone im Gesteinskorper. die sich unter hohem
Druck und daher ohne Losung des Zusammenhangs gebildet hat.
259
schaftlicher Betrachtung gezogen. Er halt es fur identisch
mit dem Granit des Gasterentals und erklart die merkwiirdigeii
Kontaktverhaltnisse mit dem Hochgebirgskalk damit, daB ein
halbweiches, nicht sebr beiBes Granitmagma den Kalk einge-
wickelt habe. Es wtirde nacb ibm also ein primarer Eruptiy-
kontakt zwiscben krystallinem Gestein und Sedimenten yor-
liegen. Ersteres bezeichnet er als „Gneis" oder „unyoll-
kommenen Granit", d. b. er bait es fur ein parallel struiertes
Eruptiygestein.
Weitere Untersucbungen iiber die bocbinteressante Geologie
jener Gegend fiibrte Baltzer aus. Er weist in seinem 1880
erscbienenen glanzenden Werk „Der mecbaniscbe Kontakt yon
Gneis und Kalk im Berner Oberland" (Lit. 1) uberzeugend nacb,
daB es sicb bei den komplizierten Verhaltnissen des Kalkkeils
an der Jungfrau, den Gneiskeilen des Gstelliborns, dem Pfaffen-
kopfkeil usw. nicbt um Eruptiykontakt, sondern um mechaniscbe
Yerfaltung und Yerknetung bandelt. Den „unvollkommenen
Granit" Studers bezeicbnet er als „ Gneis" mit primarer Schich-
tung, zu der oft nocb sekundare Scbieferung binzutrete. Da-
durcb konne u. IT. die eigentlicbe Scbicbtung yollstandig yer-
wiscbt und unkenntlicb gemacbt werden. 1888 gibt dann
Baltzer (Lit. 2) eine genauere petrograpbiscbe Bescbreibung
der Gesteine der „nordlichen Gneiszone" und unterscbeidet bier
zwei Haupttypen yon Gneis: 1. Muscoyit- bezw. Sericitgneis,
2. biotitfiibrende Muscoyit- und Sericitgneise. Die Biotitgneise
halt er fur untergeordnete Massen. Baltzer ist sicb der ITnyoll-
kommenbeit dieser Einteilung wohlbewuBt; er betont die Kom-
pliziertbeit des ganzen Komplexes und erklart sicb fur auBer
stande, irgend etwas iiber die Genese der „Gneise" auszusagen.
Er redet wobl gelegentlicb yon „granitischer Textur" des Innert-
kircbener Gneises, ist aber doch eber geneigt, ibn fur sedimentar
zu balten.
Es gelang nun zuerst Sauer (1893), die eruptiye Natur des
Gesteins durcb die Auffindung fremder Einscbliisse im „ Gneis"
nacbzuweisen. Spater (1900, Lit. 38) fiibrt er aus, daB der
Gneis yon Innertkircben ein ecbt granitiscbes Gestein
darstellt, das jedocb aucb gneisabnlicben Habitus annebmen kann:
durcb Druckscbieferung werden aus dem Granit muscoyit- und
sericitfiibrende Gneise und scblieBlicb griinlicb - graue Schiefer
^rzeugt; auBerdem existieren noch untergeordnet primar parallel
struierte (also gneisabnlicbe) Abanderungen des granitiscben
Gesteins.
Hugi bait (1906, Lit. 20) an der eruptiyen Entstebung des
^nordlicben Gneises" fest, sucbt nun aber im Gegensatz zu
17*
260
Baltzer und Sauer wieder einen eruptiven Kontakt von „Gneis"
und Kalk zu beweisen, ohne daB es ihm recht gelange.
Den „nordlichen Gneis" erklart er fur eine Randzone des Zentral-
granits.
Neuerdings wies nun schlieBlich Truninger (1911, Lit. 48
und 49) nach, daB der Gasterengranit mit dem „ Gneis" von
Innertkirchen identisch sei; er gebraucht von neuem die schon
youSauer angewandteBezeichnung,,Innertkirchener Granit".
II. Yerbreitung des Innertkirchen er Granits.
Der Innertkirchener Granit (I.Gr.) findet sich am besten
gerade bei diesem Ort aufgeschlossen. Besonders die Grimsel-
straBe und die neue Steige ins Urbachtal geben in ihren An-
schnitten gute Gelegenheit, das Gestein zu studieren. In ver-
haltnismaBig schmaler Zone folgt der Granit der wunderschon
aufgeschlossenen Grenze gegen die Sedimente. Er bildet gegen
0 die Sohle des Gadmentals und laBt sich bis zum Wen den -
gletscher verfolgen. Die gtinstigen Schneeverhaltnisse des
Jahres 1911 gaben niir Gelegenheit, den I.Gr. auch noch im
Gebiet des Wendengletschers selbst nachzuweisen. An einer
Stelle, die etwa 3 mm links des W von „Wendenjoch" der
der Siegfriedkarte 1 : 50000, Blatt Wassen, liegt, kamen infolge
starken Eiickgangs des Schnees Felsen heraus, die nach An-
gabe des Fiihrers noch nie sichtbar gewesen waren. Sie zeigten
t)rpischen I.Gr. mit Scholleneinschliissen. AuBerdem konnte ich
Stiicke von I.Gr. in den Gerollen des Firnalpelibachs bei
Herrenriiti im Engelberger Tal feststellen. Der I.Gr. muB also
auch auf der ostlichen Seite des Wendenjochs anstehen. Leider
war es mir infolge schlechter Witterung nicht moglich, das An-
stehende aufzusuchen. Bei Goldboden steht bereits E. Gn. an,
und schon im Grassenbach konnte kein I.Gr. mehr gefunden
werden. Der I.Gr. zieht sich. also unter Titlis und
Wendenjoch in nachster Nahe des Wendenj ochcarbons
durch, um auf der Ostseite noch auf kleiner Flache hervor-
zutreten, dann aber von den E. Gn. abgelost zu werden. Diese
Verhaltnisse sind fur die Deutung des Wendenjochcarbons iiber-
aus wichtig.
Was die Breite der Zone anbetrifft, in der der I.Gr. zu-
tage tritt, so laBt sich deutlich zeigen, daB sie nach 0 zu
schmaler wird. An der GrimselstraBe erscheint sie am breitesten
(ca. 472 km); sie reicht ungefiihr bis „Auf der Weid" (ca.
800 m unterhalb der Bodenbriicke). Im Tal des Triftwassers
befindet man sich bis kurz unterhalb Triftalp im I.Gr. (Breite
ca ol/2 km). Geht man von Gadmen die SustenstraBe aufwarts,
261
so verlaBt man den I.G. nach den oberen Kehren yon Feldmoos.
Gegen das Wendenjoch hin wird die Zone des I.Gr. immer
schmaler; erst im 0 des Wendenjochs verschvvindet er ganz. —
Natiirlich sagen die angefiihrten Zahlen nichts iiber die tat-
sachliche Ausdehnung des I.Gr., der ja nach N zu unter der
Sedimentdecke verschwindet.
Geht man von Innertkirchen aus das landschaftlich wunder-
schone Urbachtal aufwarts, so fiihrt der Weg bis oberhalb
Schrattern durch I.Gr. Am Gstellihorn wurde er hier auf die
bekannte, von Baltzer beschriebene Weise mit dem Sediment-
mantel verknetet. Weiter nach W reichen meine Beobachtungen
nicht. Da Truninger (Lit. 48 und 49) die Identitat yon Gasteren-
granit, „nordlichem Gneis" (von der Jungfrau bis zum Dossen-
horn) und I.Gr. nachwies, so wurde sich also dasselbe Gestein
bis zum Gasterental Yerfolgen lassen, um hier unter den Kalk-
massen des Balmhorns zu verschwinden.
III. Petrographische Beschreibung des Innertkirchener Grauits*
Der I.Gr. stellt in seiner typischen Ausbildungsform ein
graues, mittel- bis feinkorniges granitisches Gestein dar. Als
Gemengteile sind ein schwarzlich- brauner Glimmer, weiBer
Feldspat und fettglanzender Quarz schon makroskopisch
erkennbar. Im allgemeinen herrscht richtungslos kornige
Struktur Yor; hie und da (besonders iu der Nahe von Schollen-
einschliissen) findet sich aber auch eine schwache Paralleltextur
des Gesteins ausgebildet: die sonst regellos orientierten Glimmer-
blattchen ordnen sich in einer bestimmten Bichtung an; Lagen-
bildung findet hierbei nicht statt. Es handelt sich also nur um
eine lokal auftretende primar parallel struierte Facies
des Granits.
Haufiger sind andere Gesteine, die einen sehr charakteri-
stischen blaugriinen Farbenton aufweisen. Die Ursache dieser
Farbung ist ein dunkelgriines, weiches Mineral, das sich als
Pinit zu erkennen gibt. Er tritt oft in sehr betrachtlicher Menge
auf und verleiht dann dem Granit jenes bezeichnende Aussehen.
Hie und da zeigt der Pinit sechsseitige Querschnitte und recht-
eckige, fast quadratische Langsschnitte. Er stellt also eine
Pseudomorphose nach Cordierit dar, der in kurzen sechs-
seitigen Prismen krystallisiert. Durch unregelmafiiges, bald
gehauftes, bald sparliches Auftreten des Pinits erhalten solche
Gesteine ein recht unruhiges Aussehen; manchmal tritt der Pinit
auch zu Anhaufungen zusammen und verursacht groBe dunkel-
griine Flecken in dem grauen GesteiD.
Das reichliche Yorkommen von Pinit als Pseudomorphose
262
nach Cordierit mufl wohl auf die Resorption sedimentaren
Materials zuriickgefuhrt werden. Teuningee stellte dieselbe
Erscheinung am Gasterengranit fest.
Durch reichliche Pyritfiihrung zeichnen sich andere Yarie-
taten des LGr. aus. Ein derartiges G-estein steht z. B. an der
Urbachsteige an. Auch ein Granit mit dunklen, fast schwarzlichen
Feldspaten von der Mauer im Urbachtal ist noch besonders zu
erwahnen.
U. d. M. zeigt sich dem TTntersuchenden das typische Bild
eines granitischen Gesteins mit hypidiomorph korniger
Struktur (vgl. Taf. XX, Abb. 3). Erst jetzt gewahrt man aber
auch die Schwierigkeit, ein mechanisch vollkommen ungestortes
Gestein zu bekommen. Selbst scheinbar unyeranderte Gesteine
zeigen im mikroskopischen Bild doch schon ganz erhebliche
Pressungserscheinungen. Die folgende Beschreibung soil sich
auf ein relatiy unverandertes Gestein beziehen, auf einen Normal-
typus, wie er sich etwa an der Urbachsteige dem Untersuchenden
darbietet.
Der zuerst (nach Zirkon, den Erzen usw.) ausgeschiedene
Gemengteil ist uberall der ziemlich reichlich vorhandene Bio tit.
Er weist manchmal gute Krystallformen auf und besitzt mittlere
Grofie (Durchmesser 1 — 11/2 mm). In frischem Zustand zeigt
er kraftigen Pleochroismus (a = hellgelb, c und b = dunkel
kastanienbraun). Die Kesultate der Analyse sprechen fiir einen
bedeutenden Eisengehalt des Biotits. DaB das Mineral auch
einen betrachtlichen Titangehalt aufweist, beweisen (auBer der
Analyse) seine Zersetzungserscheinungen (s. u.). Sehr haufig
zeigt der Biotit leichte Aufblatterungen und Knickungen, die
auf eine mechanische Beeinflussung des Gesteins hinweisen. Nicht
selten schlieBt der Biotit kurze, gedrungene Saulchen Yon Apatit
als allererste Ausscheidungen ein; um kleine, hoch lichtbrechende
Krystalle, die wohl zumeist Zirkon darstellen, treten pleo-
chroitische Hofe you grofiem Durchmesser und recht be-
trachtlicher Intensitat auf.
Selten ist der Biotit chemisch intakt geblieben; meist zeigt
er deutliche Spuren der Umwandlung. Diese kann sich auf
verschiedene Art und Weise vollziehen. Am haufigsten ist die
Chloritisierung. Bei diesem Yorgang verliert der Biotit seine
tief dunkelbraune Farbe; an ihre Stelle tritt ein Gelbgriin, die
Polarisationsfarben sinken, und allmahlich wird so der Biotit in
hellgriinen, sehr schwach pleochroitischen Chlorit (Pennin) Yer-
wandelt. Bei + Nic. zeigt dieses Mineral die charakteristischen
tintenblauen Interferenzfarben. Meist zehrt die Chloritisierung,
263
allmahlich von auBen nach innen fortschreitend, den Biotit auf;
hie und da ergreift sie auch einzelne besondere Lamellen, auf
denen sie ins Innere yordringt. Bei der Chloritisierung miissen
sich Substanzen ausscheiden, die nicht oder nicht ganz in das
Chloritmolekul eingehen konnen. Es ist dies ein Teil des
Eisenoxyds sowie Titanoxyd. In friihen Stadien der Zersetzung
des Biotits scbeidet sich zunachst das Titandioxyd in Form des
bekannten Sagenitgeweb es aus. Bei weitergehender Zer-
setzung scheint das Sagenitgewebe nicht mehr bestandig zu sein.
Es yerschwindet, und an seine Stelle treten schmutzige Erzaus-
scheidungen. Bei auffallendem Licht zeigen sie fast immer den
charakteristischen weiJ31ichen Glanz und verraten sich dadurch
als Titaneisen mit teilweiser Umwandlung zu Titanit. Die Aus-
scheidungen bleiben meistens auf den ursprunglichen Spaltflachen
des Biotits und lassen so im Chlorit noch yollstandig die friihere
Krystallstruktur des Biotits, eventuelle Deformation en usw. er-
kennen. Es wiirde sich also um regelrechte Pseudomorphosen
yon Chlorit nach Biotit handeln. In seltneren Fallen wandern die
Ausscheidungsprodukte aus dem Krystall aus und sammeln sich
in der Umgebung an. Es entsteht so ein vollstandig homogener
Chlorit, der durch nichts mehr seine Abstammung von Biotit verrat.
AuBer der Chloritisierung yerfallt der Biotit noch der Aus-
bleichung zu mus co vitahnlich er Substanz: der Pleo-
chroismus schwindet, die Eigenfarbe sinkt bis Hellgelb, schliefi-
lich sogar bis zurfarblosen Durchsichtigkeit; bei + Nic. treten die
Interferenzfarben des Muscoyits auf. Oft verbinden sich auch
am gleichen Biotitkrystall die TJmwandlungen zu Chlorit und zu
Muscovit. Seltner ist die Bildung yon Epi dotmineralien
bei der Zersetzung des Biotits.
Dem Biotit folgt in der Reihenfolge der Ausscheidung der
Plagioklas. Haufig lehnt er sich mit einer Krystallflache an
eine bereits ausgebildete Flache des Biotits. Meist zeigt er
ausgezeichnetenldiomorphismus; deutlich sind an vielenSchnitten
die Flachen P, M, x zu erkennen. Mit groBer RegelmaBigkeit
weist der Plagioklas Zwillingsbildung nach dem Albitgesetz auf,
selten tritt zu diesem das Perikliiigesetz hinzu. Bei Benutzung
der Beckeschen Methode zeigt es sich, daB der Plagioklas immer
schwachere Lichtbrechung als Quarz besitzt. Die Ausloschungs-
schiefe ist auf Spaltblattchen nach M ca. -t-3°, auf P im Mittel
+13°. Es liegt also ungefahr Oligoklas- Albit yor. Damit
steht die chemische Analyse des Gesteins in Ubereinstimmung.
Orthoklas, der sich nach dem Plagioklas ausscheidet,
tritt zwar in geringerer Indiyiduenzahl auf als dieser, bildet
264
aber viel groBere Kiystalle aus und wird wohl an absoluter
Quantitat den Plagioklas iiberwiegen. Er zeigt keine Zwillings-
bildung; Mikroklingitterung wurde nie beobachtet. Dagegen
kommen sehr regelmiiBig Mikroperthitbildungen vor; der Ortho-
klas ist oft geradezu durchflochten you hoher lichtbrechenden
Albitschniiren. Recht haufig sind Einschliisse von kleinen Plagio-
klas- und Quarzkornern.
Quarz erweist sich deutlich als letzte Ausscheidung. Er
fiihrt reihenformig angeordnete Einschliisse, die zum Teil als
Fliissigkeitseinschlusse zu erkennen sind. Meist ist schon un-
dulose Ausloschung oder Zerfall in optisch Yerschieden orientierte
Felder eingetreten. Uberall verbreitet sind die schon erwahnten
Einschliisse rundlicher Quarzkorner im Feldspat.
Wahrend sie im Plagioklas noch etwas seltener sind, treten sie
im Orthoklas mit grofler RegelinaBigkeit auf. Es sind rundliche
bis langliche Korner, die in giinstigen Fallen die Form eines
Dihexaeders zeigen.
Wahrend der Plagioklas krystallisiert, beginnt auch schon
die Ausscheidung des Quarzes; kleine Korner dieses Minerals
konnen infolgedessen Yom Plagioklas eingeschlossen werden.
In einem spateren Stadium, wenn die Bildung des Plagioklas
zu Ende ist, der Orthoklas sich aber noch ausscheidet, geht
auch die Krystallisation des Quarzes schon starker Yor sich;
der Orthoklas wird infolgedessen mehr Kornereinschliisse Yon
Quarz aufzuweisen haben als der Plagioklas. Mit Hilfe dieser
Einschliisse laBt sich also gut die Krystallisationsfolge des
Gesteins in ihren einzelnen Phasen feststellen.
AuSer diesen Hauptgemengteilen findet sich als sehr weit
Yerbreiteter Nebengemengteil der Pinit. LT. d. M. zeigt sich,
daB wohl kaum je etwas Yon der urspriinglichen Cordieritsub-
stanz iibrig blieb. Einschliisse YOn stark zersetztem Biotit im
Pinit sind haufig. Bei + Nic. laBt sich erkennen, dafl das
Mineral ein feinfilziges Aggregat allerkieinster, gleich orientierter
Muscovitschiippchen darstellt. Hie und da treten an ihre Stelle
grobblattrige Aggregate, die dann (nach Gakeiss) eher als
Gigantolith zu bezeichnen waren.
Wo Pinit Yorkommt, und nur in diesen Gesteinen, stellt
sich meist auch Graphit ein. Es sind kleine schwarze, in-
tensiv gliinzende Blattchen und Faserchen mit den eigentlimlich
zerfaserten Umrissen. Das Auftreten mit Pinit zusammen
erklart sich ungezwungen daraus, daB beide Mineralieu auf
eine Resorption sedimentaren Materials durch den Granit zu-
riickzufiihren sind.
Ein seltner Gemengteil ist der Turmalin. Interessant
265
sind die verschiedenen FarbeD eines Krystalls in einem Gestein
von der Urbachsteige. Die eine Halfte des Turmalins erwies
sich als braun (a = hellgelbbraun, c = dunkler braun), die andere
Halfte als blau (a = lichtblau, fast farblos, c = hellblau). Triibe
Mischfarben bilden einen kontinuierlichen TJbergang yon braun
zu blau.
Als untergeordnete Gemengteile waren Apatit, Zirkon und
Erze zu erwahnen.
Apatit findet sich meist als EinschluB im Biotit. Er
bildet kurze, gedrungene Siiulchen yon durchschnittlich 0,3 mm
Lange; es kommen jedoch auch groBe Apatite von 1 mm Lange
und 0,5 mm Durchmesser vor. Zirkon (Monacit und Xenotim?)
tritt in scharf begrenzten Prismen im Biotit auf und erzeugt
hier die pleochroitischen Hofe. Erzausscheidungen im I.Gr.
sind selten. Es kann eigentlich nur Pyrit festgestellt werden;
er ist unregelmaBig Yerbreitet, kann aber dort, yvo er auftritt
(z. B. an einer Stelle der Urbachsteige) recht haufig sein. Hie
und da laBt sich im Schliff beobachten, wie der Pyrit allmahlich
von Eisenoxyd ersetzt wird; es bilden sich schone Pseudo-
morphosen you blutrotem Hamatit nach Pyrit.
Die mikroskopische Untersuchung ergibt also mit Yoller
GewiBheit, daJ3 der „Gneis" Yon Innertkirchen in Wirklichkeit
ein typischerGranitit mit normaler Ausscheidungsfolge
ist (vgl. Taf. XX, Fig. 3).
Dadurch unterscheidet sich das Gestein scharf
Yom Erstfelder Eruptivgneis, der infolge ausgepragter
Lagentextur keine reine Eruptivstruktur erkennen laflt. DaB
es zwei verschiedene Gesteine sind, beweist schon zur Geniige
die Tatsache, daB der I.Gr. den Erstfelder Eruptivgneis ein-
schlieBen kann (vgl. S. 254).
Ebensowenig hat der I.Gr. mit dem Zentralgranit, dem
„Protogin", etwas zu tun. Mineralogisch charakterisiert den
I.Gr. das Fehlen von Mikroklin und Epidot1), dieser im Zen-
tralgranit so haufigen Mineralien. Sehr bezeichnend und kon-
stant ist der Unterschied in der Farbe der Biotite: Wahrend
der I.Gr. kastanienbraunen Biotit fuhrt, besaBen alle von mir
untersuchten Diinnschliffe von Zentralgranit einen dunkelbraun-
griinen Glimmer. Pleochroitische Hofe um Zirkoneinschltisse
scheinen im Zentralgranit zu fehlen oder viel schwacher zu sein.
Strukturell ist der Gegensatz beider Gesteine noch groBer. Es
]) Nur ganz untergeordnet wurde Epidot als Zersetzungsprodukt
des Biotits sowie als sekundares Spaltenmineral beobachtet.
266
fehlen dem I.Gr. jene Eigentiimlichkeiten des Zentralgranits,
die jetzt fast ubereinstimmend yon den meisten Petro graph en
als das Resultat einer „Protoklase" (bezw. „Piezokrystallisation")
gedeutet werden (Becke, Klemm, Salomon, Sauer, Weinschenk,
Weber). Ersterer ist miter vollstandig normalen Bedingungen
erstarrt, letzterer unter anormalen, wie sie jedenfalls durcb
einen gebirgsbildenden Yorgang geschaffen wurden. Geologisch
lafit sicb nirgends ein Zusammenhang von I.Gr. mit dem Zen-
tralgranit nachweisen; die Annahme, der I.Gr. sei eine Randzone
des Zentralgranits (Hugi, Lit. 20, S. 450), kann also in keiner
Weise als erwiesen betrachtet werden.
Dagegen ist nun hocbst wahrscheinlich der G aster engranit
mit dem von Innertkircben identisch, worauf zuerst Truninger
binwies (Lit. 48 und 49). Eine Reihe cbarakteristiscber Eigen-
tiimlichkeiten, die beiden Gesteinen gemeinsam sind, beweisen
dies: Pinitfiibrung, Einscbliisse yon Scbollengesteinen abnlicher
Bescbaffenbeit, gleicbe ungestorte Erstarrungsstruktur, gieicbe
mineraliscbe und cbemiscbe Zusammensetzung. Es darf desbalb
wobl vorgescblagen werden, diese Gesteine am Nordrand des
Aarmassivs unter der Bezeicbnung „nordlicher Granit" zu-
sammenzufassen.
Sucben wir auBerbalb der Alpen nacb einem Gestein, das
sicb dem „nordlichen Granit" Yergleicben lieBe, so finden wir
als nacbstliegendes Yergleichsobjekt die Granite des Scbwarz-
w aides. DaB bier Zusammenhange besteben miissen, spricbt
scbon Schmidt 1893 aus (Lit. 14, S. 48). Er scbreibt: „Yor
der letzten Hebung der Alpen und dem Versinken des Yor-
landes lag am Nordrand des sicb bebenden Gebirges ein von
der mesozoiscben Sedimentdecke teilweise entbloBtes Grundge-
birge, die Yerbinduug von den Alpen zum Scbwarzwald dar-
stellend. Der Granit von Gasteren ware also als sudlicher,
stebengebliebener Teil dieser jungpalaozoiscben Granitmasse zu
denken." DaB der Gasterengranit (bezw. der nordlicbe Granit
iiberhaupt) „eugranitische Struktur" besitzt, die ibn „scbarf
von den Protoginen trennt" , erklart sicb Schmidt so, daB er
jiinger sei als der Protogin und erst nacb der postcarboniscben
Faltung aufgedrungen; desbalb sei er von dieser nicbt mebr
deformiert worden. Diese Ansicbt wird sicb beute kaum mebr
halten lassen. Von groBer Bedeutung ist es jedoch, daB also
auch Schmidt auf Grund der Strukturen nordlicben Granit
und Zentralgranit voneinander scbeidet und so dazu
kommt, den nordlicben Granit mit den Graniten des
Schwarzwaldes zusamenzustellen.
267
Die chemische Zusammensetzung der in Frage ste-
henden Gesteine ist geeignet, obige Ausfiihrungen zu stiitzen.
Analyse I: Innertkirchener Granit, Urbachsteige. Analytiker:
Verfasser.
Analyse II: Gasterengranit (zitiert nach Fellenberg, Lit 14).
Analyse III: Pinitfiihrender Granitit von Durbach (Schwarz-
wald) (zitiert nach Sauer, Lit. 37) Analytiker: Sauer.
/
/ ® ®>\
/ 3
/ 1
<f IF \
/ yI
Fig. 6.
Gewichtsprozente.
I
II
III
Si02
66,70
67,87
67,70
TiOa
0,81
16,62
0,50
A1203
15,96
16,08
Fe303
FeO
2,45
2,36
1,651
3,02/
5,26
CaO
1,89
1,73
1,65
MgO
0,89
1,40
0,95
K20
..' 4,40
4,26
5,78
Na20
• . 2,98
3,72
3,22
...... 2,14
0,80
100,24
100,41
101,14
268
Molekularprozente.
I II III
SiO. + TiOo 74,83 74,25 74,42
A1.A 10,87 10,34 10,34
Feb , 4.22 4,15 4,31
CaO 2,26 2,03 1,94
MgO 1,48 2,28 1,55
K20 3,12 2,98 4,03
Na20 3,22 3,97 3,41
Proj ektionswerte nach Osann-Becke.
I II III
'. . . 74,83 74,25 74,42
a 8,9 9,0 9,7
c' 3,1 2,6 2,6
f 8,0 8,4 7,7
n 5,08 5,7 4,6
+ AL03 auf a + c' + f = 20 umgerechnet 3,2 1,78 1,3
Die XJbereinstimmung der chemischen Zusammensetzung
aller drei Gesteine fallt ohne weiteres in die Augen. Es sind
normale Granitite mit yorwiegendem Alkalifeldspat, ungefahr
Typus Katzenfels (Osann, Tsch. M. u. p. M. Bd. 19, 1900).
(Typenformel: s74 a8-5 c3)5 f8.)
Auffallend ist der T onerdeiib ers chui3, der besonders im
I.Gr. erne bedeutende Hohe erreicht. Er ist jedenfalls durch
die Resorption sedimentaren Materials yerursacht.
IT. Scholleneinschliisse im Iunertkirchener Granit.
Als das Gestein von Innertkirchen noch fiir einen sedimen-
taren Gneis gehalten wurde, da lieferten die yon Satjer 1893
entdeckten Scholleneinschliisse zum erstenmal den sicheren
Beweis, daB man es mit einem eruptiyen Gestein zu tun habe.
Derartige Einschlusse, die zuerst bei der Kirche yon Innert-
kirchen sowie an def GrimselstraBe gefunden wurden, stellen
eine im I.Gr. sehr weit yerbreitete, regelmaBige Erschei-
nung dar; alle besseren Aufschliisse weisen sie auf. Am
schonsten und lehrreichsten ist immer noch die iiberhangende
StraBenwand bei der Aui3eren Urweid; schone Schollenein-
schliisse zeigen auch die Urbachsteige, der neuere Anschnitt
der GadmenstraBe bei Hopflauenen und besonders die glazial
geschliffene Eelsoberflache am Aufstieg zum Wendengletscher.
Yon den kleineren Schollen unterscheiden sich die be-
kannten Marmoreinlagerungen im I.Gr. durch groBere Di-
mensionen. Jedoch liiBt sich auch fiir sie die Schollennatur
nachweisen. Wenn sie die groBten Brocken fremden Materials
im I.Gr. darstellen, so ist die Pinitfiihrung das letzte Anzeichen
269
dafiir, daB hier der Granit andere Gesteine in sich aufgenomnien
hat. In diesem Falle ware dann vollstandige Assimilation ein-
getreten. Bezeichnender Weise scheint die Pinitfiihrung in der
Nahe von deutlichen Scholleneinschlussen am starksten zu sein.
Den instruktivsten Einblick in diese Einschliefiungsvorgange
gewahrt die StraBenwand an der AuBeren TJrweid. Wir
sehen hier groBe, bis 2 m messende Gesteinsbrocken von Gra-
nit umhiillt. Dieser nimmt gegen die Schollen hin gewohnlich
eine andere Beschaffenheit an : Er umsaumt sie in saurer, grob-
krystalliner, glimmerarmer bis -freier Ausbildung. Hie und da
findet sich noch etwas Turmalin in dieser Zone, die als peg-
matitische Randfacies des Granits bezeichnet werden kann.
Die groBen Feldspate weisen meist graue bis schwarzliche
Farbung auf. .U. d. M. zeigt sich, daB sich in der Hauptsache
nur saurer Plagioklas (Oligoklasalbit) in schon idiomorphen
Krystallen und Quarz als Ausfiillungsmasse an der Zusammen-
setzung beteiligen. Biotit kommt untergeordnet in kleineu
Blattchen vor.
In weiterer Entfernung von den Schollen zeigt der Granit
hie und da noch sehr ungleichkornige Ausbildung, vor allem
grofie idiomorphe Feldspate, die dem Gestein granitpor-
phyrischen Habitus verleihen.
AuBerdem laBt sich noch oft eine Par allelordnun g der
Glimmer nachweisen. Die Orientierung der Glimmerblattchen
geht parallel zu den Grenzen der Scholle; es liegt also soge-
nannte „umlaufende Paralleltextur " vor. Eigentliche La-
genbildung findet nicht statt. Diese primare Paralleltextur ist
wohl am besten durch FlieBbewegungen zu erklaren, die das
Magma um die Schollen herum ausfiihren muBte.
Alles in allem weist der Granit am Schollenkontakt
auBerst unruhige B e sch a ff enheit in chemischer und struk-
tureller Beziehung auf.
Die Schollen zeigen in der Begrenzung noch sehr gut
ihre Natur als Bruchstiicke eines durch magmatische Intru-
sion zertrummerten Gesteinskomplexes. Die Grenzen gegen
das umhiillende Magma sind nicht immer ganz scharf und be-
stimmt; nicht selten findet randliche Resorption und YerfloBung
von Bestandteilen der Schollen in den Granit statt. Haufig
dringt der Granit auch in die Scholle ein und durchadert sie.
Dieses Eindringen folgt zum Teil den Schichtflachen und kann
sogar eine leichte Aufblatterung derselben erzeugen; ebenso
haufig setzen aber die feinen ap litis ch en Aderchen auch quer
durch. Im ganzen scheinen die Yerhaltnisse an der AuBeren
Urweid denen am Absturz des Kanderfirns (Truninger, Lit. 49}
270
recht ahnlich zu sein, nur daB dort noch groBere und besser zu-
sammenhangende Schieferkomplexe im Granit schwimmend ge-
funden werden.
Uber die urspriingliche Natur der eingeschlossenen
Gesteine ist bei deren hochmetamorpher Natur nur sehr
schwer etwas auszusagen. Mit Sicherheit sind einige Gesteine
des Erstfelder Gneismassivs wiederzukennen. Schon fruher
(S. 254) ist erwahnt worden, daB an einem Block bei Obermatt
die EinschlieBung yon Erstfelder Eruptivgneis durch I.Gr. be-
obachtet wurde. Die Schollengesteine im Gebiet des Wenden-
gletschers zeigen den typischen feinkornigen Erstfelder Sedi-
mentgneis. Die mikroskopische Untersuchung laBt unverandert
Mineralbestand und Struktur jener Gesteine (vgl. Taf. XX, Fig. 2)
erkennen. Hier muB also der I.Gr. in die E. Gn. eingedrun-
gen sein.
Weiter nach W zu sind es andere Gesteine, die der Ein-
scblieBung durch deD I.Gr. unterlagen. Es sind Sedimente,
die erst bei der Einschmelzung ihre metamorphe Beschaffenheit
angenommen haben. Es ist im folgenden keine systematisch-
petrographische Beschreibung dieser Einschlusse beabsichtigt,
diese Arbeit ist bereits Yon Herrn Hugi begonnen worden
(vgl. Lit. 20); es sollen nur einzelne interessante Typen
herausgehoben werden.
Nicht selten zeigen die Schollen eine deutliche Differen-
zierung in Lagen, die sich durch Yerschiedene Farben Yon-
einander unterscheiden. Braune Lagen mit Biotit, griinliche
mit Augit, rote mit Granat und schwarzliche mit Hornblende
konnen miteinander abwechseln. Sie bringen die lagenweise
wechselnde chemische Zusammensetzung des eingeschlossenen
Gesteins zur Erscheinung.
Ziemlich haufig sind an der AuBeren Urweid Gesteine, die
sich durch einen ungewohnlichen Reichtum an Granat und
Biotit auszeichnen. Diese Granatfelse zeigen u. d. M. Quarz,
Feldspat und sehr Yiel Biotit. Das ganze ist siebartig durch-
setzt Yon einer Unmenge kleiner Kornchen Yon Granat, die als
Einschlusse in alien ubrigen Gemengteilen auftreten. Andere
Schollen zeigen groBere, krystallographisch gut ausgebildete
Krystalle Yon Granat. Pyrit tritt fast in alien Einschlussen in
groBerer oder kleinerer Menge auf.
Ein Gestein, das diesen Einschlussen Yon der Urweid in
Yielen Puukten gleicht und jedenfalls auch einen derartigen
ScholleneinschluB reprasentiert, wurde an der Sustenstrafle bei
271
den Kehren von Feldnioos aufgefunden. Der Unterscliied gegen-
uber dem Vorkommen der AuBeren Urweid ist der, daB das
Gestein sehr stark mechanisch deformiert ist (vgl. S. 279). In-
folgedessen weisen fast samtliche Granatkrystalle langliche Uni-
risse auf, die dadurch entstehen, daB einzelne Teile des Krystalls,
die sich nach den Spaltnachen voneinander gelost haben, auf
diesen Flachen auseinandergeschoben werden.
Ein sehr biotitreicher EinschluB von der Urweid fiihrt
neben viel Pyrit zahlreiche kurze Saulchen und Korner von
hellbraunem Turmalin, der hie und da Zonarstruktur aufweist.
Da auch der I. Gr. gelegentlich Turmalin fiihrt, so darf hier
wohl auf Stoffzufuhr auf pneumatolytischem Wege aus dem um-
schlieBenden Magma geschlossen werden.
Andere Einschliisse zeigen durch ihre Mineralkombination
Quarz-Feldspat-Biotit und die Paralleltextur gneisartigen
Habitus. Jedoch weisen nur einzelne Lagen diese Zusammen-
setzung auf; in raschem Wechsel konnen sich hornblende- oder
augitreiche Lagen anschlieBen. (Diese Gesteine gleichen den
neben der Marmorlinse II anstehenden.) Eine Merkwiirdigkeit
in derartigen Einschliissen sind stengelige Einwachsungen von
Quarz in Hornblende; Zoisit und Titanit sind haufige Ge-
mengteile.
Yiele Einschliisse zeigen einen groBeren Gehalt an Kalk,
so daB sie als Kalksilikatfelse bezeichnet werden konnen.
So fiihrt ein EinschluB von der StraBenwand bei der Wirtschaft
zur Inneren Urweid neben primarem Kalkspat viel Augit, Granat,
Zoisit und Titanit.
Der Eindruck, den man von der Gesamtheit der beschriebenen
Einschliisse erhalt, ist der, daB es sich um stark durch
Eruptivkontakt metamorphosierte Schollen toniger bis
kalkiger Sedimente handelt. Rein kalkige Einschliisse
groBeren Stils sind die Marmorlinsen der GrimselstraBe,
die randlich betrachtlichen Silikatreichtum besitzen. Vielleicht
lag auch manchen Kalksilikatfelsen ursprimglich reiner Kalk zu-
grunde, aus dem aber bei der Metamorphose durch Stoffzufuhr
von seiten des Granits Kalksilikate geschaffen wurden.
Geht man von der StraBenwand mit den Scholleneinschliissen
die GrimselstraBe aufwarts, so erreicht man nach ca. 250 m eine
Stelle, an der vor offenbar nicht allzulanger Zeit gegraben
wurde. Sieht man naher zu, so bemerkt man, daB hier eine
schmale Marmoreinlagerung im Granit vorliegt (I). Ungefahr
25 m weiter, an der nachsten StraBenbiegung bemerkt man eine
zweite leichte Schiirfung, bei der anscheinend der gewiinschte
272
Erfolg ausblieb, die aber wiederum einen schonen Marmor ent-
bloBte (II).
Diese Marmorvorkommen im Granit werden zuerst Yon
Baltzer erwahnt. Er niochte sie in Analogie mit andern Yor-
kommnissen fur abgetrennte, durch Druck marmorisierte Stiicke
eines Jurakalkkeils halten, ist sich aber der Schwierigkeit dieser
Auffassung wohl bewuBt. Er schreibt (Lit. I, S. 59): „Fiir die
isolierten yon mir nachgewiesenen Marmorbander am Schon-
alphorn, am lauteren See, fiir den Marmor bei der AuBeren
Urweid, welche alle ganz in Gneis eingeschlossen sind und
keinen Ubergang in gewohnlichen Kalk zeigen, mochte ich die
Moglichkeit anderer Entstehung nicht absolut in Abrede stellen.
Es laBt sich ein strenger Beweis fiir ihre Bildung nicht fiihren,
obwohl die LagerungSYerhaltnisse die Entstehung durch Um-
wandlung wahrscheinlich machen." Sauer vertrat dann zuerst
die Ansicht, daB die Marmorlinsen der AuBeren Urweid groBe,
YOm Granit eingeschlossene Schollen darstellen, die deutlich
die Spuren der Kontaktmetamorphose aufweisen (Lit. 38).
Hugi schlieBt sich dieser Auffassung an und fiigt auch eine
genauere petrographische Beschreibung der .Marmorlinsen bei
(Lit. 20).
Daran kniipft nun eine KontroYerse zwischen Hugi
und Schmidt an (Lit. 41 und 21). Schmidt gibt nur fiir die
Schollen an der StraBenwand die eruptive EinschlieBung zu,
halt aber mit Entschiedenheit die beiden „Marmorlager" fiir
abgequetschte Teile des Pfaffenkopfkeils. Hugi muB demgegen-
iiber an der kontaktmetamorphen Bildung und damit an der
Schollennatur des Marmors festhalten, wobei er allerdings zu-
gibt, daB hieraus kein Beweis fiir postjurassisches Alter des
Granits gefiihrt werden diirfe, da es sich ja auch um prame-
sozoische Kalke handeln konne. Bei dieser Sachlage wird es
wohl der Miihe wert sein, etwas zur Klarung beizutragen. Es
sei daher eine kurze Beschreibung der beiden Marmor-
linsen gegeben.
Der AufschluB I zeigt rechts die Beriihrung Yon Kalk
und Granit. Die Spuren mechanischer Beeinflussung sind iiber-
aus deutlich; sie auBern sich in einer ausgezeichneten Schieferung
des Kalkes. Oben hurt der Marmor schon ca. 4 m iiber dem
StraBenniveau auf; unterhalb der StraBe ist er noch festzustellen,
wiihrend es Hugi nicht gelang, auch jenseits der Aare eine
Fortsetzung der Linse aufzufinden. Das Gestein ist zum groBten
Teil ein fettig anzufiihlender, griingefleckter, geschieferter Marmor.
Es fand Yerwendung als Ofenstein. Die Nahe der StraBe machte
es unmoglich, mit dem Graben weiter in die Tiefe zu gehen, und
273
so muBte der Abbau bald aufhoren. Die petrographische Unter-
suchung laflt in dem Gestein einen sehr serpentinreichen Marmor
erkennen, dessen Entstehung imbedingt auf Kontaktmetamorphose
zuriickzufiihren ist. Da merkwiirdige rundliche Verwachsungen
von Kalkspat und Serpentin vorkommen, so pragte Hugi sogar
den Namen „Eozoon helveticum" fiir das interessante Vor-
kommen. Daneben findet sich noch ein grobkrystalliner dunkler
serpentinfreier Marmor Yor. Bemerkenswert ist, dafi das Fallen
der Linse Yiel weniger steil ist (ca. 50° nach SO), als es fiir die
Schieferung des Granits die Regel ist (ca. 80°).
Die Marmorlinse II zeigt etwas kompliziertere Verhalt-
nisse. Die Schurfung entbloflte den Marmor ganz gut, der sich
nun in merkwiirdig stotzigen Formen dem Beschauer darbietet.
Das Gestein ist hier nicht serpentinhaltig, sondern ziemlich rein,
nur mit Yereinzelten Pyritkornern. Die Leute, die hier nach
„Giltstein" suchten, kamen infolgedessen nicht auf ihre Rechnung.
Rechts und links des Marmors tritt ein dunkles, hornfelsartiges
Gestein auf, das mit einigen Schollengesteinen Yon der Strafien-
wand makroskopisch und mikroskopisch Yollstandig identisch
ist. Es erscheint gneisartig, mit lagenweise wechselnder Zu-
sammensetzung. Dimkle biotitreiche Lagen wechseln mit griin-
lichen ab. U. d. M. zeigt sich die Hauptmasse des Gesteins
aus rundlichen, stark sericitisierten, nicht zwillingsgestreiften
Eeldspatkornern gebildet, zwischen denen Biotitblattchen liegen.
Quarz fehlt fast ganz; dagegen sind kleine Korner Yon Titanit
und Rutilnadelchen (z. T. in schonen knieformigen Zwillingen)
recht haufig. In den griinlichen Lagen kommen einzelne Korner
eines farblosen Augits Yor. Es handelt sich also mit hochster
Wahrscheinlichkeit um ein stark metamorphosiertes toniges
Sediment, das die Marmorlinse begieitet.
Rechts und links Yon diesem Gestein schlieBt sich dann
der I. Gr. an, der hier ziemlich unruhiges Aussehen aufweist,
z. T. primare Paralleltextur erkennen la,8t.
Links der grofien Marmorlinse zeigen sich noch zwei
kleinere, Yon denen die obere fast ganz zu einem Kalksilikat-
fels umgebildet ist, wahrend die untere sich durch einen merk-
wiirdigen grau und weiB gebanderten Marmor auszeichnet. Be-
achtenswert ist, daB diese beiden Linsen (besonders fur die
obere ist dies deutlich) fast genau senkrecht zur Hauptlinse
streichen.
Nach allem Erwahnten laBt sich keinBeweis gegen die
Scho llennatur der beiden Marmorlinsen Yorbringen. Die
Grofle und das lagerformige Auftreten ist kein Gegengrimd.
Zeitschr. d. "D. Geol. Ges. 1914. 18
274
Man kennt z. B. aus dem Odenwald linsenformige Einlagerungen
von Marmor in Granit, die ausgezeichnet schone Kontakt-
mineralien fiihren, und deren Schollennatur sicher festgestellt
ist. Bei Auerbach ist ein ganzer Zug soldier Marmorlinsen
auf 3,5 km Entfernung zu verfolgen; die grofite ist 600 m lang
und 45 m machtig. Diese MaBe gehen also weit uber die
Dimensionen der Marmorlinsen von der GrimselstraBe hinaus!
Interessant ist, daB auch der Marmor von Auerback von einem
anderen sedimentaren Gestein begleitet ist, mit dem er ge-
meinsam vom Granit umschlossen wurde (vgl. Lit. 12).
Auch aus der deutlicben mechanischen Beeinflussung der
Marmorlinsen laBt sich kein Beweis dafiir fiihren, daB in dem
tBenifaiiuitocfi
M Marmorlinsen der AuBeren Urweid.
Fig. 7.
MaBstab 1: 100000.
Marmor abgequetschte Teile des Pfaffenkopfkeils vorliegen.
Der intensive Druck, der bei der Alpenfaltung auf die ganze
Masse des I. Gr. einwirkte, hat natiirlich auch eingeschlossene
Schollen nicht verschont. Yielleicht loste er sich in dem sonst
so einheitlichen I. Gr. gerade an derartigen Stellen der In-
homogenitat besonders leicht und intensiv aus, so daB dadurch
so merkwiirdige Yerbiegungen, wie sie neben der Marmorlinse II
auftreten, zu erklaren waren. Dagegen zeigt die mikroskopische
Untersuchung von Graniten aus nachster Nahe der Marmorlinse,
daB dieselben nur maBige mechanische Deformationen erlitten
haben, keinesfalls derartige, wie sie bei einer so tiefgreifenden
Einfaltung des Marmors zu finden sein miiBten.
Scnon die Lage der beiden „Marmorlager" schlieBt iibrigens
eine solche Annahme aus (vgl. Fig. 7). Wenn man annehmen wollte,
daB das Ende des Pfaffenkopfkeils abgequetscht und durch Be-
wegungen des Granits auf den Schieferimgsflachen bis in die
Hohe der StraBe verschleppt worden ware (langs der Linie AB),
dann muBte dieser abgequetschte Kalk etwa bei Punkt B, also
1 — 2 km oberhalb des tatsachlichen Yorkommens anstehen.
Betrachten wir, wie spater genauer auszufiihren sein wird , die
275
Flache D — C — A als die primare Auflagerungsflache der Sedi-
mente auf dem G-ranit, so ist nicht zu verstehen, durch welche
tektonischen Bewegungen ein Stuck des Sedimentmantels unter
diese Flache hatte heruntergezerrt werden konnen. Ein Grund
gegen mechanische Einfaltung ist m. E. auch das abweichende
(urn 90° verschiedene) Streichen der beiden kleineren Marmor-
linsen II sowie das flache Einfallen der Marmorlinse I.
Es lassen sich also gegen die Schollennatur der Marmor-
linsen keine sti chhaltigen Griinde yorbringen, dagegen
konnen positive Beweise fiir dieselbe angefiihrt werden.
Wie schon erwahnt stimmt das Gestein rechts und links
der Marmorlinse II vollstandig mit einigen Schollen yod der
Straflenwand iiberein. Gibt man dort die Schollennatur zu, so
wird man sie auch hier annehmen miissen. Die Marmorlinse
vvurde also nicht isoliert vom Magma des I. Gr. eingeschlossen,
sondern noch mit Stucken ihres Nebengesteins, so daB wir jetzt
eine zusammengesetzte Scholle yor uns haben. (Dasselbe
ist, wie schon erwahnt, fiir den Marmor von Auerbach fest-
gestellt worden.)
An der Straflenwand ist leicht die pegmatitische Randfacies
zu beobachten, die der Granit gegen die Schollen hin ausbildet;
dieselbe Randfacies konnte an der Marmorlinse II aufgefunden
werden.
SchlieBlich liegt der starkste und ausschlaggebende Beweis
fiir eruptive Einschliefmng der Marmorlinsen in dem Auftreten
zahlreicher und typischer K ontaktmin e rali en sowie der
charakteristischen Kontaktstrukturen. Eine Mineralkombination
von Granat, Augit, Yesuvian, Forsterit (bzw. Serpentin) wird
sich nie durch Regional- oder Dynamometamorphose erklaren
lassen.
Nach alledem kann es kaum mehr einem Zweifel unter-
liegen, daB in den Marmorlinsen der Aufleren Urweid
echte kontaktmetam orphe Schollengesteine vorliegem
Dasselbe ist mit grofier Wahrscheinlichkeit bei den iibrigen
MarmorYOrkommen der Fall. Merkwurdige Yerhaltnisse herrschen
am Lauteren See (oberbalb Speicherbergalp). Hier ist mitten
in einem ziemlich reinen Marmor unvermittelt eine Lage von
Silikaten eingeschaltet, die typische Kontaktmineralien aufweist.
Es muQ daraus auf kontaktmetamorphe Entstehung dieses
Marmors und damit auch auf Schollennatur geschlossen werden.
Mechanische Einfaltung im Sinne Baltzers ist demnach aus-
geschlossen. Ob dies vielleicht sogar fiir den ganzen „oberen
18*
276
KalkkeiP' des Pfaffenkopfs zutrifft, fur dessen Yerlangerung der
Marmor vom Lauteren See von Baltzer gehalten wurde, wage
ich aus Mangel an Beobachtungen nicht zu entscheiden.
Scbwierig liegen die Yerhaltnisse beim Marmor von
Schaftelen. Baltzer halt ihn fur die Eortsetzung des Haupt-
keils vom Pfaffenkopf, also fur mechanich eingefaltet und mar-
morisiert. Dafiir wiirde die Tatsacbe sprechen, da!3 die groftte
Marmorlinse yon Schaftelen in stark geschiefertem I. Gr. liegt.
Jedocb sollte aucb bier das abgequetscbte und verschleppte
Ende des Keils eigentlicb weiter siidlicb, gegen das Trifttal bin,
gesucbt werden. Nur die petrograpbiscbe Untersucbung kann
entscbeiden. Diese zeigt, daB aucb die Marmorlinsen von
Schaftelen Kontaktmineralien fiibren, allerdings nicbt so zahl-
reicb wie die Kalkschollen der GrimselstraBe. Der Marrnor der
zweiten Linse (an der scbarfen StraBenwendung oberbalb der
Hauptlinse), der mecbaniscb kaum verandert wurde, zeigt u. d. M.
kleine Korner Yon Granat und zwillingsgestreiftem Augit, meist
in Kalkspatkr)^stalle vollstandig eingescblossen. Hugi erwahnt
nocb mehr Kontaktmineralien von dieser Lokalitat, darunter
aucb solcbe, die fiir eine pneumatolytische Einwirkung von
seiten des Granits sprecben (Lit. 20). Demnacbl ware
aucb der Marmor von Scbaftelen kontaktmetamorpber
Entstebung; aucb er wiirde eine riesige im I. Gr. scbwimmende
Scbolle darstellen. Besonders die Hauptlinse unterlag dann bei
der tertiaren Gebirgsbewegung gewaltigen Druckkraften ; sie
liegt in einer Quetschzone des I. Gr. Dies bewirkte eine
stark ausgepragte Scbieferung des Marmors, dann aber aucb
lebbaften sekundaren Umsatz des Kalkes durcb Losungen. Die
Spalten, die im benacbbarten Granit aufrissen, wurden von
Kalk wieder ausgefiillt, und so seben wir den Granit der
naberen Umgebung des Marmors durcbzogen von zablreichen
Kalkspatadern. U. d. M. zeigt sicb das granitiscbe Gestein oft
durcb und durcb impragniert von sekundaren Kalkspatkrystallchen.
Sucben wir die allgemeine Bedeutung der Scbollen
zu prazisieren, so konnen wir uns folgende Anscbauung von
ibnen bilden: In diesen Scbollen liegen uns die Reste eines
unbekannten Sedimentkomplexes vor, in den der I. Gr.
eruptiv eindrang. Dieses Gestein erscheint infolgedessen
intensiv durcbdrungen von sedimentarem Material, das von ibm
mebr oder weniger vollstandig assimiliert wurde. Der Tonerde-
iiberschuB und die Pinitfiibrung des I. Gr. sind die ersten An-
zeicben fiir sedimentare Beimiscbungen. Yon bier bis zu der
groJBen, mebrere hundert Meter messenden Scbolle besteben alle
277
moglicfren tibergange. Der I. Gr. ist also em Batholith im
Sinn von E. Suess, d. h. ein Intrusivkorper, der sich durch
Aufschmelzen der Sedimente Platz geschaffen hat. Yielleicht
ist am Kanderfirn noch der urspriingliche Verband des nord-
lichen Granits mit dem zertriimmerten Sedimentdach erhalten,
obgleich moglicherweise eine Yerwechslung mit dem untersten
Glied des autochthonen Sedimentmantels, der Arkose, in der
Beschreibung Truningers (Lit. 49) stattfand. Auch Staub wies
bereits darauf hin (Lit. 44, S. 16).
Die Aufstellung verschiedener Zonen („ Assimilations- und
Injektionszone" Truningers) lafit sicli fur den I. Gr. nicht recht-
fertigen. Die Schollen sind unregelmaBig liber das ganze Gebiet
yerteilt. Wenn es bei Staub (Lit. 44, S. 19) heiflt: „Gute Auf-
schliisse von Injektionszonen treffen wir bei der AuBeren Urweid
im Aaretal", so inuB dagegea Widerspruch erhoben werden.
Es handelt sich nur um eine Wand mit durchaderten Schollen-
einschliissen, nicht um Injektion im engeren Sinne. Hieraus
eine „Zone" abzuleiten, ist unzulassig.
Aus diesen Ausfuhrungen geht nun schlieBlich auch hervor,
daB die Scholle vom SustenpaB nicht in diesem Zu-
sammenhang genannt werden darf, wie das yon Sauer
geschehen ist, der nach seiner ersten kurzen Mitteilung (Lit. 38)
iiber das Yorkommen yon Wollastonitfels am SustenpaB geneigt
war, diesen als Einschlufi des I.Gr. anzusehen. In dieser
Scholle wechsellagern yielmehr Erstfelder Sedimentgneise mit
Kalksilikatfelsen; das Ganze schwimmt im Erstfelder Eruptiv-
gneis, einem yon I.Gr. scharf zu unterscheidenden Magma. Sie
bildet also wohl ein Analogon zu den Schollen im I.Gr., besitzt
aber anderes Alter. Auch liegt sie nicht in der Yerlangerung
der Linie Urweid — Schaftelen — Feldmoos, sondern mindestens
2 — 3 km siidlich dayon.
V. Mechauische Deformation des Ianertkircliener Granits.
Folgt man der neuen Grim s els traB e mit ihren schonen
Aufschlussen yon der AuBeren Urweid bis gegen Boden, so
erhalt man zunachst den Eindruck, durch recht yerschiedenartige
Gesteiue zu kommen (vgl. Lit. 4, S. 342). Zuerst befindet man
sich noch im typischen I.Gr.; dann folgen stark geschieferte
Gesteine, die sich aber noch recht gut als Granit erkennen
lassen; schliefilich kommen bei dem kleinen StraBentunnel, iiber
den ein Bach herabstiirzt, griine, fettig anzufiihlende Schiefer.
Nach einer kurzen Unterbrechung der Aufschliisse steht bei
der Wirtschaft zur Inneren Urweid wieder ein ziemlich un-
yerandertes Gestein mit groBen Feldspaten an, das kleine
278
Schollen von Kalksilikatfels fiihrt. Sie gleichen den Einschliissen
von der AuBeren Urweid; das einschlietfende Gestein ist sicher
I.Gr. Weiter aufwarts finden sich wieder griinliche, schiefrigc
Gesteine in ziemlich wechselnder Ausbildung bis ca. 200 in
unterhalb der Bodenbriicke. Sie sind den weiter unten an-
stehenden Schiefern durchaus ahnlich.
Schlagt man nun aus dieser Reihe scheinbar verschiedener
Gesteine eine Serie von Handstiicken und unterwirft diese einer
eingehenden Vergleichung, so findet man bald alle nur ge-
wiinschten Ubergange vom Granit bis zum griinen
Schiefer. Besonders schon und auf geringe Entfernung zu-
sammengedrangt sind diese Ubergange von km 3 bis zum
StrafSentunnel (ungef. bei km 3,3) zu studieren. — Es wiirde
sich. also auf der ganzen Strecke nur um ein Gestein, den
I-Gr. handeln, der aber zum groBen Teil in stark umgewandeltem
Zu stand vorliegen wiirde. Fragen wir nach der Art der Meta-
morphose, so konnen wir nach den Beobachtungen am Anstehenden
und am Handstiick keinen Augenblick im Zweifel sein, dafi es
in erster Linie eine Umwandlung durch Druck ist. Uber-
all zeigt sich das Gestein von Flachen durchzogen, die durch
vorziigliche Rutschstreifung ihre Entstehung durch Druck zu
erkennen geben. Die Rutschstreifen beweisen zugleich, dafi
scherende und gleitende Bewegungen auf diesen Flachen statt-
gefunden haben. Die S chief erungsflachen sind alle gleich
orientiert; sie treten zuerst in mafligem Abstand voneinander
auf und scharen sich schliei31ich immer dichter: aus dem
Granit wird ein geschieferter Granit („ Gneis"), schliefilich
ein Schiefer. Nicht selten kann man bei diesem Vorgang
beobachten, wie einzelne Bestandteile des Granits (z. B. Feld-
spate) in Schuppen zerpreBt und diese dachziegelartig iiber-
einandergeschoben werden.
Mit dieser mechanischen Schieferung gehen gewisse chemisch-
mineralogische Yeranderungen des Gesteins Hand in Hand.
Die S chief erungsflachen werden nach und nach immer dichter
uberzogen von griinlichen Seri cithauten, die schlieBlich dem
Endprodukt seinen charakteristischen Habitus verleihea.
Die Ebene, nach der die Schieferung erfolgt, liegt im
alpinen Streichen und fallt nach S 0 uuter einem Winkel von
65 — 70° ein. Naturlich ist diese Schieferung auch fur die
Yerwitterung und Ablbsung des Gesteins von Bedeutung, und
so kommt es, daB sie an den Gebirgsgraten schon heraustritt
und schon von weitem gut zu erkennen ist.
AuJ3er dieser Hauptschieferungsebene macht sich besonders
an der GrimselstraBe noch eine zweite geltend, die unter ca.
279
20—25° nach SO einfallt. Abbildung 1 auf Taf. XXI zeigt diese
doppelte Scbieferung des Granits im Einscbnitt bei km 3.
Auch weiter aufwarts gegen die Tonende Fluh hin ist diese
zweite, flacher liegende Druckflacbe sebr deutlich zu erkennen
und oft mit wunderscbonen Rutschstreifen verseben. Sie scbeint
jiinger zu sein als die steilstehende Hauptscbieferungsflacbe.
Die doppelte Scbieferung verursacht die Erscbeinung, daB Hand-
stiicke nacb beiden Flacben spalten und ganz bestimmte, scbief
prismatiscbe Formen annehmen.
Abulicbes, vor allem aucb prachtvolle Rutschflacben, zeigt
der'neuere Anscbnitt des GadmentalstraBcbens bei Hopflauenen.
(Ganz dieselben Gesteine, die wir an der GrimselstraBe als
Druckprodukte aus I.Gr. erkennen, finden sicb am Gstelliborn,
im Urbacbtal, bei Scbaftelen, im Trifttal unterbalb Triftalp,
bei Feldmoos. Aucb auf Typen von diesen Lokalitaten soil
im folgenden Bezug genommen werden.)
Bringt uns so scbon die Beobachtung im Freien und am
Handstiick zu der Anscbauung, dafi die Gesteine der Grimsel-
straBe durcb Druck aus I.Gr. entstanden seien, so erbebt die
Untersucbung der mikroskopiscben Strukturen diese
Annabme zur GewiBbeit. U. d. M. laBt sicb die Umbildung des
I.Gr. bis zum griinlichen Sericitscbiefer in alien ibren Stadien
verfolgen. Gesteine, die auf einer mittleren Stufe der Um-
bildung steben blieben, zeigen uns den Weg, den die starkst-
metamorpbosierten durcblaufen muBteu. — Dann laBt uns die
mikroskopiscbe Untersucbung aber aucb die Faktoren erkennen,
die durcb ibr Zusammenwirken die Umwandlung des Gesteins
hervorgerufen baben.
Yersucben wir, aus der kontinuierlicben Reibe der Um-
wandlungsprodukte Typen berauszubeben, so konnen wir sie
mit den Namen gepreBter Granit, gescbief erter Granit,
(=„Gneis") und S ericitschiefer bezeicbnen. Aucb bei der
mikroskopiscben Bescbreibung sollen im folgenden diese drei
wicbtigsten Stadien der mecbaniscben Verarbeitung des
Granits auseinandergebalten werden.
Alle untersucbten Diinnscbliffe des I.Gr. wiesen
schon deutlicbe Spuren einer Pressung des Gesteins auf,
und es scbeint, daB ein vollig intaktes Gestein im Innert-
kircbener Gebiet uberbaupt nicht ansteht. (Es wurde darauf
zum Teil scbon fruber bingewiesen; Ygl. S. 262.) Die beiden
Gemengteile, die die Einwirkung von Druck zuerst erkennen
lassen, sind Quarz und Biotit. Bei Quarz auBert sie sich
zunacbst in der bekannten undulosen Ausloscbuug. Jedoch
280
scbon dieses erste Stadium ist relativ selten zu beobachten;
meist zeigt sich der Quarz bereits in optisch verschieden
orientierte Felder zerfallen, die mit einfachen Begrenzimgslinien
aneinanderstoBen; Spriinge lassen sich dabei nicht beobachten.
Damit scheint sich die Spannung zunachst ausgelost zu haben:
die einzelnen durch Zerfall entstandenen Felder zeigen keine Un-
dulation mehr. In spateren Stadien der Pressung setzt sich
dieser Zerfall fort. Dabei tritt nun hie und da ein intensiv
zackiges Ineinandergreifen der entstandenen Felder auf, das
recht bizarre Formen entstehen laBt. Dazu kann sich noch
eine lebhafte Undulation gesellen, die haufig in parallelen
Wellen uber den Krystall weglauft und dadurch eine bestimrate
Richtung des Drucks zu erkennen gibt. (Es ist diese Er-
scheinung nicht zu Yerwechseln mit der Parallelstreifigkeit des
Quarzes, die erst spater auftritt.)
Bio tit zeigt zu Anfang leichte Biegungen und Stauchungen.
Dabei lockert sich der Verband der einzelnen Lamellen, die
aneinander verschoben oder aufgeblattert werden. Die Steigerung
dieser Erscheinungen laflt sich deutlich yerfolgen; es entstehen
immer starkere Biegungen und Zerknauelungen.
F elds pat erleidet erst lange nach Quarz Druckdeforma-
tionen; auch er zeigt zuerst Undulation, dann Zerbrechung.
Plagioklas scheint dabei erheblich sproder zu sein als Orthoklas.
Interessant ist es, wie der Pinit auf Druck reagiert. Da
er ja eigentlich nur ein Aggregat feinster Muscovitschiippchen
darstellt, so ist es sehr wohl verstandlich, daB es recht leicht
geschieht, und daJ3 sich der Pinit dabei annahernd plastisch
verhalt. Es hat oft den Anschein, als ob er in Spalten, die
in seiner Nahe aufbrechen, plastisch hineingepreBt wiirde.
Meist erzeugt der Druck im Pinit Flasern und Strahnen, die
aus gleich ausloschenden Muscovitkrystallchen bestehen und
senkrecht zur Druckrichtung yerlaufen. Auf einer ahnlichen
Orientierung dieser Teilchen beruhen auch merkwiirdige Ma-
anderbildungen im Pinit, die in einem Gestein der Urbachsteige
gefunden wurden.
Schon sehr bald lassen sich u. d. M. Spriinge und
Spalten im Gestein feststellen. Sie folgen zuerst noch den
Grenzen, in denen die einzelnen Gemengteile aneinanderstoBen,
lassen aber oft schon deutlich in ihrer Gesamtheit eine ein-
heitliche Pichtung erkennen: die Richtung normal zum wirken-
den StreB. Wo ein solcher Sprung durch einen Feldspat hin-
durchsetzt, zeigt er sich oft durch eine Spaltflache, also eine
Fliiche geringerer Kohasion des Krvstalls, abgelenkt. Dadurch
wurde nun natiirlich eine auBerordentliche Lockerung des Ge-
281
steinsgefiiges hervorgerufen und Yor allem dem Wasser der
Zugang eroffnet. Dieses konnte nun iiberall leicht eindringen
und im Gestein seine Arbeit yerrichten. Im Zusammenhang
damit stehen die ch emis chen Yeran derun gen der Ge-
stein sk omp on ent en. Sie sind also nicht als direkte Wir-
kungen des Druckes zu denken, in dem Sinne, daJ3 der Druck
die chemische Reaktion yeranlasse. Sie sind yielmehr nur
sekundare Wirkungen des Druckes: das Gestein wird durch ihn
aufgelockert, so daB die chemisch wirksamen Agenzien ein-
dringen konnen. Auch an den einzelnen Mineralien ist ihnen
durch Zerbrechungen und Aufblatterungen der Angriff erleichtert.
Dies gilt z. B. yon der Bildung von Chlorit aus Biotit.
Sehr haufig ist ein Zusammenhang zwischen Chloritisierung
des Biotits und Starke der mechanischen Beeinflussung zu
-erkennen. Am aufgeblatterten und yerbogenen Biotit fin den die
umwandelnden Agenzien leichteren Zugang; die Chloritisierung
wird also rascher und griindlicher yor sich gehen.
Ahnlich yerhalt es sich mit der Sericitisierung der
Feldspate. Oft beginnt sie an neu entstandenen Druckspalten,
sie kann aber auch in sehr verschiedener anderer Weise
sich vollziehen. In manchen Fallen treten einzelne Sericit-
blattchen isoliert im Feldspat auf; es kann der ganze Krystall
wie yon einem diinnen Netzwerk iiberzogen sein oder schlieB-
lich vollstandig in einen dicken Filz yon Glimmer verwandelt
■erscheinen.
An diese chemischen Yeranderungen der Mineralien an
Ort und Stelle schlieBen sich nun die Erscheinungen an, die
man zusammenfassend als „Transport durch Losung" be-
zeichnen kann. Feldspate (Orthoklas und Plagioklas) zeigen
sich oft yon einer klaren Hiille umgeben, die auch aus Feld-
spatsubstanz besteht, aber die trubenden Yerwitterungseinschliisse
nicht enthalt; sie ist offenbar schon an den in Yerwitterung
begriffenen Krystall angewachsen. Untersucht man derartige
Anwachsrander genauer, so lassen sie haufig etwas hohere
Lichtbrechung als der umwachsene Feldspat erkennen; iiberall
zeigen sie mit ihm die gleiche krystallographische Orientierung.
Derartige Bildungen im fertigen Gestein sind nur durch Zir-
kulation wasseriger Losungen auf Spaltensystemen zu erklaren;
was an einer Stelle gelost wird, kommt an der andern wieder
zur Ausscheidung.
Diesen „Losungstransport" macht nun yor alien anderen
Mineralien der Quarz mit. Hie und da bemerkt man in
einem Feldspat einen Sprung, eine kleine Reibungszone. Das
Ganze ist aber yollstandig wieder yerkittet durch eingedrunge-
282
nen Quarz. Ebenso findet er sich zwischen den aufgeblatterten
Lamellen von Biotit; wo uberhaupt eine Spalte oder ein
Sprung auftritt, wird sie von Quarzsubstanz wieder verheilt.
Dabei zeigt sich der Quarz meist noch begleitet von
anderen Mineralien, besonders von Chlorit. Seine Yer-
breitung bat in dem sich zersetzenden Biotit ihren TTrsprung;
in seiner Nahe ist der sekundar ausgeschiedene Chlorit am
haufigsten. Gern setzt er sich auch mit merkwiirdig zackig-
fransigem Rand an unveranderten Biotit an. Haufig scheidet
sich der Chlorit gemeinsam mit Quarz aus; er begibt sich aber
auch all ein auf die Wanderung. Manche Feldspatkrystalle sind
ganz von Chlorit erfullt, der offenbar auf Spaltnachen eindrang.
In geringerer Menge als Chlorit findet man kleine Kry-
stalle von Kalkspat. Sie sind wohl zumeist aus der Zer-
setzung des Kalknatronfeldspats unter Einwirkung kohlensaure-
haltigen Wassers entstanden. In anderen Fallen, so z. B. in der
Nahe von Marmorlinsen, muB wegen der groBen Menge des Kalk-
spats an ein Eindringen kalkhaltiger Losungen gedacht werden.
Als viertes Spaltenmineral muB der Muscovit angefuhrt
werden, der auch besonders mit Quarz zusammen auftritt. Er
geht haufig aus Biotit hervor und findet sich als Zersetzungs-
produkt dieses Minerals vergesellschaftet mit Chlorit. Noch
haufiger entsteht er jedoch aus Feldspat (Orthoklas und Pla-
gioklas). Da bei der Yerwandlung von Feldspat in Muscovit
Kieselsaure frei wird, so muB wohl ein Teil des spaltenfiillen-
den sekunda.ren Quarzes auf Rechnung dieses Yorganges gesetzt
werden. Haufig sind Sprunge im Feldspat von einem Gemenge von
Quarz und Muscovit erfullt; seltner geschieht die Yerkittung durch
klare Feldspatsubstanz, die Albitlamellierung aufweisen kann.
Eine derartige Spaltenbildung, wie sie im vorstehenden
beschrieben wurde, die gefolgt ist von einer Zirkulation wasse-
riger Losungen, welche geloste Stoffe transport! eren und wieder
zur Ausscheidung bringen, kann naturlich in alien Stadien und
Dimensionen verfolgt werden. In diesem Zusammenhang ware
deshalb auch die petrographische Beschreibung der Aus-
fiillungen groBerer ZerreiBungsspalten einzufiigen, ob-
wohl diese Erscheinungen mit dem Gang der Metamorphose
nicht notwendig zusammenhangen wiirden. Solche Spalten von
ca. 1 cm Breite sind nicht allzu selten, sie enthalten dieselben
Mineralien wie die mikroskopischen Spaltensysteme. — Hie und
da, so z. B. an einem Gestein von der GrimselstraBe, liiBt sich
schou makroskopisch erkennen, daB sich die Substanz der Spalte
senkrecht zu den Wanden orientiert. U. d. M. ist dies noch
283
deutlicher. Die Hauptmasse der Ausfiillung besteht aus Quarz,
der sich in eigentiimlich stengligen Formen senkrecht zu der
Spaltenwand einstellt; in derselben Kichtimg sind prismatische
Epidotkrystalle eingewachsen.
Sehr interessant sind Bildungen in einer Spaltenausfiillung
eines Gesteins vom SustenpaB (Kehren vonFeldruoos). Eskommen
hier Einwachsungen von wurmformig gebogenem Chlorit (Hel-
minth) in Quarz vor. Sie beweisen die gleichzeitige Aus-
scheidung beider Mineralien aus wasseriger Losung. Daneben
haben sich schone groBe Kalkspatkrystalle gebildet. Beachtens-
wert ist schlieBlich das Auftreten von S chachbrettalbit. Er
kommt nach Becke (Lit. 8) in Gesteinen vor, die einen „ur-
sprunglichen Gehalt an Kalifeldspat aufweisen und starker
Umwandlung ausgesetzt waren". Hier in der Spaltenausfiillung
muB er einfach auf wasserigem Wege entstanden sein.
Damit waren die im ersten Stadium der Metamorphose
auftretenden Erscheinungen in der Hauptsache geschildert. Der
Beginn der Gesteinsumbildung ist gekennzeichnet durch
maBige Zerbrechungen der Komponenten sowie durch die
Bildung mikroskopischer Spalten. Das auf diesen eindringende
Wasser verursacht chemische Yeranderungen der Gemengteile
und verrichtet einen nicht unbedeutenden Stofftransport durch
Losung und Wiederausscheidung des GelOsten an anderer
Stelle. Dadurch wird das Ganze wieder zusammengekittet,. die
Spalten wieder ausgefullt. Natiirlich findet dieser letztere
Vorgang erst statt, nachdem die pressenden Krafte wieder zur
Ruhe gekommen sind.
Parallelstellung des Glimmers wird in diesem Stadium
noch nicht erreicht; dieser Yorgang ist charakteristisch fur
das folgende zweite Stadium.
Die Spaltenbildung wird lebhafter; die Kliifte mehren sich
zusehends und scharen sich spitzwinklig. Es erfolgen nun
auf diesen Flachen gleitende, scherende Bewegungen, die vor
allem den Biotit erfassen und in ihre Richtung hineinzerren.
Die groBe Gleitfahigkeit des Glimmers auf den Spaltflachen be-
gunstigt diesen Yorgang. Steht ein Biotit mit seiner Spalt-
richtung senkrecht zu einer neu entstehenden Druckkluft, so wird
er zunachst zusammengeschoben und gefaltet; dann werden
seitlich Teile von ihm abgeschert und durch Bewegungen langs
der Kluftflache in diese Richtung hineingezerrt. Bei manchen
Biotiten gelang dieser Yorgang nur zur Halfte: ein Teil ist
mechanisch in die Schieferungsrichtung hineingezogen, der
284
andere laflt noch seine urspriingliche Lage erkennen. Andere
Biotite sind dagegen yollkomrnen in diese sekundare Parallel-
textur aufgenommen worden. Liegt ein Biotit mit seinen Spalt-
flachen von yornherein in der Kluftrichtung, so werden die
einzelnen Laniellen auseinandergeschoben, in der Kluft yer-
schleppt, so dafi schlieBlich aus dem dicken Paket eine diinne
Flaser entsteht.
Neben dieser Au s bil dung einer Paralleltextur schrei-
tet sowohl die mechanische Zertriimmerung als auch die Losungs-
tatigkeit fort. Quarz zeigt immer wildere Undulation und
weist nun, also in einem ziemlich weit yorgeschrittenen Stadium
der Pressung, auch die von manchen Autoren schon erwahnte
Streifung auf. (Vgl. Taf. XX, Abb. 4.) Es handelt sich hier-
bei nicht um eine verfeinerte „Parallelundulation" ; die feine, in
ihrer Breite sehr konstant bleibende Streifung zieht vielmehr
geradlinig tiber den Quarz bin w eg. Bei schiefer Beleuchtung
lassen sich deutlich Differenzen in der Lichtbrechung erkennen;
es liegt also eine gesetzmaBige Verwachsung yerschieden orien-
tierter Krystallsubstanz, d. h. eine Zwillingsbildung yor. Uber
die Streifung her kann sich noch die gewohnliche Undulation
legen.
An anderen Stellen bilden sich aus dem Quarz ganze
Trummerfelder mit groBeren und kleineren Bruchstiicken. All-
mahlich nehmen auch Zerbrechungserscheinungen im Feldspat
immer mehr zu; die einzelnen Bruchstiicke werden dabei mit
ihrer Langsausdehnung in die Richtung der Gesteinsschieferung
hineingeprefit. Schone Zerbrechungserscheinungen im Feldspat
zeigt Taf. XX, Fig. 5. Interessant ist, daB der Krystall oben
rechts bruchlose plastische Deformation zeigt.
An den Pandern der Feldspate werden oft durch gegen-
seitige Peibung Stiicke abgerissen und dadurch eine Art
Triimmerzone gebildet, die dann meist durch Quarz wieder
yerkittet wird. Eine tiberaus feinkornige Triimmermasse, die yiel-
leicht durch Abreibung der Komponenten aneinander entstanden
ist und deshalb yielfach als „Gereibsel" bezeichnet wird,
yerbreitet sich weithin im Gestein und sammelt sich besonders
in den sogenannten „toten Raumen" an, die nun auch auf-
zutreten beginnen. Sie entstehen dadurch, dafi ein Quarz-
oder Feldspatkrystall in die Schieferungsrichtung hereingedrebt
wird. Dabei wird an den Enden cles Krystalls ein leerer
Paum iibrigbleiben, der nun yon anderen Substanzen ausge-
fiillt wird. Es sammelt sich darin klastisches Material der
Umgebung („Gereibsel") ; daneben werden yon zirkulierenden
Losungen Stoffe ausgeschieden. So linden sich in den „toten
285
Raumen" Quarz, kleine Feldspatfragmente, Chlorit und Sericit
zum einem Ganzen yerkittet.
Damit wurde die Losungstatigkeit berlihrt; sie ist auch
fur dieses Stadium yon groBter Bedeutung. Inmitten eines
stark gestorten Gesteins sieht man oft in der Richtung der
Schieferung ganz schwach gestortc langliche Quarze liegen; sie
weisen z. T. kaum undulose Ausloschung auf. Ihre Entstehung
muB man sich wohl auf dem Wege der Ausscheidung aus
wasseriger Losung denken. Haufig sind auch linsenformige,
sogenannte „geschwanzte Quarze." Sie sind sicher zum
Teil so entstanden, daB ein toter Raum, der hinter einem
Quarzkrystall freiblieb, sich mit Quarzsubstanz ausfullte, die
sich in gieicher Orientierung anfiigte.
Nachst diesen Erscheinungen beherrscht der immer
reichlicher auftretende Sericit das Strukturbild des Gesteins.
Das Netz yon Sericit, yon dem die Feldspate durchnochten
werden, wird immer dichter; immer mehr tritt der Sericit
dann auch aus dem Feldspat heraus und sammelt sich auf
den Schieferungsflachen in glanzenden Hauten an ; diese er-
scheinen im Diinnschliff als breite Bahnen, die als „Sericit-
strahnen" bezeichnet werden.
Die Erscheinungen im zweiten Stadium der Metamorphose
yermogen das Bild der granitischen Gesteinsstruktur noch nicht
zu verwischen. Ch ar akteristisch ist die Parallelsteilung
der Biotite, die fruher den Namen „Gneis" rechtfertigte.
Jedoch merkt man dieser Paralleltextur ohne Schwierigkeit
das Gewaltsame ihrer Entstehung an.
Das dritte Stadium in der mechanischen Yerarbeitung
des I. Gr. stellen die Gesteine dar, die Baltzer als „Sericit-
s chief er" ausschied. Sie weisen gegeniiber dem „Gneis-
stadium" keine neuen Strukturmerkmale auf. Wir sehen je-
doch sowohl die Zertrummerung als die Umkrystallisation
immer groBeren Umfang annehmen, so daB die Granitstruktur
immer undeutlicher und endlich fast ganz yerwischt wird.
Das dritte Stadium kann man mit einer Flaserung des
„Gneises" beginnen lassen. Es bilden sich stark ere Kliifte heraus,
langs deren dieGemengteile intensiy zermalmt werden. Dazwischen
yerbleiben linsenformige Partien geringerer Storung. Der
Biotit zeigt zeigt dieselben Deformationen, wie sie bereits be-
schrieben wurden; nur sind die einzelnen Lamellen noch yiel
weiter ausgezogen und yerschleppt, was auf starkere Scher-
bewegungen schlieBen laBt. Oft umschmiegt er groBere Feld-
spate oder Quarze und hiillt sie yollstandig ein. Besonders
286
gilt dies aber von den Sericitstrahnen, die immer groBere Be-
deutung erlangen. Starkere und scbwacbere Babnen durcb-
flechten das ganze Gestein, vor alleni aucb die Trtiinmerfelder
mit ibren langlicben Brucbstiicken von Quarz und Feldspat.
Unverkennbar ist das Bestreben, die einzelnen Trummer in
die Schieferungsricbtung einzustellen. Die „toten Raunie," die
dabei entstehen niuBten, sind bereits erwabnt. Das Yerbalten
dcs Quarzes ist uberaus wecbselnd und unberecbenbar ; zum
Teil zeigt er die wildesten optiscben Storungen und mecbani-
schen Zerbrecbungen; daneben finden sich Krystalle, die fast
nicbts von alledem erkennen lassen. Man konnte geradezu
sagen: In den am starksten geprefiten Gesteinen ist der Quarz
am ungestortesten. Diese Erscbeinung laBt sieb nur durcb
Umkrvstallisation erklaren. Der Feldspat wird immer mehr
durcb Sericit ersetzt und Yerscbwindet schlieBlicb ganz, so
dafi wir als Eiidprodukt der Umbildung des I. Gr.
Gesteine erbalten, die nur nocb aus Quarz, Sericit
und Cblorit zusammengesetzt sind. Ein instruktives
Strukturbild aus einem derartigen Gestein zeigt Taf. XX, Fig. 6.
Yersucben wir das zusammenzufassen, was uns die mikro-
skopiscbe Untersucbung uber die Metamorpbose des I. Gr. lehrt,
so konnen wir ungefabr folgendes aussagen: Die Hauptrolle
spielt die mecbaniscbe Z ert riimmerung. Die Brucb-
stiicke werden dabei senkrecbt zur Druckricbtung orientiert
unter der Mitbilfe scberender Bewegungen. Auf diese
Weise entstebt aus dem ricbtungslos kornigen Gestein ein
solcbes mit ausgepragter Paralleltextur. Hand in Hand mit
der Zerbrecbung geben cbemiscbe Yorgange, vor allem die
Sericitisierung des Feldspats. Das Wasser, das auf den zabl-
losen neugebildeten Spalten eindringen konnte, Yvirkt durcb
Losung und Wiederausscbeidung des Gelosten in bobem
MaBe umkrystallisierend. Durcb Zusammenwirken all dieser
Yorgange kann aus einem Granit ein parallel struiertes Gestein
(ein sog. „Gneisu), scbliefilicb ein Sericitscbiefer erzeugt werden.
Legen wir die Auffassung Yon U. Grubenmann zugrunde, so
ware die Umwandlung typisch fiir die oberste Zone, in der
die Kataklase iiberwiegt (Lit. 17). Die angefiibrten Faktoren
geniigen zur Erklarung der Metamorpbose vollstandig, es ist
nicbt no tig, aucb „postYulkaniscbe Prozesse" beizuzieben, wie
dies yon Hugi gescbiebt (Lit. 20).
Der ,,Gneisu der alteren Autoren ist also nur ein de-
formierter Granit. Daraus erklaren sicb einige Tatsacben,
die friiber ratselhaft erscbeinen muBten. Baltzek betont mebrere
287
Male, daB sich nie der Gneis an den Kalk anschmiege, wohl
aber Kalk an den Gneis. Das erste erklart sich daraus, daB
die Schieferung des Granits senkrecht zu der Flache erfolgte,
auf welcher der Kalk ihm auflagerte. Dagegen ist es moglich,
daB eine Partie des Kalks (z. B. das Ende eines Kalkkeils)
ergriffen und durch Translationsbewegungen in die Schieferungs-
richtung des Granits hereingebogen, vielleicht gar verschleppt
wird.
Die Beobachtung Baltzers, daB zur Schichtung des Gneises
oft noch eine sekundare Schieferung trete, erklart sich hochst-
wahrscheinlich aus der doppelten Schieferung des Granits
(vgl. S. 279 und Taf. XXI, Fig. 1).
Das Gstellihorn mit seinen riesigen Yerknetungen von
Granit und Kalk liefert ganz dieselben gepreBten Gesteine,
wie sie an der GrimselstraBe anstehen, nur ist womoglich die
Zerbrechung und Zerreibung der einzelnen Gemengteile noch
intensiver als dort. Die Bernerkung von Weinschenk, daB ein
eruptives Eindringen des Granits in den Kalk vorliege, muB
entschieden zuriickgewiesen werden (Lit. 52, S. 321). Dagegen
spricht neben dem Fehlen einer Kontaktmetamorphose und der
regelmaBigen Umsaumung des Jurakalks mit Rotidoloniit yor
allem auch die petrographische Beschaffenheit des Granits,
der kaum irgendwo so starke Pressung erlitt wie eben hier.
Yon Sauer ist die Tatsache der mechanischen Yerarbeitung
des I. Gr. zuerst erkannt worden (Lit. 38). Er stellt die Er-
scheinungen im I. Gr. in Parallele mit denen im Lausitzer
Granit an der groBen Uberschiebung (vgl. Lit. 26 u. 29) und
redet von einer riesigen Quetschzone im I. Gr. Er meint
damit eine Zone im Streichen und Fallen des Aarmassivs, in
der sich der von S kommende Druck ausgelost habe. (Die
MiBverstandnisse von Klemm und Konigsberger wurden schon
auf S. 109 erwahnt.) Diese Auffassung hat sich vollstandig
bestatigt; nur handelt es sich jedenfalls nicht um eine ein-
heitliche Quetschzone. Starker und schwacher gepreBte Partien
wechseln miteinander ab und lassen die Existenz einer grofieren
Anzahl hintereinanderliegender Quetschzonen wahrscheinlicher
erscheinen. Auch fiir das Lausitzer Gebiet wird ja die un-
gemein wechselnde Beschaffenheit des gepreBten Granits be-
sonders betont. Im Streichen lassen sich die Erscheinungen
vom Urbachtal bis gegen den SustenpaB verfolgen, wo sie auf
die E. Gn. libergehen.
288
C. Das Carbon des WendeDjochs.
Die sedimentaren Schichten des Wendenjochs werden zuerst
von Baltzer erwahnt (1880, Lit. 1, S. 147). Er fand hier „verru-
canoartige Gesteine" und schwarze, knotige Anthrazitschiefer
mit Linsen und Nestern von Quarz; er bemerkte auch schon,
daB in den dunklen Schiefern Einschliisse des unterteufenden
Glimmergneises vorkommen. Die Lagerungsverhaltnisse fafit er
jedoch iiberaus merkwiirdig auf. Er gibt ein Profil (Lit. 1, Atlas,
Taf. IX, Fig. 13), in dem er versucht, trotz der beobachteten
Diskordanz zwischen schwarzen Schiefern und Arkose den ganzen
Kpmplex von den Erstfelder Gneisen bis zum Malm als eine
konkordante Schichtfolge darzustellen. Es gelingt dies nur mit
Hilfe von eigentiimlichen Schichten abbiegungen, die sich der Be-
obachtung entziehen.
Der zweite geologische Besucher der Lokalitat war Hugi
(1906, Lit. 20.) Er schlieBt aus der Diskordanz von schwarzen
Schiefern und Trias auf ein hoheres Alter der ersteren, die er
ihrer petrographischen Beschaffenheit halber als Carbon erklart.
Er untersucht die Konglomerate, in denen er nur Glimmerschiefer
und Quarzite konstatiert, glaubt dagegen an gewissen Schiefern
(„Knotenschiefern") Erscheinungen einer Kontaktmetamorphose
zu erkennen. Diese wurde nach ihm durch den „nordlichen
Gneis" hervorgebracht, der demnach j linger als diese Schichten
ware.
Dem tritt Konigsberger entgegen (Lit. 24). Er gibt ein
detailliertes Profil des wichtigen Punktes und weist vor allem
darauf hin, daB in den Konglomeraten des Wendenjochs Ge-
rolle des konkordant unterteufenden Erstfelder Gneises (Erup-
tiYgneis) zu finden seien, daB es sich also keinesfalls urn Kon-
taktmetamorphose durch den „nordlichen Gneis" handeln konne.
Die Beobachtungen Hugis iiber die „Knotenschiefer" mit Kon-
taktmineralien erkennt er tiberhaupt nicht an.
Dieser "Widerspruch der Anschauungen lost sich zum Teil
dadurch, daB beide Autoren unter „nordlichem Gneis" Yer-
schiedenes verstehen. Konigsberger kommt mit seinen Unter-
suchungen Yon 0 her und meint den Erstfelder Eruptivgneis,
der allerdings schon in den Konglomeraten zu finden ist und
auf den deshalb seine Ausfiihrungen zutreffen. Hugi versteht
dagegen unter „nordlichem Gneis den Innertkirchener Granit,
der in den betreffenden Konglomeraten nicht vorkornnit und der
nachvveisbar junger ist als der E. Gn. Die Moglichkeit einer
Kontaktmetamorphose durch dieses Gestein ist deshalb nicht von
der Hand zu weisen.
MesozoisdvR Schiefer Andg
( schistes lustres J Vale
.ographisch.es Institut.BerlmW. 35
Taf. VII
(MO
Cistella
ZeitHclirif't AerDmilwln-n iVi-nl-.-jr-n lien OspHschaft 191'i
i^j Gneiss 'ikmZn' (U 'dnrU-i
■ ii-i l.ttl r.ijiL I..-, lustiti.il Bei'lmWlj
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Taf. IX.
Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4.
Phot. Eck.
Fig. 1. Nautilus Mermeti Coq. Verkleinert. S. 183.
Fig. 2 u. 3. Nautilus Mermeti var. Munieri Choff. S. 184.
Fig. 4. Desgl. asymmetrische Lage des Siphos. S. 184.
Orig. im Geol. Pal. Inst. u. Mus. d. Univ. Berlin.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Tafel X.
Sphenodiscus (Lybicoceras) Ismaelis ZITT.
Overwegi-Sch. ; Ammonitenberge, Lib. Wuste.
Original in Munchen (Coll. Zittel).
Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin W.
Phot. Eck.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Taf. XI.
Phot. Eck. Fig. 2. Fig. 3.
Fig. 1. Neolobites Sehweinfurthi Eck. Verkleinert. S. 186.
Fig. 2. Neolobites Peroni Hy. var. Pervinquieri v. Staff und Eck.
Verkleinert. S. 191. (Aus Sitzber. Ges. Naturf. Fr., Jahrg.
1908, S. 278, Fig. 6.)
Fig. 3. Desgl. Vorderansicht. Verkleinert.
Orig. im Geol. Pal. Inst. u. Mus. d. Univ. Berlin.
Zeitscnr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Taf. XII.
Phot. Eck.
Neolobites Brancai Eck. ca. 2/z naturlicher Grofie. S. 188.
(Aus Sitzber. Ges. Naturf. Fr., Jalirg. 1908, S. 277, Fig. 5.)
Orig. im Geol. Pal. Inst. u. Mus. d. Univ. Berlin.
Erklarung zu Tafel XIII.
1. Hemitissotia sp. ind. Riickenansicht. Etwas vergroflert. Siehe
auch Taf. IX, Fig. 3 u. 4. S. 216.
2. Hoplitoides ingens v. Koen. S. 194.
3 bis 7. Pseudotissotia segnis $olg. (= Schloenbachia Quaasi Fourt.).
Jugendformen. S. 212.
Orig. im G-eol. Pal. Inst. u. Mus. d. Univ. Berlin.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Tafel XIII.
Lichtdruck von Albei t Frisch, Berlin W.
Phot. Eck.
Erklarung zu Tafel XIT.
Fig. L Vascoceras Barcoicemis Choff. S. 203.
Fig. 2 bis 5 u. 8. Pseudotissotia segnis Solg. (= Schloenbachia Quaasi
Focrt.). Jugendformen. S. 212.
Fig. 6. Neolobites Fourtaui Fourt. S. 189.
Fig. 7. Pseudotissotia segnis var. diseoidalis Pervinq. S. 207.
Orig. im Geol. Pal. Inst. u. Mus. d. Univ. Berlin.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Tafel XIV.
Lichtdruek von Albert Frisch, Berlin W.
Phot. Eck.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Taf. XT.
Fig. 1. Pseudotissotia segnis Solg. var. discoidalis Pervinq. S. 207.
Fig. 2. Anfangskammer unci erste Windungeu von Pseudotissotia segnis Sou;.
VergroBert 1 : 80. S. 210.
Fig. 3. Pseudotissotia segnis Solg. Erwachsenes Ex. Verkleinert.
Orig. im Geol. Pal. Inst. u. Mus. d. Univ. Berlin.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914. Taf. XVI.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Taf. XVII.
Phot. Eck. Fig. 3. Fig. 4.
Fig. 1 u. 2. Acant/ioceras cf. Footeanum Stol. S. 196.
Fig. 3. Hernitissotia sp. ind. SeitenaDsicbt, etwas vergrofiert. S. 216.
Fig. 4. Dasselbe Ex. von der anderen Seite. S. 216.
Orig. im Geol. Pal. Inst. u. Mrs. d. Uoiv. Berlin.
Zeitschr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914.
Taf. XYIII.
Erklarungen zu Tafel XX.
Fig. 1 : Erstfelder Eruptivgneis vom Arni bei Amsteg.
Fig. 2: Erstfelder Sedimentgneis vom Riedbach bei Erstfeld.
Fig. 3: Innertkirchener Granit von Innertkirchen.
Fig. 4: Gestreifter Quarz aus gepreBtem I.Gr. von der GrimselstraBe.
Fig. 5: Deformierter Plagioklas aus gepreBtem I.Gr. von der Grimsel-
straBe.
Fig. 6: Sericitschiefer von der GrimselstraBe, aus I.Gr. durch auBerst
starke Pressung entstanden.
Tafel XX.
rt Frisch, Berlin W.
Zeitnchr.d. Deutsch. Geol. Ges. 19H.
Tafcl XX.
Zeitsuhr. d. Deutsch. Geol. Ges. 1914. Taf. XXI.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 1 : Doppelte Schieferung im Innertkirchener Granit bei km 3 der
GrimselstraBe.
Fig. 2: Aussicht vom Gipfel des Grassen gegen 0 auf SchloBberg und
Spannorter. Auflagerung der Reste des autochthonen Sediment-
mantels des Aarmassivs auf den steilgestellten Erstfelder Gneisen
(vgl. hiezu das Profil Fig. 8, S. 297).
Zeitschrift
der
Deutschen Geologischen Gesellschaft.
(Abhandlungen und Monatsberichte.)
3. Heft.
A. Abhandlungen.
66. Band.
Juli bis September 1914.
(Hierzu Tafel XXll-XXXVI).
Berlin 1914.
Verlag von Ferdinand Enke,
Stuttgart.
1914,
INHALT.
Aufsatze:
5. LOTZE, K.: Beitrage zur Geologie des Aarmagsivs
(Untersuchungen iiber Erstfelder Gneise und Innert-
kirchener Granit). (Schlufi) 289
6 TILMANN, NORBERT: Zur Tektonik des Monte
Guglielmo und der mittleren Val Trompia. (Hierzu
Tafel XXII und 6 Textfiguren) 302
7. SOMMERMEIER, L.: Neue Ooidc. (Hierzu Tafel XXIII
bis XXVI) . , 318
8. CHARLESWORTH, JOHN K.: Das Devon derOstalpen.
V. Die Fauna des devonischen Riffkalkes. HI. Cri-
noiden. IV. Korallen und Stromatoporoiden. (Hierzu
Tafel XXVIII bis XXXIV und 5 Textfiguren) ... 330
9. WALTHER, K. : UberVorkommen und Entstehung eines
Talkschiefers in Uruguay und iiber seine partielle
Verkieselung. (Hierzu Taf. XXXV und 2 Textfiguren) 408
10. FRANKE, A.: Die Foraminiferen und Ostrakoden des
Emschers, besonders von Obereving und Derne nord-
lich Dortmund. (Hierzu Tafel XXVII) 428
11. WURM, A.: Uber einige neue Funde aus dem Muschel-
kalk der Umgebung von Heidelberg (Ptychites dux
Gieb. und Velopecten Alberti (Goldf.) Philippi).
(Hierzu Tafel XXXVI und 4 Textfiguren) . . . .444
Deutsche Geologische Gesellschaft.
Vorstand fur das Jahr 1914
Vorsitzender: Herr Wahnschaffe f Schriftfuhrer: Herr Bartling
Stellvertretende Vor- f „ Bornhakdt „ Hennig
sitzende: [ „ Krusch „ Janensch
Schatzmeister: „ Michael „ Weissermel
Archivar: „ Schneider
Beirat fiir das Jahr 1914
Die Herren: FRECH-Breslau, FRICKE-Bremen, MADSEN-Kopenhagen,
OEBBECKE-Munchen, RoTHPLETZ-Munchen, SALOMON-Heidelberg.
— <$>
Mitteilungen der Redaktion.
Im Interesse des regelmafiigen Erscheinens der Abhandlungen und Monats-
beriehte wird um nmgehende Erledigung aller Korrekturen gebeten.
Die Manuskripte sind drackfertig einzuliefern. Die Kosten fiir
Korrekturen, Zusatze und Anderungen iD der 1. oder 2. Korrektur werden
von der Gesellschaft nur iD der Hohe von 6 Mark pro Druckbogen getragen; alle
Mehrkosten fallen dem Autor zur Last.
Der Autor erhalt in alien Fallen eine Fatmenkorrektur und uach. UmbrecheD
des betreffenden Bogens eine Revisionskorrektur. Eine dritte Korrektur kann
nur in ganz besonderen Ausnahmefallen geliefert werden. Fiir eine solche hat
der Autor die Kosten stets ganz zu iibernehmen.
Im Manuskript sind zu bezeichnen:
Uberschrifteu (halbfett) doppelt unterstrichen,
Lateinische Fossilnamen (kursiv!) durch Schlangenlinie,
Autornamen (Majuskeln) rot unterstrichen,
Wichtige Dinge (gesperrt) schwarz unterstricheu.
®
Bei Zusendungen an die Gesellschaft wollen die Mitglieder
folgende Adressen benutzen:
1. Manuskripte zum Abdruck in der Zeitschrift, Korrekturen sowie darauf
beziiglichen Schriftwechsel Herrn Konigl. Geologen, Privatdozenien
Dr. Bartling,
2. Einsendungen an die Biicherei sowie Reklamationen nicht eingegangener
Hefte, Anmeldung neuer Mitglieder, Anzeigen von Adressenanderungen
Herrn Sammlungskustos Dr. Schneider,
beide zu Berlin N 4, Invalidenstr. 44.
3. Anmeldung von Yortragen fiir die Sitzungeu Herrn Professor Dr.
Janensch, Berlin N.4, Invalidenstr. 43.
4. Sonstige Korrespondenzen an Herrn Geh. Oberbergrat Bornhardt,
Charlottenburg, Dernburg-Str. 49 oder Herrn Professor Dr. Krusch,
Berlin N4, Invalidenstr. 44.
5. Die Beitrage sind an Herrn Professor Dr. Rich. Michael, Charlotten-
burg, Kaiserdamm 74, Postscheckkonto Berlin NW 7, Konio Nr. 16071
oder an die Deutsche Bank, Depositenkasse Q, fur das Konto ^Deutsche
Geologische Gesellschaft E. V." porto- und bestellgeldfrei einzuzahlen.
289
Neuerdings wurde das Carbon des Wendenjochs noch yon
Escher (Lit. 13, 1911) in seiner zusammenfassenden Arbeit iiber
pratriassische Alpenfaltung besprochen.
Nach Konigsbergers Angaben (Lit. 24) und eigenen • Beob-
achtungen liegen die Verhaltnisse am Wendenjoch ungefahr
folgendermassen :
Die schwarzen Schiefer und Konglomerate, die auf der Hohe
des Wendengletschers am Tierberg anstehen. bilden den Teil
eines Gesteinszuges, der von der Urat bis gegen Erst-
feld hin zu verfolgen ist. Ostlich vom Wendenjoch erwahnt
Tobler (Lit. 47) steilstehende schwarze Schiefer zwischen
Zwachten und Kleinem Spannort; weiterhin miissen diese Ge-
steine, nach dem Funde von kohligen Schiefern und Konglo-
meraten in den Schuttkegeln beim Oberen See und im Riedbach
zu schlieBen, iiber die Gegend des Oberen Sees bis zum
Riedtal hin streichen, ohne jedoch das ReuBtal noch zu er-
reichen. Den einzigen guten AufschluB bietet das Wenden-
joch. Erstfelder Gneis und schwarze Schiefer liegen wahr-
scheinlich konkordant; vielleicht ist jedoch diese Konkordanz
keine urspriingliche, sondern erst durch tektonische Vorgange
sekundar erzeugt. Auf den Gneis folgen (noch auf der Grassen-
seite) Konglomerate mit Bruchstiicken von Erstfelder Gneis;
zwischen ihnen eingeschaltet findet sich eine Lage glanzender
schwarzer Schiefer, in denen bei langerem Suchen wohl Pnanzen-
reste gefunden werden konnten. Am Tierberg setzt sich das
Profil mit Konglomeraten und stark kohlefuhrecden Schiefern
fort (71 — 101) nach Kgsb.). Dann folgt ein ziemlich machtiger
Komplex, der die „Knotenschiefer" Hugis darstellt (ll1 — 131).
Es sind keine Konglomerate, wie Koxigsberger angibt, sondern
dunkelgraue, sehr diinn spalteude Schiefer mit kleinen Knot-
chen auf den Schichtnachen. Es halt schwer, ein ordent-
liches Handstiick aus der zerbrockelnden Masse zu gewinnen.
Es handelt sich jedoch urn keinen eigentlichen „Kontakt-
knotenschiefer", in dem Knoten Konkretionen sind, die sich
unter dem Einflufi metamorphosierender Agenzien bilden. Die
Knoten bestehen vielmehr aus grofieren Quarzkornern, die die
feine Schichtung storen und kleine Erhebungen bilden. Die
mikroskopische Untersuchung ergab eine Bestatigung der An-
gaben von Hugi: das Gestein fiihrt einzelne Krystalle von
Granat und Turmalin. AuBerdem lieB sich eine groJ3e Menge
feinster Rutilnadelchen feststellen. Als sicheren Beweis einer
kontaktmetamorphen Beeinflussung des Gesteins mochte ich
jedoch das Yorkommen dieser Mineralien nicht auffassen; sie
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 19
290
konnen auch klastische Bestandteile des Gesteins sein. —
Weiter gegen den kiihn aufragenden Zahn von Rotidoloinit tin
treten verschiedene gneisartige Gesteine auf (141 — 161 K).
Wegen der reichlichen Kohlefiihrung, die sich in einer tief-
schwarzen Farbe der Gesteine auBert, schreibt man dein ganzen Kom-
plex von Schiefern und Konglomeraten carbonisches Alter zu.
Uber E. Gn. und Carbon liegt diskordant der „autoch-
thone S edimentmantel" des Aarniassivs. Mit der Annahme
Konigsbergers , daB hier am "Wendenjoch noch der primare
Yerband yon pratriassischer Unterlage und Sedimentdecke vor-
handen sei, daft also tertiar keine Verschiebungen statt-
gefunden hatten, mochte ich mich vollkommen einverstanden
erklaren. An der besonders am Grassen sehr schon entbloBten
Grenze zwischen der Sedimentdecke und ibrer Unterlage
sind nirgends Anzeichen eines Schubvorganges , wie Rutsch-
streifung oder ahnliches, zu sehen.
Die Sedimente beginnen mit einer grobkornigen Arkose,
die am Abhang des Grasssen schon gerundete und eigentumlich.
herauswitternde Dolomitknollen einschlieBt. Sie ist wohl im
wesentlichen ein Aufbereitungsprodukt des darunterliegenden
Gneises; sie besitzt auBerordentliche Widerstandsfahigkeit gegen
die Einniisse der Verwitterung: der ganze N- Abhang des Grassen
ist yon ihr eingedeckt. Auf die Arkose folgen Rotidolomit,
Dogger und Malm (vgl Lit. 13 und 47). Durch die Gewalt
der tertiaren; Gebirgsbewegung wurde das Ganze, Gneis und
Carbon samt der diskordant dariiberliegenden Sedimentdecke,
als eine Einheit s chief gehoben, so daB jetzt die Auflage-
rungsflache der Sedimente unter einem Winkel von ca. 30°
nach NW einfallt. Dadurch erhielten die ursprtinglich fast
saiger stehenden oder schwach N fallenden Gneise und Schiefer
ein schwaches Einfallen nach S.
Bei der Beschreibung des Wendenjochprofils wurde bis
jetzt der allerdings nicht unmittelbar anstehende Innert-
kirchener Granit auBer Betracht gelassen. Dieses Gestein bildet
langs des ganzen N-Abhangs des Gadmentals die Unterlage
der Sedimente. Der Aufstieg zum Wendengletscher zeigt ihn schon
entbloBt, mit zahlreichen Scholleneinschliissen (vgl. S. 260 und 268).
Auch auf dem Wendengletscher selbst gelang es mir, noch I. Gr.
nachzuweisen. Am Joch ist er nicht mehr zu sehen, dagegen
muB er unter der Ostwand des Titlis (also auf Engelberger
Seite) nochmals heraustreten, was Funde im Firnalpelibach be-
weisen (vgl. S. 260).
291
Es ist damit nachgewiesen, daB ein gr anitis ches G-estein
in nachster Nahe des Wendenj o ch c arb ons yorhanden sein
muB, dafi es yielleicht unter ihm durchzieht. Dementsprechend muB
das Profil Konigsbergers erganzt werden. Leider ist die Grenze
beider Gesteine unter dem Gletscher yerborgen, so daB ihr gegen-
seitiges Yerhaltnis nicht unmittelbar beobachtet werden kann.
Durch das Yorhandensein des I.Gr. wird natiirlich die Diskus-
sion des Wendenj ochprofils gegenuber Konigsberger bedeutend
komplizierter.
Sicher ist, daB der Koniplex Erstf. Gn. + Carbon schon
pratriassisch aufgerichtet worden sein muB. Auch der Granit
muB yortriassisches Alter besitzen. Das Carbon ist jiinger als
der Gneis; der I.Gr. ist ebenfalls jiinger als die E. Gn., wie
schon friiher ausgefiihrt wurde (vgl. S. 254). Es bleibt also nur
die Frage nach dem Altersverhaltnis yon Granit und Carbon
zu beantworten ubrig.
Konigsberger erklart die Aufrichtung der Schiefer des
Wendenj ochs dureh eine hebende Kraft, die der Zentralgranit
bei seiner Intrusion ausgeiibt habe. Natiirlicb waren dann die
dem Wendenj ochcarbon konkordanten, gleichfalls steilstehenden
E. Gn. auch durch den Granit gehoben worden. Nun ist aber
der Zentralgranit recht weit entfernt und durch die ganze Se-
ricitschieferzone mit ihren tiefgreifenden tertiaren Einfaltungen
(Kalkkeil Yon Farnigen) Yom Wendenj och getrennt. so daB
die Annahme Konigbergers unwahrscheinlich genannt werden
muB. Yiel eher lieBe sieh noch an eine Hebung durch den I.G.
denken, der ja unter dem Wendenj och durchzieht; doch wissen
wir iiber derartige Wirkungen yon Intrusiymassen yiel zu
zu wenig, um hier etwas Sicheres sagen zu konnen. Das ein-
fachste und nachstliegende ist ohne Zweifel, die Aufrichtung
einer hercyn is chen1) Gebirgsbewegung zuzuschreiben. Die
Frage ist nun: Geschah die Eruption des I.Gr. nach oder yor
dieser Gebirgsbewegung? Drang der I.Gr. in schon aufgerichtete
Schichten ein oder machte er nach der Intrusion gemeinsam
mit E. Gn. und Carbon die „Faltung" durch? Das erstere er-
scheint yiel wahrscheinlicher. Gegen die zweite Annahme
spricht die ungestorte, fast intakte Beschaffenheit des I.Gr.
in der Umgebung des Wendenjochs. Hatte er yereint mit E.
Gn. und Carbon die hercynische Gebirgsbewegung mitmachen
mussen, so hiitten sich ihm gewiB in der Nahe einer so stark
dislozierten Stelle Spuren davon aufgepragt. Yielmehr spricht
l) Unter „hercynischer" Gebirgsbewegung soli mit Escher (Lit, 13)
ein Vorgang der carbonisch-permischen Faltungsperiode verstanden sein.
19*
292
auch die iiberaus starke Zunahme yon Schollen ini I.Gr. gegen
das Wendenjoch hin sehr stark dafur, daB hier noch ein primarer,
durch keine spatere Gebirgsbewegung mehr gestorter Yerband
des iutrusiven Magmas mit dem Schichtkoinplex, in den es ein-
drang, yorliegt. DaB einige Schollen aus Erstfelder Sediment-
gneis bestehen, wurde erwahnt; andere scbeinen den Carbon-
schichten zu entstammen. D er ein dringende I. Gr. traf also
die E. Gn. mitsamt den Carbonschichten bereits steil-
gestellt an. — Dies wurde im Einklang stehen mit der sonst
gemachten Beobachtung, daB das Eindringen von Intrusivge-
steinen dem FaltungsprozeB nachfolgt, daB es jedenfalls auf
Spalten gescbieht,' die erst durch die Gebirgsbewegung auf-
gelockert wurden. Der I.Gr. ware also jiinger als die Carbon-
schichten des Wendenjochs.
Damit ist das relative Alter der geologischen Geschehnisse
bestimmt; es bleibt noch die Aufgabe iibrig, sie in die geo-
logische Chronologie einzureihen. Dies ist insofern
schwierig, als eine genaue Alter sbestimmung der Schichteu des
Wendenjochs aus Mangel an Fossilfunden nicht stattfinden kann.
Nach ihrem petrographischen Habitus, yor allem ihrem reich-
lichen Kohlengehalt, miissen sie als Carbon aufgefa.fi t werden.
Das einzige Carbonyorkommnis im Aarmassiy, dessen Alter
genau bekannt ist, ist das am Bifertengratli (Todi); die Schichten
sind nach den neuesten Bestimmungen der Pflanzenfunde durch
Zeillek (Lit. 13) als Oberes "Westphalien aufzufassen. Nach
Schmidt (Lit. 40) und Konigsberger (Lit. 24) sind die Carbon-
schichten an der Windgalle und am Bristenstock nach ihrer
petrographischen Ahnlichkeit denen des Bifertengratli gleichzu-
stellen. Das Wendenjoch carbon ist aber hochstwahrscheinlich
alter als diese Schichten, die konkordant zum dariiberliegenden
Sedinientmantel liegen-! Sie sind also yon der hercynischen
Gebirgsbewegung nicht ergriflen worden, die die Schichten des
Wendenjochs noch aufrichtete. Demnach muB das Carbon des
Wendenjochs alter sein als Ob. Westfalien, also jedenfalls das
Enter carbon reprasentieren (vgl. auch Konigsberger, Lit. 24).
Zu demselben Resultat gelangt man, wenn wir den I.Gr.
zeitlich dem Schwarzwaldgranit gleichsetzen1). Der Granit des
Schwarzwalds metamorphosiert namlich das Kulm, kommt aber
in den Ablagerurjgen des Obercarbons (Saarbriicker und Ott-
weiler Stufe, vgl. Lit. 26) samt seinen Nachschiiben bereits als
Bestandteil der Kongiomerate vor. Sein Alter ist demnach
wahrscheinlich oberstes Untercarbon. Nach den obigen Aus-
]) Uber die Berechtigung dieser ParallelisieruDg siehe S. 266.
293
fiihrungen ist das Carbon des Wendenjochs alter als der I.Gr.
(oberstes Untercarbon) ; daraus resultiert also fur diese Schichten
wieder Untercarbon.
Damit befinde ich mich auch in Ubereinstimmung mit
Konigsbergek, ohne mich im einzelnen seiner Beweisfiihrung
anschlieBen zu miissen. Er unterscheidet im Aarmassiv
zwei Carbonzonen: eine altere, der die Schichten des
Wendenjochs zugehoren, und eine jiingere, zu der die Vorkommen
yom Bristenstock, der Windgalle und vom Bifertengratli zu
rechnen sind. Erstere ist Untercarbon, die zweite Obercarbon;
zeitlich dazwischen liegt nach ihm die Intrusion des Zentral-
granits.
Escher (Lit. 13) unterscheidet im Aarmassiv zwei hercy-
nische Faltungen: die erste ware alter als obere Saarbriicker
Stufe (eine starke Erosionsdiskordanz beweist betrachlich hoheres
Alter, jedenfalls Untercarbon); die zweite hercynische Faltung,
die die Schichten des Bifertengratli (ob. Saarbr. St.) ergriff,
ist jiinger als diese. Nach diesem Schema ware das Carbon
des Wendenjochs yon der ersten hercynischen Faltung disloziert
worden. Yon alien ubrigen Carbonvorkommen des Aarmassivs
(Bristenstock, Windgalle, Stock Pintga, Glienislucke, Biferten-
gratli) ist nur fur das Bifertengratli Diskordanz zur Trias
nachgewiesen; die zweite hercynische Faltung besitzt demnach
anscheinend nur lokalen Charakter.
Mit Hilfe dieser Parallelisierungen, die dadurch einen er-
heblichen Grad yon Sicherheit gewahrleisten, daJ3 verschiedene
Wege zum gleichen Resultat gefiihrt haben, laBt sich die
Reihenfolge der geologischen Vorgange genauer pra-
zisieren.
Bildung des Gneises — Pracambrisch bzw. alt-
palaozoisch
Bildung der Sedimentschichten
des Wendenjochs — Untercarbon
Aufrichtung yon Gneis und
Schiefern — 1. hercynische Faltung —
Ob. Untercarbon
Intrusion cles I.Gr. — Grenze yon Untercarbon
und Obercarbon.
Ausbildung einer Abrasionsflache.
Diskordante Uberlagerung yon Gneis und Untercarbon clurch
Arkose, Rotidolomit (= Muschelkalk ?), Jura usw.
Hebung des Ganzen (Gneis + Untercarbon + Granit + Sediment-
decke) durch die tertiare Gebirgsbewegung yon SO her.
294
Damit erhalten wir nun aber eine frappierende Analog ie
mit den Verhaltnis s en im S chwarz wald. Bei den Erst-
felder Gneisen wurde bereits darauf hingewiesen, daB sie hochst-
wahrscheinlich mit den Gneisen des Scbwarzwalds identisch
sind (ygl. S. 77); beim I.Gr. wurde seine Ahnlichkeit mit den
Graniten des Schwarzwalds betont (ygl. S. 132). Die Schichten
des Wendenj o cbcarbons beweisen nun die Gleichz eitig-
keit der geologischen Vorgange in beiden Gebieten.
Quer durch den siidlichen Schwarzwald ziebt eine Zone von
sedimentaren Gesteinen (Konglonieraten usw.) kulmischen Alters
yon Badenweiler bis Lenzkirch. In diese bereits aufgerichtete
Gesteinszone (erste hercynische Faltung!) drang der Granit ein
und metamorphosierte sie zum Teil. Die Obercarbonschichten,
die sich spater ablagerten, sind nicht mehr disloziert, lokale
Storungen abgerechnet (Carbon von Gengenbach-Berghaupten —
zweite hercynische Faltung?). Die Analogie der geologischen
Vorgange und der in Betracht kommenden Gesteine ware dem-
nach eine vollkommene. Sie mag in folgender Ubersicht zum
Ausdruck gelangen:
Bildung der
Schwarzwaldgneise Erstfelder Gneise
Bildung der
Kulmzone Badenweiler -Lenzkirch Schichten des Wendenj ochs
Untercarbon Untercarbon
Aufrichtung der
Kulmzone Untercarbonschichten des Wenden-
Badenweiler- Lenzkirch jochs
Erste hercynische Faltung.
Eindringen des
Schwarzwaldgranits Innertkirchener Granits
Zwischen Unter- und Obercarbon
Bildung der
Obercarbonschichten des nordl. Obercarbonschichten des
Schwarzwalds (Berghaupten, Bifertengratli, Windgalle,
Diersberg, Ohlsbach usw.) Saar- Bristenstock
briicker und Ottweiler Ob. Saarbriicker
Stufe Stufe
Zweite hercynische Faltung.
Lokal Lokal (Bifertengratli)
Bildung einer Abrasionsflache.
Bei der groBen Ahnlichkeit der Gesteine der „nordlichen
Gneiszone" mit denen des Schwarzwalds, sowie bei der bis ins
einzelne gehenden Analogie der geologischen Vorgange in beiden
Gebieten miu3 der SchluJ3 gezogen werden, daB in der „nord-
lichen Gneiszone" ein Stiick echten yaristischen Grund-
gebirges yom Typus des Schwarzwalds yorliegt.
295
D. Die Tektonik des Aarmassivs.
Im Yerlauf der vorliegenden Untersuchungen gelangten wir
zu dem Ergebnis, daB die Gesteine der sogenannten „nordlichen
Gneiszone" in alien wesentlichen Punkten den Gesteinen des
Schwarzwalds entsprechen, sowie dafi sich fur beide Gebiete die-
selbe geologische Geschichte nachweisen laflt; es muBte daraus
der SchluB gezogen werden, daB uns hier noch ein Rest echten
varistischen Grundgebirges entgegentritt. Es soli im folgenden
ausgefiihrt werden, was fur Konsequenzen dies fur die An-
schauungen vom Bau des Aarmassivs bat.
Den tektonischen Aufbau yon Aare-, Gotthard- und Mont-
blancmassiv kennzeicbnetmanmitdem Worte „Facherstruktur".
Die Scbicbtung stebt im allgemeinen recbt steil, in der Mitte
saiger. Je weiter man von der Mitte zu nach aufien gebt, desto
flacber wird die Lagerung der Schicbten, die alle der Mitte zu
einfallen. Speziell beim Aarmassiv spricbt man von asym-
metriscber F acherstr uktur: der S-Fliigel besitzt nur un-
gefabr den acbten Teil der Breite des N-Fliigels. Nacb den
Untersucbungen Heims (Lit. 18) und Baltzers (Lit. 1 und 2)
ware ein solcber Facher ein eng zus ammengescbobenes
Biiscbel steilstehender Falten, deren Sattel der Erosion
zum Opfer gefallen sind. Die Bildung der Facberfalten erfolgte
nacb diesen Forschern im Tertiar, was durcb die Einfaltung
sedimentarer „Mulden", die nocb Jura fiihren, bewiesen wurde.
Konigsberger (Lit. 24 und 25) widerspricbt dieser weit-
yerbreiteten Auffassung und yersucbt nachzuweisen, daB die
Hauptel emente der Tektonik schon auf eine bercy-
niscbe Faltung zuruckzufiihren seien. Fur den Zeit-
punkt der Auffaltung nimmt er die Zeit zwiscben Mittel-1) und
Obercarbon an (Lit. 24, S. 884), d.h. die Zeit zwiscben Wendenjocb-
Carbon und Carbon vom Bristenstock (= Carbon vom Biferten-
gratli = Ob. Westphalien nacb Escher-Zeiller). In welcher
Weise er die Aufricbtung der Scbicbten mit der Intrusion des
Zentralgranits in Zusammenhang bringt, wurde bereits erwabnt
(S. 291). Im Tertiar babe dann nur nocb scbrage Hebung des
Ganzen und starkerer Zusammenscbub stattgefunden.
Nocb weiter geht Escher (Lit. 13). Er bespricbt alle
Carbonyorkommnisse der Westalpen und weist an Hand davon
zwei bercyniscbe Faltungen nach: die erste vor Ablagerung des
Obercarbon, die zweite vor Ablagerung der Trias. Von diesen
J) Es sollte nach den ubrigen Ausfiihrungen K.'s besser Unter-
carbon heifien!
296
Resultaten ausgehend, verallgemeinert er, iibersieht die Wir-
kungen einer tertiaren Gebirgsbewegung an den Zentralmassiven
vollstandig und erklart den ganzen Bau der autochthonen
Massive fiir hercynisch. „Ich glaube aber bestimmt, daB es
Reste eines hercynischen Gebirges sind und nicht ,heraufge-
tragene Teile des mitgefalteten Untergrundes' " (Lit. 13, S. 94).
Die Wahrheit wird wohl in der Mitte liegen zwischen den
alteren Anschauungen Heims und Baltzers und den neueren
VOn KONIGSBERGER und ESCHER.
"Wohl allgemein ist jetzt die Ansicht als richtig angenommen,
daB am Nordrand des Aarmassivs die Sedimente auf einer
Abrasions- (Denudations-) flache des krystallinen Gebirges auf-
liegen, und da8 sie sich, kleine Rutschungen abgerechnet, nock
im primaren Yerband mit ihrer Unterlage befinden. Man be-
zeichnet sie demnacli als den „autochthonen Sediment-
mantel des Aarmassivs", im Gegensatz zu den hoher Kegen-
den, von S her iibergeschobenen Decken (vgl. Taf. XXI, Fig. 2).
Steben nun unter einer Sedimentdecke steilgestellte Gneise und
Scbiefer an, so ist es klar, daB ihre Aufrichtung vor der TJber-
lagerung durch die Sedimente erfolgt sein muB. Bei den steilge-
stellten Gneisen und carboniscben Schiefern (Wendenjoch !) unter
dem autocbtbonen Sedimentmantel handelt es sich also zweifellos
um ein pratriassisches, hochstwahrscheinlich hercyni-
sches Rumpfgebirge. Seine Faltung erfolgte in der varistischen
Richtung (SW — NO), d. h. in derselben, wie die spatere tertiiire
Alpenfaltung.
Nun darf aber aus dieser Diskordanz zwischen krystallinen
Gesteinen und autochthonem Sedimentmantel am Nordrand des
Aarmassivs durchaus nicht auf die Tektonik des ganzen
Massivs geschlossen werden, wie dies von Koxigsbergek
und Escher geschieht. Der Beweis fiir tertiare Elemente der
Tektonik liegt in der grofiartigen Einfaltung j lingerer (triassi-
scher und jurassischer) Sedimente in das Zentralmassiv.
Hier ist zunachst die Zone des Kalkkeils von Farnigen
zu nennen. Bei diesem Ort liegt ein Komplex von Porphyren,
Rotidolomit (nur in einzelnen Fetzen; vgl. Mosch, Lit. 27, S. 286),
Dogger und Malm konkordant im Sericitgneis. DaB dem Kalk-
keil von Farnigen eine viel groBere Bedeutung zukommt, als
bisher angenommen wurde, beweisen die Untersuchungen
Konigsbergers (Lit. 25). Er wies nach, daB die Einklemmung
des Jura mit einem Porphyrzug verbunden sei, der vom Tscharren
(am Oberalpstock) an zu verfolgen ist. Am Bristenstock liegen
auf diesem Porphyrzug die Anthrazite des Bristenstafeli. Bei
Inschi tritt zuin erstenmal Dogger auf; schlieBlich kommt noch
297
Malm hinzu, der am Kalkkeil des Kalcbtals zum letztenmal
auftritt. Zweifellos bilden die Porpbyre und die carboniscben
(?) Scbiefer der Triftbiitte am Tbaltistock eine Fortsetzung
dieses Zuges, was schon auf der BALTZERscben Karte (Bl. 13)
klar beraustritt.
Die Bedeutung dieses merkwiirdigen, fur die Tektonik des
Aarmassivs uberaus wicbtigen Zuges moge an Hand eines Profils
vom oberen Engelberger Tal iiber das Kleine Spannort bis Maien-
Dorfli besprocben werden (Fig. 8). Steigt man von Staffeli iiber
die Spannortbiitte zum Kleinen Spannort auf, so kommt man
EG-n Erstfelder Gneise, R Rotidolomit,
Scgn Sericitgneise, D Dogger,'
Po Porphyr, M Malm.
Fig. 8.
Profil Engelberger Tal — Kl. Spannort — Maiental (Versenkung des Kalk-
keils von Farnigen). Mafistab 1 : 100000.
iiber steilgestellte E. Gn., auf denen diskordant die Sediment-
decke liegt. Beim Abstieg iiber den BoJBfirn ins Maiental
bleibt die Gneisscbicbtung immer dieselbe; auf Seewenalp trifft
man nun aber plotzlicb auf Jurakalk, der konkordant
im Gneis liegt. Bei Farnigen stebt der Kalk nocb in der
Talsoble an. Denkt man sicb siidlicb iiber das Kleine Spann-
ort binaus, yvie dies im Profil angedeutet ist, die Auflagerungs-
flacbe fortgesetzt, so kommt fur die Yersenkung des Kalkes
unter diese Flacbe ca. 3000 m heraus. Wenn diese Zabl aucb
zu bocb gegriffen ware, so kann dock gesagt werden, dafi es
sicb bier um eine zweifellos tertiare Gebirgsbewegung grofiten
Stils handelt, yollends wenn wir bedenken, dafi sicb diese Zone
(allerdings in sebr wecbselnder Gestalt) vom Oberalpstock bis
zum Triftgletscber verfolgen laflt. Der Kalkkeil von Farnigen
lebrt, dafi die Konkordanz der Gneise vom Engelbefger Tal
bis ins Maiental nur eine scbeinbare ist: zum Teil ist die so
einfacb erscbeinende Tektonik carbonischen, zum Teil tertiaren
Alters. Als „Mulde" kann der Zug des Kalkkeils nicbt be-
298
zeichnet werden; dazu fehlt ihm der synimetrische Bau. Es
ist eine Einfaltung in weiterem Sinn, entstanden durch riesige
Versenkung, verbunden mit konkordanter Anpressung an
alteres, schon gefaltetes Gebirge. Dadurch setzt sich diese
Erscheinung in einen gewissen Gegensatz zu den Vorgangen
an der nordlichen Kontaktflache von „Gneis" und Kalk, wo
iiberall die gebirgsbildenden Krafte nach oben wirken, den
Kalk festklemmen und den Granit daruber wegschieben (z. B.
Pfaffenkopf).
Die zweite Erscheinung, die fiir tertiare Tektonik der Zen-
tralmassive spricht, ist die sog. „Urserenmulde", die sich
zwischen Aare- und Gotthardmassiv einschiebt und sich langs
des ganzen Sudrands des Aarmassivs verfolgen lafit (auf iiber
100 km Entfernung). Auch sie mu£ tertiar eingefaltet sein,
denn es kornmen in ihr noch jurassische Gesteine vor. Ihr
tiefes Eindringen zwischen den krystallinen Gesteinen beweist
die Tatsache, da!3 der Marmor von Andermatt beim Bau des
Gotthardtunnels durchfahren wurde.
Angesichts dieser beiden groJ3artigen „ Einfaltung en", die
sich auf Dutzende von Kilometern verfolgen lassen und in re-
lativ geringer Entfernung (ca 12 km) voneinander dahinziehen,
kann man unmoglich die Zentralmassive einfach als „hercynische
Gebirge" bezeichnen. Meines Erachtens geniigen sie vollstandig,
um die tertiare Tektonik des dazwischenliegenden Zentralmassiv-
teils zu beweisen. Derart gewaltige tektonische Erscheinungen
lassen sich auch nicht aliein durch „starkeren seitlichen Zu-
sammenschub im Tertiar" erklaren, wie Koxigsberger will.
Aus seinem „schematischen Rekonstruktionsversuch eines Profils
im Mesozoikum durch das Aaremassiv" (Lit. 25, S. 39) geht
diese Moglichke.it in keiner Weise hervor; es muflte noch so-
gut wie alles geschehen, um aus diesem Querschnitt die Facher-
struktur entstehen zu lassen.
Nach diesen Ausfiihrungen ist also die Tektonik des
Aarmassivs zum Teil carbonischen, zum T eil tertiaren
Alters. Nordlich vom Kalkkeil von Farnigen befindet sich
varistisches Gnmdgebirge, hercynisch gefaltet; mit der Zone von
Farnigen beginnt die tertiare Tektonik, die das ganze iibrige
Massiv beherscht. Durch die Kraft der Alpenfaltung wurden Ge-
steinsserien an das davorliegende altere Gebirge angepreJ3t.
Das Aarmassiv ist demnach aus zwei Teilen zusammen-
geschweiBt, und so gut man durch die Urserenmulde Aar-
massiv und Gotthardmassiv trennt, mit ebensoviel und noch
mehr Recht konnte man durch die Zone yon Farnigen das
Aarmassiv in zwei Teile scheiden. Datf das Ganze trotzdem
299
scbeinbar einbeitlicbe Struktur aufweist, erklart sicb aus der
Tatsacbe, daB bercyrriscbe und tertiare Faltung in genau der-
s el ben Ricbtuug gewirkt baben.
Damit findet auch eine Frage ibre Beantwortung, die bei
der Behauptimg aufsteigen niuB, die „nordlicbe Gneiszone" des
Aarmassivs sei, kurz gesagt, Scbwarzwalder Grundgebirge.
Wie kommt es, daB dieses Grundgebirge nach einem Yer-
scbwinden unter Sedimenten auf einer Breite von ca 100 km
(von Laufenburg bis Erstfeld) gerade nocb in einem Streifen
von wenigen Kilometern Breite bier berausseben soli, urn dann
endgiiltig von andern Gesteinen abgelost zu werden? Das
scbeint aufierst zufallig und desbalb durcbaus unwabrscbeinlicb
zu sein. Die Antwort auf diese berecbtigte Frage diirfte nacb
dem bis jetzt Ausgefiibrten nicbt allzu scbwierig zu geben sein:
Gerade bier setzen gewaltige tertiare Dislokationen ein, die
andere Gesteine an das ungestorte varistiscbe Grundgebirge
anpressen. Uber die Natur derartiger gebirgsbildender Yor-
gange in krystallinen Gesteinen besitzt die Wissenscbaft zur-
zeit allerdings nur wenige klare Yorstellungen. Yielleicbt sind
aber aucb die Gesteine, die das varistiscbe Grundgebirge ab-
losen, jiingeren, erst tertiaren Alters (Zentralgranit) ; dies ware
eine nocb einfacbere Erklarung fur sein Yerschwinden.
Nacb alledem erbalt nun aber die „nordlicbe Gneiszone"
den Cbarakter als Widerlager bei der A lp enf altung.
Selbstverstandlicb kann der Scbwarzwald nicbt als Widerlager
gelten (Escher, Lit. 13), aber aucb nicbt die Zentralmassive
als Ganzes, wie Escher dann annebmen mocbte. Als Wider-
lager miissen wir diejenige Masse auffassen, an der die von SO
kommende Bewegung sicb staute, die diesen gewaltigen Kraften
gegentiber sicb in ibrer Lage behaupten konnte. Wir miissen es
naturlicb von voruberein im krystallinen Untergrund suchen.
Alles dies trifft fiir die „nordliche Gneiszone" zu. Siidlicb
von ibr findet nocb ein Zusammenschub statt; das beweisen die
Zone von Farnigen und die Urserenmulde. An dem Sock el
varistiscben Gr undgebirges von E. Gn. und I.Gr. kam
jedocb die Gebirgsbewegung zum Stillstand; der ganze
Komplex wurde zwar samt der dariiber lastenden Sediment-
decke scbief aus dem Untergrund berausgeboben, sonst aber
nicht weiter disloziert; er konnte standbalten. Dariiber binweg
schoben sicb die weiter im S abgescberten Decken. DaB die
nordKcbe Gneiszone bei der Alpenfaltung gewaltige Drucke
300
auf sich genomnien hat, das beweisen die Quetschzonen des
I.Gr. und der E. Gn. sowie die Verknetungen mit dem autoch-
thonen Sedimentmantel.
Zusammenfassung der Resultate.
In der sogenannten „nordlichen Gneiszone" des Aarmassiys
sind zwei yerschiedene, scharf begrenzte Gesteinsgruppen zu unter-
scheiden: die Erstfelder Gneise und der Innertkir chener
Granit.
Der Komplex der E. Gn. ist in erster Linie zusammen-
gesetzt aus kornig-schuppigen Biotitgneisen mit gut ausgebil-
deter Lagentextur. Schon Heim bezeichnet diesen Typus als
auBerordentlich konstant. Die Struktur dieser Gesteine schlieflt
eine Entstehung durch blofle Druckinetamorphose oder durch
Krystallisationsschieferung aus; die regelmaflige Zusaromen-
setzung spricht gegen die Deutung dieser Gesteine als injizierte
Schiefer. Vielmehr finden sich deutliche Anklange an Eruptiv-
struktur; das Gestein ist als reiner Eruptiygneis (Orthogneis)
anzusprechen.
Von ihm unterscheidet sich scharf ein feirikorniger Gneis
mit kleinen Biotitblattchen, der schon in seinem Auftreten an
ein sedimentares Gestein erinnert. Die krystalloblastische
Struktur und die wechselnde chemische Zusammensetzung des
Gesteins stimmen zu der Ansicht, daB es sich um einen Sedi-
mentgneis handelt. An yerschiedenen Stellen finden sich
Einlagerungen yon Kalk und Kalksilikatfels. Besonders in-
teressant sind Wollastonitgesteine yom SustenpaB.
Meist tritt der Sedimentgneis nicht in yollstandiger Reinheit
auf; es finden sich in ihm ap-litische oder pegmatitische Gauge,
die sich zuletzt in feine Adern auflosen. Diese Gneise sind
demnach als Mischgneise zu bezeichnen.
Die einzelnen Gesteinstypen weisen nun enge Yerwandt-
schaft mit den Gneisen des S chwarz walds auf: die Erup-
tivgneise entsprechen strukturell und chemisch den Schapbach-
gneisen, die Sedimeutgneise den Renchgneisen. Besonders
uberraschend ist die Ubereinstimmung der Einlagerungen yon
Kalksilikatgesteinen im Erstfelder Sedimentgneis mit entspre-
chenden Yorkommen yom Schwarzwald.
Im Siiden schliefien sich an die E. Gn. sehr stark gepreflte
Gesteine an („Zone der S ericitgneis e ") , die zum groBen
Teil aus umgewandelten E. Gn. bestehen.
Der Innertkirchener Granit, der westlich yom Wen-
denjoch die E. Gn. ablost, ist ein typischer Granitit mit nor-
301
nialer Ausscheidungsfolge, der weder zum Erstfelder Eruptiy-
gneis noch zum Zentralgranit BeziehuDgen aufweist, yielmehr
dem Gasterengranit und jedenfalls auch den Graniten des
Schwarzwalds gleichzustellen ist. Sehr weit verbreitet in ihm
sind Scholleneinschliisse; die Marmorlinsen der Aufleren
Urweid sind nicht abgequetschte Teile des Pfaffenkopfkeils,
sondern grofie yom Granit umflossene Schollen.
Der I.Gr. zeigt an der GrimselstraBe sehr schon entwickelte
Quetschzonen, in denen die Umwandlung des Granits zu
gneisahnlichen Gesteinen, schlieBlich zu feinplattigem Sericit-
schiefer in alien Stadien zu verfolgen ist.
Das Carbon des "Wendenjochs ist jiinger als die E. Gn.
und jedenfalls alter als der I.Gr.; wahrscheinlich ist es dem
Untercarbon des sudlichen Schwarzwalds gleichzustellen.
Die ganze „nordliche Gneiszone" entspricht petrographisch
und tektonisch dem krystallinen Schwarzwald; sie stellt ein
Stuck echten yaristischen Grundgebirges mit carbo-
nischer Tektonik dar. Die sedimentaren Zonen yon Far-
nigen und Andermatt beweisen jedoch fur den siidlicher lie-
genden Teil des Aarmassiys sowie fiir das Gotthardmassiy das
tertiare Alter der Tektonik. Damit erscheint das (bis jetzt
als einheitlich angesehene) Aarmassiy aus zwei yerschie-
denen Teilen zusammengeschweiBt: die Zone yon Farnigen
scheidet die carbonisch aufgerichtete „nordliche Gneiszone"
yon den tertiar dislozierten eigentlichen Zentralmassiyen. Die
„nordliche Gneiszone" bildete das Widerlager bei der Alpen-
faltung, was durch das Auftreten der sich siidlich anschliei^enden
riesigen Quetschzonen bestatigt wird.
Manuskript eingegangen am 20. Marz 1913.]
302
6. Zur Tektonik des Monte Gruglielmo
und der mittleren Yal Trompia1).
Von Herrn Norbert Tilmann in Bonn.
(Hierzu Taf. XXI[ und 6 Textfiguren.)
Seit dem Erscheinen meines Aufsatzes in diesen Monats-
berichten2) ist iiber die Triasberge ostlich des Iseosees eine
Reihe geologischer Mitteilungen veroffentlicht worden, die
geeignet sind, das von mir entworfene Bild von dem Aufbau
des Massives des Monte Guglielmo bis zur mittleren Yal
Trompia hin erheblich umzugestalteu. In erster Linie sind
hier die Arbeiten von G. B. CaCCIamali zu nennen, der nach
Aufnahme der siidlicli vorliegenden Bergziige auch das ganze
Gebiet des Monte Guglielmo und der mittleren Val Trompia
in den Bereich seiner Untersuchungen gezogen hat3). Ich
wiirde mit der Besprechung und Kritik dieser Arbeiten bis
zum Erscheinen der meine Studien endgiiltig darlegenden aus-
fiihrlichen Beschreibung des ganzen Triasgebirges ostlich des
Iseosees gewartet haben, wenn nicht die Resultate, die sich
Herrn CaCCIAMALI besonders in tektonischer, aber auch in
einigen Punkten in stratigraphischer Hinsicht ergeben, so voll-
standig von den von mir vertretenen Anschauungen abweichen
wiirden. So sehe ich mich genotigt, wenigstens kurz auf die
Darlegungen CaCCIAMALIs naher einzugehen, schon weil man
sonst mit Recht vermuten konnte, ich hatte ebenso wie CaO
CEAMALI meine Ansichten iiber die Tektonik des Monte Gu-
glielmo und seiner Umgebung geandert und stimme seinen
Deutungen voni Bau dieser Berge bei.
1) Die Jateinischen Zahlen im Text beziehen sich auf die mit ent-
sprechender Nummer yersehenen Arbeiten, die in den FuBnoten an-
gefiihrt sind.
2) Tilim ann, N. : Beitrag zur Stratigraphie und Tektonik der Trias
des Monte Guglielmo. Zeitschr. Deutsch. Geol. Gesellsch. 1909, Monatsber.
Nr. 4. (I).
3) CacCiamatj, G. B.: Una falda di ricoprimento tra il lago d'Iseo
e la Val Trompia, Boll. soc. geol. Ltal. 29, 1910. — La Geologia Bresciana
alia luce dei nuovi concetti orogenici. Coram. Aten. Brescia 1911. —
La falda di licoprimento del Monte Guglielmo con- premesso schizzo
tectonico della Lombardio orientate. Boll. soc. geol. ltal. 30, 1911. —
Struttura geologica del gruppo del Monte Guglielmo. Comm. Aten.
Brescia 1912. (II).
303
P1^ AnisischeStufe WHIHH Esinokalk ^Z<\ Hauptdolomit Lias
^j^LadinisdieStufe \////\ Raibler w:S^ Rh3ei k 1 Bruch/inien
Fig. 1. Geologische Skizze des Monte Guglielmo nach der Karte 1 : 25000
von G. B. Caccivmali 1 : 100000.
■ ^ystallin llfil Esinokalk Rhaet
i— I Perm u UntereTnos Raibler f77.V] Porphyria
^^^Anis/sche u.LadinischeStufe \~-~-\ Hauptdolomll | | Bruchlinien. L'3S
Fig. 2. Karte des Monte Guglielmo (nacli Tilmann).
304
Es ist eine kurze Klarstellung auch deshalb erforderlich,
weil der Auffassung CaCCIAMALIs von anderer Seite beigepnichtet
worden ist. BONOMINl1) hat sich in einer kurzen Arbeit iiber
den M. Gardio zu dieser neuen Deutung bekannt, und auch
H. BaSSMUSS2) hat sie sich — freilich ohne weitere Kritik —
zu eigen gemacht, da sie sich so gut der von ihm aufgestellten
Hypothese iiber den Bau der lombardischen Alpen einfugt.
Dadurch erhalten die Differenzen, die zwischen Herrn Cac-
CIAMaLI und mir hinsichtlich der Tektonik des Monte Guglielmo
bestehen, auch prinzipielle Bedeutung fur die Auffassung des
Baues dieses Teiles der Siidalpen; sie spiegeln den Gegensatzr
der sich in der Ausdeutung des tektonischen Charakters der
ganzen Sudalpenzone neuerdings wieder scharfer bemerkbar
macht; es handelt sich um die Entscheidung der Erage, ob-
Faltenbau und Falteniiberschiebungen, also vorwiegend tan-
gentialer Schub, oder Senkungserscheinungen, begleitet von
tangential em Druck, den Charakter der Tektonik bedingen.
Die Ausfiihrungen CaCCIAMALIs sind von einer geologi-
schen Karte des Monte Guglielmo im Mafistab 1:25 000
(Fig. l) und einer Profilserie begleitet (II). Es handelt sich
im wesentlichen um die gleiche Gegend, die ich in meiner
fniheren Arbeit durch eine Karte in kleinerem Mafistab und
eine Folge von Profilen erlautert habe (I)3) (Fig. 2). Aus
dem Vergleich beider Karten wird man entnehmen, dafi, ab-
gesehen von dem siidostlichen Teil des Gebirgsmassives des
Monte Guglielmo, unsere Aufnahmen in der Verteilung der ver-
schiedenen Schichtkomplexe und auch im Yerlauf der Storungs-
linien in den wesentlichsten Punkten . iibereinstimmen. Um
so erstaunter wird man danach den fundamentalen Unterschied
in der Auffassung der Tektonik bemerken, der sich in den
Profilen (Fig. 3 u. 4) scharf auspragt.
Das Endergebnis meiner Untersuchungen lief darauf hin-
aus, dafi das tektonische Bild, das die Storungen diesem Ge-
biete aufpragen, im wesentlichen auf Senkungsprozesse und
durch diese hervorgerufene Stauungen zuriickgefiihrt werden
konne und mit dem .Nachweis des Fehlens einer grofieren
Faltung die Annahme ausgeschlossen erscheine, dafi die Dis-
J) Bonomini, C: IL Monte Gardio. Boll. soc. geol. Ital. 31, 1912.
2) Rassmuss, H.: Der Gebirgsbau der lombardischen Alpen. Zeit-
schrift Deutsch. Geol. Gesellsch., Monatsber. 65, Nr. 2, 1913.
3) Da die Arbeit von Cacciamali der Mehrzahl der Leser zum
Vergleich kaura zugariglich sein diirfte, habe ich in Fig. 1 eine ver-
kleinerte Kopie seiner Aufnahme gegeoen und fiige in Fig. 2 meine
triihere Skizze etwas erweitert und verbessert bei.
305
lokationen aus iiberschobenen unci zerquetschten Falten hervor-
gegangen und als Faltenbriiche anzusprechen seien (I).
Dagegen findet CaCCEAMALE in dem gleichen Gebiet be-
trachtliche Uberschiebungen, die aus gegen S iibergelegten
Falten entstanden sein sollen. Die Storungslinien, die auf
meiner Karte und meinen Profilen als Langsbriiche erscheinen,
N. S.
fyyi] pwi mm ^
tmsischeStufe WengenerSchicMen Esinokalk RaiblerTuffe Haiptdolomit
Reitrikatk .
Fig. 3.
Profil durch den Siidabfall des Monte Guglielmo 1 : 50000
(nach G. B. Cacciamali).
CornoJiragna c
— 10 Om.
TTZZ^ ZulZZ: tyi-l^t'l |:z.:::.| „EZ±3
AnisischeSfufe WengenerSchirht Esinokalk RdiblerSchirbkr) Haupf - .Porphynte
neitzikaUi dohmit
Fig. 4.
Profil durch den Siidabfall des Monte Guglielmo 1 : 50000
(nach N. Tilmann).
an denen die einzelnen Schollen gegen S treppenformig absinken,
begrenzen uach ihm Uberschiebungsmassen, die aus scharf nach S
iiberschobenen Falten, z. T. mit vollig ausgequetschtem Mittel-
schenkel, abzuleiten sind (II).
Es zeigt sich hier der gleiche Gegensatz in der Deutung
der Tektonik, der, wenn auch nicht so scharf, zvvischen der
Auffassung yon A. BETTNEli und meiner Ansicht besteht1).
l) Bittner, A.: Uber die geologischen Anfnahmen in Judikarien
und Val Sabbia. Jahrb. k. k. geol. Reichsanst. 31, 1881, S. 362 (144).
— Tilmann, N.: Tektonische Studien im Triasgebirge des Val Trompia.
Diss. Bonn 1907. Taf. II. (III.)
Zeitschr. d, D. Geol. Ges. 1914. 20
306
Em Yergleich unserer Profile von Collio nach Yestone — von
der oberen Yal Trompia zum Chiesetal — veranschaulicht
das ganz klar. Wahrend Bitt.ner die verschiedenen Langs-
storungen als Uberschiebungslinien nach S ubergelegter Falten
mit ausgequetschtem Mittelschenkel anspricht, sind es fiir mich
einfache, nach N einfallende Langsbruche, die die Schollen
Yoneinander trennen. Allerdings macht sich doch ein von
N wirkender Druck bemerkbar, der die jeweils nordliche
Scholle auf die gesenkte siidliche Scholle uberschiebt.
Wie schon hervorgehoben wurde, stimme ich mit CaccIAMALI
in den tatsachlichen Punkten, insbesondere in der Dreiteilung des
Siidabfalls des Monte Guglielmo, durchaus iiberein. Das Gipfel-
massiv des Monte Guglielmo und die oberen Abstiirze des
Berges nebst der weiten Plateauflache, die sich bis zum Monte
Stalletti hinzieht, bestehen aus einer nach gegen S fallenden
Schichtserie, die die mittlere Trias bis zum Esinokalk herauf
umfafit. An dem FuBe der steilen Siidabstiirze treten, an-
stoBend an Graciliskalk, die roten Raibler Tuffe auf, die sich
in einem fortlaufenden Bande als deutliche Terrasse durch die
oberen Yerzweigungen der Yal d'Inzino verfolgen lassen und
das oberste Schichtglied der zweiten Scholle bilden, die eben-
falls wieder bis zum Graciliskalk ' herunterreicht. Diese zweite
Scholle stoBt im S an die machtige Masse yon Hauptdolomit,
die im Monte Nistola und Monte Lividino iiber 1000 m Machtig-
keit erreicht, und unter der die ganze Serie der mittleren
Trias in der Antiklinale yon Marchenb zutage tritt. Auch
CaCCIAMALE halt an dieser urspriinglich schon yon COZZAGLIO1)
gegebenen Dreiteilung fest.
Ich hatte fruitier ausgefiihrt, daB sich diesen drei Staffeln
die einfache Schichtfolge am WestfuB des Monte Guglielmo,
das sog. Normalprofil CuRlONls, dadurch angliedert, daB der
SenkungsprozeB auf der Westseite in einem einheitlichen Ab-
sinken der ganzen Schichtfolge nach W besteht, wahrend der
analoge SenkungsprozeB auf der Siidseite verschiirft erscheint
und deshalb hier kein einheitliches Absinken, sondern ein
Abbrechen in mehreren Schollen erfolgt. Das besagt, daB die
die Schollen trennenden Langsbriiche gegen W allmahlich
verschwinden miissen. In der Tat konnte gezeigt werden, daB
aus den Briichen an der Siidseite des Bergmassivs auf der
Siidwestseite steile Plexuren (Valle di Gasso, Dozzo Fontanazzi)
werden, die nach W gegen den Iseosee in der steil gestellten
Schichtfolge verschwinden (I).
J) Cozzaglio: Note esplicative sopra «alc. relievi geol. in Val
Camonica. Giorn. Mineralo^., Bd. V, Pavia 1894.
307
Die Ostseite des Monte Guglielmo konnte ich damals
nicht so eingehend untersuchen; es gelang mir jedoch, fest-
zustellen, daB die ganze Schichtfolge gegen die Val Trompia
hin nach 0 absinkt, dafi die zwei Langsbriiche auf der
Siidseite gegen 0 unterhalb des Monte Stalletti sich ver-
einigen uud allmahlich in einen slide ordlich verlaufenden Bruch
iibergehen, an dem die ostliche Scholle gegen das Gipfel-
massiv des Monte Guglielmo abgesenkt erscheint. Dieser
Querbruch stoBt westlich von Pezzoro in der oberen Yalle
delle Selle gegen die Val Trompia-Linie und bildet die ost-
liche Grenze der groBen, flach geneigten Tafe], die das Gipfel-
plateau des M. Guglielmo umgreift. Ostlich von ihm haben
wir bei Pezzoro sehr komplizierte und z. T. wegen der starken
Schuttbedeckung nur schwer zu deutende, mir damals noch
nicht yollstandig klare Verhaltnisse. Es folgt zunachst siid-
lich der Yal Trompia-Linie eine aus Raulrwacke und Gracilis-
kalk bestehende iiberkippte, steil nordlich fallende Scholle.
Diese stofit an einer Langsstorung, die oberhalb Pezzoro ver-
lauft, an eine Antiklinale, die besonders deutlich in der
obersten Yal di Pezzoro aufgeschlossen ist und hauptsachlich
aus "Wengener Schichten, Esinokalk und Raibler Tuffen und
Porphyriten besteht.
Ich vermied es damals festzulegen, ob die nordlich Yon
Pezzoro yerlaufende Langsstorung durch die Yal Morina gegen
Osten fortsetzt und ihreh AnschluB findet an die vom Monte
Ario im Osten bis in die Yal Trompia verfolgte Uber-
schiebung. Infolge maDgelhafter Aufschliisse und weiter Uber-
deckung mit jungen Schuttmassen ist der Talkessel yon
Pezzazze einer klaren Ubersicht wenig giinstig. Doch nahm
ich kein Bedenken, das ganze Gipfelmassiy des Monte Pergua,
das die Yalle di Pezzoro yon der Yal Trompia trennt, als
Hauptdolomit anzusprechen und in ihm die nordliche Fort-
setzung der vom Monte Nistola iiber den Dosso Zumio heran-
ziehenden Dolomitmasse zu erblicken, die jenseits der Yal
Trompia im Hauptdolomit des Castel dell' Asino ihr Spiegel-
bild findet.
CaCCIAMALI vertritt nuD, wie oben ausgefiihrt, fiir den
Siidteil des Monte Guglielmo die Ansicht groflerer Falten-
uberschiebungen (Fig. 3) (II), Da bei Entscheiduog dieser
Frage von Wichtigkeit ist, ob die Langsstorungen ein flaches
oder steiles Einfallen nach N aufweisen — denn dies
ist, wie man leicht aus Fig. 3 u. 4 entnehmen kann, der
einzige in Betracht kommende Unterschied beider Profile, ab-
gesehen von einem untergeordneten Bruch an der Corna Tiragna
20*
308
— , so wird es zweckmaGig sein, den Yerlauf beider Linien
auf der Siidseite des M. Guglielmo einmal genauer zu ver-
folgen. Betrachten "wir zunachst den Verlauf der Uber-
schiebungslinie der obersten Scholle, so finden wir, daB er
auf den Siidhangen nicht wesentlich von der von mir an-
gegebenen Richtung abweicht. Die Storung durchschneidet die
oberen Verzweigungen der Valle d'Inzino und steigt iiber
die trennenden Riicken hinweg ziemlich tief in die einzelnen
Taler herab. Ware diese Storungsflache tatsachlich eine flache
Uberschiebung, so miiBte man erwarten, daB sie ungefahr den
Isohypsen parallel laufen wiirde, wahrend sie in Wirklichkeit
diese scharf schneidet1).
Den klarsten Beweis fiir den Bruchcharakter dieser Linie
liefert ein AufschluB im Bachbett der Valle di Colonno in der
Nahe der C. Colonno. Der Weg, der von dieser Hiitte nach
der C. Sella fiihrt, trifft gerade an der Stelle, wo er den
Bach iiberschreitet, auf die Storungslinie. Hier sieht man
deutlich, wie der Raibler Porphyrit mit seinen Tuffen an den
schwarzen Kalken des Gracilishorizontes scharf absetzt, die
hier schwach gegen N fallen. Man kann die Grenzflache
gegen die C. Zocchi herauf ein Stuck weit in einem kleinen
SeitenriB verfolgen. Es kann sich hier nicht um eine flach
nach N fallende Uberschiebung handeln, da die Flache steil
gegen N einschieJBt.
Der wahre Grund fiir die Annahme einer Falteniiber-
schiebung dieser oberen Scholle durch CaCCIAJIALI ist aber
darin zu suchen, daB er auf der Ostseite des M. Stalletti die
Storungslinie direkt mit dem auch von mir angegebenen Quer-
bruche verbindet, der ostlich der C. Pontogna vorbeifiihrt.
Dadurch erhalt die Scholle der Gipfelregion des M. Guglielmo
auf den ersten Blick tatsachlich die Gestalt einer Uber-
schiebungsmasse, die in der oberen Val di Pezzoro stark von
der Erosion angegriffen ist und. die Unterlage, Wengener
2) Auf meiner kleinen Skizze (I) hatte ich dieser Storungslinie
einen etwas gekrummten Verlauf gegeben, entsprechend der Tatsache,
daB die Bruchflache weder ganz steil noch horizontal einschieBt,
sondern in Wirklichkoit unter ziemlich steilem Winkel nach N ge-
neigt ist. Es bedarf diese Linie einer kleinen Korrektur. Auf den
einzelnen Bergriicken, die die oberen Verzweigungen der Val d'Inzino
trennen, sieht man besonders oberhalb der C. Ortighera GraciJiskalk
ziemlich weit auf Raibler Schichten aufliegen. Untersucht man diese
anscheinend auf die Raibler Schichten flach aufgeschobenen Scholle
naher, so findet man, daB es sich hier um abgerutschte Massen der
dahinter sich erhebenden Absturze des Graciliskalks handelt, und daB in
Wirklichkeit die Storungsflache mit steil nordlich fallendem EinschieBen
die beiden Schollen voneinander trennt.
309
Schichten, Esinokalk und Raibler, in der Tiefe des Tales er-
scheinen laSt, zumal ein aus der Gegend der Casa Campedei
siidlich der Forcella di Pezzoro gegen Tavernole in der Val
Trompia hinziehender O-W-Bruch die Querbruchlinie im nord-
lichen Teil entsprechend dem Talrelief gegen den Berghang ver-
schiebt. (Fig. 2.) Aber es ist bier das gleicbe Bild wie an der
Stelle, wo die Val Trompia- Linie auf dem ostlichen Talbang der
Yal Camonica aus der O-W-Richtung nach N abschwenkt und der
Langsbruch in den Querbruch ubergeht, indem der Senkungs-
prozeB, der die Sedimente gegen die kristallinen Scbiefer ver-
senkt, auf der Westseite durch ein Absinken nacb W ersetzt
wird und dementsprecbend bier die Abbruchslinie einen N — S
gericbteten Yerlauf erbalt. Gegen 0 wiirde die obere Scbolle
fortsetzen in der iiberkippten Zone nordlich von Pezzoro, die
direkt an die Yal Trompia- Linie anstoflt.
Nun sind die Verhaltnisse besonders in der Yal Yerda
durchaus nicbt so klar, wie man es nach der Karte von
CaCCIAMALI vermuten sollte; weitbin sind die Hange iiber-
scbiittet mit dem Geroll des Graciliskalkes ; aufierdem ist schwer
zu entscheiden, welcbe Teile der bier auftretenden Porphyrit-
massen dem im Graciliskalk steckenden Teil des Eruptivs zu-
zurecbnen sind und wieweit sie mit Sicherbeit zu den Raibler
Tuffen zu stellen sind, die den Esinokalk des Dosso Sapel
iiberdecken. Klare Aufscbliisse der Grenzlinie selbst mangeln
bier so gut wie ganz. Aber trotzdem lafit sich an mebreren
Punkten feststellen, dafi die Storungslinie den Cbarakter
eines Bruches baben mul Schon der Weg von der Forcella
di Pezzoro zum Pafliibergang in die Yalle di Colonno zeigt
deutlich, wie steil die Storung, die bier noch einen NO ge-
ricbteten Yerlauf besitzt, in die Tiefe setz.t. Besonders klar
laJ3t sich dieser Charakter erkennen an der Stelle, wo bei
C. Pontogna und C. Dossi der vermeintlicbe Uberschiebungsrand
aus der S — N-Richtung anscheinend wieder in dea W — 0 -Yerlauf
einlenkt. Man sieht hier namlich sehr deutlicb, wie der
Graciliskalk, der in den Corni iiberkippt ist und steil nach
N einfallt, scbarf nach W abbiegt und hier an die auBer-
ordentlich machtigen, wahrscheinlich vielfach gestauchten
Servinomassen der obersten Yalle delle Selle anstoUt (Taf. XXII,
Fig. 3). Der Brucbcharakter der Storungslinie, die hier senk-
recht gegen die Yal Trompia- Linie anstofit, ist evident; auf
andere Weise sebe ich -keine Moglichkeit, die Lagerungs-
verhaltnisse hier zu deuten.
Auch schwenkt der Querbruch nicbt in die Langsstorung
ein, die oberhalb Pezzoro iiber die Hugel J Dossi fortzieht,
310
sondern schneidet sie in W ab und stofit wenig weiter nord-
lich. scharf gegen die Yal Trompia-Linie. Dazu fragt man sich
vergebens, wober iiberbaupt die Uberscbiebungsmasse, die das
Guglielmomassiv bildet, gekommen sein sollte, wenn man sie
nicbt unter das Kristallin, das nordlicb der Yal Trompia-
Linie berrscbt, untertaucben lassen will. Aber der Brucb-
cbarakter dieser groBen Storungslinie ist ja neuerdings fast
allseitig zugegeben worden und wird aucb durcb die soeben
abgescblossenen Untersucbungen des Herrn stud. geol. y. BuLOW
durcbaus bestatigt.
Ein weiterer scbwerwiegender Beweis fur den Cbarakter
der von C. Campedei berbeiziebenden Storungslinie als Quer-
brucb ist aber deutlicb darin gegeben, daB die beiden
durcb ibn getrennten Scbollen siidlicb der Yal Trompia-
Linie so durcbaus verscbieden gebaut sind. Wabrend sicb
im Westen siidlicb dieser Hauptlangsbrucblinie das Gipfel-
massiv des Monte Guglielmo aus einer nur scbwacb gegen
SW geneigten Serie von unter- und mitteltriadiscben SedimeDten
aufbaut, ist ostlicb des Querbrucbes die Scbicbtserie steil
iiberkippt. Icb nenne sie nacb der Yalle delle Selle die
Sellescbolle. Diese wird, wie scbon oben erwabnt, in nicbt
allzuweiter Entfernung von der Yal Trompia-Linie im Siiden
durcb eine Storung begrenzt, die sicb iiber den Bergkamm
J Dossi oberbalb des Ortes Pezzoro binziebt und sicb bis an
den Ostabfall dieses Bergzuges gegen den Kessel von Pezzazze
verfolgen laJ3t. Daran scbliefit sicb im Siiden ein scblecbt
aufgescblossenes, aber ziemlicb kompliziert gebautes Gebiet,
das ebenfalls nocb durcb Storungen zerfetzt wird, das aber
in der oberen Yal Pezzoro gegen die Casa Pontogna zu aus
einer steil aufgewolbten Antiklinale bestebt. In der iiber
J Dossi binstreicbenden Storung erblicke icb im Einvernebmen
mit CaCCIAMALI die Fortsetzung der oberen Storung an der
Siidseite des Monte Guglielmo, die aber nacb meiner Auf-
fassung durcb den grofien Querbrucb Campedei — Pontogna
weit gegen N zuriickgescboben erscbeint und aucb nur eine
sehr scbmale und vollig anders gebaute Scbolle begrenzt.
Trotzdem sie im Kessel von Pezzazze nur undeutlicb auf-
gescblossen ist, verbinde icb sie unbedenklicb, soweit meine
Untersucbungen reicben, mit der Storungslinie, die die steil-
gestellte Scbicbtfolge siidlicb der Yal Trompia-Linie in der
Yal Roccomassimo im Siiden abscbneidet und an der der Por-
pbyrit von Predondo abgesunken ist. Allerdings ist dabei zu
beriicksicbtigen, daB mebrere aus der Ricbtung von Lavone
zu beiden Seiten des unteren Morinatals gegen N ziebende
311
Querstorungen den Yerlauf der Langsstorung stark komplizieren
werden.
In der Yal Trompia unterhalb Bovegno verbindet sich
diese Langsstorung mit der groBen Bruchlinie, an der am
Monte Ario die Nordscholle auf ihre siidliche Vorlage iiber-
schoben ist, die in die Yal Sorda fortsetzt und den Gracilis-
kalk des Monte Zovato auf die Raibler Porphyrite von Irma
bis Z'igole uberschiej)t. Schon friiher habe ich ausgefiihrt,
daB es sich auch bei der Ariostorung nicht um eine Falten-
iiberschiebung handelt, sondern um einen Bruch mit Uber-
schiebungserscheinungen, welch letztere lokal groBeres Aus-
maB z. B. am M. Ario selbst erhalten (III). Unterhalb der
Einmiindung der Yal Meola beobachtet man auf der Grenze
zwischen Porphyrit und Muschelkalk eine innige Yerknetung
beider Gesteine, ganz ahnlich, wie ich eine solche Breccie
schon friiher in kleinem MaBstabe bei Zigole nachweisen
konnte.
Es ergibt sich also, daB vom Gipfelmassiv des Guglielmo
bis in den Meridian von Collio siidlich der Yal Trompia- Linie
eine erste einheitliche Scholle besteht, die allerdings durch
Querstorungen erheblich in Ausdehnung und Tektonik ver-
andert ist.
Wir wenden uns der zweiten groBen Storungslinie zu,
die am Guglielmo zu verfolgen ist. Nach CaCCIAMALI (II)
ist sie der Ausstrich einer groBen Uberschiebung, die durch
die Talbildung der Yal Trompia und ihrer Nebentaler stark
beeinfluBt wird; infolge der tiefgreifenden Erosion springt die
Schubmasse, auf der Westseite der Yal Trompia iiber die
Hohen hinwegziehend, etwa 12 km gegen N ein; dieser Betrag
gibt also einen MaBstab dafiir, welches AusmaB die Yerfrachtung
der Scholle zum mindesten gehabt hat. CaCCIAMALI sieht
ein einheitliches Phanomen in der iibergelegten Falte an der
Punta del Oro, am Siidostende des Iseosees, in der Uber-
schiebung des Hauptdolomits der Punta d'Armala auf Lias
und in der Storungslinie, die die von mir als Zwischenscholle
bezeichnete Masse gegen ihre siidliche Vorlage, die aus Haupt-
dolomit bestehenden Berge der Yalle d'Inzino, abgrenzt.
Was den siidlichsten Teil anlangt, so bemerkt man deutlich,
daB tatsachlich der Hauptdolomit aus NW-B-ichtung auf einer
etwa 40° nach NW geneigten Elache auf den Lias aufgeschoben
erscheint. Man konnte annehmen, es sei der ostliche Fliigel
des groBen Gebirgsbogens, der sich nach RASSMUSS1) um den
l) Rassmuss, H.: Zur Geologie der Valle d'Adrara. Zeitschr. d.
Deutsch. Geol. Ges. 1912, Mon.-Ber. 6.
312
Siidteil des Iseosees schlingt. Auf der ostlichen Seite wiirde
natiirlich die Uberschiebung dem Verlauf des Bogens ent-
sprechend gegen SO gehen. Es ist aber andrerseits nicht
zu Yerkennen, dafi hier anscheinend die ersten Anzeichen der
gegen 0 herrschenden Storungsrichtungen sich bemerkbar machen,
die ihren Prototyp in der Judikarienlinie finden. Darauf weist
auch das Streichen der Antiklinale Marcheno-Lodrino.
Verfolgen wir die Linie weiter gegen den Monte Guglielmo
zu, so finden wir, daB CaCCIAMALI sie am Dosso Fontanazzo
mit einem Querbruch zusammenfallen laBt, der nach meinen
Angaben am Ostabfall des genannten Berges entlang zieht und
eine erhebliche Verbreiterung der Mittelscholle bewirkt. Diese
besteht ostlich dieser Querstorung aus einer einfachen, schwach
nordlich geneigten Gesteinsserie; westlich bildet sie eine steile
Flexur auf der S-Seite des Dosso Fontanazzo, und hier erscheint
die scharfe Grenze gegen die siidliche Yorlage nicht vorhanden,
sondern durch die Flexur ausgelost. Nach CaCCIAMALI aber
soil gerade hier am Dosso Fontanazzo mit voller Deutlichkeit
die Uberschiebung der oberen Scholle, die eine liegende Falte
darstellt, iiber die aus Hauptdolomit, Rhat und Lias bestehende
siidliche Scholle zu sehen sein (Fig. 5). Genaue Untersuchungen
aber zeigen, daB CaCCIAMALI an dieser Stelle zwei nebenein-
ander liegende Profile, die zu beiden Seiten der genannten
Querstorung verlaufen, in eine Ebene projiziert hat (Fig. 6).
Dadurch erhalt er ein Uberschiebungsbild in der gleichen
Weise wie bei der oberen Storungslinie in der Gegend der
Casa Pontogna. Es liegt also hier ein ganz ahnlicher Fall vor
wie in dem Streit, der sich iiber die Deutung der Tektonik
des Klusengebietes des Schweizer Jura erhoben hat. Die
hier von MuHLBERG gezeichneten Uberschiebungen kommen,
wie W. DttLHAKS und H. Gerth1) gezeigt haben, ebenfalls
nur dadurch zustande, daJ3 unzulassigerweise zwei durch eine
Bruchlinie getrennte Profile in eine Ebene zusammengelegt sind.
Am Dosso Fontanazzo ist vielmehr, wie das an den grofieren
Querstorungen die Regel ist, zu beobachten, daB die durch
sie getrennten Schollen ganz verschiedenen Bau aufweisen,
im Osten den flach siidostlich fallenden einformigen Haupt-
dolomit, im Westen die in der Yal Casere steil herabgebogene
Flexur der Mittelscholle (Fig. 6).
Nach CaCCIAMALI biegt die Storungslinie an der NO-Ecke
des Dosso Fontanazzo gegen Osten um, und sie fallt hier mit
x) Deuiaks W., und Gekth, H.: Geologische Beschreibung des
Kettenjura zwischen Reigoldswil (Baselland) und OensiDgen (Solothurn).
Geol. Pal. Abh. N. F. XI, 1, 1912.
313
der zweiten Langsstorung zusammen, die die Mittelscholle
des Guglielmo von der sud'lichen Hauptdolomitmasse trennt.
Wir zeichnen beide den Verlauf bis zur Yal di Colonno ganz
gleich auf der Karte ein ; schon daraus ergibt sich, daB diese
AniMiheStufr Wengener Schkht. Lsinokalk RsiblerTuffe Haupt- ' Rhat Lias
Reiiiikalk tPorphyrite dolomif
Fig. 5.
Profil durch den Siidabfall des Monte Guglielmo und den Dosso
Fontanazzo 1 : 50000 (nach G. B. Cacciamali).
Casteli
Fig. 6.
Profile durch don Siidabfall des Monte Guglielmo und den Dosso
Fontanazzo 1 : 50000 (nach Tilmann).
Linie nicht, wie CACCIAMALI es im Profil zeichnet, flach
gegen N fallen kann, sondern steil, fast senkrecht in die Tiefe
setzt, da sie Taler und die sie trennenden Riicken geradlinig
durchschneidet (vgl. Taf. XXII, Fig. 1 und 2).
Sehr scharf differieren wir dagegen an der SO-Ecke des
Guglielmo in den Bergen oberhalb Cimmo. Nach meiner Auf-
314
fassung vereinigt sich die hier in Frage kommende Langs-
storung etwa in der Umgebung der Forcella di Cimmo mit
der oberen Guglielmo- Storung; beide schwenken vereint in
den Querbruch ein, der gegen die Casa Pontogna hinzieht.
Nach CACCIAMALI aber ist der Verlauf der Storungslinie ein
ganz anderer. Das hat seinen Grund vornehmlich darin, dafl
er einen Teil der Dolomite des Monte Zumio und des Monte
Pergua fur alter als Hauptdolomit erklart und diese Berge fiir
gleichalterig mit Esinokalk halt. Ist diese Auffassung richtig,
so besteht allerdings eine bedeutende Uberschiebung am Monte
Pergua. Aber ich habe mich trotz wiederholter Begehung nicht
davon uberzeugen konnen, dafi der Dolomit des Monte Pergua
und des Monte Zumio etwas anderes ist als Hauptdolomit.
Allerdings kann ich ebensowenig einen exakten palaontologi-
schen Beweis fiihren wie CACCIAMALr; denn Fossilien fand ich
in dieser Gegend nicht, auch keine Korallen, die doch eigent-
lich wenigstens hier und da vorhanden sein miiflten, wenn man
die Dolomitmasse des Pergua als ein Korallenriff anzusprechen
versucht. So ist man also darauf angewiesen, aus petrographi-
schen Ahnlichkeiten heraus das Alter dieser Gesteinsmassen
zu deuten.
CACCIAMALI unterscheidet im Esinokalk mehrere Facies.
In der normalen Ausbildung ist der Esinokalk ein weiBer
Riffkalk, wie er am Monte Guglielmo, am Dosso Fontanazzo
und anderen Punkten erscheint. In der hier in Frage
kommenden Gegend aber soil er in der unteren Abteilung ein
Dolomit sein, der nach oben von blaulichem Plattenkalk iiber-
lagert wird. In der Dolomitfacies unterscheidet er noch
zwischen dem normalen Dolomit, der am Monte Pergua auftritt,
und einer leicht zerreiblichen Abart „Dolomia stritolata" am
Monte Nistola (II).
Nach meinen Untersuchungen ist der Hauptdolomit im
ganzen Gebiete immer ein Niveau, das sich ganz ausgezeichnet
durch Einheitlichkeit und Konstanz seiner Facies und petro-
graphischer Ausbildung kenntlich macht. Stets ein grauer,
bisweilen bituminoser, dann etwas dunkler gefarbter, haufig
zuckerkorniger reiner primarer Dolomit, der sich in der
Landschaft sehr deutlich dadurch kenntlich macht, dafl er
entweder machtige Steilabstiirze bildet, die dann durch die
gute Bankung des Hauptdolomits wie terrassiert erscheinen,
oder in der Form von sehr scharfen griinen Graten sich
heraushebt, deren Abfalle nach beiden Seiten hin aufierordent-
lich gleichmaBig in die Tiefe zu setzen pflegen. Wer daraufhin
sich die fraglichen Dolomite ansieht, wird nicht einen Moment
315
im Zweifel bleiben, daB es sicli um Hauptdolomit handelt (vgl.
Taf. XXII, Fig. 1 u. 2); ich kann von der AltersbestimmuDg
nicht abgehen, solange nicht durch Fossilien sein Alter als
Esinodolomit gekennzeichnet wird. 1st aber der dickbankige
Dolomit des Monte Pergua wirklich in das Niveau des Esino-
kalkes zu stellen, so ist nicht einzusehen, weshalb das nicht
auch mit dem ganz gleichen Dolomit des Castel dell' Asino
auf der linken Talseite der Mella der Fall sein soil.
Demgegenuber stellt der Esinokalk in seiner normalen
Entwicklung immer eine ungeschichtete Masse dar, die nur
in ihren obersten Teilen in die plattigen Kalke an der
Basis der Raibler Schichten iibergeht. Nur dort, wo der
Esinokalk gering machtig wird, nimmt er eine dunklere
Farbung an und wird durch den ganzen Komplex bankig,
so dafi es manchmal schwer wird, ihn vom Raibler Platten-
kalk oder gar von den Kalken der tieferen Trias zu trennen.
Allerdings kenne ich auch erhebliche EsinokalkmasseD, die
heute dolomitisch sind; aber es handelt sich hier um sekun-
dare Dolomitisierung, schon erkennbar daran, dafi dieses
Gestein auBerordentlich briichig, leicht zerfallend ist und die
Fossilien, ihrer Kalkschale beraubt, nur als Steinkerne erhalten
sind. Ich will dabei jedoch nicht abstreiten, daB gelegent-
lich, wie SALOMON schon hervorhebt, im Esinokalk auch
primare dolomitische Massen vorkommen konnen1). Aber aus
der ganzen Gegend der Val Trompia kenne ich eine derartige
Ausbildung nicht. Und so ist es mir durchaus unwahrschein-
lich, daB gerade an dieser strittigen Stelle der Esinokalk ein
Dolomit sein soil und vollstandig wie Hauptdolomit aussieht.
Dazu kommt, daB an der Forcella di Pezzoro diese Dolo-
mite von Raibler Rauhwacken unterlagert werden. Es handelt
sich hier nicht, wie CaCCIAMALI meint, um reine Gehange-
breccien, die allerdings hier eine weite Verbreitung haben,
sondern etwas unterhalb, siidlich der Forcella, kann man sich
ganz deutlich von dem Vorhandensein der Raibler Rauhwacken
iiberzeugen. Diese Raibler Schichten setzen gegen Siiden in
die Prati di Caregno fort, uberlagern hier den Esinokalk und
werden von Hauptdolomit uberlagert.
Die Verhaltnisse an der Siid- und Ostseite des Monte
Pergua sind iiberaus unklar, da machtige Gehangebreccien-
bildung das anstehende Gestein iiberschuttet2). Ich fand bei
:) Vgl. Salomon, W.: Die Adamellogruppe I, Abh. d. k. k. Geol.
Reichsanstalt 1908.
3) In Fig. 2 habe ich daher die Begrenzung von Hauptdolomit
und Graciliskalk nicht mit Konturen eingezeichnet.
316
meinen Begehungen an einzelnen Stellen zwischen dem Haupt-
dolomit und dem in der Tiefe der Val Trompia anstehenden
Graciliskalk eiaige Felsen ungeschichteten Kalkes, die ich
unbedenklich fur Esinokalk anspreche. Es ist auch nicht
weiter verwunderlich, wenn ich bisher nicht auch die iibrigen
Schichtglieder zwischen Graciliskalk und Hauptdolomit nach-
weisen konnte; ich mochte nur daran erinnern, dafi diese
ganze Schichtfolge zwischen den gleichen Schichten des Castel
dell' Asino ebenfalls auBerst reduziert ist; nur durch die
giinstigen Aufschliisse am Eingaug der Valle di Marmentino
ist es moglich geweseD, hier samtliche Zwischeriglieder nach-
zuweisen1). Auf der Westseite der Val Morina allerdiugs
verlauft ein Querbmch, durch den der Hauptdolomit des Monte
Pergua direkt an den Graciliskalk im Osten anstoBt, und
auch in der Valle die Tavernole trennt ein Langsbruch, der
iiber die Forcella di Pezzoro zieht, die weitausgedehnten
Schichten der mittleren Trias von dem Dolomit des Berges
selbst.
Auch aus anderen Griinden ist die Annahme einer Uber-
schiebung des Dolomites des Monte Pergua auBerordentlich
unwahrscheinlich. Man sieht eigentlich nicht den Grund ein,
weshalb diese Uberschiebung nicht auch auf der ostlichen Talseite
der Val Trompia aufgeschlossen ist. Der Dolomit des Castel
dell' Asino bildet die direkte Fortsetzung des Dolomites des
Monte Pergua, nur daB er infolge einer Senkung der ganzen
Schichtserie nach Osten erheblich viel tiefer liegt. Aber
diesen Dolomit als Esinodolomit anzusprecheu, wagt auch
CACCIAMALI nicht. So sieht er sich denn genotigt, seine
Uberschiebung mit dem Monte Pergua aufhoren zu lassen und
ihn als grofie Klippe von Esinokalk, als ein Korallenriff,
wurzellos auf seiner Unterlage schwimmen zu lassen (II). Nun
ist nicht einzusehen, weshalb diese bedeutende Uberschiebung
gerade auf der Westseite des engen Mellatales aufhoren sollte;
man miiBte sie unbedingt auch auf der ostlichen Talseite
wiederfinden, zumal dieser Teil tektonisch tiefer liegt als die
Schichtfolge des M. Pergua. Aber hier ist am Castel dell'
Asino nichts von einer Uberschiebung zu sehen; das scheint
mir einer der gewichtigsten Griinde zu sein, die dem Vor-
handensein einer Uberschiebung auf dem analog gebauten West-
hang (M. Pergua) widersprechen. Denkt man sich aber die Uber-
*) Vgl. Bittner, A.: Nachtrage zum Berichte iiber die geologischen
Aufnahmen in Judikarien und Val Sebbia. Jahrb.k.k.Geol.Reichsanst. 33,
1883. — Ttlmann, N.: Tekton. Studien im Triasgebirge des Val Trompia.
1907, Taf. II, Prof. 3.
317
schiebung urspriinglich auch ostlich der Val Trompia Yor-
handen und die Uberschiebungsmasse nur durch die Erosion
weggefiihrt, so miiBte man annehmen, daB der westliche Teil,
in dem heute die Uberschiebungsmasse noch erhalten ist, an
einer auBerst scharfen Flexur gegen den Ostteil abgesunken
ist; von dieser aber sieht man nichts, sondern im Gegenteil,
man beobachtet ein Senken des ostlichen Teils1).
Unter diesen Umstanden kann ich mich den tektonischen
Anschauungen CACClAMALls in keiner Weise anschlieBen ; in Wirk-
lichkeit ist weder die obere noch die untere UberschiebuDg am
Moute Guglielmo Yorhanden ; zur Annahme solcher aus Uber-
faltungen gegen Siid hervorgehenden Storungen gelangt man nur,
wenn man zwei Profile, die in Wirklichkeit nichts miteiDander
gemein haben, ineinander projiziert. Ich halte daran fest, daB
das tektonische Phanomen am M. Guglielmo ein Ab-
senkun gsproz eB ist, der sich nacb Westen, Siiden und
Osten um den Berg gleichzeitig Yollzieht und in seinen
Endw irkungen nur dadurch Yariiert, daB einerseits
deutliche Flexuren erhalten blieben, wahrend diese
an Stellen scharferer Absenkung in Senkungsbriiche
iib ergehen.
') Es erscheint hier angebracbt, auf die irrtiimliche Auslegung
einer kurzen Bemerkung hinzuweiseu, die ich in den „Tektonischen Studien
im Triasgebirge der Val Trompia" (S. 47) gemacht babe. In der oberen
Valle d' Irma fand ich auf der Nordseite des Castel dell' Asino, an-
scheinend mitten in Raibler Tuffen, eine kleine Kalkmasse, die ich ihrem
Habitus nach fur Recoarokalk(?) ansprach. Aller Wahrscheinlichkeit nach
bildet sie, soweit bich das bei den auBerst uniibersichtlichen, schlecht
aufgeschlossenen Verhaltnissen iibersehen lafit, die Unterlage der Scholle,
die vom SantellonepaB bis zum Dorfe Marmentino reicht. Aus diesem
Vorkommen macht nun Cacciamah eine Klippe, die auf den Raibler-
Schichten aufliegt, und deutet sie als den letzten Rest der Uber-
schiebungsmasse des Monte Ario; dieser Ansicht schlieBt sich auch
Rassmuss und Boxomim an. Ich glaube, daB keiner dieser Autoren
die im dichten Busch versteckte Kalkrippe iiberbaupt gesehen hat.
Diesen Fetzen mit dem Graciliskalk des Monte Ario zu verbinden, ist
vollig ausg< schlossen bei dem Verlauf und dem Charakter der Storungs-
linien westlich des M. Ario in der Val Sorda; ich wiirde davon ab-
geselien habeo, auf diesen Irrtum naher einzugehen, wenn er nicht
geeignet ware, Verwirrung anzurichten bei denen, die nicht mit den
Einzelheiten der Tektonik und der Oberflachengestaltung dieser Tiller
genau vertraut sind.
Manuskript eingegangen am 23. Miirz 1914.]
318
7. Neue Ooide.
Von Herrn L. Sommermeier in Bonn.
Hierzu Taf. XXIII bis XXVI.
Zu der Fiille von bereits vorhandenem Beobachtungs-
material uber Yorkommen, Struktur und Entstehung von
Oolithen und Ooiden (im Sinne KALKOWSRls1)), das in ab-
sehbarer Zeit wohl auch gestatten wird, eine zusammenfassende
Betrachtung des Phanomens, oder vielmehr eine strenge Sich-
tung der zahlreichen Einzelerscheinungen vorzunehmen, seien
durch Mitteilung noch nicbt oder wenig bekannter Vor-
kommen von Ooiden weitere Beitrage geliefert.
I. Ooide iin Kalktuff.
Ihr Auftreten ist um so bemerkenswerter, weil es sich
urn ein so weit verbreitetes und fur die Geologie des Quarters
wichtiges Gestein handelt, in dem dagegen oolithiscbe Aus-
bildungsweise verhaltnismaflig selten ist und Ooide von der
hier zu beschreibenden Art anscheinend noch gar nicbt beob-
achtet oder nicbt weiter bekannt geworden sind.
Von den wenigen kalkigen Quellabsatzen mit oolitbischer
Struktur ist in erster Linie der Karlsbader Erbsenstein als
der friihest beschriebene und wohl meist bekannte Oolitb zu
nennen, der von den nicbtmarinen Oolithen auch die voll-
kommenste Ausbildung zeigt. Dazu gehoren ferner die Piso-
lithe von Yichy2) (Dep. de PAllier) und Vogelsberg in Ober-
krain2), Hammam Meskutin3) bei Constantine (Algier) und die
in den pleistocanen Thermalkalken Ungarns4) (Varhegi im
J) E. Kalkowski: Oolith und Stromatolith im norddeutschen Bunt-
sandstein. Diese Zeitschr 60, 1908.
3) Zitiert nach Zirkel: Lehrbuch der Petrographie, 3, 1894,
S. 471, und Roth: Allgemeine und chemische Geologie, 1, 1879, S. 581.
J) L. DupauC: Pisolith de Constantine. Arch. sc. phys. nat.
Geneve 20, 1888, S. 537.
4) J. Krbnner: Uber die pisolithische Struktur der diluvialen
Kalktuffe von Ofen. Jahrb. K. K. Geol. R.-A. 13, 1883, ferner auch
Z. Schroter: Die Spuren der Tatigkeit tertiiirer und pleistocilner
Thermalquellen im Budaer Gebiro-e. Jahrb. K. Ung. Geol. R.-A. 19,
1912, S. 230 u. f.
319
Budaer Gebirge). Alle diese sind Absatze heifier Quellen und
bestehen aus Aragonit1). Ooide, schon von LEOPOLD VON Bucil
beschrieben, finden sich auch in den ausgedehnten Travertinen
Mittel-Italiens, doch auch diese groBartigen Kalktuff bildungen
sind auf besondere EntstehuEgsursachen zuruckzufiihren, da
sie zum Teil wenigstens von Quellen hoherer Temperatur ab-
gesetzt sind und zu den Begleiterscheinungen des quartaren
Yulkanismus zu rechnen sind2).
So gut wie gar nicht sind dagegen entsprechende Gebilde
aus den gewohnlichen Bach- und Quellkalken bekannt. Uber
das Yorkommen „einer Art von Pisolithen" berichtet
0. BuilGER3). Im Schwemmtuff, dem sekundaren Umlagerungs-
produkt des prirnaren, gewachsenen Kalktuffes, kommen zu-
sammengeschweinmte Nester von runden, taubeneigrofSen Tuff-
kugeln und relativ haufige und machtige Packungen von
erbsengroflen Individuen („Erbstu£f") vor. Beide zeigen kon-
zentrischen Schalenauf bau, was die primare Gestaltgebung
beweist.
Die von mir beobachteten Ooide finden sich im Kalktuff
des „Kartsteins", einem diluvialen Gehangetuff auf mittel-
devonischer Unterlage in der Gegend von Eiserfey i. d. Eifel,
dessen ausfiihrliche geologische Beschreibung ich an anderer
Stelle gegeben habe4). Der Kalktuff ist vorwiegend als ein
wenig poroser Travertin von gelblich-weifier Farbe ausgebildet.
Die Ooide treten vorzuglich auf in einer nestartigen Ansamm-
lung, von normalem Travertin eingeschlossen, in einer an-
scheinend von dem Anstehenden losgelosten machtigen Block-
masse, so daJ3 die urspriingliche Lagerung dieser Partie nicht
mehr einwandfrei festzustellen ist. Die Stelle ist durch den
hier stattgehabten Abbau des ausgezeichneten Bausteines jetzt
leider stark beeintrachtigt und das Material zum grofiten Teil
verschwunden. Die Ausdehnung, in der es anfanglich zu be-
obachten war, mochte ich schatzungsweise auf 1 bis 2 m im
Geviert angeben.
J) Durch die erneuten Untersuchungen, besonders von H. Vatkr:
Uber Klypcit und Conchit. Zeitschr. f. Kryst. 35, 1901, S. 150-178
und anderen diirfte die Klypcit-Frage als erledigt gelten, siehe audi
G. Lrxciv in DoeJtors Handbuch der Mineralchcmie, 1, 1912, S. 113. .
3) Ygl. PAKONA:.Trattato di Geologia. 1903.
3) 0. BlJRfEU: Uber scliwiibische Kalktuffe, insbesondere des
Echaztales. Dissertation. Tubingen 1911, S. 27.
4) L. Sommermeibr: Der Kaitstein und der Kalktuff von Drei-
miihlen bei Eiserfey in der Eifel. Verb. Naturhist. Vereios PreuB.
Rheinlando Westf. 70, 1913, S. 303-333. (Die Ooide sind hierin nur
kurz behandelt.)
320
Die Gestalt der einzelnen Ooide ist wechselnd und ihre
GroBe sehr verschieden. Nur die kleinsten, etwa von Pfeffer-
korn- bis ErbsengroBe, haben regelmaBigere Kugelform, die
groBeren sind mehr knollig bis eiformig, sie lassen sich am
besten mit rundlichen Gerollen vergleichen. Haufig sind sie
in der GroBe Yon 1, 2, 3 und auch einigen cm mehr Durch-
messer, doch konnte ich auch Exemplare von 10 cm groBtem
Durcbmesser und nahezu 1 kg schwer sammeln. An der
Stelle des Hauptvorkommens liegen die Ooide in ziemlich
groBer Menge dicbt gedrangt im Kalktuft (Taf. XXIII, Fig. 1), in
dcm die kleineren und kleinsten die Zwischenraume zwischen
den Yereinzelten groBeren einnebmen, so daB, was die GroBe
anbelangt, ein volliges Durcheinander berrscbt. Vereinzelte
Ooide der kleineren Formen finden sicb aucb sonst nocb, aber
nur sebr sparlich im Kalktuff.
Die Struktur ist alien Ooiden gemeinsam, sie baben
einen ausgesprocben konzentriscben Scbalenaufbau. Durcb
wechselnd hellere und dunklere Gelbfarbung infolge des Ge-
baltes an toniger Substanz und Eisenoxydhydrat beben sicb
zumal an angeschliffenen Schnittflachen die einzelnen Lagen
deutlicb voneinander ab (Taf. XXIII, Fig. 2). Wesentlich ist, daB
die dunkleren, braunlicb-gelben Scbalen immer sebr diinn sind
und auf den Scbnittflacben vielfacb nur baarfeine Range bilden,
wahrend die belleren Lagen meist breiteren Raum einnebmen.
Es bangt das mit der Struktur und der Bildung der ver-
scbiedenen Lagen zusammen. Ihr Zusammenbang ist nicbt
sebr fest, sie springen und brockeln scbon bei scbwacbem
Scblag voneinander ab, wie aucb die ganzen Ooide sich leicbt
aus dem Gestein losen lassen. Die Grenzflacben der einzelnen
Kugelscbalen, also aucb die auBersten Oberflachen der Ooide,
sind meist vollig glatt und teilweise ahnlich emailliert er-
scbeinend, wie es bei den Aragonitpisolitben fast immer die
Regel ist. (Bei den scbwabiscben Kalktuffooiden ist es auf-
fallend, daB die weiBen Tuffkugeln raubflacbig sind und mehlig
abstauben, wabrend der braurie, eisenbaltige Erbstuff ebenfalls
die Emaillierung zeigt, so daB man geneigt sein konnte,
letztere bier auf Recbnung des Gebaltes an Eisenoxydbydrat
zu setzen. Dem widerspricbt aber die Beobacbtung an anderen
Pisolitben. Durcb gegenseitige Scbeuerung und Glattung
— nacb der Ansicht von BURGER1) — ist es aber keineswegs
zu erkliiren.)
Die Scbalen der Ooide bilden nicht kugelig gewolbte
!) a. a. 0.
321
Kalotten, sondern sie sind unregelmafiig gewellt mit flachen
Buckeln und Dellen, wodurch auch das knollige Aussehen
der Ooide hervorgerufen wird. So beobachtet man auch an
den Querschnitten nicbt einfacb ringformige Lagen, sondern
ibr Verlaaf ist geschlangelt mit Ausbucbtungen und Abscbnii-
rungen. Die Erklarung hierfur ergibt sicb aus der Betrach-
tung der feineren Schalenstruktur (Taf. XXIY — XXYI). Die
breiteren, bellen Lagen baben in verscbiedenem Grade der Deut-
licbkeit eine Radialstruktur durch die radiare Anordnung der sie
auf bauenden feinfaserigen Kalkspatkrystalle, in der von marinen
Oolitben1) und kiinstlichen Spbarolitben2) bekannten Struktur.
Stellenweise sind dieFasern aucb grober ausgebildet als langliche,
unregelmafiig begrenzte Krystalle und zeigen biischelweise nach
auBen divergierende Gruppierung. Das ungleicbmafiige Langea-
wachstum der Kalkspatfasern , das Yorragen der einzelnen
gegeneinander abgegrenzten Biischel wird in den Wellungen
und Ausbucbtungen der Scbalenringe wiedergegeben. Diese
radiar struierten starkeren Lagen fiibren daber im wesent-
licben die eudliche Gestalt der Ooide berbei, wahrend die
diinnen, dunkleren sicb jenen yorwiegend anpassen und sie als
feine Scbicbten begrenzen. Aus diesem Yerbaltnis der ver-
scbiedenen Lagen gebt als cbarakteristiscb fur den "Werdegang
unserer Ooide bervor, dafi das vorwiegend radiar gericbtete
Anwacbsen von Kalkspat durcb die standig wiederkebrende
Anlagerung von ton- und eisenbaltigem Material unterbrocben
wird. Da aber jede GesetzmaBigkeit in der Aufeinanderfolge,
der Miicbtigkeit und dem ganzen Auftreten der Lagen feblt,
driickt sicb darin natiirlicb aucb keine Periodizitat aus. Aucb
die Grenzen sind nicbt vollig scbarf, nur vereinzelt wird bei
kleinen Ooiden der konzentriscbe Aufbau durcb die scbarf
abgesetzten Ringe so stark betont wie z. B. bei den Karlsbader
Erbsensteinen. (Ygl. Taf. XXV, Fig. 1.) Die dunklen Lagen
werden biiufig von den Kalkspatfasern durcbbrocben, so dafi
sie nicbt durcbgehend zu verfolgen sind. Es finden sicb
einzelne kiirzere Abscbnitte, die" in derselben Zone keine
weitere Fortsetzung baben und von der hellen Masse ganz
eingescblossen sind; stellenweise sind sie auch breiter ent-
wickelt und verdrangen jene, so dafi an einzelnen Stellen die
dunkle Farbung uberwiegt. Scbliefilicb ist aucb die dunkle
Substanz nicbt nur auf das konzentrische Struktursystem
') VgL Kalkowski a. a. 0.
2) G. Linck: „tjber clie Biklung der Oolithe und Rogensteine.
Zeitschr. f. Naturw. 45, 1909, S. 271.
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. • 21
322
beschrankt. Unabhiingig davon wirken vielmehr diese Bei-
mengungen auch an den Stellen eines besonders stark in
radiarem Sinne entwickelten Wachstums mit (Taf. XXIV, Fig. 2,
Taf. XXY, Fig. 2). Die bister beschriebene Struktur wird in
einzelnen Ooiden nicht selten stellenweise dadurch unter-
broclien, daB eine Lage durch Ansatz eines lockeren Gefuges
sich ganz bedeutend verbreitert und AnlaB zu besonders
weiten Ausbuchtungen gibt. Statt der dichten, feinfaserigen
Schicht ist bier ein reich verasteltes, stengeliges Geflecht ent-
standen, das dendritenahnlich an pflanzliche Gebilde, etwa an
ein feines Moos- oder Algenpolster erinnert. Es sind aber
zweifellos anorganische Bildungen, wie alle die zierlichen
pflanzenahnlichen Kalkabscheidungen, die man haufig bei
Sinterbildungen beobachten kann. Auffallend ist ihr reicblicher
Gehalt an tonigen Beimengungen, durcb den die Stengel im
Diinnschliff dunkel hervortreten. Ich werde sie auch weiter
unten noch zu erwahnen haben.
Bei dieser ganzen Ausbildungsweise ist es natiirlicb
gegeben, daB die einzelnen Ooide ini feineren Aufbau groJ3e
Mannigfaltigkeit zeigen. Das gleicbe gilt auch beziiglich des
Kernes, der sich in den meisten Fallen im Innern Ton der
lagenformig aufgebauten UmhiiHung unterscheiden lai3t (Taf.
XXIII, Fig. 2). ImVerhaltnis zum ganzen Ooid hat er meist schon
betrachtliche GroBe und nimmt ein Yiertel, ein Drittel oder
auch mehr des ganzen Durchmessers ein. Die Form des
Kerns gibt natiirlich die Anlage fur die Gestalt des fertigen
Ooids. Wo er deutlich zu erkennen ist, besteht er aus einem
Stuck gewohnlichen Kalktuffes, haufig von sehr lockerem,
schwammartigen Gefiige, und auch in der eben erwahnten
stengeligen Ausbildung (Taf. XXV, Fig. 2 und Taf. XXIII,
Fig. 2 die beiden auBeren Ooide). Ferner sind es eckige
Bruchstiicke von Ooidschalen (Taf. XXVI, Fig. l), oder von
neuem umkleidete halbe Ooide, deren Streifen gegen die
umfassenden konzentrischen Lagen stark absetzen, und eben-
so Anhaufungen kleiner Ooide, die dann von einem groBen
Ooid umfaBt werden („Ooidbeutelu). Endlich sind auch
mitten zwischen den Ooiden eingeschwemmte fremde Gerolle
(z. B. von Roteisenstein , Quarz, Dolomit) zu finden, die
auch ihrerseits durch Umhiillung mit Kalkschalen zur Ooid-
bildung fiihren. Bei angeschlagenen Hohlkugeln ist immer
deutlich zu erkennen, daB der zentrale Teil herausge-
brochen ist. Jedenfalls ist es immer ein primarer Kern,
der als Fremdkorper AnlaB zur Bildung der Ooide ge-
geben hat, so daB deren Natur dadurch erwiesen und ihre
323
Entstehung als Konkretionen oder infolge nachtraglicher Um-
krystallisation im festen Gestein aufgeschlossen ist.
Einen wesentlichen Beweis dafiir bietet auch der Fund
von Ooiden in einem alluvialen Kalktuff desselben Gebietes1),
bei denen eine andere als primare Entstehung ausgeschlossen
ist, und fur welche die Ooide des Kartsteins nur die fossilen
Analoga sind. Die betreffende, wahrscheinlich verschwemmte
Kalktuffablagerung besteht an einer Stelle aus einer An-
haufung von losen, im weitesten Sinne „kugelig-knolligen"
Einzelgebilden, die durch einen schmierigen Kalkgrus zusammen-
gebalten werden. Der innere Aufbau ist der gleiche wie bei
den diluvialen Ooiden, und sie erreichen deren mittlere
GroBe, gestaltlich zeigen sie noch weniger RegelmaBigkeit.
Eine annahernde Kugel- oder Eiform ist, wenn auch selten,
vertreten. Haufiger sind sie abgeflacht, walzenformig oder
ganz unregelmaBig astig und knollig mit warzen- und krusten-
artiger Oberflache. Auch ein Kern (u. a. auch Pflanzenreste
oder Schneckengehause) ist oder war wenigstens immer vor-
handen. Yon den bei BURGER2) beschriebenen Tuffkugeln
unterscheiden sie sich nur durch die* vollkommenere Kugel-
form der letzteren. Der wesentliche Unterschied gegen die
Ooide des Kartsteins liegt nur in ihrem Auftreten in lockeren
Anhaufungen, was durch das jugendliche Alter und die Art
der Ablagerung als yerschwemmter Bachkalk gegeniiber dem
altdiluyialen Gehangetuff bedingt wird. Da das Bildungs-
prinzip das gleiche ist, fallen auch sie unter den Begriff der
Ooide trotz der zum Teil nicht unbetrachtlichen Abweichungen
in der Gestalt, die ja in erster Linie durch die Form des
Kernes bedingt wird. Auch die besonderen Entstehungs-
bedingungen mogen bei der Weitergestaltung yon EinfluB
gewesen sein, z. B. ungleichmaBige Bewegung und Ver-
schwemmung noch wahrend der Bildung im kalkhaltigen
Bachwasser.
Denen des Kartsteins ahnliche, verfestigte Ooide konnte
ich auch in einem Handstiick Travertin von Ascoli Piceno
feststellen, und fand auch hier die lockere, stengelige Ausbil-
dung innerhalb des konzentrischen Aufbaues sehr hiibsch
entwickelt. Von den iibrigen angefiihrten pisolithischen Quell-
absatzen kommt zum Yergleich keiner in Betracht. Die
bekannten Aragonitooide haben in der auBeren Gestalt und in
der Struktur nur wenig mit den unserigen gemeinsam, wie aus
J) s. die geologische Beschreibung „Der Kartstein usw." a. a. 0.
a) a. a. 0.
21*
324
deren Beschreibung hervorgegangen ist; auch ist hier an einen
thermalen Absatz nicht zu denken.
Bei der Frage nach der Entstehung dieser Ooide ist ein-
mal die Seltenheit des York omm ens iiberhaupt in einem so
weitverbreiteten Gestein zu beriicksichtigen, sowie, daB auch
im vorliegenden Falle ihr Hauptauftreten ein ganz lokal
beschranktes zu sein scheint. Danach miissen wohl besondere
ortliche Entstehungsbedingungen zu ihrer Bildung gefiihrt
haben. Diese haben aber auch nur vorubergehend bestanden,
denn die Ooide fuhrende Gesteinspartie wird yon normalem
Kalktuff eingeschlossen. Wie bei jeder Ooidbildung war fur
sie wahrend des Wachstums freie Beweglichkeit im Wasser
erforderlich, die Yielleicht Yoriibergehend gehernmt war, worauf
die UnregelmaBigkeiten in der Struktur zu deuten scheinec
Wegen ihrer Grofie und Schwere ist bei der Mehrzahl der
Ooide ein dauerndes Schweben auch in struclelndem Wasser
nicht anzunehmen, bei den einzelnen Riesenexemplaren ganz
ausgeschlossen. Ahnlich grofie und gewichtige Kugeln kommen
auch unter den ungarischen Pisolithen1) vor, wo sie auf die
Gewalt schlieBen lassen, mit welcher die einstige Therme
hervorbrach.
In unserem Falle ist es am wahrscheinlichsten, daB hier
zeitweilig ein Wasserfall iiber den Rand des anwachsenden
Gehangetuffes stiirzte und an der Stelle des Aufprallens ein
kleines Becken mit lebhaft strudelndem Wasser bildete.
Kalktuffbrockchen wurden dann durch den Wirbel eine Zeit-
lang in Bewegung gehalten und in dem kalkreichen Wasser
zu Ooidbildnern. So konnen sie auch bis zu betrachtlicher
GroBe noch in rotierender Bewegung gehalten worden sein.
Durch das uberrinnende Wasser wurde zugleich an einzelnen
Stellen der Kalktuff mit einer Sinterkruste iiberschalt, und
dasselbe Yollzog sich wahrscheinlich auch an losgebrochenen
grofieren Stuck en sowie an Anhaufungen Yon fertig abgelager-
ten und verwachsenen Ooiden. Durch die StoBkraft des
Wassers mogen derartige Teile dann auch wieder zeitweilig
in Bewegung gesetzt und umgewalzt sein, so daB eine all-
seitige Umschalung erfolgen konnte.
DaB sich durch Uberrieseln Yon kalkreichem Wasser der-
artige Sinterverschalungen an Felswanden und freiliegenden
FJiichen aller Art bilden, ist nichts Seltenes. Ganze Quell-
absatze bestehen nur aus solchen iibereinandergeschichteten
Sinterdecken, und auch an Kalktuffhiingen und -terrassen kann
') s. Kkenner, Sciiroter a. a. 0.
325
man sie finden. Ich erwahne sie hier wegen ihrer Verknupfung
mit den Ooiden und weil sie ebenso wie diese hier eine
besondere — schalige oder lagenformige — Struktur mitten
im normalen Tuffgestein hervorrufen. Die wellig-parallelen
mm-feinen Lagen gleichen in der Farbenstreifung und im Auf-
bau vollig den Schalen der Ooide, besonders die lockere
stengelige Struktur, wie die Faserbuschel sind sehr gut aus-
gebildet. Sie legen sich dem Ooidtuff an , dringen auch
zwischen die Ooide ein und umschlieflen einzelne derselben,
so dafl ein inniger Zusammenhang beider Strukturen entsteht.
Es liefien sich auch Stellen beobachten, wo durch die Urn-
hiillung von Ooidtuff oder mehreren Einzelooiden durch den
Schalensinter der Eindruck riesiger Ooidbeutel hervorgerufen
wurde und beide Strukturformen ineinander iiberzugehen
schienen, was auch nach der oben versuchten Darstellung des
Vorganges erklarlich ist.
Ich kann die Betrachtung dieser Ooide nicht schlieflen,
ohne die bei Studien iiber Oolithe vielfach diskutierte Frage
zu beriihren, inwiefern an eine organische Entstehung zu
denken sei. Um so mehr, da ich selbst anfanglich eine Er-
klaruDg in dieser Richtung suchte und dem auch in einer
kurzen Notiz Ausdruck gegeben habe1). Bei Gelegenheit der
geologischen Beschreibung des Kartsteins2) habe ich auch die
ins Auge fallende Ahnlichkeit der Ooide mit knolligen Kalk-
algen aus der Cyanophyceen-Familie der Rivulariaceen erwahnt,
besonders mit den von BORNEMANN3) beschriebenen und ab-
gebildeten Zonotrichites lissavienses Born, aus dem Rhat
Oberschlesiens (Lissauer Breccie) und rezenten Arten der
Gattung Z onotrichia . Da aber hier zweifellos anorganische
Bilduogen, echte Ooide vorliegen, eriibrigt es sich, weiter
darauf einzugehen ; auch wiirde das zwecklos sein ohne griind-
liche Vergleichsstudien an unter den gleichen Lebensbedingungen
heute lebenden Formen, wofiir mir Material und Erfahrung
fehlt. Dasselbe gilt auch beziiglich der gleichfalls a. a. 0. schon
erwahnten Strukturen, die ich glaube Kalkalgen4) zuschreiben
!) L. So.mmermeier: ZurGeologie des Kartsteins. Diese Zeitsclir. 65,
1913, Monatsber. 6.
a) a. a. 0.
3) J. G. Bo UN km ann: Geologische Algenstudien. Jahrb. der Konigl.
PreuB. Geol. Landesanst. fur 188G, S. 126 ff., Taf. VI u. VII.
4) Die Auflosung von Kalktuff und Ooidstiickchen in verdiinnter
HC1 ergab neben dem mineralischen Riickstand auch eiuen feinen
Detritus von kleinen Fetzen und Hautchen ansche'nend organischer
Substanz. Irgendwelche Strukturen konnte ich an ihnen nicht erkennen,
auch der Nachweis der pflanzlichen Natur durch Blaufarbung mit Chlor-
326
zu diirfen, und die ich im Travertin des Kartsteins selbst wie
auch vereinzelt an den Ooiden beobachtet habe. Es sind
einfach-stengelige oder reich verastelte Rohrenzellen, die meist
deutlich die verkalkten Zellwande erkennen lassen. Teils sind
die Rohren auch im Innern verkalkt, teils mit Tonsubstanz
dicht und auch in kornig verteilter Masse erfiillt, je nachdem
erscheinen sie im Diinnschliff licht oder dunkel. Mit den
vorher bei der Struktur der Ooidschalen beschriebenen stenge-
ligen Geflechten sind sie nicht zu verwechseln. Formen-
verschiedenheiten lassen sich auch schon bei der Betrachtung
weniger Schliffe erkennen; im einzelnen durchsetzen sie den
Kalktuff ziemlich dicht gedrangt in Form kleiner Biischel,
Polster oder flacher und kugeliger Zasammenballung. Als ein
Beispiel gebe ich in Taf. XXVI, Fig. 2 die Mikrophotographie von
Kalktuff mit Algenstrukturen. Ebenfalls zeigt sie Taf. XXVI, Fig. 1
in der rechten Ecke des Kernes. Besonders fand ich diese
Strukturen auch in Gemeinschaft mit kleinen Ooiden auftretend,
sah sie in deren Kernstiicken und, wenn auch nur vereinzelt,
im Gefiige der Ooidschalen selbst. Ihre Bedeutung fur diese
ist aber dann nur eine ganz untergeordnete, so daU ich es fur
zweckmaBiger hielt, sie bei der eigentlichen Beschreibung der
Ooide nicht zu erwahnen, zumal bei der Schwierigkeit, iiber
diese Strukturen vollige Klarheit zu gewinnen. Mit der Bildung
der Ooide haben sie nichts zu tun, es kame ihnen hochstens
eine rein passive Mitwirkung zu durch Anhaften solcher Algen
an Kalkstiickchen oder Ooidschalen von im Werden begriffenen
Ooiden. Eine weitere Bestimmung diirfte nur durch Vergleich
mit auch heute noch im kalkhaltigen Wasser desselben Gebietes
lebenden Formen sich ermoglichen lassen, speziell auch mit
solchen, deren Lebensweise (Aufenthalt in sprudelndem Wasser,
an Wasserfallen, Anhaftung an im Wasser bewegten Steinen usw.)
diesem Vorkommen entspricht.
II. Rezente Ooide von Neu-Seeland.
Gegeniiber den zahlreichen Spezialstudien und kleineren
Notizen iiber fossile Oolithe aller Art und Zeitalter sind Mit-
teilungen iiber rezente Bildungen nur sparlicher vorhanden.
Auch die im vorangehenden Aufsatz zitierten Pisolithe und die
alluvialen Kalktuffooide gehoren dazu, deren Beobachtung in
zinkjodlosiiDg gelang nicht. Diese ptlanzliche (?) Substanz, deren Vor-
handensein ich daher nur mit allem Vorbehalt annehme, kann aber
ebensowohl allochthon zugleich mit der Tontriibe und dem Sand zu-
gefiihrt sein.
327
statu nascendi sich ermoglichen laJ3t. Uber die Bildung kleiner
Ooide auf organischem und anorganischem Wege, die durcli
ihr massenhaftes Auftreten nach Yerfestigung zu typischen
Oolithen fiihren wiirden, sind am Meeresstrande, in Seeen und
kiinstlichen Becken noch YerhaltnismaBig die meisten Beob-
achtungen gemacht1).
Rezente Ooide anderer Art sind die pisolithischen Sinter-
bildungen aus abtropfenden und am Boden sich sammelnden
MinerallosungeD, die sich in Hohlen, Kliiften, alten Berg-
werksstollen usw. fmden. Ein Beispiel davon zeigte letzthin
W. STAHL2) an, wahrend sie friiher schon yon F. Senft3)
wahrend der Bildung beobachtet und ausfuhrlich beschrieben
sind. Dazu gehoren auch die yon E. GEIKITZ4) beschriebenen
„Salzoolithe". Schliefilich geben uns nicht am wenigsten die
kunstlich5) erzeugten Ooide Gelegenheit, ihre Bildungsweise
zu studieren.
Im folgenden sei ein neues Vorkommen mitgeteilt, welches
mit keinem der genannten gleiche Ursache hat. Zu den
Ooiden des Kartsteins zeigen sich bei der Ahnlichkeit des Auf-
baues und der Entstehungsbedingungen vielfache BeziehungeE,
so dafl auch diese Ooide ein rezentes Beispiel fur jene ab-
geben konnen. Ich verdanke das Material Herrn Professor
Wanner, der die yon ihm gesammelten Ooide mir freundlichst
zur Beschreibung uberlieB.
J) Ich verweise auf die Zusammenstellnng in der Einleitang bei
F. Gaub: Die jurassischen Oolithe der Schwabischen Alb. Geol.-
Palaont. Abhandl. 1910.
2) W. SrAiiL: Pisolithe. Centralbl. f. Min. usw. 1913, S. 337
m. Textfigur.
3) F. Senft: Die Wanderungen und Wandelungen des kohlen-
sauren Kalkes. Diese Zeitschr. 13, 1861, S. 302 ff.
Der Einwurf von A. Wichmann (Uber sogenannte Pi^-olithe aus
dem Mansfelder Flozgebirge, Centralbl. f. Min. usw. 1913, S. 457), daB
deren (2) Deutung als Erbsensteine nicht beizustimmen sei, ist m. E.
gegenstandslos. Ob das Medium, in dem sich die Ooide bilden, einer
aufsteigenden oder abtropfenden Losung entstammt, hat keine Bedeutung
fiir deren Bildung, die im Prinzip immer die gleiche ist. Die Bezeich-
nung „Pisolith" dementsprechend zu beschranken, hat keine innere
Berechtigung, sie konnte traditionell den Thermalabsatzen vorbehalten
bleiben (was aber nicht immer durchgefiihrt ist) oder in erweiterter
Anwenduog zweckmaBig zur Unterscheidung konzentrisch ohne radiare
Anordnung aufgebauter Ooidbilduugen dienen.
4) E. Geinitz: Rezente Salzoolithe von Jessenitz. Arch. Ver. Fr.
Naturg. i. Mecklenburg 65, 1911, S. 69, 70.
5) Vgl. besonders G. Linck: Die Bildung der Oolithe und Rogen-
steine. N. Jahrb. Min. usw., Beil.-Bd. 16, 1903, S. 495—513, und
Zeitschr. f. Naturw. 45, 1909, S. 267—278.
328
Im Brunner Survey -Distrikt, Siidinsel von Neu-Seeland,
stand (November 1910) auf dem Olfeld von Kotuku eine
Bohrung 400 engl. FuB tief in jungtertiarem Kalkstein. Aus
dieser spritzte bestandig Salzwasser von hohem Kalkgehalt
heraus, welches sich an der Bohrstelle ausbreitete und in
kleinen Rinnsalen abfloB. In der Umgebung des Bohrlochs
bildeten sich starke Sinterabsatze und in dem abflieBenden
Wasser die merkwiirdigen Ooide. An geschiitzteren Stellen,
wo sie von dem Wasser nicht so leicht fortgespiilt werden
konnten, lagen sie in groBerer Menge. Die Kugelform
ist vielfach recht vollkommen ausgebildet, besonders bei
denen mittlerer GroBe, wahrend die groBeren meist etwas
abgenacht sind. Das hangt aber nicht mit der GroBe
oder Schwere zusammen, sondern diese zeigen auch schon
in jiingeren Wachstumsstadien flache Form. Die Ooide
bestehen aus Kalkspat, ebenfalls mit Beimengungen toniger
Substanz. Durch den Eisengehalt sind sie gelblich bis rot-
braun gefarbt. Bemerkenswert ist die Beschaffenheit der Ober-
nache, die auch auf der Abbildung hervortritt. (Die glatten
Stellen an den groBeren sind abgescheuert, so daB diese auch
nachtraglich deformiert sind.) Sie ist mit unregelmaBig ver-
teilten, aber meist gleichgroBen starken, hockerigen Warzen
bestanden und zwischen diesen fein gekornelt. Nur in einem Falle
erscheinen die Warzen z. T. in Reihen angeordnet, das ist aber
mehr zufallig als gesetzmaBig. In gleicher Weise wie die
flachen Buckel der Kartsteinooide sind hier die Warzen durch
die innere Struktur bedingt, die, wie bei jenen, in der Kom-
bination heller und dunklerer konzentrischer Lagen und radiar
gerichteter Strukturelemente besteht.
Ihr gemeinsames Auftreten ist verschieden. Auf Taf. XXIII,
Fig. 3 zeigt das erste Ooid von link seinen scharfen Gegensatz
in der Ausbildung des zentralen Teiles und der auBeren
Halfte. Bis zu einer gewissen GroBe ist der Aufbau des
Ooides aus konzentrischen Lagen sehr markant mit den scharf
voneinander absetzenden Streifen1). Wahrend des weiteren
Wachstums kommt dagegen die Radialstruktur sehr stark zum
Ausdruck, wie iiberhaupt bei der Mehrzahl der durchschnittenen
Exemplare. Die radiiiren Elemente sind hier nicht feinfaserig,
sondern bilden sehr kraftige Faserziige in Form hoch-
stammiger Biischel mit starken Seitenasten und fiederformiger
Yerzweigung. Sie lassen sich bei einigen durch den ganzen
') Im Diinnschliff erkennt man die feinfaserige Radialstruktur in
den hellen Lagem Das leicht zerreiblicbe Material lieB keine guten,
reproduktionsfahigen Schliffe herstellen.
329
Radius verfolgen, bis sie in den Warzen der Oberflache
endigen. Die konzentrischen dunklen Lagen legen sich wohl
den jeweiligen Endigimgen der Biischel an, aber meist ohne
sie im Weiterwachsen zu unterbrechen, so daB sie nur als
Farbstreifen hindurchziehen, was an das Bild des Karlsbader
Sprudelsteins erinnert. Scharfere Unterbrechungen des radiaren
Wachstums kommen nur seltener vor. Die Struktur ist also
im ganzen derjenigen der Kartstein- Ooide recht ahnlich, mit
der Besonderheit, daB die dort nur vereinzelt auftretende
locker- stengelige Ausbildungsweise in den Zonen des radiaren
Wachstums hier die herrschende ist. DaB die feinen „Dendriten"-
Geflechte sinterartige Ansatze sind, ist ersichtlich. Die Ab-
bildung der aDgeschliffenen Querschnitte (Taf. XXIII, Fig. 3) zeigt
sie allseitig bei den Ooiden, die wahrend ihrer Bildung an-
scheinend dauernd in gleichmaBiger Bewegung gehalten wurden.
Eine Ausnahme macht das zweite Ooid von rechts (s. Abb.)
Auch auBerlich laBt dieses an einer Abflachung der Unterseite
erkennen, daB es in der zweiten Halfte seines Wachstums
zeitweilig festgelegen hat und dadurch an der symmetrischen
Ausbildung gehindert wurde. Erst in den AuBenzonen tritt
wieder mit der konzentrischen Umschalung eine rcgelmafiigere
Ausbildung ein.
Der durch die unterschiedlichen Lagen sich ausdriickende
Strukturwechsel kommt also zustande durch die auBeren
Umstande, welche das Ooid wahrend seiner Bildungszeit
betrafen, wie durch den Wechsel in der von auBen heran-
tretenden Stoffzufuhr zum Auf bau ' des Ooids. Das gilt fur
alle Ooide von derartiger Strukturverschiedenheit.
Bezuglich des Kernes der neuseelandischen Ooide sei
noch gesagt, daB dieser immer auBerordentlich klein ist. Die
konzentrische Lagenstruktur laBt sich auch bei den groBeren
Ooiden bis in die Mitte verfolgen. Die eigentlichen Kerne
sind kleine Kalkpartikel oder Sandkorner, die bei der Auf-
losung in Salzsaure sich aus den innersten Umhullungen
herausschalen. Uber die Zeit, welche die Bildung der Ooide
in Anspruch nahm, ist nichts beobachtet. Als sie gesaminelt
wurdeu, stand die Bohrung zwei Jahre.
Bonner Geologisch-palaontologisches Institut. August 1913.
Manuskript eingegangen im Oktober 1913.]
380
8. Das Devon der Ostalpen.
Y.
Begonnen von F. Frech:
Die Fauna des devonischen Riffkalkes.
III. Crinoiden.
Von Herrn John K. Chaelesworth.
Hierzu Tafel XXVIII und XXIX und 5 Textfiguren.
Einleitung.
Nachdem Frech im Jahre 1894 in dieser Zeitschrift1) mit
der Beschreibung der organischen Reste des unterdevonischen
Riffkalkes der Karnischen Alpen und zwar zunachst der Crusta-
ceen, Cephalopoden, Gastropoden und Wurmer begonnen hatte,
wurde die Schilderung der Fauna, und zwar der Lanielli-
branchiaten und Brachiopoden von Scupin in dieser Zeitschrift2)
fortgesetzt. Herr Frech hat mir sein gesamtes Crinoiden- und
Korallen-Material in freundlichster Weise zur Yerfiigung gestellt;
ich fiilire deshalb die Beschreibung der interessanten Fauna
im nachfolgenden mit den Crinoiden fort, uni sie mit den
Korallen, die demnachst erscheinen sollen, zum AbschluB zu
bringen. Auch an dieser Stelle spreche ich hierfiir Herrn Frech
meinen aufrichtigen Dank aus.
Die durchgangig aus der FRECHschen Sammlung stammenden
Crinoidenkelche wurden nur z. T. *in der Hauptkette der Kar-
nischen Alpen aufgesammelt. Der grofiere Teil der Exemplare
wurde in dem Riffkalk der Karawanken gefunden, die ebenfalls
dem UnterdeTon und zwar einer etwas hoheren Zone als die
grauen Kalke des Wolayer Sees angehoren. Das Interesse, das
J) Uber das Devon der Ostalpen 111. Die Fauna des unterde-
vonischen Riffkalkes I. 46, 1894, S. 446, Taf. 30-37.
2) Das Devon der Ostalpen IV. Die Fauna des unterdevonischen
Riffkalkes II. 57, 1905, S. 91, Taf. 5, 6; 58, 1906, S. 213, Taf. 11—17.
331
die vorliegenden Arten erregeD, beruht vor allem darauf, daB
es sich vorwiegend um Yorlaufer der wohlbekannten Eifler
Crinoiden handelt. Hierzu gehoren die im folgendenbeschriebenen
Arten der Gattungen Bhipidocrinus, Hexacrinus, Eucalyptocrinus
und Melocrinus. Nur der in einem Exemplar vorliegende
Megistocrinus ist im deutschen Mitteldevon unbekannt. Sein
nachster Yerwandter ist aus Westeuropa (dem Unterdevon von
Asturien) von Oehlert beschrieben worden. Im Gegensatz zu
diesen Typen ist der einzige Cyathocrinus ein Rest der ober-
silurischen Fauna. Die in groBer Menge in den Karnischen Alpen
auftretenden Stielglieder, die vermutlich zu den beschriebenen
Arten gehoren, konnten in den meisten Fallen nicht naher be-
stimmt werden.
BeschreibuDg der Arten.
Fistulata.
Cyatliocrinidae F. Roemer (emend. Wachsm. Spr.).
Cyathocrinus Miller
Syn. Sphaerocrinus F. Roemer
Palaeocrinus Billings
Cyathocrinus carnicus n. sp.
1894 Cyathocrinus n. sp. Frech, Karnische Alpen S. 255.
Der Kelch ist schiisselformig und bat eine ganz glatte
Oberflache. Leider ist es wegen des ungiinstigen Erhaltungs-
zustandes der Basis unmoglich, die Zahl der Infrabasalia (Crypto-
basalia von Schulze) und ihre Abgrenzung naber zu unter-
scheiden.
Die fiinf groBen Basalia umschlieflen ein gerundetes Fiinf-
eck, dessen Durchmesser ca. 13 mm betragt.
Unter diesen fiinf Basalia sind vier von gleicher GroBe und
fiinfseitig. "Wahrend diese aber oben zugespitzt sind, ist das
fiinfte und hintere oben horizontal abgestumpft und durch diese
Abstumpfung zur Aufnahme der Analplatte bestimmt. Es ist
groBer als die iibrigen, secbsseitig, mit den drei oberen Riindern
von ungefahr gleicher Lange.
Dariiber folgen und mit diesen alternierend, die fiinf gleich
groBen Radialia. Sie sind ebenfalls fiinfseitig, subquadratisch
und sind mit einem breiten, den ganzen Oberrand einnehmenden
Gelenkausschnitt versehen.
In der Mitte dieser Gelenkflache steht eine kleinere keil-
formige, zugescharfte Medianleiste, die eine Divergenz der Arme
332
bewirkt hat, und die andeutet, dafl jedes Racliale articular fiir
zwei Armstarnme war.
Die Entfernung zwischen dem halbmondforniigen Ausschnitt
und der Leiste, welche die beiden kiirzeren Gelenkflachen trennt,
betragt ca. 3 mm.
Das Radianale, das auf dem schrnalen abgestumpften Ober-
rande des hinteren Basale ruht, ist sechsseitig und liegt zwischen
den zwei hinteren Radialia.
Die Kelchdecke ist nicht erhalten. Nur die Articulations-
flache der Basis der fiinf Arme ist vorhanden.
In einem kleinen Stuck liegt erne Saule, die sehr wahr-
scheinlich zu Cyathocrinus carnicus gehort. Sie ist aus sehr
niedrigen gleichhohen Gliedern zusarnmengesetzt und von einem
ziemlich groBen fiinfseitigen zentralen Nahrungskanal durchbohrt.
Ihr Durchmesser betragt etwa 8 — 9 mm, der des Kanals ca. 4,5mm.
Die Unterscheidung zwischen Taxocrinus und Cyathocrinus
hangt von der Zahl der Infrabasalia ab und betragt drei bei
der ersten Gattung und fiinf bei der letzten.
Leider gestattet der Erhaltungszustand der Basis, worauf
schon oben hinge wiesen wurde, nicht, eine Entscheidung iiber
die Zugehorigkeit der Art zu treffen. Den kleinen erhaltenen
Nahten nach zu schlieflen, diirften wahrscheinlich fiinf vorhanden
gewesen sein. Genaueres lafit sich iiber die Basis nicht auBern.
Dieser Umstand machte es notig, das Vergleichsmaterial der
Breslauer Sammlungen zu Rate zu ziehen. Danach ist dieses
Stiick zweifellos ein Cyathocrinus; denn es zeigt die iibrigen
Merkmale von Cyathocrinus so deutlich, dafl mau, die drei Basalia
voraussetzend, die Art unbedenklich zu dieser Gattung stellen
kann.
Taxocrinus affinis Muller1) der Eifel und Tax. multibran-
chiatus Lyon und Cass2) des Kalkes von Indiana zeigen ganz
andere Merkmale, besonders in der wellenformigen Ausbilclung
der Arme und des Kelches.
So steht die scheinbare Ahnlichkeit der Zahl der Infraba-
salia in Ubereinstimmung mit den anderen Merkmalen des
ganzen Tieres.
Yon Cyathocrinus ramosus3), Cyath. longimanus*) und Cyath.
acinotubus Angelin5) aus dem Obersilur unterscheidet sich die
•) Muller: Neue Echinodermen der Eifel. S. 244, Taf. I, Fig. 1, 2.
2) Araer. Journ. Science, 23.
3) Angelin : Iconographia Crinoideorum in Stratis Sueciae siluricis.
1878, S. 22, Tab. 20, Fig. 1—3.
*) EbendaS.22, Tab. 20, Fig. 4, 6, 7 ; Tab. 26, Fig. 4, 4a- c, 5, 5a - b.
5) Ebenda S. 22, Tab. 20, Fig. 5.
333
beschriebene Art durch die articulare Natur des Radiale erster
Ordimng, wahrend bei den drei genannten Arten erst das Radiale
dritter Ordnung als Articulare funktioniert.
Vorkommen: Aus dem Riffkalk im mittleren Unterdevon,
Wolayer Thorl.
Camerata.
Hexacrinidae Wachsm. Spr.
Hexacrinus Austin.
Hexacrinus Rostliorni Frech mscr.
1894 Hexacrinus Rosthorni Frech, Karnische Alpen, S. 255, 257, 259.
GroBter Klein ster
Durchmesser Durchmesser Hohe
ca 28 mm ca 23 mm ca 18 mm
„ 27 „ „ 21 „ „ 21 „
„ 28 „ „ 20 „ „ 26 „
v 36 „ „ 26 ,, „ 32 „
» 15 „ „ 13 „ „ 13 „
, IT , „ 14 „ ,. 18 „
Als Hohe des Kelches gilt in der vorstehenden Tabelle
die Entfernung des Stielansatzes yon dem hochsten Punkte
der Decke. AuBer clen Kelchen, deren MaBe oben angegeben
sind, liegen nocb einzelne Bruchstiicke vor. Durch Konibina-
tion der an diesen zahlreichen yerhaltnisniaBig giinstig erhal-
tenen Exeniplaren geroachten Beobachtungen ergibt sich das
folgende:
Der schusselformige Kelch besitzt eine ausgesprochen
zweiseitige Symmetric ; die Langs-Achse lauft in samtlichen
Fallen derart, da8 die Analplatte zwischen ibr und der ktirzeren
zu liegen kommt.
Fig. 1.
Kelchdecke von Hexacrinus Rostliorni Frech.
In dem grauen und dem roten Kalke der Karawanken bei Vellach
und zwischen Wolayer Thorl und Wolayer See (1 :1). Vergl. Taf.l, Fig. 5c.
Die monocyklische' Basis besteht aus drei gleichgroBen,
secbsseitigen Basalia, die ein kleines, niedriges, fast flach ge-
wolbtes Sechseck bilden. Bei dem dritten Exemplar, dessen
334
Dimensionen oben angegeben wurden, ist die Basis, wie schon
aus deu Ziffern zu entnehmen ist, ziemlicli scharf zugespitzt;
denn wahrend die Zahlen des langsten und kiirzesten Durch-
rnessers bei den ersten drei Stiicken zieinlicb konstant bleiben,
tibertrifft die Hohenziffer des dritten bedeutend die der zwei
anderen. Die extremen Formen aber sind durcb alle moglichen
Ijbergange miteinander verbunden. Wenn aucb die GroBe der
Kelche und das Yerbaltnis zwiscben ibrer Hobe und Breite in
gewissen Grenzen scbwanken, so wird dadurch der aufiere Ha-
bitus nur unwesentlicb beeinfluBt. Unmittelbar am Anbeftungs-
punkte der Saule ist die Basis ringforrnig eingescbnurtodergedriickt.
Dariiber folgt ein Kranz von sechs Tafelcben, die alter-
nierend dem borizontal abgestunipften Rande oder dem ein-
springenden Winkel der Basalia aufliegen. Fiinf yon diesen sind
Radialia, diefiinfseitig sind, aber einquadratiscbes Aussehenhaben,
da die kleinen Oberrander fast in einer geradenLinie verlaufen.
Das Verhaltnis zwiscben ibrer Hobe und Breite scbwankt
bedeutend, bald ist die Hobe doppelt so groB als die Breite,
bald sind beide einander fast gleicb. Jedenfalls erweitern sicb
die Radialia etwas nacb oben und sind mit einem breiten,
liber die Halfte des ganzen Oberrandes einnebmenden Gelenk-
ausscbnitt verseben.
Das Interradiale anale, das auf dem eicspringenden Winkel
zweier Basalia rubt, ist in der Mitte am breitesten und yer-
scbmalert sicb allmablicb nacb oben, obne iiber den Oberrand
der angrenzenden Radialia binauszutreten. Die beiden das
Interradiale begrenzenden Radialia sind etwas scbmaler als
die drei iibrigen.
Die nacb gewolbte Kelcbdecke ist mit 18 oder 19 ziemlicb
grofien Tafelcben gepflastert. Das secbs- oder siebenseitige
Mitteltafelcben ist yon 17 oder 18 anderen Tafelcben umgeben,
die in zwei Kreisen gruppiert»sind. In der inneren, kreisfor-
migen Tafelcbenreibe befindet sicb der excentriscbe After
und zwar zwiscben dem Mitteltafelcben und dem Interradiale.
Bei den zwei Exemplaren , deren Kelcbdecke gut erbalten ist,
stimmt die Anordnung und Zabl der Plattcben im After nicbt
liberein. In dem einen Exemplar besteht diese aus fiinf Fimf-
ecken, die ein secbstes umscblieBen, in dem anderen sind etwa
ein Dutzend kleine Plattcben obne bestimmte Anordnung vor-
banden. Ob bierauf weitere Spezies oder Yarietaten zu be-
griinden sind, kann erst nacb Auftindung eines vollstandigeren
Materiales entscbieden werden.
Die Afteroffnung ist nicbt zu einer Proboscis ausgezogen,
sondern bestebt lediglicb in einer Offnung der Kelchdecke.
335
Die ganze Kelchoberflache ist iiuBerst fein granuliert, ihr
Erhaltungszustand aber ist so ungiinstig, daB man urspriinglich
bedeutend starkere Granulationen annehmen muB.
Die cylindrische Saule bestebt aus iiberall gleicbhohen,
auf den Gelenknacben radiar gekerbten Gliedern, die an der
auBeren Peripherie mit einem kraftigen, scbarfen Ringwulst ver-
sehen sind. Die Glieder alternieren miteinander, das eine ganz
glatt, das andere mit Hockercben bekleidet. Sie sind in der
Mitte yon einem verhaltnismaBig feinen, runden Nabrungskanal
durcbbobrt. Die Arme sind nicbt erbalten.
Die auBere Gestalt der bescbriebenen Art gestattet keine
Yerwechslung mit den anderen Crinoiden aus gleicbaltrigen
Scbicbten nocb denen des Eifler Kalkes. Sie zeigt aber eine
auffallende Abnlicbkeit mit Hex. interscapularis Phill.') (Platy-
crinus granulifer F. Romer3), von dem ein sebr scbon erhaltenes
Exemplar zum Yergleich vorliegt. Die westfalische Art ist
bedeutend groBer, aber in bezug auf die Tafelchenanordnung
sowie in der auBeren Gestalt ist sie der unsrigen sebr nabe
verwandt, da in beiden Fallen die Breite die Hohe um ein
Drittel iibersteigt. Yon Hex. inter scapular is unterscheidet sie
sich durcb die kleinere Gestalt, die schmaleren, das Interradiale
begrenzenden Radialia und die bedeutend flachere Xelcbdecke.
Die Art wurde nach dem Kartner Geologen genannt, der
die Yerbaltnisse des Palaozoicums von Karnten und Bobmen
zuerst ricbtig beurteilt hat, dessen Beobachtungen aber in un-
yerdiente Yergessenheit geraten sind.
Yorkommen: Ziemlich haufig im grauen Crinoidenkalk
und dem roten Kalke des oberen Unterdeyon yon Pasterkfelsen
(Pistotta) bei Yellach. Ferner in mittelunterdevonischen
Scbicbten (F 2) zwischen Wolayer Thorl und Wolayer See.
Untersucht wurden 19 Stiicke.
Hexacrinus Frechi n. sp.
1894 Hexacrinus n. sp. Frech, Karnische Alpen. S. 257.
Kelchdurchmesser 15 mm
Hohe .... 19 mm
Die Form des Kelches ist der eines umgekehrten, abge-
stumpften Kegels ahnlich. Der untere Teil der Basis ist an
') Paleozoic Fossils, S. 28, Tab. 14., Fig. 39. Ygl. Schulze: Mo-
nographie der Echinodermen des Eifler Kalkes. Denkschr. d. k. k. Akad.
d. Wiss., Math.-Naturwiss. Kl. 26, 1867, S. 191, Taf. VIII, Fig. 5.
2) Verb. Naturh. V. Rheinland u. Westf. Jahrgang 9 S. 281, Taf. 2,
Fig. 1 a— e.
336
dem einzigen vorliegenden Exemplar merit erhalten. Gleichfalls
macht der ungiinstige Erhaltungszustand des oberen Teiles die
Abgrenzung der Basalia unmoglich. Jedenfalls aber zeigt das
Stiiek, daB die Basalia verhaltnismaBig hoch gewesen sein
miissen.
Die fiinf gleichgroBen Radialia, fast so breit wie hoch,
erweitern sich nach oben.
Das Interradiale anale ist bedeutend schmaler als die Ra-
dialia, wie diese etwas nach oben erweitert. Die Radialia nrid
das Interradiale erscheinen nndeutlicli subquadratisch oder
trapezformig, wahrend sie eigentlich fiinfseitig sind. Die Ra-
dialia zeigen an ihrem oberen Rand einen zieinlich tiefen Ge-
lenkausschnitt, der ungefahr die eine Halfte des gesamten
Randes einnimmt, so daB die oberen Ecken zweier aneinander-
grenzender Radialia scbarf zackenartig hervorragen.
In einem Einschnitt, der durch die Divergenz der schragen
Oberrander der Radialia zustande gekomnien ist, befindet sich
ein kleines fiinf- oder sechsseitiges Tafelclien.
Die Kelchdecke ist ziemlicli rund und stark gewulbt, rnit
sebr unregelmaBigen, hockerigen, blasig aufgetriebenen Tafelchen
bedeckt. Die Kelchdecke ist so koch gewolbt, da6 sie die
obere Halfte der gesamten Kelchkngel bildet.
Die Analplatte befindet sich in dem aufieren Kreis der
Tafelchen.
Arme und Siiule sind nicht erhalten.
In iluBerer Gestalt zeigt die karntner Art groBere Ahnlich-
keit mit Hexacrlnus e.rcidptus Goldfuss1) als mit irgendeiner
anderen Art.
Yon ihr aber unterscheidet sie sich durch das Yerhalten
des Interradiale anale. Wie schon erwahnt wurde, erweitert
sich das letztere bei der beschriebenen Art nach oben; bei
der Eifeler Art aber wird das Interradiale anale nach oben
schmaler.
Ferner unterscheidet sie sich durch die Ausbildung der
Oberflache, die bei Hezacrinus exculptus mit Randleisten oder
gerundeten Randwiilsten versehen und bei Hex. FrecJ/i ganz
glatt ist.
Vorkommen: In dem fleischroten Kalk des unteren Unter-
devon des Pasterkriffes bei Vellach.
]) Beitriige zur Petrefaktenkunde, S. 347, Taf. 32 Fig. 3, a, b, c.
337
Actinocrinidae Wachsm. and Spr.
Megistocrinus Owen and Shumard.
Syn. Actinocrinus Hall.
Megistocrinus devonicus n. sp.
1894 Megistocrinus sp. Frech, Karnische Alpen.
Kleinste Breite des Kelches 36 mm
Gronte Breite des Kelches 48 mm
Hohe des Kelches 30 mm
Die angegebene groflte Breite wurde in der, die Interradia-
lia schneidenden Ebene, die kleinste Breite yon dem
dorsalen Interradius bis zum Ventralradius imd die Hohe yon
den Basalia hinauf bis zu den Distichalia zweiter Ordnung
gemessen.
Der Kelch ist breit und schlisselformig mit ausgepragter,
zweiseitiger Symmetrie.
Fig. 2.
Projektion des Kelches von Megistocrinus devonicus n. sp.
In dem Unterdevon des Wolayer Thorls (1 : 1).
Die nur sehr wenig eingesenkte, monocyklische Basis ist
ein Sechseck, das yon den drei fiinfseitigen, gleichgroBen Ba-
salia gebildet wird. Sie ist von den fiinf gvoflen Radialia
erster Ordnung und dem Analinterradiale umschlossen. Auf
die Radialia erster Ordnung folgen jene der zweiten und
Zeitschr. d. D. Geol. Ges. 1914. 22
338
dritten Ordnung. Die Radialia erster und zweiter Ordnung
sind sechsseitig, das Radiale axillare aber fiinfseitig. Samtliche
Radialia nehmen nach oben an GroBe unbedeutend ab.
Auf das Radiale axillare folgen die zwei Distichalia. Jeder
Distichalradius, mit Ausnahme des ventralen, besteht aus zwei
Distichalia, yon denen das untere sechsseitig , das obere fiinf-
seitig und axillar ist. Auf diese folgen noch unregelmaBige
Palmarien. In dem yentralen Radius ist das Distichale axillare
sechsseitig.
Auf den oberen Seitenrandern der Distichalia erster Ordnung
und zwischen den Distichalia axillaria ruht das sechs- oder
siebenseitige Interdistichale. IJber die 'Form und Anordnung
der iiber diesem Interdistichale friiher yorhanden gewesenen
Tafelchen laBt sich des ungunstigen Erhaltungszustandes wegen
kein AufschluB geben. Samtliche Distichalia axillaria sind
kleiner als die Distichalia erster Ordnung und, ebenso wie die
Radialia, breiter als hoch. Das sechsseitige Interradiale erster
Ordnung ruht auf den oberen Seitenrandern der Radialia erster
Ordnung und zwischen den Radialia zweiter Ordnung. Darauf
folgen zwei Reihen, deren sechs- oder siebenseitige Tafelchen
nach oben an GroBe abnehmen und miteinander alternieren.
Der Interradius ist von ungefahr gleicher Breite wie der Radius.
Der Analinterradius ist jedoch breiter als die iibrigen
Interradien und besteht aus ziemlich groBen Tafelchen. Das
erste ist groB und sechsseitig. Es befindet sich in dem Kranz
der Radialia erster Ordnung. Dariiber folgen in drei Reihen
die anderen Tafelchen des Interradius. Sie sind unregelmaBig
fiinf-, sechs- oder siebenseitig und werden nach oben kleiner.
Die mittlere Tafelreihe zeichnet sich von den zwei auBeren
durch die bedeutende GroUe der Tafelchen sehr deutlich aus.
Nur der innere Abdruck des Kelches ist erhalten, so daB
es unmoglich wurde, die urspriingliche Kelchoberflache und
ihre Ornamentierung zu beobachten.
Kelchdecke, Arme und Saule sind ebenfalls nicht erhalten.
Infolge des Gebirgsdruckes, welchem dieses Stuck unter-
worfen wurde, ist das Ganze etwas zerquetscht, und an einigen
Stellen sind die Tafelchen auseinandergerissen. Doch^der Erhal-
tungszustand ist geniigend giinstig, um die yollstandige Tafel-
chenanordnung klarzulegen. Megistocrinus ist vornehmlich im
Carbon entwickelt. AuBerdem hat Oehlekt1) vor Jahren aus
dem hoheren Unterdevon Asturiens Meg. Walisz&wskii beschrieben.
l) Bull. Soc. Geol. de France. Ser. 3, Tome 24, 1896, S. 818, Taf.
26, Fig. 1-4.
339
Mit ihm ist unsere Art sehr nahe verwandt, mit der sie sowohl
in bezug auf ihre GroBe als auch die Tafelanordnung eine
groBe Ahnlichkeit zeigt. Doch ist Meg. Waleszewskii , wie
Oehlert selbst hinwies, kein echter Megistocrinus , da die Ent-
wicklung des Analinterradius ganz abnorm ist, der aus fiinf
Tafelreihen besteht, wahrend er bei der karnischen Art deren
drei zeigt. Aus diesem Grunde ist unsere Art mit der spa-
nischen gar nicht zu verwechseln.
Yon dem Typus Meg. Evansii Owen and Shum.1) und you
den anderen Arten der Gattung unterscheidet sie sich durch
das ganze Aussehen des Kelches und die Form und Anordnung
der Tafelchen.
Megistocrinus ist fast ausschlieBlich auf das Devon
und Carbon yon Amerika beschrankt. Die Gattung wurde
auBerdem aus dem Carbon von Irland — Meg. globosus (== Ac-
tinocrinus globosus Phill.) — beschrieben.
Meg. Waliszewskii stammt aus dem Unter- oder Mitteldevon
von Santa Lucia. AuBer den zwei Vorkommnissen von Spanien
und den Karnischen Alpen kommt die Gattung nur in hoheren
Stufen bis zum Carbon hinauf vor.
Yorkommen: Unterdevon, Wolayer Thorl.
Melocrinidae F. Roemer (emend. Wachsm. Spr.).
Melocrinus Goldfuss.
Melocrinus prostellaris Frech mscr.
1894 Melocrinus prostellaris Frech, Karnische Alpen mscr.
Der Kelch ist birnenformig. Seine groBte Breite entspricbt
der durch die Radialia distichalia zweiter Ordnung gelegten
Ebene.
Die monocyklische Basis besteht aus vier ein Funfeck
bildenden Basalia, von denen drei gleich und fiinfseitig sind,
das vierte etwas groBer und sechsseitig ist.
Die Radialia erster Ordnung stoBen in einem geschlossenen
Kranz um das Funfeck zusammen. Dariiber folgen die Radia-
lia zweiter und dritter Ordnung. Samtliche Radialia sind
sechsseitig. Auch das Radiale axillare ist, abweichend von der
bei den iibrigen Arten der Gattung herrschenden Regel, sechs-
seitig.
Die Distichalia, von denen einige gut erhalten sind, sind
sowohl in bezug auf ihre Anordnung und GroBe als auch die
2) U. S. Geol. Rep. Iowa, Wise, and Minn. 1852 S. 594, Taf. 5, Fig.
3a, b.
22*
340
Zahl ihrer Seiten auBerst unregelmaBig. In samtlichen Fallen
aber ist ein fiinf- oder sechsseitiges Interradiale vorhanden,
das im allgemeinen kleiner ist als die umgebenden Distichalia.
Stets ist es kleiner als die Radialia.
Was nun die Interradialia betrifft, so bestehen dieselben
zunachst aus einem Kranz yon fiinf groBen, sechsseitigen Inter-
radialia erster Ordnung, die sich auf die oberen, scbragen
Riinder der Radialia erster Ordnung stiitzen und zwischen
den unteren Seitenrandern der Radialia zweiter Ordnung liegen.
liber den Interradialia erster Ordnung folgen die zahlreichen
anderen, unregelniaBigen fiinf-, seeks- oder siebenseitigen Inter-
radialia in zwei Reiken, die fast unmerklick nack oben an
GroBe abnekmen.
Fig. 3.
Projection des Kelches von Melocrinus prostellaris Frech.
In dem Unterdevon des Wolayer Thorls (1 : 1).
Das Interradiale erster Ordnung in dem Analinterradius
ist bedeutend groBer als die iibrigen und acktseitig. Darauf
folgen die anderen Interradialia in drei Reiken, deren mittelste
aus secksseitigen Tafelcken bestekt, wahrend die beiden iiuBe-
ren aus kleineren, meistens secksseitigen Tafelcken zusammen-
gesetzt sind, die nack oben an GroBe abnekmen. Die Hoke
der Tafelcken des Kelches ist durchweg grofier als die Breite.
Demnach besitzt die alpine Art bedeutend grofiere Dimensionen
als ihre Nachkommen im Eifler Kalke.
341
Kelchdecke, Saule und Arme wurden nicht beobachtet.
Da das Stuck nur den Abdruck des Kelches darstellt, ist
es unmoglich zu erkennen, ob das Exemplar ursprunglich glatt
oder mit Skulptur versehen war.
In der auBeren Gestalt zeigt die beschriebene Art einige
Ahnlichkeit mit Melocrinus stellaris F.Roemer1), obwohl die letztere
bedeutend geringere Dimensionen erreicht. Melocrinus pro stellaris
zeigt ferner nicht die eigentiimliche sternartige Skulptur, die
Mel. stellaris besonders cbarakterisiert.
Vorkommen: Das Unterdevon, Wolayer-Thorl.
Rhodocrinidae F. Roemer.
Rhipidocrinus Beyrich.
Syn. Rltodocrinus Goldfuss.
Bhipidocrinus praecursor Frech mscr.
1894 Rhipidocrin us praecursor Frech, Karnische Alpen S. 255.
Breite des Kelches . . 27 mm 33 mm
Hohe2) des Kelches . . 9 mm 11 mm
Saule-Durchmesser . . 7 mm 11 mm.
Der schusselformige Kelch ist breit und hat eine glatte Ober-
flache. Die dicyclische Basis ist etwas eingesenkt und zehn-
Projektion des Kelches von Rhipidocri/ws praecursor Frech.
In dem Unterdevon des Wolayer Thorls (1:1).
seitig, da sie von den fiinf Radialia und den fiinf Parabasalia
umgeben ist. Der Erhaltungszustand, der iibrigens nicht un-
l) Verhdl. d. naturhist. Vereins f. Rheinland 8, S. 362, Taf. VII,
Fig. 2a- c.
3) Bis auf den Oberrand des ersten Palmare.
342
giinstig ist, macht die Abgrenzung und ITnterscheidung der In-
frabasalia unmoglich. Die Basis ist von einem kleinen, fiinf-
lappigen Nahrungskanal durchbohrt. Die zehnseitige Basis
zeigt funf langere Seiten, die von ebenso vielen kleinen unter-
brochen sind; die ersteren entsprechen den unteren Randern der
Radialia, die letzteren den kleinen Parabasalia, die sich zwischen
die groBeren Radialia einschieben.
Samtliche Radialia erster Ordnung sind sechsseitig und
ruhen auf den langen Seiten des Zehnecks, wahrend sich den
kleinen Seitenrandern die Parabasalia anfiigen. Die anderen
Seitenrander sind bedeutend langer. Den breiten horizontalen
Randern der Radialia erster Ordnung liegen die funf sechsseitigen
Radialia zweiter Ordnung auf. Ihre unteren Seitenrander sind
langer als die oberen mit Ausnahme der zwei den Analinteradius
begrenzenden Radialreihen, deren Anordnung umgekehrt ist.
Dem oberen Rande der Radialia zweiter Ordnung liegt ein
Kranz yon funf funfseitigen Radialia auf, die keilforniig und
zugesoharft sind, da sie axillar fur zwei Distichalreihen dienen.
Jeder Distichalradius besteht aus zwei Distichalia, von denen
das untere sechsseitig, das obere fiinfseitig und axillar ist.
Auf diese Distichalia axillaria folgen kleinere, sechsseitige
Palmaria. Zwischen den unteren Seiten der Distichalia zweiter
Ordnung und auf den oberen Seitenrandern der Distichalia
erster Ordnung ruhend befindet sich das kleine, siebenseitige,
symmetrische Interdistichale. Samtliche Distichalia werden nach
oben zu kleiner und sind wie die Radialia breiter als hoch.
Die Interradialia bestehen zunachst aus einem Kranz von
funf ziemlich groBen Interradialia erster Ordnung, die auf den
kleinen, horizontalen, oberen Randern der viereckigen Parabasalia
aufliegen und von je zwei Radialia erster und zweiter Ordnung
begrenzt sind. Yier davon sind siebenseitig und tragen liber
sich zwei etwas kleinere, sechs- oder siebenseitige Interradialia
zweiter Ordnung. Auf diese folgen noch andere unregelmaBig
sechs- oder siebenseitige Tafelchen, die nach oben zu an GroBe
abnehmen. Die unteren Interradialia folgen zu Paaren, ohne aber
eine bestimmte Anordnung erkennen zu lassen.
Das fiinfte Interradiale erster Ordnung ist achtseitig. Auf
seinen drei oberen Randern liegen drei Interradialia zweiter
Ordnung, von denen das mittelste, das Interradiale anale, be-
deutend grbBer ist als die zwei anderen.
IJber diesen folgen drei kleinere Interradialia dritter Ordnung,
denen wiederum drei andere Tafelchen folgen. Dariiber sind
noch kleine Tafelchen ohne bestimmte Gruppierung vorhanden.
Samtliche Tafelchen des Analinterradius, mit Ausnahme des
343
ersten, sind sechsseitig und werden nach oben zu kleiner. Die
mittlere Tafelreihe ist bedeutend grofler als die zwei aufieren.
Kelchdecke und Arme sind unbekannt.
Die runde Saule ist ziemlich dick und von einem verhaltnis-
maBig sehr kleinen, fiinfseitigen Kanal durchbohrt. Ihre ziem-
lich niedrigen Glieder sind mit einer scharfen Ringwulst ver-
sehen.
JRhipidocrinus praecursor ist in auBerer Gestalt dem Rhipi-
docrinus crenatus Goldfuss1) ziemlich ahnlich, unterscheidet sich
aber, abgesehen von der netzartigen Skulptur und den Runzeln,
die die Kelchoberflache bei der Eifler Art bedecken, durch die
Kleinheit der vierseitigen Parabasalia. AuBerdem beruhren sich
die letzteren nicht wie bei der rheinischen Art, sondern sind
durch die Radialia erster Ordnung voneinander getrennt.
Yorkommen: Das Unterdevon, Wolayer Thorl.
Rhipidocrinus alpinus n. sp.
1894 Rhipidocrinus n. sp. Frech, Karnische Alpen, S. 257.
Breite des. Kelches .... 52 mm
Hohe des Kelches . . . . 17 mm
Die dicyklische Basis ist etwas eingesenkt. Die Infrabasalia,
funf an der Zahl, bilden fiber dem Stiel ein Fiinfeck. Urn dieses
ordnen sich die funf sechsseitigen Basalia an, deren Breite
groBer als die Hohe ist. Die unteren Seitenrander, durch
welche sich die Basalia vereinigen, sind auBerst kurz, wahrend
die oberen, die die Radialia erster Ordnung umgrenzen, lang
sind. Der obere Rand ist dem unteren parallel und stiitzt das
Interradiale erster Ordnung. Somit ist der UmriB der Basalia
trapezformig.
Dariiber folgen, auf den oberen Seitenrandern der Bas'alia
ruhend und regelmaBig mit ihnen alternierend, die funf fiinf-
seitigen Radialia erster Ordnung. Ihnen folgen die funf sechs-
seitigen Radialia zweiter Ordnung.
Uber diesen endlich folgt wiederum, dem unteren RaDde
der Radialia zweiter Ordnung aufliegend, ein Kranz von funf
fiinfseitigen Radialia, die keilformig sind und axillar fur zwei
Distichalradien als Stutzpunkte dienen. Dort an der Stelle,
wo die Interradialia distichalia liegen sollen, ist die Erhaltung
des Kelches sehr mangelhaft, doch diirften zwei Reihen von
Interradialia vorhanden gewesen sein.
Jeder Distichalradius besteht aus zwei Radialia distichalia,
die durchgangig sechsseitig sind und von denen das untere
J) Petref. Germ. Bd. I, S. 211, Taf. 64, Fig. 3,
344
groBer als das obere ist. Ein Interdistichale, das zwischen den
Distichalia liegen miiBte, ist des schlechten Erhaltungszustandes
wegen nicht zu beobachten. J)och ist nacb der Form und An-
ordnung der Distichalia die Yermutung erlaubt,. daB sie durch
ein secbs- oder siebenseitiges Interdisticbale voneinander ge-
trennt waren.
Die drei Radialia nebst den zwei Distichalia schlieBen sich
mit den benachbarten zu einer unregelmaBigen Ellipse zusammen,
welche die sechs Interradialia umgrenzt.
Das Interradiale erster Ordnung, das sich auf den ab-
gestumpften Oberrand der Basalia stiitzt, ist groB und sieben-
seitig. Die Radialia werden durch dieses getrennt, das sich
zwischen den Radialia erster Ordnung und den unteren, schragen
Seiten der Radialia zweiter Ordnuug befindet. Die Interradialia
zweiter Ordnung bestehen aus zwei kleinen Tafelchen. Dar-
iiber folgen noch zwei dritter Ordnung nebst einem oder zwei
Tafelchen.
Projektion des Kelches von Rhipidocrinus alpinus n. sp.
Id dem roten Krinoidenkalke des unteren Unterdevon des Pasterkfelsens
bei Vellach (1:1).
Die Interradialia sind mit Ausnahme des ersten gewohulich
sechsseitig und nehmen nach oben an Grofle ab.
345
Ira Kranz der Radialia und Interradialia erster Ordnung
befindet sich das groBe, siebenseitige Tafelchen des Analinter-
radius. Dariiber folgen die zwei untersten Glieder der zwei
auBeren Tafelreihen; die ganze mittlere Tafelreihe einschlieBlich
der Analplatte sowie die Tafelchen der zwei anderen Reihen
sind leider nicht erhalten. Doch diirften sie wahrscheinlich eine
ahnlicheAnordnurjgbesessenhabenwiebeii?/?ipic/ocr/7?MS2?raecwrsor.
Samtliche Tafelchen sind breiter als hoch.
Die Nahte sind yertieft, wie sich trotz der schlechten Er-
haltung beobachtenlaBt. TJrspriinglich wardieOberflachevielleicht
granuliert.
Kelchdecke, Arme und Saule sind nicht erhalten.
In der Tafelanordnung zeigt die beschriebene Art eine ge-
wisse Ahnlichkeit mit Bhvpidocrwus crenatus Goldfuss, weicht
aber von dieser Art ab, eimnal durch das Fehlen der eigen-
tiimlichen, feinen Runzeln und der eigenartigen Skulptur, die
die Eifler Art charakterisieren, dann auch durch die Lage der
groBten Breite des Kelches. Einerseits erweitert sich der Kelch
bei Rhipidocrinus crenatus unrnittelbar iiber der Basis sackartig,
so dafl haufig noch Parabasalia und Radialia erster Ordnung in
der auf der Saule senkrecht stehenden Flache liegen. Folglich
ist hier die groBte Breite des Kelches zu bezeichnen. Anderer-
seits liegt bei Bhijndocrinus alpinus die grofite Breite weit hoher
und zwar in der durch die Distichalia zweiter Ordnung
schneidenden Ebene.
Ferner sind die vorliegenden Exemplare bedeutend groBer
als die entsprechenden Crinoiden des Eifler Kalkes, d. h. geradezu
doppelt so groB.
Die Hauptmerkmale der neuen Art bestehen daher in der
eigentumlichen, hohen Lage der groBten Breite des Kelches und
seiner bedeuteuden GroBe.
Yorkommen: Ini roten Kalk des Unterdevon des Pasterk-
felsens bei Yellach.
Calyptocrinidae Angblin.
Eucahjpto cr inus Goldfuss.
Eucahjptocrinus ex aff. rosaceo1) Goldfuss.
1894 Eucahjptocrinus cf. rosaceo Frech, Karnische Alpen p. 259.
Es liegen ein Kelch und zwei isolierte Basalpyramiden
vor. Die Basis des Kelches zeigt eine tiefe, trichterforrnige
') Eucahjptocrinus aff. rosaceo Goi/df.
1838 Ettcah/ptocrim/s rosaceusGromv.. Petref. Geim.S. 335, Tab. 30, Fig. 6.
346
Einsenkung wie der Boden einer Weinflasche. Sie besteht aus
vier Basalia, von denen das eine grower ist als die drei iibrigen.
Der untere Teil des Kelches wird durch die fiinf gleichen, tra-
pezformigen Radialia erster Ordnung gebildet. Die anderen
Tafelchen der Radien sind nicht vorhanden. Die ganze Ober-
flache ist rait auflerst feinen Runzeln und Granulationen verziert,
die eine Unterscheidung der einzelnen Tafelchen schwierig
machen.
Die Saule ist nicht erhalten, doch ist sie, der Haftstelle
nach zu urteilen, ungefahr rund gewesen, hat aber die ganze
Hohlung der Basis nicht ausgefiillt.
Kelche, Decke und Arme sind ebenfalls nicht erhalten.
Der Kelch, von dem nur der unterste Teil erhalten vorliegt,
ist bedeutend kleiner als die meisten dieser Art. Wahrend bei
dem beschriebenen Stuck der Kelchdurchmesser etwa 20 mm
betragt, ist derselbe bei den Exemplaren, wie sie z. B. Schulze
abbildet, um das Zweifache oder Dreifache groBer. Jedoch
stimmt die Form des Kelches und die Anordnung der Tafelchen
mit der genannten Art gut iiberein, so daB die Zugehorigkeit
zu einer vermutlich neuen Art aus der Yerwandtschaft von
Eucalyptocrinus rosaceus sehr wahrscheinlich ist. Richtig ist
jedenfalls der Nachweis des Yorkommens dieser Gattung im
Unterdevon der Alpen, da die Gattung mit Bhipidocrinus cre-
nalus zu den haufigsten und charakteristischsten Crinoiden des
Mitteldevon gehort.
Yorkommen: Im unterdevonischen, grauen Crinoidenkalk
des Pasterkfelsen bei Yellach.
Zusammenfassung.
Unter den acht beschriebenen Crinoidenarten stammen
Ctjathocrinus carnicus, Megistocrinus devonicus, Melocrinus prostel-
laris und Rhipidocrinus praecursor aus dem Unterdevon des Wo-
layer Thorl. Die anderen Arten kommen in den Karawanken
bei Yellach in dem oberen Unterdevon vor und zwar Euca-
1853 Eucalyptocrinus rosaceus De Koninck et Lehon, Recherches sur des
Crinoids du Terrain Carbonifiere de la Belgique S. 73.
1855 Eucalyptocrinus rosaceus F. Romer, Lethaea Geognostica S. 259, Tab.
4 Fig. 20 a-c.
1866 Eucalyptocrinus rosaceus Schulze, Monographie der Echinodermen
des Eifler Kalkes. Denkschr. d. k. k. Akad. d. Wiss. S. 90, Tab.
11, Fig. 1-14.
1885 Eucalyptocrinus rosaceus Wachsmuth and Springer. Revision of
the Palaeocrinoidea, Part III, S. 134.
1895 Eucalyptocrinus rosaceus Holzapfel, Oberes Mitteldevon im Rhei-
nischen Gebirge. Abh. d. Kgl. Geol. Landesanst. N. F. 16, S. 303.
347
lyptocrinus ex aff. rosaceus in dem grauen Crinoidenkalk, Rhipi-
docrinus alpinus und Hexacrinus Freeh i in dem roten Crinoiden-
kalk, wahrend Hexacrinus Rosthorni an alien drei Fundorten
gesanimelt wurde.
Da Frech aus anderen Griinden das Alter des Riffvor-
kommens bei Vellach als jiingeres Unterdevon gleich Gl von
Bohmen gedeutet hat, bildet die Bestimmung der Crinoiden-
kelche eine weitere Stiitze fur diese Anschauung.
Bemerkenswert sind die bedeutenden Dimensionen, die die
Kelche des grofleren Teiles der beschriebenen Art erreichen.
Sie iibertreffen bei weitem die entsprechenden mitteldevonischen
meistens in der Eifel vorkommenden Nachfolger derselben Gat-
tungen. Nur Eucalyptocrinus ex aff. rosaceo und Hexacrinus
Rosthorni bilden in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Dieser
Groflenunterschied ist wohl darauf zuruckzufuhren, daJ3 die Eifler
Arten in dem schlammigen Wasser der Crinoidenschicht lebten,
wahrend die karnischen bzw. Karntner Formen in einem fast
chemisch reinen Kalk vorkommen. Dafl fur festgewachsene
Meerestiere wie Korallen und Crinoiden die Lebensbedingungen
im reinen Wasser im allgemeinen giinstiger sind als in schlamm-
getriibten Meeresteilen, ist eine aus der Gegenwart bekannte
Tatsache.
Manuskript eingegangen am 24. November 1913.]
IV. Korallen und Stromatoporoiden.
Von Herrn John K. Charlesworth.
(Hierza Tafel XXX-XXXIV.)
Einleitung.
Die folgende Arbeit iiber die Korallen bildet den SchluB
der Beschreibung der unterdevonischen Fauna der Ostalpen,
die yon Frech1) mit der Beschreibung der Crustaceen, Cepha-
lopoden, Gastropoden und Wurmer im Jahre 1894 begonnen
wurde und von Scupin2) mit der Beschreibung der Lamelli-
branchiaten und Brachiopoden, vom Verfasser mit der der Cri-
') Die Fauna des unterdevonischen Riffkalkes I. Diese Zeitschr.
46, 1894, S. 446, Taf. 30-37.
3) Das Devon der Ostalpen IV. Die Fauna des unterdevonischen
Riffkalkes [I, 57, 1905, S. 91, Taf. 5, 6; 58, 1906, S. 213 Taf.
11-17.
348
noiden fortgesetzt wurde. Herr Frech hat mir die Liebens-
wiirdigkeit erwiesen, sein gesamtes Korallenmaterial in freund-
lichster Weise zur Verfiigung zu stellen, um die Beschreibimg
der Fauna zum AbschluB zu bringen. Ich mochte ihm auch
an dieser Stelle dafiir meinen aufrichtigen Dank aussprechen.
Nach den Brachiopoden bilden die Korallen die zahlreichste
und wichtigste Tierklasse des karnischen Unterdevons. Leider
lieB der Erhaltungszustand oft viel zu wiinscben iibrig, so daB
Beobacbtungen iiber die Innenstruktur mittels Langs- und
Querschliffen, wo es angebracht gewesen ware, nicht immer er-
folgen konnten. Docb gestattet das Material in den meisten
Fallen, wenigstens einen SchlifT anzufertigen.
Samtliche Stiicke stammen von den Fundorten Wolayer
Thorl, Seekopf-Thorl, oberes Yalentin-Tal und Cellonkofel1).
Von den vier Fundorten befindet sich der PlockenpaB
ostlich des Cellonkofels, wahrend die Fundorte Wolayer Thorl,
Seekopf-Thorl und oberes Yalentin-Tal unmittelbar nebenein-
ander liegen. Der Cellonkofel ist dadurch wichtig, dafl die
vorliegenden Korallen die einzigen organischen Reste sind,
die hier uberhaupt gefunden wurden. Sie zeichnen sich durch
gute Struktur aus, wodurch die geringe Zahl der Exemplare
gewissermafien ausgeglichen wird. Die Struktur ist bedeutend
besser als bei den weiter westlich aufgesammelten Stticken.
Wesentliche Unterschiede wurden nicht beobachtet, so da£
der Zusammenhang mit dem westlichen Teil des Hochgebirgs-
kammes sicher steht. Von den vier genannten Fundorten hat
sich das Wolayer Thorl bei weitem als das reichhaltigste,
sowohl in bezug auf Artenreichtum wie Zahl der Exemplare,
erwiesen.
D